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Deutscher Schwerhörigenbund e.V. - Schwerhoerigen-Netz

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Schwerhörigenbund</strong> e.V.<br />

Bundesverband der Schwerhörigen und Ertaubten<br />

Referat Technik<br />

DSB-Bundesgeschäftsstelle<br />

Geschäftsführer Jens Steffens<br />

Breite Straße 23, 13187 Berlin<br />

Telefon: (030) 47 54 11 14<br />

Telefax: (030) 47 54 11 16<br />

E-Mail: dsb@schwerhoerigen-netz.de<br />

Internet: www.schwerhoerigen-netz.de<br />

Bankverbindung<br />

Bank für Sozialwirtschaft<br />

BLZ 100 205 00<br />

Konto: 3 133 400<br />

IBAN: DE19100205000003133400<br />

BIC: BFSWDE33BER<br />

Vorstand<br />

Dr. Harald Seidler (Präsident)<br />

Renate Welter (Vizepräsidentin)<br />

Klaus Dickerhof (Vizepräsident)<br />

Hans Brotzmann (Schatzmeister)<br />

Eingetragen beim Amtsgericht<br />

Berlin-Charlottenburg, VR 25501<br />

Dipl.-Ing. Rolf Erdmann<br />

Linzer Str. 4, 30519 Hannover<br />

Tel./Fax: 0511/83 86 523<br />

E-Mail: erdmann.rolf@gmx.de<br />

Wortbeitrag bei der Verbandsanhörung zum Thema Rundfunkgebühren am 11.10.10<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

der Deutsche <strong>Schwerhörigenbund</strong> e.V., dessen Interessen ich hier vertrete, hat zusammen<br />

mit den beiden Hörbehindertenverbänden Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten-<br />

Selbsthilfe und Fachverbände e.V. (DG) und <strong>Deutscher</strong> Gehörlosenbund e.V. (DGB) eine<br />

Gemeinsame Stellungnahme erarbeitet. Diese Stellungnahme wurde nicht nur an die<br />

Rundfunksender und Landes-Ministerpräsidenten, sondern auch an den Veranstalter der<br />

heutigen Anhörung geschickt, so dass der Inhalt als bekannt vorausgesetzt wird.<br />

Zunächst ist festzustellen, dass die Ministerpräsidenten mit ihrem Entwurf eines neuen<br />

Rundfunkgebührensystems Menschen mit Behinderungen zusätzlich finanziell belasten<br />

wollen. Bislang wird die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bei Vorliegen bestimmter<br />

Voraussetzungen als Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen gewährt. Die<br />

Befreiung gilt derzeit hauptsächlich für Menschen mit einer Seh- oder Hörbehinderung wegen<br />

der fehlenden Kommunikationsbarrierefreiheit in Rundfunk und Fernsehen und für<br />

Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung keinen Zugang zum kulturellen Leben in der<br />

Gesellschaft allgemein (z.B. öffentliche Veranstaltungen, Theater, Konzerte, Museen, etc.)<br />

haben.<br />

Die Aufhebung der Gebührenfreiheit und Einführung einer Gebührenpflicht für diesen<br />

Personenkreis – wenngleich mit einem verminderten Betrag - wird von den<br />

Behindertenverbänden in Deutschland als ein schwerwiegender Eingriff in einen wohl<br />

begründeten und notwendigen Nachteilsausgleich der betroffenen schwerbehinderten<br />

Menschen angesehen und abgelehnt. Außerdem ist nicht definiert, was unter „finanziell<br />

leistungsfähige Menschen mit Behinderungen“ zu verstehen ist.<br />

Es ist bemerkenswert, dass die Absicht, diesen Nachteilsausgleich entfallen zu lassen, mit<br />

keinem Wort begründet oder erläutert wird. Es wird lediglich in der Protokollerklärung aller<br />

Länder außerhalb des Vertragsentwurfstextes darauf verwiesen, dass „damit die<br />

Finanzierung barrierefreier Angebote erleichtert werden kann“. Tatsächlich geht es doch wohl<br />

hauptsächlich darum, das Gebührenaufkommen zu erhöhen.<br />

Im Einklang mit den übrigen Behindertenverbänden lehnen auch die<br />

Hörbehindertenverbände die Absicht der Ministerpräsidenten ab, den bisher gewährten<br />

Nachteilsausgleich zu streichen. Dies ist eine völlig ungerechtfertigte Fehlentwicklung und<br />

nicht hinnehmbare Mehrbelastung von Menschen mit Behinderungen, meine Damen und<br />

Herren!<br />

Die Hörbehindertenverbände wollen versuchen, als Interessenvertreter Einfluss auf die<br />

Gestaltung des Staatsvertrages auszuüben.<br />

Mitglied im<br />

PARITÄTISCHEN<br />

Wohlfahrtsverband<br />

Mitglied in der<br />

BAG Selbsthilfe e.V.


