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ODA KROHG

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das Bild von Oda Krohg als »eine wahre Boheme-Prinzessin«<br />

Abb. 21 Edouard Manet: Zigeunerin mit Zigarette, 1862<br />

tituierte als auch die Bohemienne opponieren gegen<br />

die bürgerliche Gesellschaft. In Charles Baudelaires<br />

Darstellung der modernen Stadt in Le peintre de la vie<br />

moderne (1863) sind sie »gefallene Frauen«. | 32<br />

In Edouard Manets Zigeunerin mit Zigarette<br />

(Abb. 21) sehen wir einen weiteren, außerhalb der<br />

Gesellschaft stehenden alternativen Frauentyp: eine<br />

rauchende ›Zigeunerin‹ in bunten Kleidern. Vielleicht<br />

hatte Christian Krohg, der ein großer Bewunderer von<br />

Manet war, dieses Bild in Paris oder in einer Zeitschrift<br />

gesehen. Wir erkennen etwas von derselben lockeren<br />

Pinselführung und dem Einsatz teilweise unmodellierter<br />

Flächen in Krohgs Bild wieder. Die Körperhaltung der<br />

beiden Personen erinnern aneinander, und sie haben<br />

beide einen Ring am Finger und auffallenden Ohr-<br />

schmuck – obwohl Oda Krohgs Ohrring etwas zurück-<br />

haltender ist. Es ist, als hätte Christian Krohg – wenn<br />

man Auberts Analyse folgen will – Oda Krohg im Zigeunerkostüm<br />

gemalt. Das einzige was fehlt, ist eine Zigarette<br />

im Mundwinkel. Die Zigarette war ein wichtiges<br />

Kennzeichen der Boheme. Zigaretten rauchende Frauen<br />

wurden als radikal und antibürgerlich aufgefasst. | 33 Wie<br />

aus unzähligen Gemälden, Fotografien und Memoiren<br />

hervorgeht, rauchte auch Oda Krohg viel. In Christian<br />

Krohgs beiden Atelierbildern sehen wir, dass Zigaretten<br />

zur selbstverständlichen häuslichen Ausstattung<br />

gehörten. Auch die niedriger stehenden Prostituierten<br />

konnten mit einer Zigarette in der Hand und dem Mund<br />

entweichendem Rauch beobachtet werden. Es ist deshalb<br />

kein Zufall, dass Manet die Zigeunerin mit einer<br />

Zigarette darstellte und dass Zigaretten bei Oda Krohg<br />

und anderen radikalen Frauen Mode wurden. Hier<br />

sehen wir die Verbindung zwischen den verschiedenen<br />

alternativen sozialen Gruppen, die zur Entstehung der<br />

Idee des Bohemianismus beigetragen hatten.<br />

Die Gestalt der Oda Krogh wurde möglicherweise<br />

auch von Edvard Munch, der vom Oda-Bild seines<br />

alten Mentors von 1888 sehr eingenommen war, aufgegriffen<br />

und weiterinterpretiert. Wie wir gesehen<br />

haben, setzte er sie in seiner Grafik von den Bohemiens<br />

ein, wo Oda Krohg eine Femme fatale ist – eine<br />

Frau, die alle Männer, die sie trifft, verführt und<br />

hypnotisiert (Kat. Nr. 26). Auch ist es nicht unwahrscheinlich,<br />

dass Munch beim Malen der gleichzeitig<br />

entstandenen Bilder Madonna (Abb. 22) und Asche | 34<br />

das Bild von Oda Krohg in Gedanken hatte. Insbesondere<br />

die rote, glorienähnliche Form, die die Madonna<br />

umgibt, erinnert an den Hut, den Oda auf dem Porträt<br />

von Christian Krohg trägt.<br />

Doch finden diese Darstellungen keinen Widerklang<br />

in Oda Krohgs Selbstporträts. In ihren Selbstinszenierungen<br />

treffen wir weder auf die Boheme-<br />

Prinzessin noch auf die selbstständige Künstlerin. Nur<br />

zwei Jahre, nachdem ihr Mann sie porträtiert hatte,<br />

Abb. 22 Edvard Munch: Madonna, 1894–1895<br />

malte sie ihr etwas düsteres Selbstporträt (Kat. Nr. 10).<br />

Die beiden Bilder könnten verschiedener nicht sein.<br />

Das Selbstporträt ist introvertiert und vermittelt den<br />

Eindruck einer psychologischen Studie. Es sagt nichts<br />

darüber aus, dass es sich hierbei um das Selbstporträt<br />

einer Künstlerin handelt. Wie Eva Pohl bemerkt, stellen<br />

Frauen sich selten als professionelle Maler dar. | 35<br />

Wichstrøm schreibt über das Bild: »Indem sie [Oda<br />

Krohg] das Bild mit einer Art Schleier versah, als sähe<br />

sie sich selbst in einem alten Spiegel, schuf sie zwischen<br />

uns und sich einen Abstand. Im Ausdruck liegt<br />

etwas Scheues und Verwundbares, was mit dem Bild,<br />

das andere von ihr vermitteln, ganz und gar nicht übereinstimmt:<br />

Hier ist sie weder Jægers Boheme-Prinzessin<br />

noch Christian Krohgs Alltagsmensch.« | 36<br />

Abb. 23 Oda Krohg: Frauenakt mir chinesischer Laterne, 1890er Jahre (?)<br />

Auch in zwei ihrer bekanntesten Bilder Am Kristianiafjord<br />

(Japanische Laterne, Kat. Nr. 1) und Crescendo<br />

(Kat. Nr. 6) sehen wir eine absorbierte Frauengestalt,<br />

von der man annehmen kann, dass sie Oda Krohg<br />

selbst ist. Sie ist dem Betrachter abgewandt und wir<br />

können ihr Gesicht nicht sehen. Auch hier treffen wir<br />

nicht die Boheme-Prinzessin. Interessant ist es auch<br />

zu sehen, dass auch ihr Mann sie mehrere Male als<br />

diese nach innen gekehrte, fast anonyme Oda-Gestalt<br />

malte. Die Gestalt auf dem Bild Am Kristianiafjord<br />

(Kat. Nr. 1) ist nahezu eine spiegelverkehrte Darstellung<br />

der Gestalt der Oda in Christian Krohgs Eine<br />

Ecke meines Ateliers (Abb. 24). | 37 Die Oda-Gestalt<br />

in Gunnar Heiberg liest »König Midas« (Abb. 18) ist<br />

dagegen wieder eine andere als die in Am Kristiania-<br />

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