Heft 5/2008 (1,2 MB) - Lemmens Medien GmbH
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G 21233<br />
14. Jahrgang · <strong>Heft</strong> 5<br />
September/Oktober <strong>2008</strong><br />
Einzelpreis: 19,80 �<br />
ISSN 0947-9546<br />
5/08<br />
Wissenschafts<br />
management<br />
Zeitschrift für innovation<br />
Wirtschaftsförderung:<br />
technologiepark adlershof –<br />
Maximale flexibilität<br />
■<br />
Netzwerke:<br />
stadtentwicklung in<br />
der Wissensgesellschaft<br />
■<br />
Steuerung:<br />
evaluationen<br />
im Governance-Mix<br />
■<br />
Geotechnologien:<br />
Das fue-Programm<br />
GeotechnoLoGien
Change – für die Bildung der Zukunft<br />
Campus Innovation<br />
und<br />
V. Konferenztag<br />
Studium und Lehre<br />
20. und 21.<br />
November <strong>2008</strong><br />
in Hamburg<br />
Alle Informationen zur Veranstaltung:<br />
www.campus-innovation.de<br />
Elektronische Prozesse sind aus der modernen<br />
Hochschule nicht mehr wegzudenken.<br />
Wir beobachten die Emanzipation des „e”:<br />
IT-Einsatz in Lehre und Verwaltung wandelt<br />
sich immer stärker von einem Randthema<br />
hin zu einem zentralen strategischen Faktor.<br />
Ging es bisher vornehmlich um singuläre<br />
Anwendungen in ausgewählten Bereichen,<br />
so lässt sich jetzt eine Verstetigung und<br />
Vernetzung IT-gestützter Prozesse in unterschiedlichen<br />
Hochschulbereichen feststellen.<br />
Lehr- und Verwaltungsprozesse greifen<br />
dabei zunehmend ineinander.<br />
Dies zeigen auch die Erfahrungen der Universität<br />
Hamburg, wo die Einführung des<br />
integrierten Campus Management-Systems<br />
STiNE (CampusNet) zu einer Reorganisation<br />
des Bereichs Studium und Lehre geführt<br />
hat.<br />
Eine klare Trennung von eLearning und<br />
eCampus ist nicht mehr möglich und auch<br />
nicht mehr sinnvoll. Im Gegenteil: Die Kom-<br />
bination aus eLearning und IT-Service-Ma-<br />
nagement schafft ideale Studienbedingungen<br />
im Zeitalter von Bologna und Web<br />
2.0. Das „e” wird zunehmend zu einem<br />
entscheidenden Wettbewerbsfaktor unter<br />
den Hochschulen.<br />
Die gemeinsame Veranstaltung von Campus<br />
Innovation <strong>2008</strong> und dem V. Konferenztag<br />
Studium und Lehre der Universität Hamburg<br />
diskutiert die Handlungsbedarfe und -mög-<br />
lichkeiten für die Positionierung und<br />
Gestaltung der Hochschule im 21. Jahrhundert.<br />
Change – für die Bildung der Zukunft
Open Access<br />
Die Frankfurter Buchmesse bietet seit langem auch für die Wissenschaftskommunikation<br />
eine Standortbestimmung. In diesem Herbst machen<br />
sehr positive Absatzzahlen mit den neuesten Versionen der E-Books<br />
die Runde. Gleichzeitig bestätigen die Analysen des Börsenvereins des<br />
Deutschen Buchhandels, dass sich die Print- und Onlinepublikationen gegenseitig<br />
ergänzen und nicht vom Markt drängen.<br />
Bücher wird es somit immer geben. Aber Online-Angebote nehmen in<br />
dem vergleichsweise noch jungen Internet-Markt rasant zu. Was nun individuell<br />
zählt, ist die institutionelle Entscheidung, mit welchem Mix an<br />
<strong>Medien</strong>trägern kommuniziert werden soll. Dabei kommt es auf eine langfristige Strategie an. Das<br />
ist eine Aufgabe, der sich auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen zuwenden müssen. Aus<br />
der Perspektive unserer Zeitschrift ist damit ein neues Teilthema des Wissenschaftsmanagements<br />
identifiziert: Die Strategie der Wissenschaftskommunikation in das Hochschul- und Forschungsmanagement<br />
einbinden; Open Access (OA) bietet hierzu einen guten Anlass.<br />
Open Access – das zeigen die Debatten seit der Berliner Erklärung aus dem Jahr 2003 – ist eine Ergänzung<br />
