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Zwang aus heiterem Himmel? Zwischenmenschliche Hinter- gründe ...

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Einbettung von <strong>Zwang</strong>sstörungen inzwischenmenschliche Beziehungen• Zwänge entstehen historisch <strong>aus</strong> zwischenmenschlichenErfahrungenEinbettung von <strong>Zwang</strong>sstörungen inzwischenmenschliche Beziehungen -2• Pat. entwickeln bereits als Kinder Strategien,um mit diesen Unsicherheiten umzugehen, z.B.Rituale, Unterdrücken von Emotionen• In der Gegenwart entsteht Spannung, zu derenKontrolle Zwänge entwickelt werden, oft inBeziehungen (z.B. Gefühl abgelehnt zu werden)• Beziehungen werden für Zwänge eingesetzt,z.B. Hilfe bei Wasch- und Kontrollzwängen• Zwänge können instrumentelle Funktion inBeziehungen haben (Mittel, um etwas zu erreichen)• Dieselben zwischenmenschlichen Strategien,die zur Symptomatik führen, tauchen oft auch• diese Annahme ist im Sinne einer multik<strong>aus</strong>alenVerursachung vereinbar mit der Annahmeeiner biologisch bedingten Vulnerabilität• VT kann im übrigen in brain imaging-Studienbiologische Auffälligkeiten ebenso normalisierenwie Medikamente• Meist geht es um verunsichernde/entwürdigendeErfahrungen, wie Agressionen, überkritischeHaltung oder drohendes Verlassen durch Eltern,sexuellen Missbrauch, Gehänseltwerden/bullyingdurch Mitschüler; nicht DIE EINE Ursache 5in der Therapiebeziehung auf (z.B. Kontrollieren) 6Fallvignette S.• Frau S. (34) leidet an <strong>Zwang</strong>svorstellungen, Kinder aufgr<strong>aus</strong>ame Art umzubringen. Am konkretesten undbedrohlichsten sind Gedanken, ihr nahe stehendenKindern, die sie glaubhaft sehr liebt, den Bauch aufzuschlitzen.Sie erlebt diese Vorstellungen als sobedrohlich, dass sie erwägt, sich selber umzubringen,um zu verhindern, dass sie tatsächlich einem Kindetwas antut. Sie vermeidet, allein mit Kindernzusammen zu sein, anders als früher, wo sie gerneauch Kinder gehütet hat. Zudem: Beschimpfungen• Lebenshintergrund: Erfolgreiche Volkswirtin, lebt unverheiratetmit Partner zusammen. Kinderwunsch (wg.medizinischer Probleme Adoption ), dessen Erfüllungjedoch nicht in Frage kommt solange sie diese <strong>Zwang</strong>svorstellungenhat. Spannungen mit Chefin um ihreStellung und Anerkennung, sonst befriedigt von Arbeit.• Freunde treffen/kreative Hobbies eingeschränkt,reistnicht, weil sie auf Reisen weniger Kontrolle hat.7Fallvignette S., 2• Biographie: Aufgewachsen mit egozentrischer,tablettenabhängiger, oberflächlicher Mutter, die ständigdie Pat. mit ihren eigenen Problemen belastet.Depressiv.. Vater depressiv, gelegentlich suizidal.Angstzustände, über die er nicht redet, missbrauchteSchwester der Patientin. Patientin wehrte sich für diese,die eher passiv hinnimmt. Eltern gegenüber Patientinständig sehr kritisch.• Als Kind ständige Unsicherheit, ob sie alles rechtgemacht hat, Vorstellung, dass Vater sich suizidierenkönnte, bedrohlich. Nachts oft lange wach, verstecktsich unter Bettdecke. Angst, "die Ohren würdenabgeschnitten"• Gedanke "ich hasse meine Mutter" in analytischerBehandlung bearbeitet. Er verschwand dann, dafürtauchten die beschriebenen <strong>Zwang</strong>sgedanken auf.8


