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Tausche Freiheit gegen Sicherheit – wie sich »Gefahr« vermarkten lässt<br />
WWW.KLENKES.DE · KLENKES <strong>NEO</strong> HERBST 2011<br />
6 GEFAHR<br />
VON CHRISTOPH LÖHR<br />
Einmal mehr ist das Ende nah. Laut diverser düsterer<br />
Vorhersagen wird die Welt diesmal am 21. Dezember<br />
2012 untergehen. Wie immer haben findige<br />
Propheten ein Hintertürchen entdeckt, durch das ihre<br />
Schäfchen der Apokalypse entkommen können. Ihrer<br />
Theorie zufolge wird ein Dorf im Süden Frankreichs<br />
verschont bleiben. Was genau am letzten Tag der<br />
Welt in Bugarach passieren wird, ist noch nicht<br />
endgültig durchexerziert. Klar ist nur, dass der<br />
nahe gelegene Berg eine zentrale Rolle spielt: als<br />
Garage für außerirdische UFO-Rettungs -<br />
kapseln oder als Energie zentrum zum<br />
Beamen in eine andere Dimension. Das<br />
genaue Procedere ist den Weltunter gangs -<br />
jüngern ohnehin herzlich egal. In<br />
Scharen pilgern sie zu dem einstmals<br />
beschaulichen 200-Seelen-Nest. Von<br />
den Einheimischen skeptisch<br />
beäugt, werden sie von diversen<br />
Gurus, Sekten führern und<br />
Erleuch teten mit offenen Armen<br />
und Kassen empfangen. Die<br />
Rettung gibt es nicht zum<br />
Nulltarif.<br />
Seit jeher gehört die<br />
Losung »Sex sells« zum<br />
kleinen Ein mal eins der<br />
Wer be stra tegie. Min -<br />
des tens ebenso<br />
Absatz steigernd<br />
wirkt allerdings<br />
das Herauf be -<br />
schwö ren von<br />
Gefahr. Es<br />
muss ja<br />
n i c h t<br />
immer<br />
gleich<br />
d e r<br />
ILLUSTRATION: MALTE PFERDMENGES<br />
Weltuntergang sein. Gesundheit, Rente, Hab und Gut: Es gibt<br />
so viel zu schützen. Und so viele Menschen möchten das für<br />
uns übernehmen. Vom fragwürdig notwendigen Impfstoff<br />
bis hin zu einer Wohnungstürschließanlage Marke »Fort<br />
Knox« ist der Tisch reichlich gedeckt. Selbst an die Kinder<br />
wird gedacht. Versicherungen bieten mittlerweile Pakete<br />
an, die die Altersvorsorge des eigenen Nachwuchses<br />
sichern sollen – bei einer Laufzeit von bis zu 65 Jahren.<br />
Doch nicht nur Produkte und Dienstleistungen lassen<br />
sich durch Gefahrenhinweise hervorragend verkaufen.<br />
Immer wieder werden auch politische Ideen auf diesem<br />
Wege an Mann und Frau gebracht. Fotos von ausgebrannten<br />
Luxuslimousinen gehörten jüngst in<br />
Berlin zur Wahlkampfstrategie vor allem der bürgerlichen<br />
Parteien. Bundesweit rechtfertigt die regelmäßig<br />
ins Rampenlicht gezerrte Terrorgefahr<br />
Maßnahmen wie Video überwachung, biometrische<br />
Ausweise oder den ständig wiederkehrenden Ruf<br />
nach der Vorrats daten speicherung. Wer nichts zu<br />
verbergen hat, ist doch gerne ein bisschen gläsern.<br />
Tausche Freiheit gegen Sicherheit.<br />
Währenddessen wirft die mancherorts auffällige<br />
Präsenz privater Sicherheitsfirmen im<br />
Straßenbild die Frage auf, inwieweit diese überhaupt<br />
noch Staatsmonopol ist. Im Namen der<br />
Gefahrenabwehr nehmen wir aber auch die<br />
zunehmende Privatisierung unseres Schutzes<br />
als gegeben hin. Hauptsache, jemand ist da,<br />
der auf uns aufpasst.<br />
Wir tragen keine weiten, wallenden<br />
Gewänder, während wir der Gefahr Tribut<br />
zollen. Ansonsten unterscheiden wir vermeintlich<br />
Aufgeklärten uns nur marginal<br />
von den Pilgern in Bugarach. Am Morgen<br />
des 22. Dezember 2012 werden diese in<br />
ihren Zelten erwachen, beim Bäcker an<br />
der Ecke ein Croissant kaufen und sich<br />
schon bald dem nächsten Guru zuwenden.<br />
Nach der Apokalypse ist vor der<br />
Apokalypse. \