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Vom Alternativdesign zur Nachhaltigkeit - bewusst-sign.

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1 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

De<strong>sign</strong><br />

gesch<br />

<strong>Vom</strong> AlternAtiVDe<strong>sign</strong> Der 70er zum<br />

Öko-De<strong>sign</strong> Der <strong>Vom</strong> nAchhAltigkeit<br />

AlternAtiVde<strong>sign</strong> der 70er<br />

ichte<br />

Wie kann die Zielgruppe am PoS von dem Sie-<br />

mens Hausgerät überzeugt werden?<br />

Wie kann man visuell darstellen, dass das<br />

Gerät umweltfreundlicher ist und dem Verbraucher<br />

noch weitere Vorteile bringt (zum Beispiel die<br />

Kosteneinsparung)?Milloris quatem imodi volupienim<br />

eum, numquam fugit, comniss imendem rem<br />

vel iur, simpelestis aut incto occaborion nost officta<br />

sperupt atatemqui netum autate odisci cuptate sum<br />

aut es qui comnis erum simagni mintiatquis etur asitam,<br />

si as ni nos re nonsedipsus, volore, ium sae lab id<br />

erum illest ad maios ulloria quatati desciatem il ius<br />

aut evelestestem et faccum iusantiis nestis re vit fugia<br />

ea voluptio comnisqui volupta tatur, ut endebisit<br />

od minvent odiam dolecuscium rat.<br />

Harum exerovit laborit qui dolorib usandaes ut<br />

fuga. Et et acescid et ratis et perumqui dollo mil invero<br />

di blaborere, sit andanimped quiaero vitiberi reptatius<br />

es magnisque dis dolorit odios siti bea por as<br />

quam senditatis nem eatem. Nem inciet doluptates<br />

volor as in cus acipide nimost la dolecepudae si non<br />

rempost porate nonet voloreris in nonsequ atiametur<br />

re dolupta tesciam quo que volupta voluptam in<br />

explatem faccabo recerchicae il exceaquae evendam<br />

eum voluptur solectur? Quiae. Mus maios unt et audici<br />

con repudae pelitaq uaerias andit molorio ex evelitate<br />

pa voluptatem volupta turiae voluptatem quia<br />

qui seque corersperi volorep elenis dellut magnatioris<br />

dolest, verionserio. Hendam sandit a demolor uptaquatur<br />

accust, ut autecerrovid que ipiet que parchil<br />

incimperitem ilicips anisquae sam et aut qui adipiet<br />

essinisimus mo derspidust et, saes excearum voleni<br />

zum Öko-de<strong>sign</strong> der nAchhAltigkeit<br />

Charlotte Rapp<br />

as rem qui ipsunt, enis eicium aut autas si alis ex et,<br />

sime pedi doluptaspe lant ullore maionsequi alis dio<br />

bero enestem corum velestem et alic tem latur sit dolorem<br />

enduscient rem fugit pereictet aut laccullupta<br />

doloribus esequiaepe ipsunt parum ut mi, est, aut<br />

eosanimus et quis iuntumq uasped estrum quis et ut<br />

hilit, qui aliquame num volor aut laborpo reremqui<br />

te dolum soluptaspis m enis saperes tionse derovitas<br />

aut vel ipitatibus et, que debis doluptatusae por ad<br />

molupta temperovit diae. Ate etur? Faccusam, que<br />

veliquam a velesectem rendis verem hictur, sum<br />

et, opta natiundi blabore struptat maximet volestruntis<br />

nonestem quae num quaepudae voluptaspe<br />

exeremp orrorepudae ma dolorep tatesti aeribus andebis<br />

qui sim que magnihi llenimo digent quod maximil<br />

latecusam aut que pedipis nullo imusciendem<br />

fuga. Nempos sitate pratur sumqui rernatur simporibus<br />

et, ut incipsunt quodit ut eaquid quaectur aut<br />

hicimi, occus aut untur si arumque quos se magnam<br />

nobis magnis volor sum quis eumqui dit, sum ut ipsame<br />

pro bersped ut ut que es dolorectin cum expernat<br />

est, volloria sit officaborum faccupt atibusc ipsus,<br />

temporepedi dolum dis nonest, ommod utem elique<br />

perum digentia sunto magnihic tenisci tem vel errorep<br />

electo totam quis et laboresed utem el is doluptas<br />

andentempos ento et ut lant acea sus et placea<br />

quiscius exera velesendant pererspit voluptatia dit<br />

audame provit et il il ipsandaes sum re cus simaio<br />

volum lautaquas enis dollab inciis expero volut aut<br />

laboriorion porum velitin imosti ut dellabo rehenis<br />

mollab iliae re venitias aut faces essequam, consequas<br />

volorpo ribus.<br />

Olorere laut est, eiunt, nonsequia dolorro blaut<br />

andeseque nonsequo et opti volore vercienet quaerum<br />

none vendi volut omnisinim sundicid estrum


De<strong>sign</strong><br />

gesch<br />

ichte<br />

<strong>Vom</strong> AlternAtiVde<strong>sign</strong> der 70er<br />

zum Öko-de<strong>sign</strong> der nAchhAltigkeit<br />

„Please recycle or save trees<br />

and keep this document electronic.“<br />

charlotte rapp · Wm 07


3 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

<strong>Vom</strong> AlternAtiVDe<strong>sign</strong> Der 70er<br />

zum Öko-De<strong>sign</strong> Der nAchhAltigkeit<br />

Zwei ähnliche De<strong>sign</strong>-Richtungen mit unterschiedlichen<br />

Ausprägungen und Hintergründen<br />

Es ist interessant in der Geschichte zu stöbern und Dinge zu erfahren,<br />

die außerhalb des eigenen Erfahrungsschatzes liegen. Noch viel interessanter<br />

ist es, die Fragen für die Zukunft daraus abzuleiten.<br />

So kann man sich heute z.B. die Frage stellen: Welche Verhaltensänderungen<br />

konnte damals das <strong>Alternativde<strong>sign</strong></strong> bewirken und was kann das<br />

EcoDe<strong>sign</strong> (<strong>Nachhaltigkeit</strong>sde<strong>sign</strong>) heute leisten?<br />

Das <strong>Nachhaltigkeit</strong>sde<strong>sign</strong> umfasst alle Bereiche des modernen Lebens<br />

– kann es in seiner Komplexität als solches überhaupt wahrgenommen<br />

werden und die Botschaft ‚<strong>Nachhaltigkeit</strong>’ befriedigend rüberbringen?<br />

Welche de<strong>sign</strong>theoretischen Ansätze liefert das <strong>Nachhaltigkeit</strong>sde<strong>sign</strong>?<br />

Auf einige dieser Fragen soll im Rahmen dieser Arbeit ansatzweise eine<br />

Antwort gefunden werden.


4 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

exkurs: FormAlismus<br />

Um die Strömung des <strong>Alternativde<strong>sign</strong></strong>s der 70er<br />

Jahre beschreiben und verstehen zu können, ist es<br />

ratsam, diese in den Kontext seiner Vorgeschichte zu<br />

stellen, da sich immer nur in der Abgrenzung von einer<br />

vergangenen zu einer zukünftigen Entwicklung<br />

ein schlüssiges Bild über eine De<strong>sign</strong>epoche ergibt.<br />

Bis es im <strong>Alternativde<strong>sign</strong></strong> tatsächlich zu einem<br />