Seite 2<br />

Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass weder Rundfunk noch Fernsehen<br />

barrierefrei für Menschen mit Hörbehinderungen sind. Es wurde festgestellt, dass in<br />

Deutschland im Durchschnitt nur etwas mehr als 10% aller Fernsehsendungen untertitelt<br />

sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass hörbehinderte Menschen bei fast 90% aller<br />

Fernsehsendungen ausgeschlossen werden!<br />

Auch ist die Qualität der Untertitel oft sehr zu bemängeln.<br />

Untertitel sind für Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit, Ertaubung oder<br />

Gehörlosigkeit unverzichtbar. In anderen Nationen, z.B. die angelsächsischen und<br />

skandinavischen Länder, werden seit vielen Jahren alle Sendungen, auch Werbung,<br />

untertitelt ausgestrahlt. Deutschland hat bei der Barrierefreiheit im Fernsehen einen sehr<br />

erheblichen Nachholbedarf.<br />

Für viele Menschen, ganz besonders bei altersbegleitender Schwerhörigkeit, stellen<br />

Hintergrundgeräusche in Fernseh- und Rundfunksendungen eine sehr erhebliche Barriere<br />

dar, mit denen kein Sprachverstehen möglich ist. Dies betrifft vor allem Filme, Nachrichten<br />

und Verkehrsdurchsagen. Daher muss für schwerhörige Menschen eine ungestörte<br />

Tonqualität bei Fernsehen und Rundfunk angeboten werden.<br />

Wir wollen erreichen, dass der geplante Staatsvertrag konkrete Hinweise über die<br />

Verwirklichung der zwingend erforderlichen Barrierefreiheit für Menschen mit<br />

Hörbehinderungen in Rundfunk und Fernsehen enthält. Wir sehen es als notwendig an, dass<br />

zusätzlich bindende Verpflichtungen aller Rundfunk- und Fernsehsender vorgesehen<br />

werden. Appelle und „Kann-Bestimmungen“, wie im Entwurf des Staatsvertrages enthalten,<br />

sind nach unserer Auffassung nicht zielführend.<br />

Nur bei Erfüllung der in unserer Gemeinsamen Stellungnahme genannten Vorbedingungen<br />

besteht die Möglichkeit, dass die Hörbehindertenverbände trotz der grundsätzlichen<br />

Ablehnung den Absichten der Ministerpräsidenten zustimmen könnten.<br />

Wir schlagen folgende Ergänzungen im Entwurf des Staatsvertrages vor, die in § 4 nach<br />

Absatz (7) angehängt werden können:<br />

(8) Beitrags-Mehreinnahmen, die durch Beitragszahlungen von Menschen mit<br />

Behinderungen erzielt werden, sind ausschließlich und nachprüfbar für Maßnahmen zur<br />

Barrierefreiheit im Rundfunk und Fernsehen zu verwenden.<br />

(9) Der Ausbau der vollständigen Barrierefreiheit im gesamten Programmangebot von<br />

Rundfunk und Fernsehen hat schrittweise mit einer Mindest-Steigerungsquote von 20%<br />

p.a. zu erfolgen. Das Angebot an Untertiteln ist bis 2013 auf mindestens 80% zu<br />

steigern.<br />

(10) Die Sender sind verpflichtet, Arbeitsgruppen mit Beteiligung der zuständigen<br />

Hörbehindertenverbände zu bilden, in denen geeignete Maßnahmen zur Barrierefreiheit<br />

festgelegt werden. Hier besitzen die Hörbehindertenverbände das<br />

Mitbestimmungsrecht.<br />

(11) Ertrag und Verwendung der zusätzlich erhobenen Rundfunkbeiträge und die jährlichen<br />

Steigerungsquoten bei der Barrierefreiheit sind seitens der Sender gegenüber den<br />

zuständigen Hörbehindertenverbänden nachzuweisen.<br />

Diese Forderungen haben auch für die sogenannten Privatsender zu gelten, die sich zum<br />

großen Teil weigern, Maßnahmen zur Barrierefreiheit durchführen. Das Argument mit der<br />

Werbefinanzierung dieser Sender kann nicht gelten. Auch Menschen mit Hörbehinderungen<br />

kaufen Produkte, die im Fernsehen beworben werden und in deren Preis die<br />

Werbungskosten einkalkuliert sind. Insofern finanzieren sie die Privatsender mit und haben<br />

auch von daher Anrechte auf Barrierefreiheit. Darüber hinaus ist das Verhalten der<br />

Privatsender eine nicht hinnehmbare Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und<br />

älteren Menschen, die krass gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstößt.


Seite 3<br />

Sollten diese Forderungen, z.B. aus rechtlichen Gründen, nicht in das Gesetz aufgenommen<br />

werden können, ist die politische Unterstützung erforderlich, damit mit den Sendern<br />

entsprechende bindende Vereinbarungen getroffen werden können.<br />

Am Ende meiner Ausführungen möchte ich darauf hinweisen, dass sich Deutschland mit der<br />

Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, Barrierefreiheit in allen<br />

Lebensbereichen von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten und den Abbau von<br />

Barrieren zu fördern. Hierzu zählt gemäß Artikel 30 auch der barrierefreie Zugang zum<br />

Fernsehen. Insofern ist Deutschland in diesem Bereich ohnehin in der Pflicht.<br />

Nach unserer Auffassung ist es eigentlich erst bei einer 100%igen Barrierefreiheit zumutbar,<br />

von Menschen mit Hörbehinderungen Rundfunkbeiträge abzufordern. Lediglich um die<br />

Umsetzung der Barrierefreiheit im Rundfunk und Fernsehen zu beschleunigen, sind die<br />

Hörbehindertenverbände unter den in der Gemeinsamen Stellungnahme genannten<br />

Bedingungen bereit, dennoch mit einem ermäßigten Rundfunkbeitrag für Menschen mit<br />

Hörbehinderungen einverstanden zu sein.<br />

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.<br />

© Rolf Erdmann, Linzer Str. 4, 30519 Hannover, Tel./ Fax: 0511/ 83 86 523, e-Mail: erdmann.rolf@gmx.de

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