21 Report war nämlich ganz schwindlig im Kopf. Ich wusste überhaupt nicht mehr, wer war in diesem Gespräch! Und die bei<strong>de</strong>n? Wussten die <strong>de</strong>nn überhaupt noch, über wen sie eigentlich sprachen? Aber anscheinend fan<strong>de</strong>n sie sich in diesem Namens- und Personen-Labyrinth ganz gut zurecht. Das Beson<strong>de</strong>re bei diesen Unterhaltungen ist, daß die Nachnamen, die Mallorquiner meist benutzen, in keinem Einwohner-Mel<strong>de</strong>amt zu fin<strong>de</strong>n sind! Das sind nämlich so genannte „malnoms“, auf Deutsch übersetzt „schlechte Namen“, was soviel be<strong>de</strong>utet wie Spitznamen. Die Verwendung dieser malnoms rührt aus <strong>de</strong>r Vergangenheit. Beson<strong>de</strong>re Fähigkeiten, Ereignisse, Krankheiten o<strong>de</strong>r Berufe wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Menschen gerne als Beinamen zugeordnet. Dieser malnom wur<strong>de</strong> dann an die nachfolgen<strong>de</strong>n Generationen weitergegeben. Spanische Kin<strong>de</strong>r erhalten als Nachnamen jeweils <strong>de</strong>n ersten Nachnamen <strong>de</strong>s Vaters und <strong>de</strong>n ersten Nachnamen <strong>de</strong>r Mutter. Da früher aber alles räumlich sehr begrenzt war und viele eheliche Verbindungen innerhalb <strong>de</strong>s näheren Umkreises geschlossen wur<strong>de</strong>n, war die Auswahl an unterschiedlichen Nachnamen sehr gering, und es gab viele mit <strong>de</strong>m gleichen doppelten Nachnamen, z.B. Ferrer Ferrer, Servera Servera, o<strong>de</strong>r Galmés Galmés. Außer<strong>de</strong>m gab es viele Personen, die gleiche Nachnamen hatten, und so war <strong>de</strong>r malnom eine ein<strong>de</strong>utige Art und Weise, einen Menschen zu bezeichnen, auch wenn die Nachkommen mit <strong>de</strong>m Ursprung <strong>de</strong>s Spitznamens gar nichts mehr zu tun hatten. Heute kann man manchmal nur erahnen, wie <strong>de</strong>r Beiname seinerzeit wohl zustan<strong>de</strong> kam, z.B. „Vergera“ (das war im Mittelalter eine Art Polizist) – vielleicht war ein Vorfahre ein solcher Polizist? O<strong>de</strong>r z.B. <strong>de</strong>r malnom „Poca Palla“ (auf <strong>de</strong>utsch heißt das „Wenig Stroh“) – vielleicht war ein Urahn sehr arm? O<strong>de</strong>r „Peix“ (auf <strong>de</strong>utsch übersetzt “Fisch“) – war ein Vorfahre Fischer? O<strong>de</strong>r hatte er ein Gesicht wie ein Fisch? O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r malnom „Cox“ („anar cox“ be<strong>de</strong>utet auf <strong>de</strong>utsch „humpeln) – vielleicht hat ein Vorfahre gehumpelt? Der malnom meines Mannes ist „Sifoner“ (auf <strong>de</strong>utsch <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Siphon) – das ist leicht zu erklären, <strong>de</strong>nn sein Vater hatte früher einmal eine Limona<strong>de</strong>n-Fabrik. Es sind manchmal ganz lustige Namen dabei, aber auf diese Art und Weise war je<strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utig i<strong>de</strong>ntifiziert, nach <strong>de</strong>m Motto „Sage mir wie du heißt, und ich sage dir, wer du bist!“ Einige Tage bevor meine Schwiegermutter kürzlich verstarb, verbrachten mein Mann und sie einen lustigen Abend, in<strong>de</strong>m sie sich an die vielen „malnoms“ ihrer Ortschaft erinnerten, über <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung sinnierten und über viele kleine, damit verbun<strong>de</strong>nen Begebenheiten lachten. Es war eine Reise in die Vergangenheit... Kerstin-Daniela Morgenstern
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