Prozess des Umdenkens in Richtung Ökologie und<br />

„<strong>Nachhaltigkeit</strong>“ (diesen Begriff gab es damals nur in<br />

der Forstwirtschaft) kam, sprach man in den Lehrprogrammen<br />

der De<strong>sign</strong>erschmieden in den 50er und<br />

60er Jahren hauptsächlich von einer sozialen und politischen<br />

Verantwortung des industriellen Entwurfs.<br />

Auf dem Hintergrund der Demokratisierung<br />

Deutschlands nach dem Dritten Reich war auch<br />

immer ein politischer Anspruch vorhanden, Konsequenzen<br />

aus den ökonomisch-technischen, ästhetisch-psychologischen<br />

und den sozial-politischen<br />

Problemen des De<strong>sign</strong>s bzw. der de<strong>sign</strong>ten Produkte<br />

und deren Gebrauch zu ziehen.<br />

Zunächst waren die 60er Jahre die Hoch-Zeit der<br />

Konsumgesellschaft – das Jahrzehnt des Wirtschaftswunders.<br />

(Mondlandung, Computer, Automatisierungstechnik,<br />

usw.)<br />

Mit dem Bekenntnis in Politik, Gesellschaft und<br />

Wirtschaft zum technischen Fortschritt wurde eine<br />

Wende nach den harten Zeiten des Wiederaufbaus<br />

eingeleitet.<br />

Immer mehr Menschen kamen in den Genuss<br />

von Wohlstand und Technik, die sogenannte „bürgerliche<br />

Wohlstandsgesellschaft“ entstand. Das Angebot<br />

an elektrischen Haushaltsgeräten, Fernsehern,<br />

Stereogeräten, Autos, usw. war reichlich vorhanden,<br />

die Kaufkraft war gut und in Amerika und Europa<br />

entwickelte sich das Marketing, um das Konsumverhalten<br />

der Bevölkerung noch profitabler für die Produzenten<br />

zu beeinflussen.<br />

Maslowsche Bedürfnispyramide ,<br />

Means-End-Chain, Laddering-Methode<br />

Maßgeblicher Motor und zugleich Indikator für<br />

eine Veränderung des Konsumverhaltens war das<br />

De<strong>sign</strong>. Es richtete sich immer weniger an der Kunst<br />

aus, sondern viel mehr an der Technik, der Wissenschaft<br />

und den modernen Produktionsmethoden.<br />

Diese Strömung gipfelte im sogen. Funktionalismus,<br />

deren Theorien an der Hochschule für Gestaltung<br />

(HfG) Ulm (1955 als private Hochschule der<br />

Geschwister-Scholl-Stiftung mit staatlicher Unterstützung,<br />

von Inge Scholl, Otl Aicher, Max Bill gegründet)<br />

besondere Prägung erfuhren.<br />

In dem Bekenntnis <strong>zur</strong> Tradition des Dessauer<br />

Bauhauses (form follows function), gingen die Ausbilder<br />

an der HfG Ulm daran, das Fundament für eine<br />

rationale Gestaltungslehre und für die Verwissenschaftlichung<br />

der Problemlösungsvorgänge in den<br />

komplexen De<strong>sign</strong>prozessen zu legen. Daraus entstanden<br />

auch die Grundlagen für den heutigen Studiengang<br />

des De<strong>sign</strong>ers.


5 De<strong>sign</strong>geschichte


6 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Wenngleich sich der Funktionalismus bisweilen<br />

auch ästhetischen Positionen annäherte, herrschte in<br />

der Ablehnung von Ornament, Dekor oder der Betonung<br />

emotionaler Dynamik durchgängige Übereinstimmung.<br />

Mit dem Funktionalismus verband sich<br />

der Glaube an technische Machbarkeit, das Vertrauen<br />

in die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft,<br />

allgemein die Überzeugung, dass mit Verstand und<br />

Logik die Probleme des modernen Zeitalters lösbar<br />

seien – eine Position, die das frühe 20. Jahrhundert<br />

eindrücklich charakterisierte.<br />

Unter dieser Prämisse ergänzten auch interdisziplinäre<br />

Lehrangebote wie Soziologie, Ökonomie, Politik,<br />

Psychologie und Philosophie das Lehrangebot an<br />

der HfG Ulm.<br />

Der „Ulmer Funktionalismus“ stellte das Produktionsinteresse<br />

und die technische Realisierung in den<br />

Vordergrund. (Tomás Maldonado und Gui Bonsiepe,<br />

»Wissenschaft und Gestaltung«, »ulm 10/11«, Mai<br />

1964).<br />

Die Betonung technisch-funktionaler Aspekte<br />

in Architektur und Produktde<strong>sign</strong> gegenüber der<br />

„ästhetischen“ Form, die enge Zusammenarbeit der<br />

De<strong>sign</strong>er mit Industrie, Forschung und Wissenschaft<br />

und die Verwendung moderner Materialien wie Beton,<br />

Glas, Stahl und Kunststoff fand im modernen Industriede<strong>sign</strong><br />

eine neue Qualität.<br />

Viele Firmenstile wie z.B. der Braun AG (Chefde<strong>sign</strong>er<br />

Dieter Rams, Hans Gugelot, Herbert Hirche),<br />

das Erscheinungsbild der Deutschen Lufthansa (Kranich),<br />

Olivetti (Schreibmaschine, Elektrische Rechenmaschine)<br />

und der Bundesbahn (der stromlinienförmige<br />

ICE) wurden von HfG Ulm geprägt und viele<br />

Konsumgüter (z.B. Stapelgeschirr von Rosenthal und<br />

Nick Roericht , Gläser von WMF (Wilhelm Wagenfeld),<br />

Systemmöbel (Klappstuhl Plia von Giancarlo Piretti)<br />

stammen von Dozenten und Absolventen der Ulmer<br />

Hochschule für Gestaltung oder von deren ausländischen<br />

(vor allem italienischen) Zeitgenossen.<br />

Besonders die italienischen De<strong>sign</strong>er (Marco Zanuso,<br />

Richard Sapper, Mario Bellini, Ettore Sottsass,<br />

Giancarlo Piretti) zeigten eine große Experimentierfreudigkeit<br />

und Offenheit gegenüber neuen Technologien<br />

und Materialien. Durch die Entwicklung<br />

neuer Kunststoffe entstanden farbenfrohe, beliebig<br />

maschinell formbare, leichte, strapazierfähige und<br />

vor allem billige Haushaltswaren, Möbel, Lampen,<br />

usw.<br />

Das Konzept der ›Guten Form‹, das bis in die<br />

Achtziger hinein eine offizielle De<strong>sign</strong>doktrin war,<br />

stellte den Gebrauchswert der Produkte über ihren<br />

ästhetischen Wert und fand internationale Anerkennung<br />

(German De<strong>sign</strong>). In diesem Zusammenhang<br />

wurde von den „De<strong>sign</strong>-Ingenieuren“ der HfG Ulm<br />

auch die Ergonomie in den Mittelpunkt der Gestaltung<br />

gestellt. In Studien wurde die Beziehung zwi-


7 De<strong>sign</strong>geschichte


8 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

schen Mensch und Arbeitsplatz wissenschaftlichempirisch<br />

untersucht und führte <strong>zur</strong> ergonomischen<br />

Anpassung (De<strong>sign</strong>) von Arbeitsgeräten und Maschinen<br />

in der Arbeitswelt.<br />

Die rechtwinkligen, eher schlichten, kantigen<br />

Formen waren zugleich Folge und Grundlage der<br />

Massenproduktion und ganzer Städteentwicklungen.<br />

Kostengünstige und rationelle Herstellung aber auch<br />

langweilige Produkte und seelenlose Trabantenstädte<br />

in Betonplattenbauweise waren letztendlich eine<br />

Ausdrucksform des Funktionalismus, der Ende der<br />

60er Jahre seinen Zenit erreichte.<br />

Als es 1966 zu einer ersten leichten Rezession in<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik<br />

kam, in den Studentenunruhen 1968 die Kritik an<br />

der Autorität des Staates und an der kapitalistischen<br />

Gesellschaft zum Ausdruck kam und gegen den Vietnamkrieg<br />

öffentlich auf den Straßen protestiert<br />

wurde, hatte sich nicht nur das Politikverständnis der<br />

Bürger geändert.<br />

Das kritische Bewusstsein der Bevölkerung für<br />

politische, soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge<br />

wuchs und hatte Auswirkungen in alle Lebensbereiche,<br />

besonders auch in die des De<strong>sign</strong>s. Die<br />

Theorien des Funktionalismus konnten auf die differenzierten<br />

Fragen des Umbruchs, die erstmals auch<br />

die Grenzen des Wachstums in Betracht zogen, keine<br />

befriedigenden Antworten mehr liefern.<br />

Der Vortrag von Theodor W. Adorno „Funktionalismus<br />

heute“ (1965) vor dem Deutschen Werkbund<br />

leitete die Funktionalismuskritik ein, die Wolfgang<br />

Felix Haug in seiner „Kritik der Warenästethik“<br />

(1971) zu einer Kritik des Konsumismus (od. auch<br />

Konsumerismus) ausweitete. Darin wird von Haug<br />

kritisiert, dass der Gebrauchswert der Waren durch<br />

das De<strong>sign</strong>, in Form einer falschen Oberfläche, z.B.<br />

einer vorgetäuschten Verpackung, reduziert würde,<br />

um beim Verbraucher mit einem Scheinversprechen<br />

einen Konsumwunsch zu wecken.


