S C H W E I Z – I T A L I E N Kanu 48 Text und Fotos: Urs Geiser Wer an <strong>Schweiz</strong>er Seen nicht nur baden, son<strong>der</strong>n auch wan<strong>der</strong>n will, muss suchen: Durchgehend zugängliche Seeufer sind Mangelware. Aber es gibt sie. Wir stellen einige beson<strong>der</strong>s schöne vor, vom halb-stündigen Spaziergang bis zur Tagestour. Stundenlang den Seen entlang
Einer <strong>der</strong> schönsten Spaziergänge führt um den Hallwilersee, <strong>der</strong> nur an wenigen Stellen nicht öffentlich zugänglich ist. Hallwilersee Von Boniswil nach Mosen Das Seetal zwischen Lenzburg (AG) und Hochdorf (LU) darf in dieser Reihe nicht fehlen: Vor allem <strong>der</strong> Hallwilersee gehört zu den Top-ten-Adressen. Einzig an seinem Nordende und im unteren Teil des Ostufers bleibt dem Wan<strong>der</strong>volk <strong>der</strong> Zugang zum Wasser verwehrt. Im ersten Fall dient dies dem Naturschutz, im zweiten vorwiegend <strong>der</strong> Ungestörtheit von Hausbesitzern. Mit einer Schifffahrt zeigen wir ihnen die kalte Schulter – und umschiffen gleichzeitig den Grossteil <strong>der</strong> Seerundweg-Passagen mit Hartbelag. Das erste Ziel ist das Wasserschloss Hallwyl, gewiss eines <strong>der</strong> schönsten im Land. Um dorthin zu kommen, steigen wir in Boniswil aus dem Zug. Bald ist <strong>der</strong> See in Sicht, doch wir müssen uns noch ein wenig gedulden. Das Boniswiler Ried gehört zu den grössten intakten Riedflächen <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, es wird gehegt und gepflegt. Unter vielen an<strong>der</strong>en haust die Europäische Sumpfschildkröte hier. Nein, ich wusste nicht, dass das hier eine einheimische Spezies ist. Weitere Naturkundelektionen folgen: Die Schautafeln am Wegrand machen – über das Offensichtliche hinaus – bewusst, weshalb das ganze Gebiet als schützenswerte Landschaft eingestuft ist. Dem Aabach entlang, <strong>der</strong> träge dem See Genfersee Von lutry nach Morges Cully, Villette, St-Saphorin, Epesses. Das lese sich wie eine Weinkarte, kommentiert meine Begleiterin den Wegweiser. Zu diesem Zeitpunkt sind wir schon eine Weile unterwegs auf dem Sentier des Rives du Lac und verspüren den ersten Durst. Angesichts <strong>der</strong> vielen Kilometer, die vor uns liegen, stillen wir ihn mit Wasser. Nun aber <strong>der</strong> Reihe nach: Vom Bahnhof Lutry sticht man entwe<strong>der</strong> geradewegs zum See hinunter o<strong>der</strong> geht zuerst noch ein paar hun<strong>der</strong>t Meter Richtung Villette und beschreibt einen Halbkreis, um auch das erste Stück des Uferwegs geniessen zu können. Es lohnt sich: Treppauf, treppab führt <strong>der</strong> Sentier von Bucht zu Bucht, traversiert Kieselsträndchen und private Bootsanlegestellen. Wie auch im weiteren Verlauf bis Lausanne handelt es sich weitgehend um einen künstlich angelegten Pfad. Unsere gehtechnische entströmt, erreichen wir Schloss Hallwyl. Lei<strong>der</strong> beginnt die Saison erst im April; das Museum macht mit seinen Affichen neugierig, und Einkehren im Schlosscafé wäre auch nicht schlecht. Romantisch ist es aber auch an <strong>der</strong> ersten Badestelle. Zum Reinspringen ist <strong>der</strong> Aabach nicht tief genug, aber man möchte die Elfen, die hier zu Hause sein müssen, ja auch nicht erschrecken. Sehr schön sind Die Moräne zu unserer Linken ist perfekt nach den Bedürfnissen des Weinbaus ausgerichtet. ferner <strong>der</strong> Rastplatz bei <strong>der</strong> ersten Schiffanlegestelle und die auf Stelzen im See stehende Badeanstalt, unterteilt in Männer-, Frauen- und Familienbad. Auf Naturpfad gehen wir seeaufwärts