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heft 5 komplett - Deutsche Gesellschaft für Positive und ...

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<strong>für</strong> ihn das Vorzeigekind geworden. Selbst in der kritischsten Phase ihrer Anorexia ner-i<br />

vosa, wo sie einen Gewichtsstand von 34 kg hatte, fuhren beide zum Skilanglauf. Auch<br />

ließ sie sich nicht vom Sportunterricht befreien, obwohl keiner ihrer Turnlehrer <strong>für</strong> das<br />

bis zum „Gerippe" abgemagerten Mädchen die Verantwortung übernehmen wollte.<br />

Die Mutter, die das anstrengende Kind zunächst ablehnte, kümmerte sich dann<br />

beson-ders viel um sie, um ihre Schuldgefühle zu beschwichtigen. Sie legte<br />

besonders gro-ßen Wert auf gutes Essen („Liebe geht durch den Magen") <strong>und</strong><br />

gepflegtes Aussehen.<br />

Kindergarten <strong>und</strong> Einschulung wurden ohne Schwierigkeiten gemeistert. Es<br />

ent-wickelte sich mit der Zeit eine enge Bindung zur Mutter. B. übernahm viel<br />

Hausarbeit wie Kochen <strong>und</strong> Putzen, versorgte die Familie, wenn die Mutter depressiv<br />

war oder an Migräne litt. Die unselbständige, ablehnungsbedürftige Mutter fand in<br />

ihrer Tochter auch bald eine verständige Vertraute <strong>für</strong> ihre innerseelischen <strong>und</strong><br />

partnerschaftlichen Nöte.<br />

Die Eltern konnten ihren gehobenen Lebensstandard mit eigenem Haus <strong>und</strong> zwei<br />

Autos (Ansehen bei den Leuten; Motto: „Was sagen die Leute") nur durch zusätzliche<br />

Arbeit aufrechterhalten. (Fleiß/Leistung ; Sparsamkeit. Konzept: „Sparst du was, dann<br />

hast du was, hast du was, dann bist du was.) An vielen Abenden in der Woche<br />

bedien-ten beide in Gaststätten. Die Kinder waren sich selbst überlassen. B.<br />

übernahm die Aufsicht über ihre Geschwister <strong>und</strong> sorgte <strong>für</strong> die Einhaltung der<br />

elterlichen Vorschrif-ten. In dieser Position zwischen den beiden Parteien, den Eltern auf<br />

der einen Seite <strong>und</strong> den Geschwistern auf der anderen Seite, verschaffte sie sich<br />

immer mehr Vertrauen seitens der Eltern, jedoch Mißtrauen seitens der übrigen<br />

Geschwister. Es war eine Machtposition, die sie auch gegen die Eltern ausspielen<br />

konnte. Indem sie sich mit der Fürsorgerolle immer mehr identifizierte, lernte sie auch<br />

mehr <strong>und</strong> mehr die Sorgen <strong>und</strong> Nöte, die inneren <strong>und</strong> partnerschaftlichen Konflikte<br />

der Mutter kennen. Die Ambiva-lenz wurde dadurch noch verstärkt, daß sie das ihr<br />

durch die Mutter Anvertraute nicht weitergeben durfte (Loyalitätskonflikt), die<br />

Probleme aber irgendwie verarbeiten muß-te. Sie begann, alles in sich<br />

„hineinzufressen", sich abzukapseln, ihre eigene Proble-matik zu verbergen („Ich habe<br />

keine Probleme").<br />

Das gespannte Verhältnis der Eltern untereinander belastete sie wegen ihrer Nähe zu<br />

ihnen mehr als ihre übrigen Geschwister. Zu dem Zeitpunkt, als die übergewichtige<br />

Mutter mehrere vergebliche Versuche unternahm, ihr Gewicht zu reduzieren, begann<br />

Barbara im Sommer/Herbst 1979 rapide abzunehmen. Der Zustand verschlechterte<br />

sich derart, daß schließlich ärztliche Hilfe gesucht wurde.<br />

Ein Jahr später, als ich dann mit der Familie wieder in engeren Kontakt kam, fand ich<br />

das 16jährige Mädchen in stark reduziertem Ernährungszustand. Gewicht 37 kg.<br />

Ge-ringes Fettpolster. Wangen eingesunken, Augen haloniert, Backenknochen stark<br />

her-vorstehend. Rachen <strong>und</strong> Tonsillen unauffällig, Herzaktion regelmäßig, Töne rein,<br />

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