des Bisherigen: Was traditionell als wissenschaftliche Publikation per Print (Buch oder Zeitschrift)<br />
geschah, kommt immer häufiger online auf den Markt und erreicht in einer nächsten Stufe<br />
als Open-Access-Angebot – dem kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen durch das<br />
Internet – die Fachdiskussionen. Hybride Formen – gleiche Inhalte in Print- und Onlineprodukten aufbereitet<br />
– sind aus Sicht der Wissenschaft sehr interessant: Es geht schnell, ist weltweit zugänglich,<br />
für den Leser kostenfrei und kann auch – was für Geisteswissenschaften wichtig ist – bei Bedarf<br />
als Buch oder gedruckter Artikel (Printing on Demand) abgerufen werden. Die Naturwissenschaften,<br />
ohenhin mehr am wissenschaftlichen Disput über Zeitschriftenartikel und aufgrund ihrer naturgemäß<br />
kürzeren Gültigkeit der Erkenntnisse am schnellen Online-Weg interessiert, drängen ganz deutlich in<br />
diese Richtung.<br />
Die Wissenschaftsverlage sind gefordert, ihre Leistungen zu definieren und tun dies auch. Ein Beispiel:<br />
die geisteswissenschaftlichen Verlage, die jetzt gemeinsam mit dem Börsenverein des Deutschen<br />
Buchhandels eine Broschüre zu Open Access vorgelegt haben und darin ihren Mehrwert im<br />
OA-Publikationsprozess herausstellen. Damit schließt sich der Kreis zu den diesjährigen Open-Access-Tagen<br />
an der Freien Universität Berlin. Die mit über 250 Teilnehmern deutlich angewachsene<br />
Fachveranstaltung – die erstmals eine begleitende Open-Acess-Messe in Berlin anbot – zeigte im<br />
Oktober, dass an OA kein Weg vorbeiführt. Die Verlage wurden zur Kooperation eingeladen, die diese<br />
eingehen, sofern klar ist, dass Open Access auch Geld kostet und geklärt wird, woher die Verlage ihre<br />
Leistungen bezahlt bekommen. Die Wissenschaftseinrichtungen, das kam ebenso heraus, müssen<br />
jetzt OA-Publikationsstragegien entwickeln, die den unterschiedlichen Disziplinen gerecht werden.<br />
Hier ist also das Wissenschaftsmanagement gefordert.<br />
Markus <strong>Lemmens</strong><br />
editorial 3<br />
14. Jahrgang · <strong>Heft</strong> 5 · September/Oktober <strong>2008</strong> · Einzelpreis: 19,80 D<br />
news & facts<br />
4 Forschungsunion XI<br />
Innovationsfeld „Pflanze“<br />
6 Interview<br />
Zum Tätigkeitsprofil des Forschungsreferenten<br />
Wolfgang Adamczak und Sylvia Springer<br />
8 Informationsfluss<br />
Asse II: „Es hat doch keinen interessiert“<br />
wissenschaftsmanager<br />
10 Nachgefragt<br />
bei Prof. Dr. habil. Thomas Armbrüster,<br />
heibronn business school<br />
12 wissenswertes<br />
aktuell & kompakt<br />
management<br />
13 Wirtschaftsförderung<br />
Technologiepark Adlershof –<br />
Maximale Flexibilität<br />
18 Netzwerke<br />
Stadtentwicklung in<br />
der Wissensgesellschaft<br />
24 Steuerung<br />
Evaluationen im Governance-Mix<br />
30 Geotechnologien<br />
Vernetzung am Beispiel des<br />
FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN<br />
40 Forschungsinformation II<br />
Vorstellung universitärer<br />
Hochschulsysteme<br />
weiterbildung<br />
49 Aktueller Begriff<br />
Recruiting<br />
buchbesprechung<br />
51 Jens Heiling<br />
Rechnungslegung staatlicher<br />
Hochschulen<br />
53 Buchmarkt<br />
54 Impressum<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
4 news & facts<br />
forschunGsunion Xi<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Zwischen „Tank“ und „Teller“<br />
Mit moderner Pflanzenzüchtung nachwachsende Rohstoffe<br />
effizienter nutzen<br />
Das innovationsfeld Pflanze erlebt der-<br />
zeit eine grundlegende technologische,<br />
ökonomische und gesellschaftliche neubewertung.<br />
Der auf Dauer zu erwartende<br />
trend zu steigenden Weltmarktpreisen von<br />
agrarrohstoffen bietet chancen für eine<br />
