Neue Versionen 2011 - Deutsche Gesellschaft für Medizincontrolling
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Vieles aus den Sessions, deren Themen sich wie die um<br />
das Web 2.0 aktualisierte Version der Bausteine des Wissensmanagements<br />
lasen, dürfte sicherlich auf branchenübergreifendes<br />
Interesse stoßen. Daher ist den Veranstaltern<br />
ausdrücklich zu danken, dass die Vorträge zum freien<br />
Download bereitstehen, d.h. auch unabhängig von der<br />
Konferenzteilnahme zugänglich sind [2]. Für den Healthcare-Sektor<br />
geben gerade die praxisrelevanten und unmittelbar<br />
verwertbaren Themen wie Wissensvermarktung und<br />
Wissensmarketing Impulse.<br />
Trend 1: Das Raunen der<br />
Schwärme. Vom Marktpotenzial<br />
kollektiven (Un-)Wissens<br />
Hoch relevant hinsichtlich des Customer Relationship<br />
Marketing von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft ist<br />
die Closing Keynote von Peter A. Gloor, dessen Ausführungen<br />
man überspitzt dahingehend zusammenfassen kann,<br />
dass eigentlich alle benötigten Daten vorhanden seien, um<br />
vorausschauende Entscheidungen treffen zu können [3].<br />
Allein, es fehlte bisher das geeignete Prognosetool, um in<br />
die Zukunft zu schauen, so Gloor. Mit »Condor« und weiteren<br />
Softwareapplikationen liege diese Glaskugel aber jetzt<br />
vor. Das bedeutet nichts Geringeres, als dass sich praktisch<br />
<strong>für</strong> jedermann aus frei verfügbaren Daten, die aus dem<br />
Web und aus Sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook<br />
usw. stammen, mittels »Condor« nicht nur die Ausgänge<br />
von Wahlen und Oscar-Verleihungen, sondern auch Aussagen<br />
etwa zur Stärke einer überregionalen Marke wie<br />
Helios Kliniken GmbH und einer regionalen Marke wie<br />
Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen gGmbH in Trier<br />
oder zum Markenimage von z.B. der Grünenthal GmbH<br />
vorhersagen ließen – und zwar erstaunlich genau. Wer<br />
aber ist dieser Jedermann? Gloor spricht von vernetzten<br />
Cyberteams, Kollektiven von sich selbst motivierenden<br />
Visionären, die sich in sogenannten COINs (Collaborative<br />
Innovation Networks) dem Austausch von Ideen, Informationen<br />
und Arbeit widmen, wobei dies durch innovative<br />
Techniken überhaupt erst ermöglicht wird. Damit träfe<br />
dies also auf Einzelpersonen wie auch Institutionen, Non-<br />
Profit-Organisationen wie Unternehmen, Regierungen<br />
wie Nicht-Regierungsorganisationen zu. Möglicherweise<br />
auch auf Terrororganisationen? Wie dem auch sei: Was<br />
die »potenziellen Kunden«, sofern sie die kritische Masse<br />
eines Schwarms erreicht haben, raunen, also an Daten<br />
hinterlassen, vermag dieses Tool in Trends umzuwandeln.<br />
Das Wort »Kunde« ist dabei begrifflich vielleicht schon ein<br />
wenig zu nah an der DIN EN ISO 8402, denn es verkennt<br />
die Tatsache, dass die verwendeten Daten aus einer Zeit<br />
stammen können, als der »Kunde« noch weit davon entfernt<br />
war, sich seiner selbst als »Empfänger eines vom<br />
Lieferanten bereitgestellten Produkts« bewusst zu sein.<br />
Das heißt im Klartext, dass er womöglich bereits Daten<br />
produziert hat, als ihm seine Kaufabsicht noch gar nicht<br />
klar gewesen ist.<br />
Status: Prä-Patient<br />
»Trend« aber nun als die Auswertung von Ergebnissen<br />
aus ausgeklügelten vertikalen Suchprozessen übersetzen<br />
zu wollen, wäre zu kurz gegriffen. Spannend werden<br />
diese Überlegungen <strong>für</strong> die Gesundheitswirtschaft in<br />
dem Moment, in dem das Wort »Kunde« durch das Wort<br />
»Patient« ersetzt wird. Der Patient hätte also zu einem<br />
Zeitpunkt Daten produziert, an dem er den Status »Patient«<br />
noch gar nicht gehabt hätte. Ob kerngesund oder<br />
sich seiner Krankheit nur noch nicht bewusst, spielt dabei<br />
keine Rolle. Angefallene Daten könnten sich de facto auf<br />
alles Mögliche beziehen, worüber man in Facebook und<br />
andernorts berichten kann. U.a. also auf Freizeitverhalten,<br />
das je nach Interessenlage zu lebenshinderlichem »Fehlverhalten«<br />
wird: Ich denke hierbei an Ernährungs- und vor<br />
allem Trinkgewohnheiten, Extrem- und Risikosportarten<br />
oder auch Urlaube in exotischen Ländern, um nur diejenigen<br />
Daten zu nennen, die irgendwie <strong>für</strong> die klinische<br />
Medizin oder epidemiologisch relevant sein dürften.<br />
Was geschrieben steht bleibt<br />
Bei entsprechender Datengrundlage kommen Data-<br />
Mining-Systeme wie »Condor« m.E. einer Revolution des<br />
Target Marketing gleich. So faszinierend die Präzision<br />
der Ergebnisse ist, von Gloor andernorts als »wisdom of<br />
swarms« bezeichnet [4], so unheimlich ist zugleich der<br />
Zeitpunkt ihrer Entstehung. Dem Internet kommt hier<br />
gleichsam die Rolle eines Wurmlochs bei, durch das zwei<br />
Orte miteinander verbunden werden, wobei der eine in<br />
der Vergangenheit liegt, der andere in der Gegenwart<br />
oder gar in der Zukunft. Das Internet vergisst nichts. Und<br />
das macht immer deutlicher, dass unter den Bedingungen<br />
des Web 2.0 Äußerungen daher zukünftig mit Bedacht zu<br />
treffen sein werden, insbesondere vor dem Hintergrund,<br />
dass in Sozialen Netzwerken Daten oftmals entweder personalisiert<br />
vorliegen oder mit zwei, drei Klicks zu realen<br />
Personen führen [5]. Betrachtet man z.B. die Extrem- und<br />
Risikosportarten, so sind diese zwar laut SGB V nicht <strong>für</strong><br />
die gesetzliche Krankenversicherung, wohl aber <strong>für</strong> die<br />
privaten Versicherungen wie Kranken-, Lebens-, Berufsunfähigkeits-<br />
oder Unfallversicherungen von Relevanz.<br />
Sein Freizeitverhalten der Versicherung zu verschweigen,<br />
mutet schon irgendwie irrational an, wenn man gleichzeitig<br />
bei Facebook oder einem Imagehoster wie Flickr oder<br />
Picasa Bilder hochlädt, die einen beim Fallschirmsprung<br />
Forum der Medizin_Dokumentation und Medizin_Informatik 4/2010 151<br />
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