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Magazin Nr. 47 - Grüner Kreis

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wesentlich ältere SchülerInnen – der<br />

älteste ist ein 28-jähriger Kärntner –, die<br />

den Mut haben, sich ihrem schulischen<br />

Versagen zu stellen.<br />

Zunächst müssen alte Ängste und<br />

Widerstände überwunden werden. Im<br />

kleinen <strong>Kreis</strong> der Lerngemeinschaft<br />

kann nichts verheimlicht werden. Bei<br />

den meisten SchülerInnen kommen<br />

große Defizite im Bereich des Allgemeinwissens,<br />

der Konzentration und in<br />

vielen methodischen Kompetenzen ans<br />

Tageslicht. Oft genieren sich besonders<br />

die Erwachsenen für ihr Unvermögen<br />

und versuchen, dies zu verbergen. Erst<br />

wenn die Scheu und erste Angst überwunden<br />

sind, können gemeinsam Ziele<br />

abgesteckt werden. Die verschiedenen<br />

Inhalte werden epochal, intermodal<br />

und ganzheitlich in kleinen Schritten<br />

erarbeitet. Besonderes Gewicht liegt<br />

in der Steigerung sprachlicher Kompetenzen<br />

in Wort und Schrift, oft ist dies<br />

der erste Schritt zur Bewältigung des<br />

Schulabschlusses. Während der gesamten<br />

Lernarbeit wird viel diskutiert, Themen<br />

werden vorbereitet und in der Gruppe<br />

referiert, verschiedenste sprachliche<br />

Techniken und Methoden werden transparent<br />

gemacht und erlernt. Die meisten<br />

SchülerInnen haben nur die dritte<br />

Hauptschulklasse beendet und müssen<br />

deshalb über den gesamten Fächerkanon<br />

Prüfungen ablegen. Die große Zahl der<br />

Inhalte verknüpft mit dem teils schweren<br />

Nachholbedarf sprengen den gemeinsamen<br />

Lernzeitraum. Lernstrategien sollen<br />

den SchülerInnen helfen, Vertiefung und<br />

Übung der Inhalte im Selbststudium zu<br />

ermöglichen.<br />

Sind aber die ersten Prüfungen positiv<br />

absolviert worden, stellt sich gewissermaßen<br />

eine „Euphorie des Erfolgs“ bei den<br />

SchülerInnen ein. Die von der offiziellen<br />

Prüfungskommission bestätigte Leistung<br />

bedeutet den SchülerInnen sehr viel und<br />

ist ein erster Schritt zur Bildung ihres<br />

neuen Selbstwertes.<br />

Durch den neuen, angstfreien und<br />

selbstgewählten Kontakt zu schulischen<br />

Inhalten entstanden schon einige<br />

bemerkenswerte Texte, Ausarbeitungen<br />

und Bilder. Bei manchen wurden auch<br />

schon zaghafte neue Interessen erweckt.<br />

Sicherlich stellt aber das Anstreben eines<br />

versäumten Ziels eine Bereicherung und<br />

Aufarbeitung vergangener Verweigerung<br />

dar.<br />

Seit Bestehen der Lerngruppe konnten<br />

schon einige PatientInnen ihren Hauptschulabschluss<br />

nachholen, andere sind<br />

Wissenschaft Sport Reportage<br />

Kreativität Kolumne Ankündigung<br />

auf dem besten Weg, dieses Ziel während<br />

ihrer stationären Therapie zu erreichen.<br />

Leider musste die Gruppe und auch<br />

der Lehrer immer wieder mit Rückschlägen<br />

fertig werden. Ist ein Therapieabbruch,<br />

der natürlich auch den Abbruch<br />

des Lernens mit sich bringt, ein Schock<br />

für die Gruppe, ist es aber auch eine<br />

mahnende Warnung für die standhaft<br />

gebliebenen SchülerInnen.<br />

Für mich als Lehrer stellt diese Arbeit<br />

eine Herausforderung dar, die teilweise<br />

sehr anstrengend, aber auch aufregend<br />

und erfüllend ist. Die einsetzende Energie<br />

des Wissenserwerbs und die Neugier<br />

bei manchen Themen und manchen<br />

SchülerInnen zu beobachten, ist immer<br />

wieder ein Erlebnis.<br />

Text und Fotos: Paul Grabenhofer, Lehrer<br />

beim „Grünen <strong>Kreis</strong>“<br />

Seite 13<br />

Herbst 2003

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