nachhaltig rentable landwirtschaftliche<br />
Produktion auch in Deutschland. Der verstärkte<br />
einsatz der Biomasse zur erzeugung<br />
regenerativer energie trägt zu dieser<br />
entwicklung zumindest teilweise bei und<br />
hat in kurzer Zeit eine Problemdebatte<br />
über die mögliche Konkurrenz zwischen<br />
„tank und teller“ ausgelöst. im Kern bleibt<br />
die notwendigkeit, die pflanzliche Produktion<br />
global wie national in erheblichem<br />
Maße stetig zu steigern.<br />
Diese Notwendigkeit dokumentiert sich nicht<br />
nur in der Zusammenarbeit unterschiedlicher<br />
Ministerien im Rahmen der Hightech-<br />
Strategie, sondern zeigt sich auch im Bericht<br />
„Welternährungslage“ einer Ressortarbeitsgruppe<br />
der Bundesregierung zum Thema<br />
„Globale Ernährungssicherung durch nachhaltige<br />
Entwicklung und Agrarwirtschaft“ im<br />
April <strong>2008</strong>.<br />
Deutschland ist eines der wenigen Länder der<br />
Welt, welches das Innovationsfeld Pflanze als<br />
nationalen Hightech-Bereich identifiziert hat.<br />
Im Rahmen der Promotorentätigkeit und der<br />
damit verbundenen vor- und nachbereitenden<br />
Aktivitäten wurde deutlich, dass in Wissenschaft<br />
und Wirtschaft das zukünftige Potenzial<br />
dieses Innovationsfeldes als sehr hoch eingeschätzt<br />
wird. So wird die weltweit steigende<br />
Nachfrage nach Bioenergie auch zu einer<br />
verstärkten Nachfrage nach Technologien<br />
„made in Germany“ führen. Hier bieten sich<br />
Exportchancen für die deutsche Wirtschaft<br />
und zugleich Möglichkeiten, die ehrgeizigen<br />
Klimaschutzziele der Bundesregierung technologisch<br />
zu unterstützen.<br />
Bis 2010 soll der Anteil erneuerbarer Energien<br />
an der Primärenergieerzeugung auf 12 Prozent,<br />
bis 2020 auf 20 Prozent steigen. Doch<br />
2006 deckte die Bioenergie gerade einmal 3,4<br />
Prozent des Gesamtprimärenergiebedarfs. Die<br />
Lücke besteht aus mehreren hundert Millionen<br />
Tonnen Biomasse, die zusätzlich erzeugt<br />
werden müssen. Um sie zu schließen, fehlen<br />
jedoch die nötigen Ackerflächen ebenso wie<br />
die ausreichend ertragreichen Feldfrüchte.<br />
Ohne gewaltige Fortschritte in der Züchtungsforschung,<br />
in den Anbauverfahren und bei<br />
der Verarbeitung und Umwandlung in Energie<br />
werden wir diese Ziele nicht erreichen.<br />
Das Erfolgsrezept für die Zukunft heißt „bioökonomisch“<br />
denken! Um für die mit dem<br />
Klimawandel und den Bedürfnissen einer<br />
steigenden Weltbevölkerung einhergehenden<br />
Herausforderungen gewappnet zu sein, muss<br />
der Ausbau einer wissensbasierten, auf biotechnologischen<br />
Prozessen basierenden Bioökonomie<br />
vorangetrieben werden. Der Begriff<br />
der Bioökonomie bezieht dabei alle industriellen<br />
und wirtschaftlichen Sektoren ein, die<br />
biologische Ressourcen nutzen. Viele der hierzu<br />
notwendigen einzelnen Bestandteile sind<br />
bereits vorhanden, etwa die Spitzenforschung<br />
im Bereich Pflanze, eine chemische Industrie,<br />
die mehr und mehr auf biogene Rohstoffe<br />
setzt, Ingenieurswissenschaften, die in vielen<br />
Bereichen zur Weltspitze zählen und eine<br />
innovative Pflanzenzuchtbranche, die wissenschaftliche<br />
Innovation in neue Pflanzensorten<br />
überführt. Es geht nun darum, diese
Komponenten zu fachübergreifenden Innovationspipelines<br />
zusammenzufügen und sie bis<br />
hin zu marktfähigen, konkurrenzstarken Produkten<br />
zu verlängern.<br />
Die Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft<br />
hat der Bundesregierung die Etablierung<br />
eines Forschungs- und Technologierates Bioökonomie<br />
empfohlen, in dem Vertreter aus<br />
Wirtschaft und Wissenschaft mit den beteiligten<br />
Ressorts langfristige Forschungs- und<br />
