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ackten oder unsere Bäcker stifteten)<br />
kennenlernten und versuchten, jeweils<br />
individuell zu begleiten: die einen<br />
mußten ermutigt werden, Entgiftung<br />
und Therapie zu machen; andere wieder,<br />
Arbeit und Wohnung zu suchen;<br />
wieder andere, sich in eine feste Einrichtung<br />
zu begeben. Wir hielten den<br />
engen Kontakt zu den haupt<strong>am</strong>tlichen<br />
Mitarbeitern in der Obdachlosenarbeit,<br />
nämlich zu zwei Mitarbeitern der Caritas,<br />
die eine täglich tagsüber geöffnete<br />
Beratungsstelle betreiben, sowie zu anderen<br />
Einrichtungen und Hilfsangeboten<br />
in Lüdenscheid. Gleichzeitig gingen<br />
wir auf gemeins<strong>am</strong>e Unternehmungen,<br />
veranstalteten in Zus<strong>am</strong>menarbeit<br />
mit unserer Kirchengemeinde<br />
Oberrahmede Feste, beteiligten uns an<br />
Initiativen, nahmen an Veranstaltungen<br />
teil, organisierten Möbel, Kleidung,<br />
Gebrauchsgegenstände, Weihnachtsfeiern<br />
und vieles andere mehr. Unser<br />
Anliegen wurde dabei immer mehr,<br />
die Obdachlosen mit ihren Fähigkeiten<br />
einzubinden und zum Zuge kommen<br />
zu lassen. Wir alle lernten das Staunen<br />
über das, was sie zu geben und einzubringen<br />
hatten und über den Eifer, den<br />
sie dabei an den Tag legten.<br />
Nach einem Jahr Container konnten<br />
wir die ersten beiden Wohnungen als<br />
OFK anmieten und an Obdachlose untervermieten.<br />
D<strong>am</strong>als ahnte allerdings<br />
noch keiner von uns, daß wir im Laufe<br />
der nächsten 4 Jahre 19 eigene Wohnungen<br />
anmieten und untervermieten<br />
und die darin wohnenden ehemaligen<br />
Wohnungslosen begleiten würden.<br />
3 Jahre nach Gründung des OFK wurde<br />
das Provisorium Container aufgelöst<br />
und eine Übernachtungsstätte mit<br />
12 Betten für Männer in einem festen<br />
Haus eingerichtet. Unsere Mittwochstreffen<br />
verwandelten sich nun in ein<br />
gemeins<strong>am</strong>es Kochen und Essen in der<br />
Caritas-Beratungsstelle mit Wohnungslosen<br />
und nun schon vielen ehemaligen<br />
Wohnungslosen.<br />
Noch immer war die Mitarbeit von<br />
Gemeindegliedern und mir als Gemeindepfarrerin<br />
eher privates Hobby<br />
mit „Gemeindeberührung“. Zwar k<strong>am</strong>en<br />
bereits einige Wohnungslose und<br />
ehemalige Wohnungslose zum <strong>Gottes</strong>dienst<br />
und wurden herzlich aufgenommen,<br />
aber Freundschaft und Integration<br />
konnte man das noch nicht nennen.<br />
58<br />
Der Durchbruch sollte erst 5 Jahre<br />
nach Gründung des Freundeskreises<br />
kommen und das mit unserem Pro<br />
Christ-Bistro. Seit 1997 wuchs in unserer<br />
Gemeinde mehr und mehr der<br />
Wunsch: wir wollen einladende Gemeinde<br />
sein, gastfreundlich, herzlich<br />
und aufgeschlossen. So drängte es sich<br />
bei der Vorbereitung für Pro Christ Lüdenscheid<br />
auf: Unsere Kirchengemeinde<br />
Oberrahmede wird ein Pro Christ-<br />
Bistro gestalten und das gemeins<strong>am</strong><br />
mit dem OFK.<br />
Unsere Gemeinde hatte dabei ihr<br />
Schlüsselerlebnis: zu erleben, wie eifrig,<br />
umsichtig und liebevoll Wohnungslose<br />
und ehemals Wohnungslose<br />
Kaffee und Tee kochten, Getränke bereitstellten<br />
und anboten, Snacks zubereiteten<br />
und reichten, sowie Süßigkeiten<br />
zus<strong>am</strong>menstellten und die Besucherinnen<br />
und Besucher d<strong>am</strong>it empfingen,<br />
das war die Initialzündung.<br />
Seitdem haben unsere „Obdis“, wie<br />
wir sie liebevoll nennen, ihren festen<br />
Platz in der Gemeinde gefunden.<br />
Sonntag für Sonntag haben sie die<br />
Bewirtung der Tische für’s anschließende<br />
Kirchencafe in den Händen.<br />
Gemeindemitglieder wechseln sich dabei<br />
ab, den Fahrdienst für unsere Obdachlosen<br />
zu übernehmen und sie zum<br />
<strong>Gottes</strong>dienst zu holen. 8 bis 10 von ihnen<br />
gehören zu den regelmäßigen<br />
<strong>Gottes</strong>dienstbesuchern an jedem Sonntag,<br />
andere kommen darüber hinaus<br />
von Zeit zu Zeit. Unser <strong>Gottes</strong>dienst<br />
hat sich in den letzten Jahren mehr und<br />
mehr verändert. An jedem <strong>Gottes</strong>dienst<br />
sind mehrere Gemeindeglieder<br />
beteiligt in Form der Begrüßung, der<br />
Schriftlesung, des Fürbittengebetes<br />
und der musikalischen Gestaltung mit<br />
verschiedenen Instrumenten. Das<br />
