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Die fotografische Wirklichkeit

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Fotografische <strong>Wirklichkeit</strong>en<br />

Abb. 7: Jeff Wall, Eviction Struggle, 1988<br />

sein wird. Ob man eine solche Implikation nun als narrativ bezeichnet,<br />

hängt davon ab, wie großzügig man unsere arbeitshypothetische<br />

Minimaldefinition von ›Narrativität‹ auszulegen bereit ist. Würde<br />

dann aber nicht jedes Foto immer schon eine Zustandsveränderung<br />

implizieren, weil jedes Foto offenkundig einen ›Schnitt‹ durch<br />

einen (zugegeben: je unterschiedlich dramatischen) Geschehensverlauf<br />

darstellt und somit immer ein ›Vorher‹ und ›Nachher‹ impliziert?<br />

Wenn die Implikation einer Zustandsveränderung die Conditio<br />

sine qua non für Narrativität ist, müssten dann nicht auch viele<br />

viele andere ›dramatische‹ Fotos ebenfalls ›erzählen‹, etwa das World<br />

Press Photo 2008, Anthony Suaus Aufnahme von einer Zwangsräumung<br />

am 26. März 2008 in Ohio im Zuge der U.S.-Immobilienkrise<br />

(Abb. 6)? Doch wird vermutlich niemand auf die Idee kommen, dieses<br />

›dokumentarische‹ Foto (genauer: dieses Foto, das wir im Regelfall<br />

kraft seines Kontextes einer »dokumentarisierenden Lektüre« 103<br />

unterziehen) als ›erzählend‹ oder ›narrativ‹ zu inkriminieren – und<br />

man vergleiche hierzu bloß Jeff Walls Räumungsklagen-Tableau<br />

Eviction Struggle aus dem Jahr 1988 (Abb. 7), eines jener Leuchtkasten-Diapositive,<br />

für deren Interpretation immer wieder der Topos<br />

›Bilderzählung‹ bemüht worden ist, etwa wenn Homay King 2003 im<br />

Katalog der Wiener Wall-Retrospektive schreibt: »[…] ein Wall-Bild<br />

impliziert stets eine Geschichte: eine zeitliche Abfolge von Ereignissen<br />

[…].« 104<br />

103 Odin 1990 (wie Anm. 88), S. 132.<br />

104 King, Homay: »Der lange Abschied: Jeff Wall und die Filmtheorie«. In:<br />

Ausst.-kat. Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien: Jeff Wall.<br />

Photographs. 22. März bis 25. Mai 2003 (Red.: Gerald Nestler). Köln,<br />

2003, S. 118-139, hier S. 118. Siehe zu Wall auch der Beitrag von Barbara<br />

J. Scheuermann in diesem Band.<br />

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