Innovationsvorhaben entlang der Wertschöpfungskette<br />
definieren und politische Rahmenbedingungen<br />
dafür abstimmen. Ziel der<br />
Einrichtung soll es sein, die Bundesregierung<br />
und die mit Forschungsförderung im Bereich<br />
Bioökonomie befassten Ressorts und Länderministerien<br />
zu beraten und den Dialog mit den<br />
entsprechenden Instanzen auf Länderebene<br />
und Hochschulseite zu intensivieren. Der Rat<br />
soll auch dazu beitragen, die Bedeutung der<br />
Bioökonomie als innovatives Zukunftsfeld zu<br />
unterstreichen. Es ist sehr erfreulich, dass<br />
diese Empfehlung aufgenommen wurde und<br />
sich derzeit in der Umsetzung befindet.<br />
Die auf nationaler Ebene gegebenen Impulse<br />
für die Entwicklung einer Forschungsrichtung<br />
Bioökonomie müssen sich sowohl in der<br />
Forschung und Entwicklung aber auch in der<br />
Strukturierung entsprechender Lehrangebote<br />
an den Universitäten niederschlagen. Konkret<br />
geht es um die Einrichtung neuer Studiengänge<br />
und die Definition entsprechender<br />
Qualifizierungsprofile für Absolventen, um für<br />
die sich neu entwickelnden Berufs- und Forschungsfelder<br />
den wissenschaftlichen Nachwuchs<br />
sicherzustellen.<br />
Bis nachwachsende Rohstoffe aber ihr volles<br />
ökonomisches Potenzial entfalten können,<br />
müssen Industrie, Wissenschaft und Politik<br />
noch einige Hürden überwinden. Es sind sowohl<br />
wissenschaftliche Erkenntnisdefizite wie<br />
gesetzliche Rahmenbedingungen, die den<br />
Durchbruch der grünen Biotechnologie behindern.<br />
Namentlich das deutsche Gentechnikgesetz<br />
spielt eine erhebliche – und lähmende –<br />
Rolle. Für alle Bereiche der pflanzlichen Wert-<br />
schöpfungsketten wird es erforderlich sein,<br />
die Erträge der Kulturpflanzen kontinuierlich<br />
zu steigern. Das ist mit konventioneller<br />
Pflanzenzüchtung alleine nicht zu erreichen,<br />
sondern kann nur unter Nutzung „grüner“<br />
Gentechnik gelingen. Entgegen dem globalen<br />
Trend zur Ausweitung des Anbaus gentechnisch<br />
veränderter Pflanzen konterkariert das<br />
im Frühjahr diesen Jahres in Kraft getretene<br />
Gentechnikrecht diese Erfordernisse, denn es<br />
schafft für den praktischen Anbau unzumutbar<br />
hohe Hürden und belässt den Landwirt<br />
weiterhin in einer großen Rechtsunsicherheit.<br />
Damit verbaut sich Deutschland für den gesamten<br />
technologischen Bereich Chancen im<br />
internationalen Wettbewerb. So fehlt der gentechnischen<br />
Pflanzenforschung in Deutschland<br />
auch weiterhin die Möglichkeit, die Anwendung<br />
der eigenen Produkte im eigenen<br />
Land zu erproben und zu demonstrieren.<br />
Das bedroht den Forschungsstandort. Denn<br />
mittelfristig folgt die Forschung den Märkten,<br />
wie aktuelle Zahlen der Stifterverband-<br />
Wissenschaftsstatistik belegen. Innovative<br />
Pflanzenzüchtung ist nur zu erreichen, wenn<br />
die verschiedenen Anbauformen (klassisch,<br />
ökologisch und mit Hilfe gentechnologischer<br />
Methoden) Chancengleichheit haben und in<br />
integrative landwirtschaftliche Konzepte eingebunden<br />
werden.<br />
news & facts 5<br />
Die auf nationaler Ebene gegebenen<br />
Impulse für die Entwicklung<br />
einer Forschungsrichtung Bioökonomie<br />
müssen sich sowohl in<br />
der Forschung und Entwicklung<br />
aber auch in der Strukturierung<br />
entsprechender Lehrangebote an<br />
den Universitäten niederschlagen.<br />
Autor:<br />
Dr. Arend Oetker<br />
Präsident des Stifterverbandes für die Deutsche<br />
Wissenschaft e.V., in der Forschungsunion Promotor<br />
für die Querschnittsaktivität „Bündelung der Kräfte<br />
von Wissenschaft und Wirtschaft“.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
6 news & facts<br />
