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DER VERTRAG VON LISSABON: REFORM DER EU ... - WHI-Berlin

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Mitgliedstaats zu ermöglichen. 10 Hier unternimmt der Vertrag von Lissabon einebedeutsame Neuerung, wenn er eine Ausweitung qualifizierter Mehrheitsentscheidungenermöglicht. Dies gilt zuerst für spezielle Ersuchen des Europäischen Rats,welche einer Mehrheitsentscheidung politische Legitimität verleihen und verhindernsollen, dass vermeintliche Durchführungsfragen einer Einigung im Wege stehen. 11Ergänzt wird diese ad-hoc-Regelung durch eine allgemeine Bestimmung, die fürbestimmte Sachfragen oder geografische Regionen den schrittweisen Übergang zuqualifizierten Mehrheitsentscheidungen generell ermöglicht. Hiernach entscheidetder Europäische Rat einstimmig über den verfassungsimmanenten Übergang zuqualifizierten Mehrheitsentscheidungen, gegebenenfalls nach einer Einschaltung dernationalen Parlamente. 12 Eine erleichterte Beschlussfassung ermöglicht auch dieverstärkte Zusammenarbeit mit Wirkung für einige Mitgliedstaaten, welche künftigim gesamten Anwendungsbereich der GASP ermöglicht wird. 13Die Aufnahme dieser Evolutivklauseln ist zu begrüßen; sie erlaubt eine schrittweiseAnpassung der Entscheidungsverfahren entsprechend der Bereitschaft derMitgliedstaaten zur förmlichen Einschränkung ihrer außenpolitischen Entscheidungshoheit.Hiernach kann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der tagespolitischenPraxis im Idealfall die Grundlage für einen schrittweisen Übergang zu Mehrheitsentscheidungenbereiten – zumal für besonders sensible Beschlüsse mit militärischenund verteidigungspolitischen Bezügen dauerhaft eine einstimmige10 Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen nach Art. 23 Abs. 2 <strong>EU</strong>V-Nizza greifen nur dort, wozuvor einstimmig eine europäische Position vereinbart wurde und sind dauerhaft durch dieKodifizierung einer modifizierten Fassung des Luxemburger Kompromisses relativiert.11 Vgl. Art. 31 Abs. 2 Sps. 2 <strong>EU</strong>V-Liss. und entsprechend zuvor Art. III-300 Abs. 2 Buchst. bVVE; die frühere Ausweitung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen gemäß Art. 23 Abs. 2<strong>EU</strong>V-Nizza aufgrund des Vertrags von Amsterdam bewirkte keine Änderung des Abstimmungsverhaltensin der Verfassungswirklichkeit; näher Regelsberger (Fn. 9), S. 118 ff.12 Unklar bleibt das Verhältnis der speziellen Regelung hinsichtlich eines einstimmigen Beschlussesdes Europäischen Rats in Art. 31 Abs. 3 <strong>EU</strong>V-Liss. zum vereinfachten Vertragsänderungsverfahrendes Art. 48 Abs. 7 <strong>EU</strong>V-Liss., das ausdrücklich die GASP einbezieht,zugleich jedoch eine ergänzende Einspruchsmöglichkeit der nationalen Parlamente vorsieht;wegen der ausdrücklichen Nennung der GASP in beiden Vorschriften fällt eine Abgrenzungim Wege der Auslegung nicht notwendig zu Gunsten der lex specialis der GASP aus; in derPraxis ist die Unterscheidung relativiert, weil insbesondere die britische Regierung ihre Zustimmungim Europäischen Rat innerstaatlich in beiden Fällen von einer Zustimmung desParlaments abhängig macht; vgl. House of Commons Foreign Affairs Select Committee: ForeignPolicy Aspects of the Lisbon Treaty, 3rd Report, Session 2007/8,http://www.parliament.uk, Rn. 88.13 Nach der speziellen Bestimmung der Art. 333 Abs. 1, 329 A<strong>EU</strong>V-Liss. besteht kein formellesEinspruchsrecht der nationalen Parlamente gegen die Ausweitung qualifizierter Mehrheitsentscheidungenim Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit, die allgemein den Vorzug besitztzögernde Mitgliedstaaten nicht zu umfassen und mithin auch einstimmige Beschlüsse leichterermöglicht; allerdings ist die Teilnahme möglichst vieler Mitgliedstaaten in der Außenpolitikaus strukturellen Gründen besonders wichtig; ausführlicher Thym (Fn. 4), S. 52-58 und zurbegrenzten außenpolitischen Flexibilität des Nizzaer Vertragswerks ders., Ungleichzeitigkeitund europäisches Verfassungsrecht (2004), S. 159 ff. (online unterhttp://www.ungleichzeitigkeit.de).176

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