Wirklichkeit ist, setzt sich heute immer mehr durch. Sie hat sich in derEntwicklungspsychologie vor allem durch die Handlungstheorie PIAGETs etabliert. PIAGETnimmt für die Entwicklung kognitiver Strukturen eine aktive Auseinandersetzung des Kindesmit seiner Umwelt an, die in einer fortschreitenden Abfolge von Stadien erfolgt. Dabei stehendie beiden Faktoren der strukturellen Reifung des Verstandes einerseits und andererseits derAuswirkungen der Erfahrungen des Kindes oder der Einflüsse seiner physischen oder sozialenUmwelt in permanenter Wechselbeziehung miteinander (vgl. PIAGET 1978, S. 142). DieseAnnahme einer Verflechtung von Wahrnehmung und Handlung beim Erwerb nicht nurgeistiger Fähigkeiten spielt auch in aktuellen Theorien zur Entwicklung eine wesentlicheRolle."A central theme in the new synthesis is the inseparable coupling of perception andaction in the generation and improvement of new skills. This theme is not new:Piaget (1952) 14 believed that all representational thought had its origins in infants'repeated cycles of perceiving and acting on the world." (THELEN 1995, S. 87)FELDENKRAIS bezieht sich in seinen Aussagen zur Entwicklung ebenfalls auf dieErkenntnisse von PIAGET (vgl. 1981, S. 28-29). Zwischen der <strong>Feldenkrais</strong>-Methode und denwissenschaftstheoretischen Bemühungen der Genfer Schule um PIAGET bestehenkonzeptionell enge Verbindungen (vgl. CZETCZOK 1995, S. 12). Eine ganzheitliche Sichtdes Menschen und seiner Entwicklung kommt in diesen Theorien durch die Betonung desuntrennbaren Zusammenwirkens körperlicher und geistiger Funktionen zum Ausdruck.Motorik und Sinne werden so in die Betrachtung miteinbezogen. Die Entwicklung kognitiverStrukturen findet demnach in Abhängigkeit von Wahrnehmung und Handlung statt. "Daskindliche Denken (genauso wie das des Erwachsenen) kann nie an sich und unabhängig vonder Umgebung erfaßt werden." (PIAGET 1978, S. 142) FELDENKRAIS geht ebenfalls vondieser Grundannahme aus, wenn er feststellt, "daß am Denken auch Bewegung,Sinnesempfindung und Gefühl beteiligt sind" (1978, S. 32). Diese Sichtweise des Menschenals Einheit von Körper und Geist soll hier nur angedeutet werden, da ihr in dieser Arbeit eineigenes Kapitel gewidmet ist; Gleiches gilt für die Bewegungsentwicklung und die<strong>Ausbildung</strong> bestimmter Funktionen. 15Eine Einteilung des Entwicklungsprozesses in aufeinanderfolgende Stadien wirft die Fragesowohl nach der Qualität dieser Abfolge auf, als auch nach der Art und Weise, wie dabeiVeränderung stattfindet. Nach KAGAN (1987) setzt eine Hypothese, die Entwicklung alsStufenfolge betrachtet, die drei Annahmen einer speziellen Organisation, eines allmählichenWachstums und eines Zusammenhangs voraus; demnach wird eine Stufe entscheidend14 Piaget, J. (1952): The origins of intelligence in children. New York: International Universities Press.15 Vgl. hierzu die Kapitel 2.2.2. und 2.2.5. dieser Arbeit.Seite 15
dadurch definiert, "daß sie aus einer speziellen Konstellation von notwendig miteinanderzusammenhängenden Qualitäten besteht" (vgl. S. 112). Für die Bestimmung einzelner Stadienund die Argumentation für oder gegen eine Kontinuität in der Entwicklung ist dann dieInterpretation, die diesen Zusammenhängen durch den jeweiligen Betrachter zukommt,entscheidend. "Es ist der Theoretiker, der bestimmt, welche Phänomene strukturellmiteinander zusammenhängen, und zwar aufgrund der Plausibilität der Begründungen, die fürdie festgestellten Zusammenhänge angegeben werden." (KAGAN 1987, S. 126)FELDENKRAIS orientiert sich in seinen Aussagen zur Entwicklung zwar an PIAGET,übernimmt aber weder explizit dessen Stufenmodell, noch stellt er ein eigenes auf. Vielmehrist ihm an der Beschreibung der Qualität von Entwicklung als solcher gelegen."Entwicklung betont das harmonische Zusammenwirken von Struktur, Funktion undLeistung. (...) Normale Entwicklung ist in der Regel harmonisch: die Teile wachsen,bilden sich aus, nehmen zu an Kraft, und zwar so, daß das Ganze wird jeweilszweckmäßig funktionieren können. So wie bei einem Kind, das sich harmonischentwickelt und wächst, im Laufe dieses Vorgangs neue Funktionen in Erscheinungtreten, so tauchen in jeder harmonischen Entwicklung neue Fähigkeiten auf."(FELDENKRAIS 1978, S. 79)Das Prinzip des labilen GleichgewichtsDeutet man diese Harmonie im Sinne eines Strebens nach Gleichgewicht, so läßt sie sich mitPIAGETs Grundmodell der Äquilibration, also der "Auflösung von Widersprüchen undKonflikten durch Umstrukturierung und Neuaufbau von Strukturen" (vgl.OERTER/MONTADA 1987, S. 459) in Bezug setzen. Ein solcher "Ausgleichsprozeß" istPIAGET (1996) zufolge "bei jeder Teilkonstruktion und bei jedem Übergang von einemStadium zu einem anderen beobachtbar" und nicht im Sinne der Mechanik oderThermodynamik, "sondern im Sinne, wie er heute dank der Kybernetik bekannt ist, einerSelbstregulierung" zu verstehen (vgl. S. 155). PIAGET bezieht sich hier auf diesystemtheoretisch begründete Vorstellung vom Menschen als einem sich selbst regulierendenund selbsterschaffenden System, die sich im Begriff der "Autopoiesis" widerspiegelt und ihrestärkste Ausprägung im Radikalen Konstruktivismus findet. 16 Die <strong>Feldenkrais</strong>-Methode istparallel zur Entwicklung der kybernetischen und systemtheoretischen Forschung entstanden.FELDENKRAIS zählt die Kybernetik zu den wissenschaftlichen Disziplinen, deren16 MATURANA/VARELA (1987) haben die mit dem Begriff der "Autopoiesis" verbundenen Vorstellungenausführlich dargestellt. Zum Radikalen Konstruktivismus vgl. WATZLAWICK (1991). Eine kritischeAuseinandersetzung mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen der Kybernetik findet sich bei BATESON(1994).Seite 16
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