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1. Das Ich oder: Ein Seehund lag am Meeresstrand Ich habe schon ...

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<strong>1.</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Ich</strong><br />

<strong>oder</strong>: <strong>Ein</strong> <strong>Seehund</strong> <strong>lag</strong> <strong>am</strong> <strong>Meeresstrand</strong><br />

<strong>Ich</strong> <strong>habe</strong> <strong>schon</strong> früh angefangen mich mit dem ICH<br />

an sich zu beschäftigen. Ja, also das <strong>Ich</strong> <strong>habe</strong> ich zur<br />

selben Zeit entdeckt, wie andere Kinder auch. <strong>Das</strong><br />

war der Moment, von dem ab ich nicht mehr sagte:<br />

„Nina will das aber!”, sondern „<strong>Ich</strong> will das aber!”<br />

<strong>Das</strong> klingt doch auch <strong>schon</strong> viel bestimmter, <strong>oder</strong>?<br />

„<strong>Ich</strong> will!” war sowieso ein ganz beliebter Ausspruch<br />

von mir. Aber nur, wenn ICH ihn benutzte. Vielleicht<br />

hat mir deswegen meine Oma auch im Jahre 1990<br />

folgenden Spruch ins Poesiealbum geschrieben:<br />

„<strong>Ich</strong> will! Dies Wort ist mächtig. Spricht’s einer ernst<br />

und still. Die Sterne reisst’s vom Himmel, - das eine<br />

Wort: <strong>Ich</strong> will!<br />

Zur Erinnerung an Deine Großm<strong>am</strong>a”<br />

Hey, eigentlich ist meine Oma immer eine kluge Frau<br />

gewesen. <strong>Das</strong> ist sie heute noch. <strong>Das</strong>s sie „<strong>Ich</strong> will”<br />

als EIN Wort bezeichnet, kann ich mir nur so erklären,<br />

dass sie den Spruch irgendwo abgeschrieben<br />

und nicht weiter darüber nachgedacht hat. <strong>Das</strong> ist so<br />

wie folgender Spruch, den ich beim Durchblättern<br />

des Albums gefunden <strong>habe</strong>:<br />

„<strong>Ein</strong> <strong>Seehund</strong> <strong>lag</strong> <strong>am</strong> <strong>Meeresstrand</strong>, wusch sich die<br />

Schnauz’ im weißen Sand. O, möchte doch dein Herz<br />

so rein wie diese <strong>Seehund</strong>schnauze sein.”<br />

6


Mal ehrlich, wer will <strong>schon</strong> Sand <strong>am</strong> Herz <strong>habe</strong>n und<br />

außerdem, im Sand waschen? Ist Wasser da nicht irgendwie<br />

sinnvoller und wenn er nun eine feuchte<br />

Schnauze hat (<strong>habe</strong>n <strong>Seehund</strong>e das?), dann klebt der<br />

Sand noch so richtig schön. Da kann man doch nicht<br />

von Reinheit sprechen.<br />

Es gibt viele solche total blöden Sprüche, ohne Sinn.<br />

Manchmal <strong>habe</strong>n sie sogar einen (wie das „<strong>Ich</strong> will”-<br />

Gedicht), dieser wird aber durch die „Reim dich <strong>oder</strong><br />

ich sch<strong>lag</strong> dich”-Technik zerstört. Denn hieße es „<strong>Ich</strong><br />

will! Diese Wörter sind mächtig” klänge das ja irgendwie<br />

auch doof, wenn auch richtiger. Wobei dann<br />

wieder der Zus<strong>am</strong>menhang fehlt. Denn einzeln richten<br />

die Worte ja gar nichts aus. Man könnte diesen<br />

Gedanken ewig weiterführen. Aber eigentlich wollten<br />

wir uns ja Gedanken über das ICH machen. Mein <strong>Ich</strong><br />

um genau zu sein. Wollten wir das? Na ICH wollte<br />

das zumindest. Da ist es wieder. <strong>Das</strong> <strong>Ich</strong>.<br />

Bin ich nun eine Egoistin, weil ich ständig über mich<br />

rede, <strong>oder</strong> eher eine Egozentrikerin, <strong>oder</strong> ein Narziss<br />