9 De<strong>sign</strong>geschichte


10 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

AlternAtiVDe<strong>sign</strong><br />

Durch die Ölkrise 1973/74 verstärkte sich in der<br />

Öffentlichkeit das Bewusstsein für Umweltprobleme:<br />

Ausbeutung der Rohstoffe, Luftverschmutzung,<br />

Pestizide in Nahrungsmitteln, Radioaktivität, kontaminierte<br />

Böden, usw. Mit seinem Bericht über die<br />

„Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome (Dennis<br />

Meadow) wurde 1972 eine weltweite Diskussion<br />

über die Endlichkeit der Rohstoffreserven, über Energieeinsparung<br />

und alternative Energieträger in Gang<br />

gesetzt.<br />

Auch das De<strong>sign</strong> versucht in dieser Epoche der<br />

Verunsicherung eine Antwort auf ungelösten Fragen<br />

zu geben. Phänomene wie die Überproduktion<br />

von Waren, Unmengen von Müll und Schadstoffen,<br />

Angstzustände, Gefühle der Entfremdung und Verzweiflung<br />

und die Gier nach immer mehr materiellen<br />

Gütern veranlassen Studentenbewegungen und<br />

Querdenker zum Ruf nach der Abkehr vom konsumistischen<br />

Lebensstil. Das De<strong>sign</strong> solle nicht weiter<br />

dazu beitragen, Rohstoffe zu verschwenden und die<br />

Umwelt zu zerstören. Als Ausdruck dieses veränderten<br />

Selbstverständnisses kehrte man der Industrie<br />

den Rücken und konzentrierte sich auf das „environmental<br />

de<strong>sign</strong>“ (Umweltde<strong>sign</strong>). Den individuellen<br />

Bedürfnissen und den ökologischen Aspekten wolle<br />

man mehr Aufmerksamkeit schenken.<br />

Hauptsächlich im Bereich Bauen und Wohnen<br />

wurden um 1970 zahlreiche De<strong>sign</strong>-Institutionen<br />

neu gegründet, um dem geänderten De<strong>sign</strong>verständ-<br />

nis Rechnung zu tragen und alternative Ideen und<br />

Konzepte in der De<strong>sign</strong>theorie zu positionieren:<br />

- In Darmstadt 1969 „Institut für Bauen und<br />

Wohnen“<br />

- In Ulm 1970 „Institut für Umweltplanung“<br />

(Neubeginn der HfG Ulm)<br />

- In Berlin „Internationales De<strong>sign</strong> Zentrum“<br />

- In Offenbach „Hochschule für Gestaltung“.<br />

Die De<strong>sign</strong>-Initiative DES-IN (1974 –1980) an<br />

der HfG Offenbach um Jochen Gros stiegen beispielsweise<br />

aus dem normalen De<strong>sign</strong>betrieb aus, um in<br />

eigenen Werkstätten alternative Wege des Entwurfs,<br />

der Produktion und der Vermarktung zu gehen. Ziel<br />

war es, ohne institutionelle Vorgaben eigene Ideen<br />

zu entwickeln und diese auch theoretisch zu hinterfragen.<br />

Sie entwickelten aus gebrauchten Waren neue<br />

Produkte, die handwerklich hergestellt und ohne<br />

Zwischenhandel angeboten wurden: Lampenschirme<br />

aus gebrauchten Druckplatten, Regale aus Teekisten,<br />

Sofas aus alten Autoreifen. Diese Möbel waren<br />

ebenso wie Möbel aus Sperrholz oder selbstgebaute<br />

Möbel ein Ausdruck des progressiven, sozial-krititschen<br />

Lebensstils Mitte der 70er Jahre.


11 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Die Produkte von DES-IN setzten sich wohl<br />

nicht durch und waren auch wirtschaftlich nicht<br />

auskömmlich, eher antikommerziell, aber bahnten<br />

zumindest ein neues Verständnis für umweltfreundliche<br />

Recyclingprodukte und alternative Produktionsweisen<br />

an.<br />

Aus heutiger Sicht wird dem damaligen<br />

„Schrott-De<strong>sign</strong>“ oder „Recycling-De<strong>sign</strong>“ durchaus<br />

eine zukunftsorientierende Position in der bundesdeutschen<br />

De<strong>sign</strong>theorie anerkannt.<br />

Als sich die DES-IN Gruppe anlässlich der IDZ-<br />

Ausstellung „Neues Gewerbe und Industrie“ 1977<br />

mit Recycling-Produkten präsentierte, stießen sie bei<br />

ihren Zeitgenossen nicht gerade auf Anerkennung:<br />

von „gestalterischem Eskapismus“ und „furchtbarem<br />

Diletantismus“ war die Rede, aber auch positive Worte<br />

wie „öko-ästhetische Kreativität“ waren zu hören.<br />

DES-IN hatten jedoch den Anspruch, ein de<strong>sign</strong>theoretisches<br />

Konzept und dessen gestalterische<br />

Umsetzung zu liefern („des-in. Ein neues Ornament“).<br />

Sie bemühten sich um eine Erneuerung des De<strong>sign</strong>verständnisses,<br />

knüpfte aber an den Begriff des<br />

Funktionalismus an. In Anlehnung an Gros’ Theorie<br />

eines „dialektischen oder erweiterten Funktionalismus“<br />

(1973) machte sie auf symbolische Funktionen<br />

und psychische Ebenen aufmerksam: „Erforderlich<br />

erscheint [...] eine intensive Analyse ästhetischer und<br />

symbolischer Relationen zwischen De<strong>sign</strong>objekt und<br />

Benutzer, denn die sozialpsychologische Komponente<br />

der Gestaltungsarbeit wird vor allem vermittelt<br />

durch nicht-praktische, durch zeichenhafte Funktionen.“<br />

Ziel der Gruppe war, durch umweltfreundliche<br />

Materialien und Produktionsweisen, neue umweltorientierte<br />

Leitbilder auch für das Industriede<strong>sign</strong><br />

aufzustellen.<br />

Sie forderten ein radikales Umdenken und Umstellen<br />

des Konsum- und Werteverhaltens und die<br />

Orientierung an mehr Sinnhaltigkeit und Emotionalität,<br />

die sich in verbalen und non-verbalen Symbolen<br />

auszudrücken hat.<br />

„Weniger Konsum und damit weniger Wachstum<br />

und Verschwendung beispielsweise durch mehr<br />

Emotionalität und Sinnlichkeit kompensieren“ – das<br />

war ihr Plädoyer, eine „neue Ornamentik“ auch im<br />

Industriede<strong>sign</strong> ihr de<strong>sign</strong>theoretischer Ansatz.<br />

So soll zum Beispiel ein Blechradio oder eine Metalllampe<br />

mit eingeprägtem Schriftzug – die Prägung<br />

gilt hier als typografisches Ornament mit dreidimensionaler<br />

Struktur – eine eigene Ästhetik und emotionale<br />

Besetzung für den Benutzer haben.<br />

Vergleichbar wie die historischen floralen Ornamente<br />

solle der Sprache eine solche Funktion zukommen<br />

– ein Buchstabenornament. Das typographische<br />

Ornament in Form von Aufschriften, technischen<br />

Anweisungen und Informationen ergänzt die Funktion<br />

des Produkts und erzeugt mehr Sinnlichkeit und<br />

einen höheren Gebrauchsnutzen. Der Schriftzug auf<br />

der Gestaltoberfläche verbalisiert sozusagen die nonverbalen<br />

Eigenschaften des Produkts.<br />

Hinweis: Die spätere exzessive Ausprägung dieser<br />

Theorie erfuhren die Vertreter der „Neuen Ornamentik“<br />

wohl in den Graffitis.


