Begriffe "Leib" und "Körper" angebracht. In der phänomenologischen Betrachtungsweise vonMERLEAU-PONTY (1966) stellt sie sich als eine Unterscheidung in einen subjektivempfundenen Leib und einen objektivierbaren Körper dar. 22 Ich habe einen Körper, aber "ichbin mein Leib" (vgl. MERLEAU-PONTY 1966, S. 180). Der Begriff "Leib" bezieht sich beiihm auf den lebendigen, wahrnehmenden Menschen in seinem Körper, während der Körperan sich nur die strukturellen Merkmale des Leibes umfaßt. "Der Leib ist also immer mein oderdein Leib, einem unmittelbaren Erleben und Miterleben zugänglich, der Körper ist einKörper, einer äußeren Beobachtung und Behandlung sich darbietend." (WALDENFELS1985, S. 156)Für diese Untersuchungen ist die existenzphilosophisch begründete Unterscheidung vonMERLEAU-PONTY in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen hat sie eine aktuelleBedeutung durch die in unserer Gesellschaft zunehmende Verdrängung des Leibes undObjektivierung des Körpers. "Der phylo- und ontogenetische und damit auch derkulturgeschichtliche Prozeß gingen und gehen den Weg vom Leib zum Körper." (MILZ/OTS1996, S. 46) Zum anderen beinhaltet sie eine Auffassung der menschlichenSinneswahrnehmung, die in direktem Bezug zur <strong>Feldenkrais</strong>-Methode und zu neuerenerkenntnistheoretischen Ansätzen zu sehen ist.Eine Objektivierung des Körpers setzt voraus, zwischen Selbst und Außenwelt unterscheidenund über sich selbst nachdenken zu können. Die Wahrnehmung des Neugeborenen istzunächst rein subjektiv und erst die Entstehung des Ich-Bewußtseins macht auch eineUnterscheidung zwischen Leib und Körper möglich. Von Anfang an sind es dabei dieindividuellen Erfahrungen des Menschen, die sein Bild von sich und von der Welt prägen.Wahrnehmung ist nicht vorprogrammiert, sondern findet auf der Basis vorangegangenerErfahrungen statt.MERLEAU-PONTY hat diese umfangreichen Veränderungen, Bewertungen undSinngebungen beschrieben, die schon in der Sinneswahrnehmung stattfinden. DieWahrnehmung "gibt sich nicht zunächst als ein Vorkommnis in der Welt, auf das z.B. dieKategorie der Kausalität anzuwenden wäre, sondern als in jedem Augenblicke von neuem dieWelt erst schaffend oder rekonstituierend" (vgl. MERLEAU-PONTY 1966, S. 244). Die Weltist demnach nicht Ursache, sondern Folge von Erfahrung. Wir nehmen also nicht die Realitätauf und bilden sie ab, sondern "konstruieren mit Spontaneität eine zweite Natur" (vgl.LASSAHN 1983, S. 164). Diese Annahme widerspricht der mechanischen Vorstellung einerbloßen Abbildung der Welt durch die Sinnesorgane im Gehirn.22 MERLEAU-PONTY sei hier beispielhaft für die Phänomenologen genannt, die sich in diesem Jahrhundert mitder Leiblichkeit auseinandergesetzt haben. Dazu gehören auch HUSSERL, SCHELER und HEIDEGGER.Seite 39
Neuere Ansätze, die sich mit dem Phänomen des Erkennens befassen, schließen an dieAussagen von MERLEAU-PONTY an. Die beiden Biologen und ErkenntnistheoretikerMATURANA und VARELA beispielsweise nehmen dieses "Hervorbringen einer Welt durchdas Erkennen" als Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen (vgl. 1987, S. 33). Einen der Gründe,warum es so problematisch ist, die komplexen Phänomene der Wahrnehmung und desErkennens zu analysieren, sehen sie darin, daß diese dabei Instrument undUntersuchungsgegenstand zugleich sind. "Es ist, als verlangten wir, daß das Auge sich selbstsieht." (MATURANA/VARELA 1987, S. 30) Ihre Kernaussage lautet dementsprechend:"Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun" (vgl. MATURANA/VARELA 1987, S.32). Daraus ergibt sich ein zirkulärer Zusammenhang von Handlung und Erfahrung. "DieseZirkularität, diese Verkettung von Handlung und Erfahrung, diese Untrennbarkeit einerbestimmten Art zu sein von der Art, wie die Welt uns erscheint, sagt uns, daß jeder Akt desErkennens eine Welt hervorbringt." (MATURANA/VARELA 1987, S. 31) Erkennen kannalso immer nur aus subjektiver Perspektive in Interaktion mit der Umwelt erfolgen. VARELA(1991) zufolge birgt das darin liegende Prinzip der Rückbezüglichkeit einen Schlüssel zumVerständnis von natürlichen Systemen, deren kognitive Erscheinungen und ihrer reichhaltigenFormenwelt (vgl. S. 294). So ist z.B. das Nervensystem selbst bereits in mehrfacher Weiseauf sich zurückbezogen, weist also die von LASSAHN beschriebene Spontaneität undAktivität als konstitutives Merkmal auf. Auch die Gesetzmäßigkeiten eines labilen, nachhöherer Ordnung strebenden Gleichgewichts finden sich hier wieder und werden durchForschungsergebnisse der Neuropsychologie belegt."Ein Lebewesen unterscheidet sich von einem Computer dadurch, daß sich bei ihmnichts je genau gleich wiederholt oder reproduziert; daß statt dessen eine ständigeRevision und Neuordnung von Wahrnehmung und Erinnerung stattfindet, so daßkeine zwei Erfahrungen (oder ihre neuralen Voraussetzungen) je gleich sind."(SACKS 1991, S. 6)Die Frage nach der Subjektivität oder Objektivität von Erfahrung stellt sich für VARELA(1991) damit aus der Perspektive der Partizipation und Interpretation, "in der Subjekt undObjekt untrennbar miteinander verbunden sind"; diese Perspektive weist sowohl auf die Naturdes Erkenntnisprozesses als auch auf die fundamentalen Grenzen dessen hin, was wir überuns und die Welt begreifen können (vgl. S. 307/308).Die spezifischen Begriffssysteme und Argumentationslinien der hier vorgestellten Ansätzekönnen im Rahmen dieser Arbeit nur angedeutet werden. Setzt man sie in Beziehung mit denAussagen von FELDENKRAIS, so läßt sich feststellen, daß seine Grundannahmen über dieFunktionsweise des Nervensystems und dessen Bedeutung für das Denken und Handeln desMenschen darin bestätigt werden. Es wurde bereits gesagt, daß FELDENKRAIS daranSeite 40
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