intervieW<br />
Wolfgang Adamczak, Robert Debusmann,<br />
Ellen Krause, Nadine Merkator<br />
Traumberuf ForschungsreferentIn?<br />
Werkstattberichte – Band 68<br />
Internationales Zentrum für Hochschulforschung<br />
Kassel, Kassel 2007<br />
ISBN 978-3-934377-53-0,<br />
online unter www. uni-kassel.de/v_pub/wb/wb68.pdf<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Große Zufriedenheit trotz<br />
hohem Arbeitsaufwand<br />
Fragen an Wolfgang Adamczak und Sylvia Springer<br />
zum Tätigkeitsprofil des Forschungsreferenten<br />
KasseL. Wie beurteilen forschungsreferenten<br />
ihre eigene arbeitssituation? Was<br />
schätzen sie an ihrer tätigkeit und was<br />
vermissen sie? Diesen fragen sind Wolfgang<br />
adamczak, robert Debusmann, ellen<br />
Krause und nadine Merkator in einer empirischen<br />
untersuchung nachgegangen, die<br />
unter dem titel „traumberuf forschungsreferentin?“<br />
veröffentlicht wurde. um ein<br />
tätigkeitsprofil dieser Berufsgruppe zu<br />
gewinnen, hatten die autoren eine umfassende<br />
Befragung von forschungsreferenten<br />
durchgeführt und daraus eine reihe<br />
von handlungsempfehlungen abgeleitet.<br />
eine der empfehlungen sah vor, einen<br />
sprecherrat zu bilden, was <strong>2008</strong> in die tat<br />
umgesetzt wurde. Zum ersten vorsitzenden<br />
des sprecherrates wurde Dr. Wolfgang<br />
adamczak, Leiter des forschungsreferats<br />
an der universität Kassel, gewählt. seine<br />
stellvertreterin ist Dr. habil. sylvia springer,<br />
Leiterin des technologie-transfer-<br />
Zentrums der universität Magdeburg. Die<br />
fragen stellte Kristin Mosch.<br />
herr Dr. adamczak, sie und ihre Kollegen<br />
haben die arbeitssituation der forschungsreferenten<br />
umfassend analysiert.<br />
Gab es ein ergebnis ihrer Befragung, das<br />
sie besonders überrascht hat?<br />
adamczak: Ja. Das für uns interessanteste<br />
Resultat war die hohe Arbeitszufriedenheit<br />
der Forschungsreferenten. Dies ist vor allem<br />
deswegen erstaunlich, weil eine hohe Arbeitsbelastung<br />
besteht und keine beruflichen Aufstiegschancen<br />
gesehen werden.<br />
frau Dr. springer, wie erklären sie sich<br />
diesen scheinbaren Widerspruch?<br />
springer: Mit dem großen persönlichen Gestaltungsspielraum,<br />
den ein Forschungsreferent<br />
hat. Er kann die Schwerpunkte seiner<br />
Arbeit frei setzen, es gibt keine Konkurrenzkämpfe<br />
mit Kollegen, sei es um die Besetzung<br />
von Themen oder um Ressourcen.<br />
Worin bestehen denn die aufgabenschwerpunkte<br />
der referenten?<br />
adamczak: Die wesentlichen Tätigkeitsfelder<br />
sind Information, Beratung und Hilfe bei der<br />
Antragstellung auf Fördermittel. Die Mehrzahl<br />
der Kollegen kümmert sich darüber hinaus<br />
um die Förderung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses, die Forschungsberichterstattung<br />
und Transferaktivitäten.<br />
springer: Der Forschungsreferent ist Mittler<br />
zwischen Wissenschaft und Verwaltung. Ziel<br />
ist es, den Wissenschaftlern möglichst viele<br />
Verwaltungsaufgaben abzunehmen.<br />
Das forschungsreferat gehört zu den<br />
neuen Professionen im hochschulmanagement.<br />
viele davon sind relativ neue einrichtungen,<br />
die es erst seit wenigen Jahren<br />
gibt. Wie machen sie die Wissenschaftler<br />
auf ihre angebote aufmerksam?<br />
adamczak: Primär besteht unser Ansatz<br />
darin, auf die Leute zuzugehen. Alle neuen<br />
Hochschullehrer erhalten von mir zum Beispiel<br />
ein persönliches Anschreiben. Ich versuche<br />
zudem mit jedem, der neu kommt, ein<br />
Gespräch zu führen.<br />
springer: Wir besuchen die Wissenschaftler<br />
auch gerne persönlich an ihren Arbeitsplätzen,<br />
um einen Eindruck von ihren Projekten<br />
zu gewinnen.