12 De<strong>sign</strong>geschichte


13 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Auch die <strong>bewusst</strong>e Auswahl der Materialien,<br />

billiges Schrottmaterial, Weggeworfenes, Gebrauchtes,<br />

transportiert für DES-IN eine Botschaft: Nicht<br />

das Objekt an sich erfüllt eine ästhetische Funktion,<br />

sondern dessen Gebrauch. Die menschliche Nutzung<br />

/Aktivität hinterläßt auf dem Gegenstand Spuren<br />

seiner Geschichte und seines Handels und bekommen<br />

damit einen sinnlichen Wert. Das Altern und<br />

der Verschleiß, die Patina, empfand man damals als<br />

neues ästhetisches Moment (Beispiel: Metallkoffer<br />

mit Prägung)<br />

Obwohl die Arbeiten von DES-IN unter dem<br />

Schlagwort „Recycling-De<strong>sign</strong>“ gehandelt wurden,<br />

verstand die Gruppe nicht das Wiederverwenden<br />

durch Trennung der Materialien in Sekundärrohstoffe.<br />

Es handelte sich eher um eine Umnutzung und<br />

Weiterverwertung gebrauchter Gegenstände, was<br />

beim Benutzer ein „zeichenhaftes Bewusstsein“ implementieren<br />

solle, eben das der ökologischen Orientierung<br />

(Beispiel: Nachgebaute Colombo-Lampe<br />

aus alten Plastikmilchflaschen von James Hennessy<br />

und Victor Papanek, 1973). Durch die <strong>bewusst</strong>e Gestaltung<br />

von Recycling-Produkten wurden zweifellos<br />

ein Wertewandel und neue ästhetische Leitbilder<br />

initiiert. Allein das Bewusstwerden, dass materiell<br />

einfache, aber funktionstüchtige und umweltfreundliche<br />

Gegenstände durch die de<strong>sign</strong>erische Tätigkeit<br />

einen sinnlichen Reichtum enthalten, war Anlass zu<br />

einigen Veränderungen in der Konsumgesellschaft<br />

(in der Rückschau von heute aus betrachtet). Unter<br />

dem Motto „billig ist schön“, erhielten die Produkte<br />

einen gewissen ideellen Wert. Die Produkte der Gruppe<br />

wollten sich als exemplarische Statements, als alternative<br />

Positionsbestimmung des Produkt-De<strong>sign</strong>s<br />

in einer hochtechnisierten Industriegesellschaft verstanden<br />

wissen.<br />

Langfristig gesehen ging es der Gruppe aber<br />

nicht nur um die Veränderung des Konsumverhaltens,<br />

sondern auch um eine Veränderung in der Arbeitswelt.<br />

Eine neue Organisation der industriellen<br />

Produktion solle entstehen, ohne auf die traditionellen<br />

handwerklichen Verfahren <strong>zur</strong>ück zu fallen. In<br />

einer sogenannten nachindustriellen Produktionsweise<br />

fände eine Symbiose vom alternativen Handwerksbetrieb<br />

und industrieller Fertigung in kleinen<br />

Betriebseinheiten statt, aber immer unter dem<br />

Aspekt eines professionellen Industriede<strong>sign</strong>s und<br />

mit dem Ziel, die Nachteile der unpersönlichen Industrieproduktion<br />

zu kompensieren. Der Begriff des<br />

„Halbfertigde<strong>sign</strong>s“ wurde geprägt und bedeutet,<br />

dass <strong>bewusst</strong> auf Halbzeuge der industriellen Großproduktion<br />

<strong>zur</strong>ückgegriffen werden konnte, die dann<br />

handwerklich weiterverarbeitet werden.<br />

Für die Selbstbestimmung und den Spaß am Arbeitsplatz<br />

nahm man sogar gewisse Gewinneinbußen<br />

hin. In ihren Lebens- und Arbeitsgemeinschaften<br />

versuchte die Gruppe (13 Mitglieder), die Trennung<br />

von Arbeit und Freizeit aufzuheben und die Produktion<br />

der Produkte für alle durchschaubar zu machen.


14 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Eine Standortbestimmung dieser eher linksori-<br />

entierten Ideen und Konzepte bietet Gert Selle’s Publikation<br />

„Ideologie und Utopie des De<strong>sign</strong>s“ (1973) .<br />

Er zeigt hierin auf, wie die historischen, sozialen und<br />

ökonomischen Zusammenhänge der Gestaltungsarbeit<br />

und deren methodische Voraussetzungen sind.<br />

Lebte die neue Generation der De<strong>sign</strong>er in der<br />

sozial-politischen Vorstellung, mittels Gestaltung die<br />

Gesellschaft verändern, ja revolutionieren, zu können,<br />

kehrte Selle diesen Aspekt um und sagte, dass<br />

das De<strong>sign</strong> vielmehr (nur) den materiellen Ausdruck<br />

einer Gesellschaft widerspiegele und auf diese reagiere.<br />

Sicherlich erfuhren beide Aspekte eine Ausprägung<br />

und Realisierung in der damaligen De<strong>sign</strong>praxis.<br />

Der Einfluß Victor Papanek’s (aus den USA) , der<br />

den Akt der Fertigung vor die Rezeption des Produkts<br />

in den Vordergrund stellte, bewirkte die Anfänge der<br />

„do it yourself“-Bewegung („make your own de<strong>sign</strong><br />

solution“).<br />

Im Hinblick auf meine Ausführungen im Abschnitt<br />

„<strong>Nachhaltigkeit</strong>sde<strong>sign</strong> – Ecode<strong>sign</strong>“ kann<br />

man feststellen, dass Papanek, besonders als Industriede<strong>sign</strong>er,<br />

seiner Zeit weit voraus war. In seinem<br />

Buch „De<strong>sign</strong> for the Real World“ (Academy Chicago<br />

Publisher 1972) forderte er schon damals, sich stärker<br />

auf den Endverbraucher zu konzentrieren und<br />

das Allgemeinwohl über den finanziellen Gewinn zu<br />

stellen. „An jedem Fall von Umweltverschmutzung<br />

trägt der De<strong>sign</strong>er zumindest eine Mitverantwortung“,<br />

war eine seiner Mahnungen, wegen derer er<br />

sogar aus dem Berufsverband ausgeschlossen werden<br />

sollte.


15 De<strong>sign</strong>geschichte


16 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

exkurs: umWeltbeWusstsein<br />

Obwohl schon im Jahre 1962 von einem öf-<br />

fentlichen Umwelt<strong>bewusst</strong>sein gesprochen werden<br />

konnte, nämlich als die Biologin Rachel Carson in den<br />

USA ihr Buch „The Silent Spring“ veröffentlichte, manifestierte<br />

sich in der BRD (parallel dazu auch in den<br />

anderen europäischen Staaten) erst nach dem ersten<br />

Schock der Ölkrise ein politisch wirksames Umwelt<strong>bewusst</strong>sein.<br />

Erst als 1973 die vier Sonntagsfahrverbote<br />

jeden Bürger des Landes betroffen machte und<br />

die Preise wegen der Rohstoffverknappung enorm<br />

stiegen, wurden die Themen Rohstoffressourcen und<br />

Umweltschutz nicht nur von einigen Studenten und<br />

Insidern diskutiert. (In Wirklichkeit kam es nur durch<br />

das Ölembargo von Saudi Arabien gegen Israel zu einer<br />

kurzzeitigen Verknappung der Öllieferung.)<br />

Zahlreiche Umweltinitiativen und Naturschutzorganisationen<br />

entstanden in den kommenden<br />

Jahren weltweit als Ausdruck eines wachsenden<br />

Umwelt<strong>bewusst</strong>seins und waren letztendlich die<br />

Grundlage einer staatlichen Umweltpolitik.<br />

Seit dem „Erdgipfel“ der Vereinten Nationen in<br />

Rio de Janeiro 1992 ist eine „nachhaltige Entwicklung“<br />

das Leitbild der internationalen Umweltpolitik.<br />

Unter einer nachhaltigen Entwicklung ist eine<br />

Entwicklung zu verstehen, die die Bedürfnisse der<br />

Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige<br />

Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen<br />

können.<br />

Damals haben die Unterzeichnerstaaten der<br />

dort verabschiedeten Agenda 21 unterstrichen, dass<br />

es ohne einer gemeinsamen globalen Anstrengung<br />

und Partnerschaft, ohne ein Umwelt<strong>bewusst</strong>sein<br />

und ohne eine Änderung der Konsummuster in den<br />

hoch entwickelten, in starkem Maße Ressourcen<br />

verbrauchenden Ländern, keine Lösung der globalen<br />

Probleme (Armut, immer mehr Hunger, Krankheit<br />

und Analphabetentum sowie eine fortschreitende<br />

Schädigung der Ökosysteme) gibt.<br />

Laut Agenda 21 ist eine nachhaltige Entwicklung<br />

nur dann realisierbar, wenn möglichst viele<br />

Menschen an der Gestaltung einer solchen Entwicklung<br />

mitwirken. Der Beteiligung wichtiger Gruppen<br />

der Zivilgesellschaft an der Gestaltung des <strong>Nachhaltigkeit</strong>sprozesses<br />

wird eine wichtige Bedeutung zugemessen<br />

und der Einfluss von Bildung und Kommunikation<br />

wird betont.


