Mutter Eugenia E. Ravasio: “<strong>Der</strong> <strong>Vater</strong> <strong>spricht</strong> <strong>zu</strong> seinen <strong>Kindern</strong>”nötig <strong>ist</strong>, nach einem vereinigenden Prinzip <strong>zu</strong> suchen, das Bestand hat und das <strong>die</strong> Völkerwieder <strong>zu</strong>sammenbringt, gerade jetzt würde <strong>die</strong>ses Fest den Menschen ein großes Lichtbringen und sie lehren, daß sie alle den gleichen <strong>Vater</strong> im Himmel haben: den <strong>Vater</strong>, derihnen Jesus geschenkt hat und <strong>zu</strong> dem er sie hinzieht als <strong>die</strong> Glieder Seines mystischenLeibes, vereint im selben Ge<strong>ist</strong> der <strong>Liebe</strong>! Ermöglicht nicht <strong>die</strong>ses Fest gerade in <strong>die</strong>ser Zeit,<strong>die</strong> von den Prüfungen der Kriege erschöpften und ermüdeten Seelen "von innen her"auf<strong>zu</strong>rufen, den verborgenen <strong>Vater</strong> an<strong>zu</strong>beten, denn <strong>die</strong>se Seelen könnten sich doch begierigdanach sehnen, sich einem inneren, tiefgründigen Leben <strong>zu</strong><strong>zu</strong>wenden. Könnte <strong>die</strong>ses Fest sienicht auffordern, sich in einem großzügigen Darbringungsgebet dem <strong>Vater</strong> als Kinderan<strong>zu</strong>bieten, dem <strong>Vater</strong>, der <strong>die</strong> einzige Quelle des Lebens der Heiligsten Dreifaltigkeit inihnen <strong>ist</strong>. Würde ein solches Fest nicht <strong>die</strong> schöne Bewegung des übernatürlichen Lebensbewahren, das notwendigerweise <strong>die</strong> Seelen <strong>zu</strong>r ge<strong>ist</strong>lichen Kindheit führt und - durchVertrauen - schließlich in einem Leben als Kinder mit dem <strong>Vater</strong>, <strong>zu</strong>r Hingabe an dengöttlichen Willen, dem Ge<strong>ist</strong> des Glaubens münden?Getrennt von der Frage eines besonderen Festes und abgesehen davon, wie <strong>die</strong>Entscheidung der Kirche in <strong>die</strong>sem Punkt ausfallen wird, stellt sich hier noch ein Problem inder Glaubenslehre. Hervorragende Theologen meinen, <strong>die</strong> Glaubenslehre über <strong>die</strong> Beziehungder Seele <strong>zu</strong>r Dreieinigkeit müsse vertieft werden und <strong>die</strong> Dreieinigkeit könne für <strong>die</strong> Seelen<strong>zu</strong> einer Quelle des Lichtes werden, denn dann würden <strong>die</strong> Menschen <strong>die</strong> Einheit des <strong>Vater</strong>smit dem Sohn, von der der hl. Johannes <strong>spricht</strong>, als auch sein inniges Teilhaben am LebenJesu, dem Sohn des <strong>Vater</strong>s und vor allem dessen kindliche <strong>Liebe</strong> <strong>zu</strong>m <strong>Vater</strong>, besserverstehen.Doch was es auch mit <strong>die</strong>sen theologischen Problemen auf sich haben mag, möchte ichdoch unterstreichen, was Tatsache <strong>ist</strong>: Eine arme, in theologischen Dingen unerfahrene Frau,erklärt, sie hätte göttliche Verbindungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Glaubenslehre sehr bereichern könnte.Die erdichteten Konstruktionen einer Visionärin sind armselig, steril, unstimmig. ImGegensatz da<strong>zu</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Botschaft, von der Mutter Eugenia sagt, sie sei ihr vom <strong>Vater</strong> anvertrautworden, sehr fruchtbar und in einem Punkt treffen zwei Kennzeichen auf harmonischeWeise <strong>zu</strong>sammen und lassen sie gesicherter erscheinen: Einerseits zeigt sich, daß <strong>die</strong>seBotschaft in der Tradition der Kirche steht, da sie keine Neuerung bringt, <strong>die</strong> Verdachterregen könnte, denn es wird unaufhörlich darauf hingewiesen, daß <strong>die</strong>s alles schon gesagtwurde und der Offenbarung Chr<strong>ist</strong>i über <strong>Seinen</strong> <strong>Vater</strong> <strong>zu</strong> entnehmen <strong>ist</strong> und daß alles imEvangelium steht. Andererseits jedoch erklärt sie, daß <strong>die</strong>se große Wahrheit über <strong>die</strong>Wahrnehmung des <strong>Vater</strong>s verlangt, neu überdacht, vertieft und gelebt <strong>zu</strong> werden.Kann man nicht durch den Gegensatz