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Über die Fähigkeit, das Leben zu organisieren Über die Fähigkeit ...

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26<br />

Kolumne<br />

Auf meinem Weg <strong>zu</strong>r Arbeit<br />

komme ich jeden<br />

Morgen am Fitnesscenter<br />

vorbei. Schon in aller Frühe bevölkern<br />

<strong>die</strong> ersten Bewegungshungrigen<br />

<strong>die</strong> Räume mit den<br />

Kraftgeräten, Hometrainern und<br />

Laufbändern. Bis spät abends<br />

reisst der Strom der Fitnesswilligen<br />

nicht ab.<br />

Längst ist Bewegung<br />

und Fitness<br />

<strong>zu</strong>m grossen Geschäft<br />

geworden.<br />

Vorbei sind <strong>die</strong> Zeiten,<br />

als Mann oder<br />

Frau, noch im gewöhnlichenTrainingsan<strong>zu</strong>g<br />

oder mit<br />

Leggins und T-Shirt<br />

Monika Albrecht<br />

bekleidet, der einfachen<br />

körperlichen Ertüchtigung,<br />

wie <strong>das</strong> früher noch hiess, frönen<br />

konnten. Nein, heute ist <strong>das</strong> ein<br />

kollektives Massenerlebnis, <strong>das</strong><br />

im richtigen Tenue, mit den richtigen<br />

Sportschuhen, Markenstirnband,<br />

Designerhandtuch und<br />

der bekannten Sporttaschenmarke<br />

eines noch bekannteren Sportlers<br />

absolviert werden muss.<br />

«Fitness-Studio? Nein, Danke!<br />

Kommt für mich nicht in Frage»,<br />

meinte jüngst eine Kollegin. «Ich<br />

kam mir schon etwas komisch<br />

vor, in meiner Jogginghose und<br />

dem T-Shirt, <strong>zu</strong>sammen mit dem<br />

in <strong>die</strong> Jahre gekommenen Frotteehandtuch.<br />

Irgendwie passte<br />

ich dort nicht hin, alles wirkte so<br />

stur. Ohne mich, <strong>das</strong> ist nicht<br />

mein Ding!» lamentiert sie kopfschüttelnd.<br />

Mit der Umschreibung<br />

stur muss ich ihr Recht<br />

geben. Was ist denn daran so aufregend,<br />

wenn fünf Menschen<br />

nebeneinander auf Laufbändern<br />

rennen, rennen, rennen und nie<br />

vita sana sonnseitig leben 1/2007<br />

irgendwo ankommen? Ausserdem<br />

muss <strong>die</strong>se Art der Bewegung<br />

eine todernste Angelegenheit<br />

sein. Ich habe in all den<br />

Jahren noch nie einen Besucher<br />

oder eine Besucherin lächelnd in<br />

<strong>das</strong> Fitnesscenter hinein gehen<br />

oder heraus kommen sehen. Im<br />

Gegenteil: Erhascht man einen<br />

Blick auf <strong>die</strong> Trainierenden,<br />

wirken sie eher verbissen, ja<br />

freudlos. Das tägliche Fitness-<br />

Programm wird abgespult – so<br />

wirkt es auf jeden Fall auf <strong>die</strong> Betrachterin.<br />

Hier ist <strong>die</strong> provokative Frage<br />

erlaubt: Sollte Bewegung nicht<br />

auch Spass machen? Den eigenen<br />

Körper <strong>zu</strong> spüren und wahr<strong>zu</strong>nehmen<br />

und auch mal akzeptieren<br />

können, <strong>das</strong>s es vielleicht<br />

in der einen Stunde punkto Leistung<br />

nicht so läuft, wie man es<br />

gerne hätte.<br />

Ich bin keine Anhängerin von<br />

Kraftakten und Verrenkungen,<br />

<strong>die</strong> nachher wochenlang «gsälbelet»<br />

werden müssen. Nebst meinem<br />

wöchentlichen Besuch im<br />

Schwimmbad habe ich den<br />

Orientalischen Tanz für mich<br />

entdeckt. Eine kleine Gruppe<br />

von Frauen trifft sich einmal pro<br />

Woche <strong>zu</strong>r Bewegung der anderen<br />

Art. Die Lektionen werden<br />

nicht stur «durchgepaukt» und<br />

vor allen Dingen stellen wir nicht<br />

den Anspruch an uns, eine perfekte<br />

Höchstleistung um jeden<br />

Preis erbringen <strong>zu</strong> müssen. Die<br />

Sollte Bewegung nicht auch Spass<br />

machen?<br />

Bekleidung ist Nebensache:<br />

Hauptsache leicht und bequem.<br />

Unsere Tanzgruppe ist immer gut<br />

gelaunt und nimmt <strong>die</strong> Stunden<br />

locker in Angriff. Es macht einfach<br />

Spass, und ganz nebenbei<br />

Wir stellen nicht den Anspruch an uns, eine<br />

perfekte Höchstleistung um jeden Preis<br />

erbringen <strong>zu</strong> müssen.<br />

hat sich meine Haltung verbessert.<br />

Das Gefühl, den ganzen<br />

Körper bewegt <strong>zu</strong> haben, aber<br />

nicht mit Hauruckübungen, sondern<br />

mit fliessenden Bewegungen,<br />

macht gute Laune.<br />

Abgesehen davon, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se<br />

Tanzart den Frauen so oder so gut<br />

tut – Stichwort Beckenbodentraining<br />

– nehme ich ein Gefühl der<br />

Zufriedenheit mit in den Alltag.<br />

Wer <strong>zu</strong>frieden ist mit sich selbst,<br />

wirkt ausgeglichen und ist gut<br />

gelaunt, so erfahre ich mich<br />

selbst. Ich freue mich schon wieder<br />

auf <strong>die</strong> nächste Tanzlektion,<br />

wenn es wieder heisst «Etwas<br />

weniger verbissen, bitte».<br />

Monika Albrecht

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