17 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Auch wenn das Konzept der nachhaltigen Ent-<br />

wicklung den Weg auf die politische Bühne gefunden<br />

hat, haben sich die mit nachhaltiger Entwicklung verbundenen<br />

Vorstellungen und Konzepte bislang nur<br />

mühsam in den Köpfen der Bevölkerung festsetzen<br />

können. Umfragen zum Thema Umwelt<strong>bewusst</strong>sein<br />

lassen vermuten, dass in der Gesellschaft wohl ein<br />

guter Resonanzboden und eine breite Zustimmung<br />

für eine an dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung<br />

orientierte Politik vorhanden, die Kommunikation<br />

dieser Begrifflichkeit allerdings mit einigen Problemen<br />

verbunden ist.<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>skommunikation ist vor diesem<br />

Hintergrund als Verständigungsprozess gefordert, in<br />

dem es um Werte und Normen, Ursachenforschung<br />

und wissenschaftlich-theoretische Fundierung geht.<br />

Und das alles in sehr unterschiedlichen Kontexten<br />

zwischen Einzelpersonen, Institutionen, Schulen,<br />

Hochschulen, Medien, Politik, Kommunen, der Wirtschaft<br />

auf nationaler und internationaler Ebene.<br />

Um das Leitbild <strong>Nachhaltigkeit</strong> gesellschaftlich<br />

zu verankern, bedarf es professioneller und zeitgemäßer<br />

Kommunikation. Zahlreiche Publikationen<br />

(z.B. Das Handbuch der <strong>Nachhaltigkeit</strong>skommunikation<br />

von Gerd Michelsen u. Jasmin Godemann<br />

(Hrsg.) , 2004, „Die Ökofalle“ von Christoph Spehr<br />

und „Nachhaltig, modern, staatstreu“ von Jörg Bergstedt.),<br />

Forschungsprojekte und Institutionelle Einrichtungen<br />

(z. B. Rat für Nachhaltige Entwicklung der<br />

Bundesregierung) liefern hierzu theoretische Ansätze,<br />

mögliche Strategien und praktische Konzepte.


18 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

nAchhAltiges De<strong>sign</strong> –<br />

ecoDe<strong>sign</strong> – greenDe<strong>sign</strong><br />

Gerade dem De<strong>sign</strong> kommt in seiner symboli-<br />

schen, technisch-praktischen, ästhetischen, informativen<br />

und persuasiven Funktion, in Verbindung mit<br />

den modernen Medien, eine Schlüsselrolle zu.<br />

Die vielfältigen Forderungen nach einem ethischen<br />

und moralischen Konsum (Priddat 1998), nach<br />

einem politischen Konsum (Schoenheit 2007, Busse<br />

2006) oder eben nach einem nachhaltigen Konsum<br />

(Scherhorn, Weber 2003) wirft die Frage auf, wie wir<br />

alternative Lebensbedingungen schaffen können, die<br />

das Überleben unterstützen und nicht gefährden.<br />

Mittel, solche veränderten Bedingungen zu erlangen,<br />

stellen veränderte Konsumweisen dar.<br />

Hierin kommt allen De<strong>sign</strong>disziplinen eine<br />

wichtige, wenn nicht gar die wichtigste Aufgabe<br />

zu, wie es Andrej Kupetz (seit 1999 Hauptgeschäftsführer<br />

des Rats für Formgebung) in seinem Report<br />

(01/2010) „Mehr Relevanz wagen“ fordert.<br />

Das 20. Jahrhundert hat bereits gezeigt, welche<br />

Kraft das De<strong>sign</strong> auf die Wirtschaft und die Gesellschaft<br />

ausübt. Das De<strong>sign</strong> besitze „die Fähigkeit, Bedürfnisse<br />

zu visualisieren und dem postmodernen<br />

Menschen eine Projektionsfläche seiner Wünsche,<br />

Gefühle und Erwartungen an die Hand zu geben“<br />

(Kupetz 2010)<br />

Stellt man die noch sehr junge Strömung des<br />

sogenannten Nachhaltigen De<strong>sign</strong>s oder EcoDe<strong>sign</strong>s<br />

oder GreenDe<strong>sign</strong>s in diesen Kontext, drängt sich die<br />

Frage auf, ob und wie dieses neue De<strong>sign</strong>konzept den<br />

weltweit geforderten ökologischen-, ökonomischensozialen<br />

Wandel leisten kann ?<br />

Im Untertitel des Buchs „De<strong>sign</strong> is the problem“<br />

fordert Nathan Shedroff „The future of de<strong>sign</strong> must<br />

be sustainable”. Er spricht dem Prinzip der <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

3 Aufgaben zu: die soziale Aufgabe (in Form<br />

von menschlichem Kapital), die ökologische Aufgabe<br />

(in Form vom Kapital der Natur) und die finanzielle<br />

Aufgabe (in Form von finanziellem Kapital).<br />

Nachhaltiges Handeln fordert von uns, diese<br />

drei Arten von Kapital so gut wie möglich zu „managen“.<br />

Für alle De<strong>sign</strong>disziplinen fordert er 12 De<strong>sign</strong>strategien,<br />

die auf jedes Projekt und von jedem<br />

De<strong>sign</strong>er in jedem De<strong>sign</strong>prozess sofort und leicht<br />

anzuwenden sind und fasst diese unter den 4 Rs zusammen:<br />

„reduce, reuse, recycle and restore“ (vermeiden,<br />

wieder gebrauchen, wieder verwerten, wieder<br />

in Stand setzen).


19 De<strong>sign</strong>geschichte


20 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Auch im Hauptseminar „Ökologie und De<strong>sign</strong>“<br />

(Dr. Norbert Kopytziol) des Studiengangs Industrial<br />

De<strong>sign</strong> an der Universität der Künste in Berlin werden<br />

diese Umweltschutz-Kriterien des De<strong>sign</strong>s gelehrt:<br />

1. Gestalten Sie Produkte dauerhaft.<br />

2. Gestalten Sie Produkte so, dass sie leicht zu<br />

reparieren sind.<br />

3. Entwerfen Sie Produkte so, dass sie<br />

wiederverwendet werden können.<br />

4. Entwerfen Sie Produkte so, dass die Rohstoffe<br />

weiterverwendet werden können.<br />

5. Verwenden Sie Sekundärrohstoffe.<br />

6. Benutzen Sie recycelbare Materialien ganz<br />

allegmein.<br />

7. Gestalten Sie Produkte so einfach, damit die<br />

recycelbaren Bestandteile eines Produktes von<br />

den nicht-recyelbaren Bestandteilen getrennt<br />

werden können.<br />

8. Schließen Sie toxikologisch problematische<br />

Bestandteile eines Produktes aus oder machen<br />

Sie es so, dass sie leicht ersetzt werden können<br />

bzw. sich vor der Beseitigung entfernen lassen.<br />

9. Gestalten Sie Produkte energieeffizient.<br />

10. Benutzen Sie Produkt-De<strong>sign</strong>, um auf den<br />

Umweltschutz aufmerksam zu machen.<br />

11. Berücksichtigen Sie die Umweltbelastungen<br />

aller Herstellungsetappen und minimieren Sie<br />

die Hauptprobleme (d.h. Produkte sollen keine<br />

Verlagerung der Umweltbelastungen erzeugen).<br />

12. Ermöglichen Sie ein Produkt-De<strong>sign</strong>, mit dem<br />

sich Verpackung reduzieren lassen.<br />

Am Beispiel des Grafikde<strong>sign</strong>s lassen sich diese<br />

Strategien und andere praktische Methoden und<br />

Zusammenhänge des nachhaltigen De<strong>sign</strong>s am eindrücklichsten<br />