Erklärung• Ausgangspunkt: Jeder Mensch hat störende,repetitive Gedanken. <strong>Zwang</strong>spatienten habenProbleme, die Gedanken zu übergehen undversuchen, sie zu vermeiden, zu neutralisierenoder zu beseitigen (wenn man meint, es gäbeeine Katastrophe wenn man einen „rosaElefanten“ denkt, muss man tatsächlich ständigan ihn denken).• Frage: Wie sind diese Gedanken in das Lebendes Menschen eingebettet?• Welche Möglichkeiten des Umganges damit sindtypisch bzw. möglich?• Kann der <strong>Zwang</strong> eine instrumentelle Funktiongewinnen, also zum (meist nicht bewussten)Mittel zu einem Zweck werden?9"Plananalyse" nach Caspar & Grawe• Ansatz für psychotherapeutischeFallkonzeptionen• instrumentelle Funktion im Zentrum• "Plan": nicht wie umgangssprachlich• grossenteils nicht bewusstBern: Huber (2007)• sorgfältiges Belegen der Hypothesenim Verhalten gefordert• Hypothesencharakter: "konstruktivistisch"• Pläne sind mehr als Wünsche/Ziele: enthaltenuntergeordnete Strategien, Verhalten• interpersonale und intrapsychische Pläne• Pläne formulieren: an sich selbst gerichteter Imperativ("bring Therapeuten dazu, dir zu helfen")• ca. 2 Wochen zum gründlichen Lernen der Methodebenötigt: Buch/Workshops für Psychotherapeuten:www.aatip.ch10BedürfnisseVerhaltenPlanstrukturspekuliertan BörsemachGeldverschaffe dir Zuwendungerwirb Anerkennungsei beruflich erfolgreichsetzt alles an einenVertragsabschlussZweckMittel• hierarchische Verschachtelung von Plänen• Mehrfachbestimmtheit (ein Plan/Verhalten dient meistmehreren Oberplänen• Plananalyse dient v.a. Therapeuten für ihr Fallverständnis;erst in 2.Linie in Kommunikation mit Pat.eingesetzt.11Nicht erwarten dass Pat. Ast absägt,auf dem er sitzt!vermeideRealisierungvon <strong>Zwang</strong>sgedankenPlanstruktur Frau S.vermeide,etwasfalsch zumachenkontrolliere<strong>Zwang</strong>sgedankenkonzentriertsich auf<strong>Zwang</strong>sgegankenverhindere,dass alles<strong>aus</strong>ser Randund Band gerätmachtguteAusbildunghabe deinLeben imGriffEinsatz fürberuflichenErfolgvermeide/bewältigeHilflosigkeitsgefühlevermeidetUrlaubvermeideSpannungenmit Partnergeh Thema"eigenesKind" <strong>aus</strong>dem Wegsucht vermeidetTherapie Alleinseinmiterwägt, Kindernsich umzubringenhilf denSchwachenals KindRitualeweicht ehrenamtliche<strong>Zwang</strong>Eltern <strong>aus</strong>entwickeltWirtschaftsberatung12


warum ineffiziente und schädliche Strategien?• im Prinzip entwickeln Menschen Strategien, die für sievorteilhaft sind, ABER:• kurzfristige Effekte (z.B Spannungsreduktion) habenmehr Einfluss als langfristige• Strategien können beibehalten werden, die einmalvorteilhaft oder notwendig waren ("Überlebens-Strategien" von Kindern), es jetzt aber nicht mehr sind• "Mehr desselben Strategien": Wenn eine Strategie echtwirksam wäre, würde sie einmal angewendet und dannwäre Ziel erreicht; gerade WEIL eine Strategie NICHTwirksam ist und das Ziel deshalb nicht erreicht wird,wird sie mangels Alternativen immer weiter eingesetzt13allgemeines Verursachungs-Modell• psych. Störungen können selber instrumentelleFunktion haben (z.B. <strong>Zwang</strong> dient Reduktion v.Ängsten) oder sie sind• Nebenwirkung instrumenteller Strategien(Gedankenzwang entsteht <strong>aus</strong> Versuch, vermeintlicheRisiken, etwas Schlimmes zu tun, zukontrollieren; Depression entsteht <strong>aus</strong> Versuch,mit <strong>Zwang</strong>shandlungen Ängste zu reduzieren)• Rigide Strukturen entstehen, wenn ein Teil deseigentlich möglichen, flexiblen Verhaltensrepertoiresdurch konfligierende (meistVermeidungs-) Pläne <strong>aus</strong>geschlossen werden• Rigide Strukturen sind störungsanfälliger• Rigide Strukturen führen zum Einsatz ineffizienterund nebenswirkungsreicher Strategien14<strong>Zwang</strong>sgedanken• wiederkehrende Gedanken, Ideen, Impulse/Bilder, die Bewusstsein beherrschen.• Basis: Reale Probleme, aber übertrieben undnicht unterdrückbar/kontrollierbar.• Oft sehr plastisch und überflutend.• Bewusstheit für Unangemessenheit vorhanden,Leidensdruck. Aber: Auch Rationalisierung• Oft quälende Vorstellungen, Wünsche, Impulse,z.B. jemandem /sich selber etwas anzutun.Ideen, was man tun müsse.• Auch: Quälende Gedanken über Vergangenheit.• Inhalte: Oft Sauberkeit/Ordnung, Aggressionen,Sexualität. Bei aggressiven +sexuellen <strong>Zwang</strong>sgedankenfunktioniert Kontrolle (i.S. desinstrumentelle Bezüge; weiteres Beispiel• <strong>Zwang</strong>serkrankung, hauptsächlich <strong>Zwang</strong>sgedanken(ICD-10: F42.0), dazu: Rezidivierende depressive Störung,gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10: F33.1)• <strong>Zwang</strong>sgedanken pädophilen Inhalts, u.a. bei Sex mitseiner Frau störend.• In Kindheit erlebte Unsicherheit: Übersiedeln in einfremdes Land, frühes Verlassen der Familie durch denVater, Erlebnis sexueller Belästigung etc.gewinneSelbstachtung/WürdeerbringTop-Leistungensuch Sicherheitsei andersals dein Vatersei guterFamilienvatersuch Zuwendungvon FamiliebewahreKontrollevermeideEmotionen• wählt Frau, die Einsatz "belohnt"; depressive "Komorbidität"durch als Dekompensation wegen ständiger Über-Nichtumsetzens in Handlung) praktisch immer. 15forderung; Emot.-Vermeidung schlecht f. Zuwendung16