adamczak: Wenn Sie beispielsweise ein naturwissenschaftliches<br />
Labor betreten und es<br />
ist alles blitzblank, dann können Sie daraus<br />
schließen, dass Unterstützungsbedarf bei der<br />
Drittmittelakquise besteht.<br />
sie gehen also auf die Wissenschaftler zu,<br />
um den Bedarf zu ermitteln. Woran merken<br />
sie denn hinterher, ob ihre Beratung etwas<br />
gefruchtet hat?<br />
adamczak: Das ist schwer festzustellen.<br />
Dass meine Arbeit erfolgreich war, habe ich in<br />
einem Fall an einer Beschwerde gemerkt. Die<br />
betraf die Graduiertenförderung. Es ging um<br />
Doktoranden in den Wirtschaftswissenschaften.<br />
Dabei wurden vier Kandidaten von der<br />
Gutachterkommission abgelehnt. Nur einer<br />
kam durch – das war der, den ich beraten<br />
hatte. Daraufhin hat sich ein betreuender Professor<br />
einer abgelehnten Person beschwert<br />
und gesagt: Wer von Herrn Adamczak beraten<br />
wird, hat größere Erfolgschancen, das ist ein<br />
unfairer Vorteil. Für mich war das natürlich ein<br />
Kompliment, da alle diese Beratung erhalten<br />
können.<br />
springer: Insgesamt erhält man allerdings<br />
wenig Feedback. Im Technologietransfer, der<br />
ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist, laufen<br />
viele Dinge über persönliche Kontakte. Die<br />
Transferstelle wird eigentlich nur dann eingeschaltet,<br />
wenn einer niemanden kennt. Dann<br />
stellen wir Kontakte her. Was jedoch im Einzelfall<br />
daraus wird, erfahren wir nur, wenn wir<br />
später gezielt nachfragen.<br />
auch wenn die rückmeldungen nicht immer<br />
so explizit sind, hat ihre studie doch<br />
ergeben, dass Wissenschaftler und hochschulleitung<br />
die arbeit der forschungsreferate<br />
positiv bewerten. Dennoch gibt es<br />
auch veränderungsbedarf. Worin besteht<br />
dieser?<br />
springer: Wichtig wäre uns eine engere Einbindung<br />
in zentrale Entscheidungsprozesse<br />
der Hochschulleitung. Die Forschungsreferenten,<br />
die ja mit allen Fachbereichen in<br />
engem Kontakt stehen, haben im Laufe ihrer<br />
Tätigkeit viel Wissen über die gesamte Einrichtung<br />
angesammelt. Das bedeutet, dass<br />
sie zu strategischen Entscheidungen der<br />
Hochschule einiges beisteuern können.<br />
adamczak: Generell sollte die eher informelle<br />
Einbindung in die Prozesse der Hochschulleitungen<br />
durch eine institutionalisierte ersetzt<br />
werden. Es wäre von Vorteil, wenn die Referenten<br />
intensiver mit benachbarten Referaten<br />
wie der Haushalts- und Finanzabteilung<br />
zusammenarbeiten könnten. Auf diese Weise<br />
ließen sich Projekte auch über die Antragsstellung<br />
hinaus betreuen bis hin zum Vertragsabschluss.<br />
Eine weitere Empfehlung besteht<br />
darin, Karrierewege zu schaffen. Als ein<br />
Instrument könnte hier die Hospitanz dienen,<br />
also ein zeitlich begrenzter Arbeitsaufenthalt<br />
in einer befreundeten Organisation wie der<br />
Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der<br />
VolkswagenStiftung.<br />
Gibt es in diesem Bereich bereits erfahrungen?<br />
adamczak: Ja! Die Abordnung in das jeweilig<br />
zuständige Landesministerium ist durchaus<br />
gängig.<br />
springer: Wichtig wäre auch die Entwicklung<br />
von Fortbildungsangeboten. Es gibt ja keine<br />
spezielle Qualifikation für die Position des Forschungsreferenten;<br />
die Kollegen eignen sich<br />
die erforderlichen Kenntnisse on the job an.<br />
Hier wünschen wir uns Maßnahmen, die gezielt<br />
für den Bedarf der Referenten geschaffen<br />
werden. Das Beste wäre, wenn der Referent<br />
gleich bei der Einstellung vom Kanzler auf die<br />
Teilnahme an einer solchen Fortbildung verpflichtet<br />
würde.<br />