darstellen.<br />

Das Buch von Aaris Sherin „Grafikde<strong>sign</strong> nachhaltig“<br />

(2008) bietet hierzu das Musterbeispiel für<br />

den nachhaltigen Buchdruck, einem Bereich, in dem<br />

der Materialverbrauch am höchsten ist und in dem<br />

die meisten Grafikde<strong>sign</strong>er arbeiten.<br />

Bereits bei der Auswahl des Papiers und bei der<br />

visuellen Gestaltung ging man innovative Wege. Der<br />

Einband des Buches besteht aus bereits bedruckten<br />

Makulaturbögen, also eigentlich Herstellungsabfall,<br />

das Papier aus 100 % Recyclingpapier, das mit Pflanzenfarben<br />

bedruckt wurde .<br />

Die Herausforderung besteht schon darin, vor<br />

dem eigentlichen Gestaltungsprozess den Herstellungsprozess<br />

des Produktes (Buches) zu durchdenken<br />

und diesen zu gestalten: Es müssen Zulieferer (Papierhersteller,<br />

Druckfarbenhersteller) gefunden werden,<br />

die nicht nur umweltfreundliche und qualitativ<br />

hochwertige Produkte herstellen (Recyclingpapier,<br />

ökologische Druckfarben), sondern deren Produkti-


21 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

onsprozesse wiederum umweltfreundlich sind (z.B.<br />

nur Windenergie <strong>zur</strong> Papierproduktion nutzen, keine<br />

Regenwälder abholzen) und sich ihrerseits einer ökologischen<br />

Verantwortung unterziehen.<br />

Die zahlreichen Umweltlabels und Zertifizierungen<br />

(FSC, Blauer Engel, EMAS, green.-e.org, green seal,<br />

PEFC, EU-Umweltzeichen) leisten hierzu wichtige<br />

Orientierungshilfen, sind aber auch nicht leicht zu<br />

durchschauen, müssen ergo hinterfragt werden.<br />

Für den De<strong>sign</strong>er bedeutet das, dass er zu seinem<br />

gestalterischen Wissen auch ein produktionsund<br />

produkttechnisches Wissen haben muss, sowie<br />

die sozialen und die ökologischen Implikationen zu<br />

berücksichtigen hat.<br />

Nachhaltiges Agieren bedarf „greenThinking“<br />

- Klare, kalkulierbare Zielvorgaben, lang und<br />

kurzfristig: ökonomisch erfolgreich, ökologisch<br />

verantwortlich, sozial kompetent.<br />

- Klare Indikatoren<br />

(Kontrolle der angestrebten Zielvorgaben):<br />

- Ökobilanz<br />

- ökologischer Fußabdruck<br />

- Material-Input pro Service-Einheit (MIPS)<br />

- Co2-Bilanz<br />

- Virtuelles Wasser<br />

- Ethische Grundsätze bei sozialen und ökologischen<br />

Komponenten<br />

- Betriebswirtschaftliche Methoden bei ökonomischen<br />

Belangen<br />

- Volkswirtschaftliche Methoden bei sozialen und<br />

ökonomischen Belangen.<br />

Die Profession des De<strong>sign</strong>ers geht demnach<br />

heute über die Erfüllung idealistischer Motive hinaus<br />

und stellt den De<strong>sign</strong>er ins Zentrum eines globalen<br />

Kommunikationsprozesses.<br />

Der De<strong>sign</strong>er muss zunächst einmal mit seinem<br />

Kunden, seinem Auftraggeber, kommunizieren. Lt.<br />

McKinsey Studie (global survey 2007) sehen mehr als<br />

60 % der Top-Manager in aller Welt den Klimawandel<br />

als strategisch bedeutungsvoll an. Demzufolge sind<br />

auch viele Unternehmen offen für das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

und beweisen mit nachhaltigen Imagekampagnen<br />

(z.B. Umweltsponsoring Werbung) und<br />

sozialem und ökonomischem Engagement, dass sie<br />

sich der Verantwortung für unseren Planeten <strong>bewusst</strong><br />

sind.<br />

Dann muss der De<strong>sign</strong>er auch innerbetrieblich<br />

(in der Agentur) kommunizieren. Dabei kommt es an<br />

vielen Stellen zu Reibungsverlusten und zu Energieund<br />

Materialverschwendung. Um nach außen <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

vorzuleben, muss auch nach innen eine<br />

Material-, Zeit- und Energieeffizienz erreicht werden<br />

(„den Worten auch Taten folgen lassen“, Cheryl Heller).


22 De<strong>sign</strong>geschichte


23 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Für den Umgang mit dem Klienten gibt Cheryl<br />

Heller, (Geschäftsführerin, Heller Communicaton De<strong>sign</strong>)<br />

dem De<strong>sign</strong>er einige brauchbare Tipps an die<br />

Hand, wie er <strong>Nachhaltigkeit</strong> schon im Briefing kommunizieren<br />

kann.<br />

- Der De<strong>sign</strong>er muss das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

dem Kunden gegenüber <strong>zur</strong> Sprache bringen.<br />

- Der De<strong>sign</strong>er soll dem Kunden dabei helfen, Qualität<br />

neu zu definieren, und zwar mit dem Ziel,<br />

dass der Begriff die Lebensqualität aller Bewohner<br />

unseres Planeten einschließt.<br />

- Der De<strong>sign</strong>er soll seinen Kunden zu einer Neubewertung<br />

der Rohstoffreserven, der Fertigungsprozesse<br />

und des Umgangs mit Abfällen führen.<br />

- Mit dem „besten Preis“ sollte der wirkliche Preis<br />

eines Produktes gemeint sein (Lester Brown: Plan B<br />

2.0 – Mobilmachung <strong>zur</strong> Rettung der Zivilisation).<br />

Am Beispiel des Körbchens Erdbeeren, das von Afrika<br />

nach Europa transportiert wird, erfahren wir<br />

den wirklichen Preis: der Preis für die Schädigung<br />

der Umwelt durch Co2-Emissionen beim Transport,<br />

die Kosten für die Energie <strong>zur</strong> Kühlung, für<br />

die Heilbehandlung der Menschen, die auf Grund<br />

der schlechten Luft an Asthma erkranken.<br />

Ein grundlegender Wandel hin zu mehr <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

kann lt. Brown nur gelingen, wenn jedem<br />

klar ist, wie hoch der wirkliche Preis ist, den wir<br />

für unsere Güter bezahlen.<br />

- Der De<strong>sign</strong>er soll dem Geschäftsführer die Frage<br />

stellen „Wie müssen wir als Unternehmen<br />

handeln, um die von uns formulierten Anliegen<br />

und Absichtserklärungen auch realisieren zu<br />

können?“ Unternehmen sollen dadurch zu mehr<br />

Transparenz beim Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> kommen,<br />

was Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen<br />

schätzen (z.B. den Kunden über die Herkunft des<br />

Rohmaterials oder über Recyclingmöglichkeiten<br />

informieren).<br />

- Der De<strong>sign</strong>er soll das Unternehmen dabei unterstützen,<br />

ein eigenes Wertesystem zu entwickeln<br />

und dieses in einem kontinuierlichen Kommunikationsprozess<br />

an seine Mitarbeiter zu vermitteln.<br />

- Der De<strong>sign</strong>er soll den Mut haben, Dinge auf das<br />

Wesentliche zu reduzieren. Daraus kann sich eine<br />

neue Möglichkeit der Bezahlung für die Dienste<br />

des De<strong>sign</strong>ers ergeben: nicht mehr nach dem<br />

Umfang der Arbeit, sondern für die Qualität des<br />

Denkens.<br />

Mit dieser Art von Kommunikation wird an den<br />

„<strong>Nachhaltigkeit</strong>sde<strong>sign</strong>er“ besonders in seiner de<strong>sign</strong>-theoretischen<br />