instrumentelle Bezüge; weitere BeispielegewinneKontrolle überandereentwickeltZwängeschaff lebensinhaltentwickeltZwängereduziere/vermeideAngstentwickeltZwängelenk dich vonProblemenabentwickeltZwängevermeide notwendigeaberbedrohliche EntwicklungsschritteentwickeltZwängereduziere/vermeideEkelentwickeltZwängelenk andere vonProblemen ab(z.B. Eheprobleme)entwickeltZwängehalte amVertrautenfestentwickeltZwänge17Emotionen: typisch für Zwänge• Emotion: Angst/Ekel ohne, Erleichterung mit<strong>Zwang</strong>sverhalten• Blockiert/Bedroht: Grundsätzlich kommen alle Pläne inFrage; oft zwischenmenschliche Pläne, Kontrollpläne• Art des Gefühls bestimmende Pläne: Meist in dieRichtung, dass bedrohlichere Gefühle (z.B. Scham,Verlassensein) nicht zugelassen werden• Coping/Vermeiden: <strong>Zwang</strong>shandlungen in Verhaltenoder Gedanken, um Gefühl zu vermeiden; allgemeinkontrollierendes Verhalten, oft ganze Lebensführung,Berufs-/Partnerwahl auf Vermeiden von Unsicherheitbzw. auf <strong>Zwang</strong> <strong>aus</strong>gerichtet.• Instrumentelle Funktion der Emotion: Signalfunktion(Hinweis auf Bedrohliches), Rechtfertigung des<strong>Zwang</strong>sverhaltens, das ja seinerseits eine instrumentelleFunktion haben kann (s. Seite mit Beispielen)18"Wie es kommen konnte, dass" - Erklärungen• k<strong>aus</strong>ale Erklärungen: gibt es im strengen Sinnkaum, auch nicht für die Erklärung vonZwängen• finale Erklärungen: Ansatz der Plananalysefragt, welchem (evtl. unbewussten) Zwecketwas dient, welche Mittel für ein Motiveingesetzt werden• "Wie es kommen konnte, dass - Erklärungen" :damit müssen wir uns oft zufrieden geben,kann aber nützlich sein!• multik<strong>aus</strong>ale Erklärungen: meist angemessen• Nachteil: Sie sind komplizierter• Vorteil: mehrere Ansatzstellen für Behandlung!19Psychische Störungen <strong>aus</strong> plananalytischer Sicht:eine nützliche Perspektive• Es ist zwar nicht alles <strong>aus</strong> dem instrumentellenFunktionieren erklärbar (v.a bei psychotischenStörungen), es ist aber eine nützliche Heuristik, dieProblemsituation (die mehr als die ursprünglicheÄtiologie umfasst) <strong>aus</strong> instr. Perspektive zu betrachtenstörungsspezifischeSicht v.a. angemessen,wenn Pat. auf "Peak"von Störung istrelativunähnlichPsychische Störungrelativ ähnlichrelativunähnlich20


Unterschied klassische Verhaltenstherapievs. plananalytische Sicht• Funktionale, instrumentelle Sicht ("was wirderreicht mit dem <strong>Zwang</strong>?") ist ähnlich• Plananalyse: Einbettung in umfassende Analysevon Motiven und Strategien• Probleme weniger eins nach dem anderen,sondern im Zusammenhang analysiert• differenziertes Konzept für Therapiebeziehung21Unterschied psychodynamische vs.plananalytische Sicht• ähnlich: Analyse motivationaler Konflikte• ähnlich: Idee, dass Patient Muster in Therapiebeziehungüberträgt und dass Analyse des Beziehungsverhaltenszum Verständnis auch der<strong>Zwang</strong>sprobleme beitragen kann• Plananalyse: Einbettung in umfassende Analysevon Motiven und Strategien• Plananalyse ist nicht festgelegtauf bestimmte ätiologischeKonzepte• etwas offeneres Konzept fürTherapiebeziehung (scheint uns)22

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