(gibt es das auch in weiblich? Narzisstin?). Nein, also<br />

selbstverliebt bin ich nicht. <strong>Das</strong> Wort Narziss <strong>habe</strong><br />

ich mit 13 Jahren entdeckt. Durch ein Buch von<br />

Christine N.. D<strong>am</strong>als <strong>habe</strong> ich Fremdwörter ges<strong>am</strong>melt<br />

um dann wild d<strong>am</strong>it um mich zu werfen.<br />

Irgendwie <strong>habe</strong> ich es aber immer geschafft sie an der<br />

richtigen Stelle anzubringen. Und die Leute, die ich<br />

mit diesen Wörtern bewarf sagten dann Sachen wie<br />

„Du bist aber weit für dein Alter.”, <strong>oder</strong>: „In deinem<br />

Alter <strong>habe</strong> ich über solche Sachen noch gar nicht<br />

7


nachgedacht.” Oder: „Und du bist wirklich erst 13?”<br />

Heute höre ich eher: „Und du bist wirklich <strong>schon</strong><br />

23?” <strong>Ich</strong> vermute aber, das liegt nicht nur daran, dass<br />

ich mich wieder verständlich ausdrücke sondern auch<br />

ein bisschen an meinem Äußeren. Wenn ich dann<br />

sage, dass mich das ankotzt, immer für jünger gehalten<br />

zu werden bekomme ich zu hören: „Sei doch<br />

froh, in einigen Jahren wirst du dich freuen, wenn<br />

man dich jünger schätzt.” <strong>Ich</strong> glaube nicht, dass ich<br />

mit 30 froh darüber sein werde, wenn man mich vor<br />

der Disco nach meinem Ausweis fragt. Fragt sich nur<br />

noch, ob ich in diesem Alter noch in die Disco gehe.<br />

<strong>Ich</strong> <strong>habe</strong> auch früh erkannt, dass manch so ein Poesiealbum-Spruch<br />

einfach nur hirnrissig ist und<br />

bissig, wie ich immer war, <strong>habe</strong> ich das auch spüren<br />

lassen. So lese ich hier gerade einen Spruch, den mir<br />

ein Mädchen in der 5. Klasse (katholische Mädchenschule)<br />

ins Poesiealbum schrieb:<br />

„Blaue Augen, roter Mund, liebe Nina bleib gesund.”<br />

Habe ich blaue Augen? Und was hat das mit meiner<br />

Gesundheit zu tun? Nun eine Woche später fand sie<br />

in ihrem Poesiealbum folgendes:<br />

„Rote Augen, blauer Mund, liebes Alien bleib gesund.”<br />

Sie hat sich darüber nie beschwert. Entweder sie hat<br />

die Hirnrissigkeit beider Sprüche verstanden <strong>oder</strong><br />

mich einfach für verrückt erklärt. Vielleicht hat ihre<br />

8


Mutter ihr auch verboten, künftig noch mit mir zu<br />

reden.<br />

<strong>Das</strong> Beste war aber wohl in der 2. Klasse. Es gab da<br />

eine dieser vielen Stephanies. In diesem Fall hatten<br />

wir zwei davon in der Klasse (auf der Mädchenschule<br />

waren es fünf in einer Klasse). Dieser N<strong>am</strong>e war zu<br />

dieser Zeit Mode wie heute zum Beispiel die Justins.<br />

Nun d<strong>am</strong>als hatten wir zwei. Die Stephanie mit ph<br />

und die Stefanie mit f. Die Stefanie mit f war eine<br />

Freundin von mir. Die Stephanie mit ph eigentlich<br />

nicht. <strong>Ich</strong> konnte sie nicht leiden und sie mich nicht.<br />

Aber das <strong>habe</strong>n wir uns nicht so anmerken lassen.<br />

Wir waren ja in der selben Clique und da ist das nicht<br />

so toll, wenn man zugibt, dass man sich nicht leiden<br />

kann. Und da es d<strong>am</strong>als IN war, in Poesiealben<br />

schreiben zu lassen, hat sie sich auch in meines<br />

eingetragen und ich mich in das Ihre. Sie schrieb<br />

zuerst bei mir:<br />

„Manchmal sagt ein Lächeln mehr als tausend<br />

Worte”<br />

<strong>Das</strong> allein (ein dummer Spruch wie jeder andere) hat<br />

mich nicht zu meinem besonderen <strong>Ein</strong>trag bei ihr<br />

bewegt. Dazu k<strong>am</strong> noch das Bild, über das ich jetzt<br />

wieder schmunzeln muss. Also, sie hat sich die Mühe<br />

gemacht, viele bunte Herzaufkleber einzukleben und<br />

mit Filzstiften malte sie ein Siegerpodest mit erstem,<br />

zweitem und drittem Platz. Auf jedem Platz ein<br />

Männchen. Über dem auf Platz 3 stand: Barbara.<br />

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