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wesentlich ältere SchülerInnen – der<br />
älteste ist ein 28-jähriger Kärntner –, die<br />
den Mut haben, sich ihrem schulischen<br />
Versagen zu stellen.<br />
Zunächst müssen alte Ängste und<br />
Widerstände überwunden werden. Im<br />
kleinen <strong>Kreis</strong> der Lerngemeinschaft<br />
kann nichts verheimlicht werden. Bei<br />
den meisten SchülerInnen kommen<br />
große Defizite im Bereich des Allgemeinwissens,<br />
der Konzentration und in<br />
vielen methodischen Kompetenzen ans<br />
Tageslicht. Oft genieren sich besonders<br />
die Erwachsenen für ihr Unvermögen<br />
und versuchen, dies zu verbergen. Erst<br />
wenn die Scheu und erste Angst überwunden<br />
sind, können gemeinsam Ziele<br />
abgesteckt werden. Die verschiedenen<br />
Inhalte werden epochal, intermodal<br />
und ganzheitlich in kleinen Schritten<br />
erarbeitet. Besonderes Gewicht liegt<br />
in der Steigerung sprachlicher Kompetenzen<br />
in Wort und Schrift, oft ist dies<br />
der erste Schritt zur Bewältigung des<br />
Schulabschlusses. Während der gesamten<br />
Lernarbeit wird viel diskutiert, Themen<br />
werden vorbereitet und in der Gruppe<br />
referiert, verschiedenste sprachliche<br />
Techniken und Methoden werden transparent<br />
gemacht und erlernt. Die meisten<br />
SchülerInnen haben nur die dritte<br />
Hauptschulklasse beendet und müssen<br />
deshalb über den gesamten Fächerkanon<br />
Prüfungen ablegen. Die große Zahl der<br />
Inhalte verknüpft mit dem teils schweren<br />
Nachholbedarf sprengen den gemeinsamen<br />
Lernzeitraum. Lernstrategien sollen<br />
den SchülerInnen helfen, Vertiefung und<br />
Übung der Inhalte im Selbststudium zu<br />
ermöglichen.<br />
Sind aber die ersten Prüfungen positiv<br />
absolviert worden, stellt sich gewissermaßen<br />
eine „Euphorie des Erfolgs“ bei den<br />
SchülerInnen ein. Die von der offiziellen<br />
Prüfungskommission bestätigte Leistung<br />
bedeutet den SchülerInnen sehr viel und<br />
ist ein erster Schritt zur Bildung ihres<br />
neuen Selbstwertes.<br />
Durch den neuen, angstfreien und<br />
selbstgewählten Kontakt zu schulischen<br />
Inhalten entstanden schon einige<br />
bemerkenswerte Texte, Ausarbeitungen<br />
und Bilder. Bei manchen wurden auch<br />
schon zaghafte neue Interessen erweckt.<br />
Sicherlich stellt aber das Anstreben eines<br />
versäumten Ziels eine Bereicherung und<br />
Aufarbeitung vergangener Verweigerung<br />
dar.<br />
Seit Bestehen der Lerngruppe konnten<br />
schon einige PatientInnen ihren Hauptschulabschluss<br />
nachholen, andere sind<br />
Wissenschaft Sport Reportage<br />
Kreativität Kolumne Ankündigung<br />
auf dem besten Weg, dieses Ziel während<br />
ihrer stationären Therapie zu erreichen.<br />
Leider musste die Gruppe und auch<br />
der Lehrer immer wieder mit Rückschlägen<br />
fertig werden. Ist ein Therapieabbruch,<br />
der natürlich auch den Abbruch<br />
des Lernens mit sich bringt, ein Schock<br />
für die Gruppe, ist es aber auch eine<br />
mahnende Warnung für die standhaft<br />
gebliebenen SchülerInnen.<br />
Für mich als Lehrer stellt diese Arbeit<br />
eine Herausforderung dar, die teilweise<br />
sehr anstrengend, aber auch aufregend<br />
und erfüllend ist. Die einsetzende Energie<br />
des Wissenserwerbs und die Neugier<br />
bei manchen Themen und manchen<br />
SchülerInnen zu beobachten, ist immer<br />
wieder ein Erlebnis.<br />
Text und Fotos: Paul Grabenhofer, Lehrer<br />
beim „Grünen <strong>Kreis</strong>“<br />
Seite 13<br />
Herbst 2003