sind hierfür Mittel innerhalb der universitäten<br />
vorhanden?<br />
adamczak: Wenn man es für sinnvoll hält<br />
und auch will, dann gibt es auch Mittel! Zumal<br />
es auch für die anderen neuen Hochschulprofessionen<br />
Modellcharakter hätte.<br />
news & facts 7<br />
Dr. Wolfgang Adamczak<br />
ist Leiter des Forschungsreferats<br />
an der<br />
Universität Kassel und<br />
Vorsitzender des Sprecherrats,<br />
eine Einrichtung<br />
zur Interessenvertretung<br />
deutscher Forschungsreferenten.<br />
Dem Sprecherrat obliegt<br />
unter anderem die<br />
Verwaltung und Pflege<br />
der Kommunikationsplattformwww.forschungsreferenten.de.<br />
Dr. habil. Sylvia Springer<br />
ist Leiterin des<br />
Technologie-Transfer-<br />
Zentrums der Universität<br />
Magdeburg und<br />
stellvertretende Vorsitzende<br />
des Sprecherrats.<br />
Sie wünscht sich<br />
für die Zukunft mehr<br />
Fortbildungsangebote<br />
für Forschungsreferenten.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
8 news & facts<br />
inforMationsfLuss „Es hat doch keinen interessiert …“<br />
Bereits Ende der 1960er-Jahre, als das „Forschungsbergwerk“<br />
eingerichtet worden war, hatten mehrere<br />
Wissenschaftler und Journalisten vor einer Nutzung<br />
der Asse als Atomendlager gewarnt. Doch erst seit<br />
Ende Juni <strong>2008</strong> hat die Problematik um Asse II eine<br />
steile Nachrichtenkarriere gemacht.<br />
Foto: Wusel007, Wikimedia Commons<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Asse II – Vor allem ein Problem der wissenschaftlichen<br />
Kommunikation?<br />
reMLinGen. asse ii, ein ehemaliges salzbergwerk<br />
in der nähe von Wolfenbüttel, ist<br />
wieder aus den schlagzeilen der Print- und<br />
tv-<strong>Medien</strong> verschwunden. Mehr als 126.000<br />
fässer mit schwach- bis mittelschwachem<br />
atommüll, die in den zurückliegenden Jahrzehnten<br />
in diesem salzstock eingelagert<br />
worden sind, aber sorgen weiter für eine<br />
große unsicherheit in der niedersächsischen<br />
Bevölkerung. Zugleich stellen sie auch bohrende<br />
fragen nach Wissenschaftskommunikation<br />
und -management, die durchaus der<br />
helmholtz-Gemeinschaft Kopfzerbrechen<br />
bereiten sollten. Denn diese war bislang für<br />
asse ii zuständig.<br />
Hat das verantwortliche Helmholtz-Zentrum<br />
München, Deutsches Forschungszentrum für<br />
Gesundheit und Umwelt, vielleicht wichtige<br />
Informationen über eintretendes Wasser, brüchige<br />
Stollen und mögliche radioaktive Verseuchung<br />
des Grundwassers verschwiegen?<br />
Heinz-Jörg Haury, Sprecher des Münchener<br />
Zentrums, erregt sich: „Nichts haben wir verschweigen.<br />
Nur interessiert hat es doch keinen.“<br />
Über die Jahre hinweg sei Asse II ein<br />
„Unthema“ gewesen. Jetzt aber, wo die Politiker<br />
das Thema entdeckt hätten, sei dieser<br />
Salzstock in aller Munde. <strong>Medien</strong>schelte wolle<br />
er nicht betreiben, aber die <strong>Medien</strong> würden in<br />
erster Linie doch nur das berichten, was die<br />
Politiker erklärten.<br />
Jetzt muss das Helmholtz-Zentrum die Verantwortung<br />
in die Hände des Bundesamtes für<br />
Strahlenschutz (BfS) legen, so dass nicht mehr<br />
das Berg-, sondern das Atomrecht zum Zuge<br />
kommt. Die Frage ist, ob Asse II – wo von 1967<br />
bis1978 rund 125.000 Behälter mit schwachradioaktiven<br />
und von 1972 bis 1977 rund 1.300<br />
mit mittelradioaktiven Abfällen eingelagert wur-<br />
den – nicht gleich unter die Atomaufsicht statt<br />
unter Bergrecht hätte gestellt werden müssen.<br />
Letzteres ermöglichte es dem Münchener<br />
Helmholtz-Zentrum die Anlage zu übernehmen,<br />
die 1965 von der damaligen Gesellschaft für<br />
Strahlenforschung (GSF) im Auftrag des Bundes<br />