Ausbildung hohe Anforderungen<br />

gestellt.<br />

Auf der AIGA De<strong>sign</strong> Conference 2003 – „Power<br />

of De<strong>sign</strong>“ wurden die Aufgaben des De<strong>sign</strong>ers folgendermaßen<br />

formuliert: De<strong>sign</strong>ern fällt eine zentrale<br />

Rolle dabei zu, unsere Wirtschaft erfolgreich aus


24 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Krisensituationen zu führen, sowohl als Anwälte sozialen<br />

Wandels in einer globalisierten Welt, als auch<br />

als Architekten ökologischer Lösungen auf unserem<br />

geschundenen Planeten“. (S. 36 Sherin, Grafikde<strong>sign</strong><br />

nachhaltig).<br />

Kelly Salchow, Dozentin für Grafikde<strong>sign</strong> an der<br />

Michigan State University, hat hierzu einen pragmatischen<br />

Ansatz entwickelt: „Indem wir wiederkehrende<br />

Problemstellungen auf alternative Weise lösen,<br />

können wir unsere Umwelt nicht nur äußerlich<br />

wahrnehmbar verändern, sondern auch ökologisch.“<br />

Die Studenten sollen in ihren Lehrveranstaltungen<br />

lernen, die Lebenszyklen von Produkten, die sie gestalten,<br />

in ihrer Gesamtheit zu betrachten.<br />

Das Verpackungsde<strong>sign</strong> ist geradezu ideal, um<br />

mit nachhaltigen Gestaltungskonzepten zu experimentieren.<br />

William McDonough und Michael Braungart forderten<br />

z.B. 2002 in „Cradle to Cradle“, dass ein Gegenstand<br />

nach seiner Nutzung in der Lage sein müsse,<br />

<strong>zur</strong> Herstellung eines neuen Produkts beizutragen.<br />

Dieses Cradle-to-Cradle-Prinzip basiert auf der Beobachtung,<br />

dass sich in der Natur Abfallprodukte und<br />

Nahrungsangebot die Waage halten, dass also nichts<br />

deponiert wird. Die Zivilisation erzeugt auch durch<br />

das Recyceln immer noch unverwertbaren Restmüll,<br />

der mehr oder weniger problematisch entsorgt werden<br />

muss oder durch das Kompostieren Schadstoffe<br />

freisetzt. Durch das Beispiel der Natur inspiriert (Bionik)<br />

plädieren die Autoren dafür, Produkte zu erfinden,<br />

die auch nach ihrer Nutzung in einen weiteren<br />

Herstellungskreislauf eingebunden werden können<br />

(z.B. Maisschale – mexikanische Taco shells, anstatt<br />

Styroporschale).<br />

Besonders als De<strong>sign</strong>er muss man immer auf<br />

dem Laufenden sein, nicht zuletzt weil man als solcher<br />

Teil einer verantwortungs<strong>bewusst</strong>en Gesellschaft<br />

ist und seinen Kunden das vorleben muss, was<br />

man ihnen vermitteln will.<br />

In einem speziell für De<strong>sign</strong>er entwickelten<br />

Online-Programm des MCAD werden vertiefende<br />

Kenntnisse über Theorie und Praxis nachhaltigen<br />

Grafikde<strong>sign</strong>s vermittelt, um auch eine nachhaltige<br />

Weiterbildung zu gewährleisten.<br />

Mit „guten Taten glänzen und vorausgehen“, als<br />

Handlungsprinzip auch im De<strong>sign</strong>, das wirkt als Multiplikator,<br />

sowohl bei den Unternehmen, als auch bei<br />

seinen Kunden.<br />

Immer mehr Unternehmen grenzen sich gegenüber<br />

ihren Mitbewerbern dadurch ab, dass sie sich zu<br />

einer nachhaltigen Unternehmensphilosophie bekennen.<br />

Die Konsumenten ihrerseits fordern zunehmend<br />

vom Hersteller Informationen über nachhaltige<br />

Materialien, Herstellung, Vertrieb und Entsorgung<br />

des Produktes, das sie erwerben.<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> als Wachstumsmarkt klingt<br />

vielen Unternehmen bereits in den Ohren und klingelt<br />

im Geldbeutel: Die kaufkräftige Zielgruppe der<br />

LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability) gehört<br />

heute zu den Powerkonsumenten, die durch ihr<br />

Konsumverhalten, das nicht gerade durch Verzicht<br />

geprägt ist, und durch gezielte Produktauswahl, Ge-


25 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

sundheit und <strong>Nachhaltigkeit</strong> fördern. (30 % der Ver-<br />

braucher in den USA und 15 % der Verbraucher in<br />

Deutschland).<br />

Wir befinden uns in einer Übergangsphase der<br />

Industrialisierung, in der dem natürlichen Kapital<br />

noch existierender Ökosysteme eine gebührende Anerkennung<br />

und eine Neuorientierung der Ökonomie<br />

zukommen wird. Kommerz und Umweltschutz müssen<br />

sich nicht ausschließen und können durchaus in<br />

der gesunden Balance erträglichen Profit ausstoßen.<br />

Da, wo sich Unternehmen ehrlich zu ihrem ökologischen<br />

und sozialen Engagement bekennen und<br />

dieses Bekenntnis auch dem Konsumenten gegenüber<br />

überzeugend darlegen, kann man von einem<br />

ethischen Konsum sprechen. Der Konsument wird<br />

das Produkt dieser Firma bevorzugen und es wahrscheinlich<br />

auch weiterempfehlen.<br />

Problematisch für den Verbraucher und auch die<br />

Unternehmen wird es dann, wenn es lediglich um<br />

das „Greenwashing“ geht, ein vorgetäuschtes und<br />

werbewirksam aufgemotztes Umweltengagement,<br />

dem in der tatsächlichen Praxis nichts entgegensteht.<br />

Dem Konsumenten ist in jedem Fall an<strong>zur</strong>aten,<br />

weiterhin neugierig zu bleiben und informiert<br />

zu sein. Diesen Konsum zu betreiben, erfordert auch<br />

vom Konsumenten ein ordentliches Maß an Kompetenzen:<br />

Informationen beschaffen und verarbeiten,<br />

ethische Kriterien kennen und anwenden, die Anstrengungen<br />

des ethischen Konsums auch auszuhalten.<br />

Dass es dabei immer noch eine Diskrepanz zwischen<br />

dem Wissen und dem Handeln gibt, erleben<br />

wir am eigenen Leib, wenn es um die Entscheidung<br />

geht, ob wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder<br />

dem privaten Auto fahren.<br />

Der verbesserte Wissensstand der Marktteilnehmer<br />

dürfte „einen wachsenden Einfluß auf das<br />

ökonomische Verhalten in modernen Gesellschaften<br />

haben, und auf den Trend hin zu einer Moralisierung<br />

der Märkte“. Die Kaufentscheidung wird in zunehmendem<br />

Maße immer auch eine moralische Entscheidung<br />

sein, die auf eine langfristige Perspektive<br />

hin angelegt ist. Werden jedoch moralische Wertvorstellungen<br />

durch den Kauf eines Produktes nur vordergründig<br />

beim Konsumenten befriedigt, nur damit<br />

er sein Gewissen erleichtern kann, kommt zum<br />

„Greenwashing“ das „Moralwashing“ hinzu.<br />

Die Gefahr besteht darin, dass Moral und Ethik<br />

zu Quasi-Waren erhoben werden, die man mit dem<br />

Erwerb einer Ware mitkaufen kann.<br />

Eine besonders beeindruckende Vision über einen<br />

nachhaltigen Konsum hat Adam Werbach anläßlich<br />

seiner Rede vor dem Commenwealth 2004<br />

entwickelt.<br />

„Die gebräuchliche ‚grüne’ Definition von <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

betrifft hauptsächlich das Schicksal unseres<br />

Planeten und wie unser Leben dadurch beeinflusst<br />

wird. Grün ist gut, versagt aber meistens als<br />

Strategie, wenn es am Markt bestehen muss.“<br />

Er spricht deshalb von einer „Blauen Bewegung“,<br />

einer Massenbewegung, die die politischen Anstrengungen<br />

in Zukunft vervielfacht und ausweitet, einem<br />

Lebensstil, eine Art erfolgreich zu leben. Diese


26 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Bewegung stellt die Art und Weise, wie wir mit uns<br />