und stellen fest, wie gut <strong>der</strong> Reussgletscher gearbeitet hat. Die Moräne zu unserer Linken ist perfekt nach den Bedürfnissen des Weinbaus ausgerichtet. Es ist eine Wonne von A bis Z: Spiegelglatt ruht <strong>der</strong> See zwischen den Hügelzügen, eine schöne Stelle folgt <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n. Bei den hoffentlich denkmalgeschützten Mini-Badeanstalten, mit Umkleidebereich, erleichtern in Betrachtung ergibt, dass er trotz Hartbelag recht angenehm ist, wohl wegen <strong>der</strong> vielen kleinen Unebenheiten. Und wenn es blüht in den Gärten und am Ufer, wenn die Savoyer Alpen im milchigen Mittagslicht nur schemenhaft zu erkennen sind und die Weite des Sees auf die Seele einzuwirken beginnt, ist harter Belag ohnehin nur halb so hart. Zurück in Lutry, rasten wir im Seeuferpark und durchstreifen danach das Städtchen, dessen Gassen ein paar Umwege wert sind. Der nächste Blickfang ist ein Schwanenpaar am Rand <strong>der</strong> Promenade. Die beiden scheinen zu turteln, recken und verrenken die Hälse, dass man Schlangenleiber zu sehen meint. Die beiden haben hier doch tatsächlich ihr Nest gebaut. Drei grosse Eier liegen darin, und das Scharren und Scharwenzeln läuft nur darauf hinaus, dass sie ihn o<strong>der</strong> er sie beim Brüten ablöst. A N S I C H T E N Seen den Seeboden eingelassene Steinplatten den Einstieg. Plötzlich fällt mir auf, wie viele <strong>der</strong> stattlichen Bäume am Ufer ihre untersten Äste ins Wasser hängen lassen. Ob sich diese in ihr Spiegelbild verliebten? Delphine bekommt man keine zu Gesicht in Meisterschwanden Delphin, dafür die Flotte <strong>der</strong> Schifffahrtsgesellschaft. Ob das Hotel Delphin o<strong>der</strong> die Seerose, einen Kilometer weiter südlich, die bessere Fischküche hat, bleibt auszuprobieren. Hier o<strong>der</strong> dort setzt man mit dem Schiff auf die an<strong>der</strong>e Seeseite über, entwe<strong>der</strong> nach Birrwil o<strong>der</strong> nach Beinwil am See, und setzt die Tour südwärts fort, zuerst in offenem Gelände, dann in leichtem Auf und Ab durch lichten Wald, in dem Ende Märzl Bärlauch und Buschwindröschen um die Wette spriessen. Immer in Tuchfühlung mit dem See, dem es dank Sauerstoffzufuhr wie<strong>der</strong> viel besser geht. Beinahe erstickt war er unter Abwässern und dem Phosphateintrag durch die Intensivlandwirtschaft. Mit einer Art Lungen-Herz-Maschine gelang Umweltfachleuten und Ingenieuren die Reanimation des Patienten. Drei Minuten sind es zum Schluss zum Bahnhof Mosen, von wo uns die Seetalbahn zurück in den Aargau o<strong>der</strong> hinüber an den Baldeggersee und weiter ins Luzernische hinein transportiert. Am Quai vor Ouchy liegt einer <strong>der</strong> berühmten Genfersee-Raddampfer: Während seines Umbaus zeigt das Olympische Museum bis 2013 einen Teil seiner Bestände auf <strong>der</strong> «Helvétie». Rund um das Schloss von Ouchy und auf dem anschliessenden Gelände <strong>der</strong> Expo von 1964 ist an diesem sonnigen Aprilsonntag tout Lausanne auf den Beinen. Der Kontrast zum ruhigen Seeuferweg ist krass. Auf <strong>der</strong> Höhe des Endlos-Parkplatzes nehmen wir uns vor, dieses Wegstück künftig mit dem Bus zu überspringen. Hinter den Bains de Bellerive gilt es dann aber wie<strong>der</strong> ans Ufer vorzustossen, denn es folgt die Plage de Vidy. Grosse Augen macht, wer zum ersten Mal hierherkommt. Mehr als einen Kilometer lang ist das Sandband und breit dazu. Der See wird zum Meer, die <strong>Schweiz</strong> erscheint unschweizerisch weit. Die Sportanlagen und Liegewiesen hinter dem <strong>VCS</strong> MAGAZIN / MAI 2012 49