kursiv 3x 09 - Wochenschau Verlag
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Fundament einer demokratischen Streitkultur.<br />
Dies zu erklären bedeutet kein Bekenntnis zum<br />
Relativismus, sondern ist vielmehr ein Bollwerk<br />
gegen jeglichen Fundamentalismus. Dabei dient<br />
der Streit zunächst der Findung und der Klärung<br />
der Positionen, bevor um die Realisierung der besten<br />
Option gestritten wird. Auf der Seite der politisch<br />
Handelnden bedarf es des Mutes, einen Streit<br />
zu riskieren, Flagge zu zeigen, aus der Deckung zu<br />
kommen und für eine Position einzustehen. Doch<br />
diesen Mut zum streitbaren Politiker wird nur jener<br />
aufbringen, der weiß, dass die Bürgerinnen und<br />
Bürger im Streit keine Störung und keine Uneinigkeit<br />
erblicken, sondern ein produktives Ringen um<br />
beste Entscheidungen. Freilich bleiben die Bürgerinnen<br />
und Bürger nicht dabei stehen, den Politikern<br />
beim Streit zuzusehen: Zur aktiven Bürgerschaft<br />
gehört es eben auch, selbst aktiv teilzunehmen<br />
und lebendigen Anteil an der Streitkultur zu<br />
haben.<br />
Ein solches Lob des Streits führt freilich zu Konsequenzen,<br />
die nicht immer leicht zu vermitteln sind:<br />
Zum einen mündet der kulturelle Pluralismus, die<br />
Fragmentierung der Gesellschaft, in eine Absage an<br />
alle kommunitaristischen Träume: Geteilte Werte<br />
sind kaum noch zu haben, das Neuschreiben des<br />
Gesellschaftsvertrags geschieht heute vielmehr<br />
durch die Neubeschreibung sozialer, kultureller<br />
Konflikte. Und zweitens bilden die Mitglieder moderner<br />
multikultureller Gesellschaften keinen ethnos<br />
mehr, aber auch kaum noch einen demos:<br />
Vielmehr lassen sie sich – mit einem schönen Wort<br />
von Richard Rorty – charakterisieren als „eine<br />
Arbeitsgemeinschaft von Exzentrikern zum Zweck<br />
des wechselseitigen Schutzes, nicht als Versammlung<br />
von Seelenverwandten, die sich in einem gemeinsamen<br />
Ziel vereint haben“ (Rorty 1997, 108).<br />
<strong>kursiv</strong> JOURNAL FÜR POLITISCHE BILDUNG 3/<strong>09</strong><br />
LITERATUR<br />
Beck, Ulrich/Giddens, Anthony/Lash, Scott 1996:<br />
Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt/M.<br />
Benhabib, Seyla 1999: Kulturelle Vielfalt und demokratische<br />
Gleichheit. Politische Partizipation im Zeitalter der<br />
Globalisierung. Frankfurt/M.<br />
Giddens, Anthony 1999: Jenseits von Links und Rechts.<br />
Die Zukunft radikaler Demokratie. Frankfurt/M.<br />
Giegel, Hans-Joachim (Hrsg.) 1998: Konflikt in modernen<br />
Gesellschaften. Frankfurt/M. (Einleitung ders. 9-28).<br />
Dahrendorf, Ralf 1992: Der moderne soziale Konflikt.<br />
Stuttgart.<br />
Daele, Wolfgang van den 2008: Streitkultur. Über den<br />
Umgang mit unlösbaren moralischen Konflikten im<br />
Nationalen Ethikrat. In: Dieter Gosewinkel/Gunnar<br />
Folke Schuppert (Hrsg.): Politische Kultur im Wandel von<br />
Staatlichkeit. WZB-Jahrbuch 2007. Berlin Sigma,<br />
S. 357-384.<br />
Debord, Guy 1978: Die Gesellschaft des Spektakels.<br />
Hamburg.<br />
Dörner, Andreas/Vogt, Ludgera 2002: Wahl-Kämpfe.<br />
Betrachtungen über ein demokratisches Ritual.<br />
Frankfurt/M.<br />
Dubiel, Helmut 1997: Unversöhnlichkeit und Demokratie.<br />
In: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Was hält die<br />
Gesellschaft zusammen? Frankfurt /M., S. 425-444.<br />
Merkel, Wolfgang 2008: Was die Gesellschaft zusammenhält:<br />
Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. In: Dieter<br />
Gosewinkel/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): Politische<br />
Kultur im Wandel von Staatlichkeit. WZB-Jahrbuch<br />
2007. Berlin, S. 105-119.<br />
Meyer, Thomas 2001: Mediokratie. Die Kolonisierung<br />
der Politik durch die Medien. Frankfurt/M.<br />
Meyer, Thomas/Kampmann, Martina 1998: Politik als<br />
Theater. Die neue Macht der Darstellungskunst. Berlin.<br />
Mouffe, Chantal 2007: Über das Politische. Wider die<br />
kosmopolitische Illusion. Frankfurt/M.<br />
Peters, Anne 2007: Politikverlust? Eine Fahndung mit<br />
Peirce und Zizek. Bielefeld.<br />
Ranciére, Jacques 2002: Das Unvernehmen. Politik und<br />
Philosophie. Frankfurt/M.<br />
Rorty, Richard 1997: Kontingenz, Ironie und Solidarität.<br />
Frankfurt/M.<br />
Rorty, Richard 2003: Wahrheit und Fortschritt.<br />
Frankfurt/M.<br />
Soeffner, Hans-Georg 2000: Gesellschaft ohne Baldachin.<br />
Über die Labilität von Ordnungskonstruktionen. Weilerswist.<br />
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