zwischen der Schwäche des Werkzeuges - unfähigvon selbst eine Glaubenslehre <strong>die</strong>ser Art <strong>zu</strong> erkennen - und der Tiefgründigkeit der Botschaft,<strong>die</strong> <strong>die</strong> Schwester uns bringt, erahnen, daß hier der Eingriff einer anderen, höheren,übernatürlichen Quelle göttlichen Ursprungs vorliegt, um ihr <strong>die</strong>se Botschaft an<strong>zu</strong>vertrauen?Ich kann mir nicht vorstellen, wie <strong>die</strong> Schwester mit menschlichen Mitteln eine solcheErfahrung gemacht haben könnte, eine Idee <strong>zu</strong> entdecken, deren Besonderheit und Fruchtbarkeit<strong>die</strong> Theologen erst nach und nach erahnen konnten.Eine weitere Tatsache halte ich ebenfalls für sehr eindrucksvoll: Als Schwester Eugeniaverkündete, sie hätte Erscheinungen des <strong>Vater</strong>s, entgegnete man ihr bei der theologischenBefragung, daß Erscheinungen des <strong>Vater</strong>s an sich unmöglich seien, da solche niemals in derGeschichte stattgefunden hätten; <strong>die</strong>sen Einwänden hielt <strong>die</strong> Schwester stand und erklärtenur: “<strong>Der</strong> <strong>Vater</strong> hat mir aufgetragen <strong>zu</strong> beschreiben, was ich sah. Er überläßt es seinen<strong>Kindern</strong>, den Theologen, <strong>die</strong> Erklärung dafür <strong>zu</strong> suchen”. Die Schwester änderte niemalsetwas an ihren Erklärungen und viele Monate lang hielt sie ihre Beteuerungen aufrecht. Erstim Januar 1934 fanden <strong>die</strong> Theologen bei Thomas von Aquin eine Entgegnung auf ihreEinwände.Die Antwort des großen Gelehrten bezüglich der Unterscheidung zwischen Erscheinungund Mission war erleuchtend. Diese Antwort entfernte das Hindernis, das <strong>die</strong> ganzeSeite 8 von 38
Mutter Eugenia E. Ravasio: “<strong>Der</strong> <strong>Vater</strong> <strong>spricht</strong> <strong>zu</strong> seinen <strong>Kindern</strong>”Untersuchung gelähmt hatte. Gegen theologische Gelehrte hatte <strong>die</strong> kleine unwissendeSchwester Recht behalten. Wie kann man mit menschlichen Mitteln das Licht, <strong>die</strong> Weisheitund <strong>die</strong> Beharrlichkeit der Schwester erklären, <strong>die</strong> sich auch in <strong>die</strong>sem Fall herausstellten.Eine falsche Visionärin hätte versucht, sich den Erklärungen der Theologen an<strong>zu</strong>passen. DieSchwester war hart geblieben: Dies sind also weitere neue Gründe, weshalb uns ihr Zeugniswürdig erscheint, mit Vertrauen unterstützt <strong>zu</strong> werden.Auf jeden Fall erscheint es mir erwähnenswert, auf ihre Zurückhaltung gegenüber demWundersamen hin<strong>zu</strong>weisen. Während falsche Mystikerinnen <strong>die</strong>se Dinge in den Vordergrundstellen und nichts als das Außergewöhnliche sehen, wird <strong>die</strong>s im Fall der Schwester an <strong>die</strong>zweite Stelle gesetzt und Prüfungen und Untersuchungen überlassen. Das Fehlen vonÜberschwenglichkeit und das Gleichgewicht der Werte machen einen guten Eindruck.Über <strong>die</strong> Untersuchung der Theologen werde ich nur wenig sagen. Die hochwürdigen P.Albert und P. August Valencin werden wegen ihrer philosophischen und theologischenAutorität, sowie ihrer Kenntnis des spirituellen Lebens, geschätzt. Sie mußten schon beianderen Angelegenheiten <strong>die</strong>ser Art einschreiten und <strong>die</strong>se, wie den vorliegenden Fall, einerPrüfung unterziehen.Wir wissen, daß sie ihren Aufgaben mit sehr viel Umsicht nachgekommen sind. Aus<strong>die</strong>sem Grund waren sie von uns auserwählt worden.Für <strong>die</strong> ergebene und wahrhaft gewissenhafte Zusammenarbeit mit ihnen sind wir sehrdankbar. Ihr Zeugnis für <strong>die</strong> Schwester und ihr Zeugnis dafür, daß <strong>die</strong> Ereignisse in ihrerGesamtheit mit übernatürlichem Ursprung <strong>zu</strong> erklären sind, hat umso mehr Wert, als sie fürlange Zeit gezaudert hatten und anfangs feindlich und skeptisch eingestellt waren, später eherzögerten. Nachdem sie jegliche Art von Einsprüchen erhoben und <strong>die</strong> Schwester hartenPrüfungen unterzogen hatten, ließen sie sich nach und nach überzeugen.Seite 9 von 38