russische Kyrie, das Taizé-Lied<br />
„Ador<strong>am</strong>us te“ und ein Anbetungslied<br />
nach der Schriftlesung haben ihren<br />
festen Platz.<br />
Wir spüren selbst die herzliche Atmosphäre<br />
und Freude im <strong>Gottes</strong>dienst.<br />
Unsere Obdis sind unsere „schnelle<br />
Eingreiftruppe“ geworden. Ob es um<br />
den Umbau unserer Kirchenstühle bei<br />
Kirchencafé und Konfirmation, Festen,<br />
Feiern und Veranstaltungen, um<br />
Essens-Angebote bei Veranstaltungen,<br />
um Umbau- oder Säuberungsaktionen<br />
rund um die Kirche, oder auch private<br />
Umzüge, Gartenpflege, Renovierungen,<br />
Instandsetzungen geht – „unsere<br />
Jungs“ sind für alles einzubauen.<br />
Das Schönste aber ist, daß nun eben<br />
auch eine Reihe privater Kontakte entstanden<br />
sind, so daß gegenseitige Besuche<br />
und gemeins<strong>am</strong>e Unternehmungen<br />
von Gemeindegliedern und Obdis<br />
untereinander zustande kommen. Ein<br />
nicht unerheblicher Nebeneffekt innerhalb<br />
unserer Gemeinde war zugleich,<br />
daß verschiedene Gemeindeglieder auf<br />
einmal Zugang zur Gemeinde und<br />
Aufgaben und Aufgabenbereiche in<br />
der Gemeinde fanden, die vorher ihren<br />
Platz noch nicht gefunden hatten. Dies<br />
sind <strong>Menschen</strong>, die sehr praktisch-robust<br />
ausgerichtet oder einfacher strukturiert<br />
sind oder sich anderen gegenüber<br />
unterlegen oder nicht so gut nützlich<br />
fühlten. Angefangen vom gemeins<strong>am</strong>en<br />
Holzschlagen im Wald für die<br />
Öfen, mit den die meisten der OFK-<br />
Wohnungen geheizt werden, bis hin<br />
zum praktischen Werkeln und Reparieren<br />
und unbeschwertem kindlichen<br />
Spaßhaben beim gemeins<strong>am</strong>en Wandern<br />
und Picknick und anderem mehr.<br />
Für mich ist es ein kleines Wunder.<br />
Vor Jahren noch habe ich daran gelitten,<br />
daß unsere Obdachlosen zwar<br />
selbstverständlich Aufnahme in unserer<br />
Gemeinde fanden und gern gesehene<br />
Gäste waren, aber keine Freundschaften<br />
fanden. Nun aber entstehen<br />
herzliche Kontakte untereinander und<br />
schöne liebevolle Gemeins<strong>am</strong>keiten.<br />
Allem voran und vor allen Dingen gilt<br />
unser Dank für dies alles von ganzem<br />
Herzen unserem Herrn.<br />
Monika Deitenbeck-Goseberg,<br />
Lüdenscheid<br />
SENDUNG<br />
<strong>Gottes</strong> <strong>Lust</strong> <strong>am</strong><br />
<strong>Menschen</strong><br />
Predigt zu Psalm 18,20<br />
im Sendungsgottesdienst<br />
Liebe Kongreßteilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer,<br />
wir haben so viel in diesen Tagen erlebt.<br />
Ganz viel ist uns durch den Kopf<br />
und in den Kopf gegangen. Wir haben<br />
gehört, daß nur das, was ins Herz geht,<br />
uns auch verwandelt. So laßt uns bitten,<br />
daß Gott uns einen Augenblick<br />
schenkt, in dem unsere Herzen weit<br />
geöffnet sind und wir die herzliche<br />
Liebe <strong>Gottes</strong> erkennen: Vater, wir bitten<br />
dich um deine Gegenwart. Wir bitten<br />
dich, daß du unser Herz weit<br />
machst. Bitte hilf, daß unsere Herzen<br />
von deiner Herzlichkeit und Liebe<br />
berührt werden. Amen.<br />
„Er führte mich hinaus ins Weite. Er<br />
riß mich heraus, denn er hatte <strong>Lust</strong> zu<br />
mir.“ – Wenn Luther nicht den Mut gehabt<br />
hätte, in Psalm 18 Vers 20 das hebräische<br />
Wort mit „<strong>Lust</strong>“ zu übersetzen,<br />
so hätten wir es vermutlich überlesen.<br />
„Gott liebt dich!“, das ist eine<br />
Stereotype geworden, die wir ohne<br />
Emotionen predigen und weitersagen,<br />
ohne daß es noch jemanden vom<br />
Hocker reißt. Aber das Wort: Gott hat<br />
<strong>Lust</strong> an mir – das läßt aufhorchen. Ich<br />
gebe zu, dieses Wort in diesem Zus<strong>am</strong>menhang<br />
hat mich überrascht. Ich will<br />
sagen, woran ich zuerst gedacht habe.<br />
Vor vielen Jahren – es war zur Eröffnung<br />
des Farbfernsehens in Deutschland<br />
– sah und hörte ich ein Interview.<br />
Die <strong>am</strong>erikanische Gospelsängerin<br />
Mahelia Jackson war zu einer Gala<br />
eingeladen, und einer der Journalisten<br />
interviewte sie. Er stellte die üblichen<br />
Fragen, die man einem solchen Showstar<br />
stellt. So fragte er zum Beispiel:<br />
„Warum singen Sie nur Gospel?“<br />
Und Mahelia Jackson begann sich<br />
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