und den anderen umgehen in den Mittelpunkt.<br />

Ist die Blaue Bewegung erst einmal in Gang,<br />

müssen wir nicht mehr wählen, ob wir die Natur, die<br />

Atmosphäre oder die Umwelt über alles stellen. Wir<br />

müssen dann gar nicht mehr wählen, was wir an die<br />

wichtigste Stelle setzen. Wir können uns nur noch für<br />

das Bessere entscheiden, weil es gar nichts anderes<br />

mehr gibt.<br />

Drei Ziele werden von der Blauen Bewegung angestrebt:<br />

Die Lebensqualität der Menschen messbar<br />

zu verbessern, so viele Leute wie möglich für diese<br />

Anstrengung zu engagieren und die Wirksamkeit der<br />

Anstrengungen zu erhöhen.<br />

Werbach leitet daraus seine Marketingstrategie<br />

ab. Er will den Leuten helfen, die richtigen Produkte<br />

zu finden, die das Leben verbessern und er will<br />

gleichzeitig die Produkte kreieren, die den Wunsch,<br />

nach einem nachhaltige Einkaufsverhalten erfüllen.<br />

Das klingt nach einer Art Verbraucher-Revolution.<br />

Drei Kriterien sind ihm dabei wichtig:<br />

- Der Preis – <strong>Nachhaltigkeit</strong> muss demokratisiert<br />

und für jeden verfügbar gemacht werden. Es darf<br />

nicht sein, dass man reich sein muss, um nachhaltig<br />

leben zu können.<br />

- Der Zweck – Was ist die Gebrauchsbestimmung,<br />

wegen derer man einen Gegenstand kauft? Passt<br />

er in die gesunde Lebensart?<br />

- Der Prozess – wie gestaltet sich der Produktionsprozess:<br />

energieintensiv, verbraucht er Pestizide<br />

oder Ressourcen, werden faire Löhne bezahlt, wie<br />

wird entsorgt?<br />

Der Traum von Werbach ist, BLUE <strong>zur</strong> Meta-Marke<br />

zu machen, die Milliarden von Leute kaufen, weil<br />

sie blau ist. Er möchte den Leuten helfen, beim Einkaufen<br />

die Welt zu verändern.<br />

Ob damit vielleicht die LOHAS gemeint sind,<br />

ist eine Vermutung. Auf jeden Fall hat Werbach zumindest<br />

das ökonomische Potential erkannt, das im<br />

nachhaltigen Konsum steckt.<br />

Allein die Vorstellung, dass diese Blaue These<br />

auch dem De<strong>sign</strong> einen ungeahnten Auftrieb geben<br />

könnte, dürfte jedes De<strong>sign</strong>erherz höher schlagen<br />

lassen. Dann gäbe es in Zukunft nur noch nachhaltige<br />

Produkte zu gestalten und zu verkaufen.<br />

Innovative Technologien in der Produkt- und<br />

Prozesstechnik, die wachsende Recyclingindustrie<br />

und damit die Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen<br />

und immer mehr regenerierbare Energielieferanten<br />

sind schon jetzt die Grundlage für das stetige Wachstum<br />

nachhaltiger Produkte auf dem Weltmarkt.


27 De<strong>sign</strong>geschichte


28 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Was vor 30 bis 40 Jahren noch undenkbar war,<br />

ist heute Realität: Das „Maisradio“ mit Bambusverkleidung<br />

und manuell aufladbarer Batterie von Lexon<br />

oder das neue Umwelthandy mit Maishülle von<br />

Samsung sind zukunftsweisende Beispiele aus der<br />

Erforschung neuer Biokunststoffe auf Maisbasis und<br />

mit der Faser der Kenafpflanze, bei der auf Schwermetalle<br />

wie Kadmium, Quecksilber und Blei verzichtet<br />

werden kann. Zum Verzehr ist das Handy W510<br />

Eco allerdings nicht bestimmt, denn wer weiß schon,<br />

ob Samsung genveränderten Mais dafür verwendet.<br />

Ein Beispiel für das Recycling ist der Nike Trash<br />

Talk Basektballschuh, der aus Herstellungsabfall von<br />

Gummi, Leder, sythetischem Leder und Schaumstoffen<br />

besteht.<br />

Bereits in allen Bereichen der Industrie und des<br />

täglichen Lebens werden Ökoprodukte angeboten:<br />

für den Bürobedarf, bei den Baustoffen, Textilien,<br />

Reinigungsprodukten, Verpackungen, Möbeln, Spielwaren,<br />

Kraftfahrzeugen, Freizeitprodukten usw. Hier<br />

alle möglichen Einzelprodukte aufzuzählen, würde<br />

den Rahmen sprengen.<br />

Das Betätigungsfeld für den De<strong>sign</strong>er ist demnach<br />

groß, die Chancen für Blue stehen also gar nicht<br />

schlecht. Es bleibt zu wünschen, dass diese nachhaltige<br />

Entwicklung uns Menschen wirklich nützt und<br />

uns sowie unserem Planeten gut tut.


29 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Vergleich<br />

Im Rückblick auf die Epoche des <strong>Alternativde<strong>sign</strong></strong>s sind<br />

wir heute in vieler Hinsicht doch einige Schritte weiter gekommen.<br />

Die Produkte sind vielfältiger, qualitativ hochwertiger und<br />

gebrauchstüchtiger als die damaligen „Recyclingprodukte“.<br />

Was sich aber seit den 70ern nicht mehr geändert hat und<br />

seitdem in den Köpfen der meisten Menschen verankert ist,<br />

ist, dass sich unser Konsum und Werteverhalten verändern<br />

muss, um zu einer <strong>Nachhaltigkeit</strong> zu gelangen. Die Menschen<br />

werden in Zukunft immer stärker für die <strong>Nachhaltigkeit</strong> sensibilisiert<br />

sein und dessen Qualitäten für ihr eigenes Leben<br />

entdecken.<br />

Es bleibt nur zu hoffen, dass uns dafür die nötigen Spielräume<br />

bleiben, den De<strong>sign</strong>ern, den Wissenschaftlern, der Industrie<br />

und uns Konsumenten.


30 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

QuellennAchWeis<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> im Web<br />

- www.gruene-ge.de – Bündnis 90/ Die Grünen<br />

- www.de<strong>sign</strong>-literatur.de – De<strong>sign</strong>er Portal<br />

- www.german-de<strong>sign</strong>-council.de – Rat für Formgebung<br />

- http://opus.kobv.de/udk/volltexte/2003/2/ – Universität der Künste Berlin<br />

- www.bpb.de – Bundeszentrale für politische Bildung<br />

- www.leuphana.de – Institut für Umweltkommunikation<br />

- www.pr-guide.de – Gesellschaft Public Relations Agenturen e.V.<br />

- www.idsa.org – The Industrial De<strong>sign</strong>ers Society of America promotes<br />

the practice and education of Industrial De<strong>sign</strong>.<br />

- GPRA – Wirtschaftsverband führender PR-Agenturen Deutschlands<br />

De<strong>sign</strong> kann die Welt verändern<br />

- www.de<strong>sign</strong>-report.de – Kupetz Interview der Deutschen Welle 03.03.2010<br />

Nachhaltig Drucken<br />

- http://www.gruen-gedruckt.de/index.html<br />

- http://www.druckerei-quint.de/


31 De<strong>sign</strong>geschichte<br />

Eco De<strong>sign</strong> – Doppelpunkt für die Umwelt<br />

- http://www.agd.de/?id=347<br />

Diskussion über nachhaltiges De<strong>sign</strong><br />

- http://kopfbunt.de/nachhaltigkeit-durch-de<strong>sign</strong>/5082/<br />

Literatur<br />

- <strong>Nachhaltigkeit</strong>:<br />

Udo E. Simonis, Professor für Umweltpolitikforschung,<br />

Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)<br />

- Handbuch <strong>Nachhaltigkeit</strong>skommunikation:<br />

Gerd Michelsen, Jasmin Godemann (Hrsg.)<br />

- Grafikde<strong>sign</strong> nachhaltig<br />

Ein Handbuch über Materialien und Herstellungsverfahren<br />

für Grafikde<strong>sign</strong>er und deren Kunden von Aaris Sherin

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