gekauft worden war. Im Mittelpunkt stand die<br />
Forschung, wie sich Radioaktivität und Salz vertragen<br />
und unter welchen Bedingungen Atommüll,<br />
der sich in Asse II auf 89.000 t summiert,<br />
für immer verschlossen werden kann. Die Politik<br />
erhoffte sich Erkenntnisse für das Zwischenlager<br />
Gorleben als Endlagerung für hochradioaktiven<br />
Müll, für eine, nach wie vor nicht gelöste,<br />
Endlagerung allgemein und ob Asse II nicht als<br />
Endlager tauge.<br />
Bundesforschungsministerin Annette Schavan<br />
(CDU) attestierte noch Anfang August <strong>2008</strong><br />
den in Asse beschäftigten Mitarbeitern des<br />
Helmholtz-Zentrums „erstklassige Kompetenz“,<br />
verwies aber zugleich mit Blick auf das geplante<br />
Schließungsverfahren für Asse II auf die Sicherheit<br />
der Bevölkerung, die „höchste Priorität“<br />
habe. Doch diese ist inzwischen so verunsichert,<br />
dass es dem Helmholtz-Zentrum zuletzt nicht<br />
mehr möglich war, die einlaufende Lauge in<br />
anderen Salzbergwerken zu verklappen. Immer<br />
neue Tanks müssen gebaut werden, um diese<br />
Lauge nun vorerst aufzufangen.<br />
Die Helmholtzianer erklärten am 4. September<br />
<strong>2008</strong>, dass sie den Wechsel der Zuständigkeit<br />
für Asse II als Chance sehen, „eine neue politische<br />
Basis und Rechtssicherheit für die sichere<br />
Schließung der Asse zu schaffen.“ Aus<br />
dem Bundesumweltministerium, das für die<br />
Atomsicherheit im Lande zuständig ist, verlautet<br />
jedoch: Es kann sein, dass ein Teil der radioaktiven<br />
Fässer wieder aus dem Salzstock nach
oben befördert werden muss. Wenn nicht gar<br />
der gesamte Stock zu räumen ist. Die Kostenschätzung<br />
beläuft sich auf „Milliarden Euro“.<br />
Der bisherige Asse-Betreiber wünscht sich,<br />
dass endlich einmal zur Kenntnis genommen<br />
wird, dass rechtzeitig auf eintretendes Wasser<br />
aufmerksam gemacht wurde und dass es eine<br />
Vielzahl wichtiger Forschungen für die Endlagerung<br />
von Atomabfällen gegeben habe.<br />
In den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />
wollte das Helmholtz-Zentrum mit Attrappen<br />
moderner Atommüllbehälter erforschen,<br />
wie sich Salz mit heißem Atommüll verträgt. Für<br />
fünf Jahre sollten 30 hochradioaktive Behälter<br />
aus den USA im Salz versenkt werden. Doch<br />
es blieb bei der Idee. Allein die Vorbereitungen<br />
verschlangen etwa 100 Millionen Euro. Wichtig<br />
waren Versuche, Bohrlöcher ohne Wasserzusatz<br />
zu bohren. Das sind nur wenige Beispiele für<br />
die forschungspolitische Seite. Heute gehen die<br />
meisten Experten davon aus, dass sich Asse II –<br />
das über das gleiche Salz verfügt wie Gorleben<br />
–nicht als Endlager eignet.<br />
Die wissenschaftlichen Untersuchungen aber<br />
interessieren die Menschen vor Ort und Politiker<br />
weniger. Dagegen interessiert sie, was mit der<br />
von außen eindringenden Lauge, mit vermutlich<br />
beschädigten Fässern und mit dem Wasser<br />
in dem ehemaligen Salzbergwerk ist, das dort<br />
eigentlich nicht sein darf und ob unter diesen<br />
Bedingungen Asse II überhaupt geschlossen<br />
werden darf.<br />
In einer Erklärung des Helmholtz-Zentrums München<br />
vom 3. September <strong>2008</strong> heißt es unter anderem,<br />
dass sich der Vorwurf „jahrelanger Pannen<br />
und schwerer Fehler“ schon „rein sachlich<br />
nicht nachvollziehen“ lasse. Man verweist auf<br />
den TÜV Nord, nach dem in Asse II keine wärmeentwickelnden<br />
Abfälle eingelagert worden<br />
sind und weiter: „Auf die schwierige Situation,<br />
die durch die seit rund 20 Jahren zufließenden<br />
Salzlösungen entstanden ist, hat das Helmholtz-<br />
Zentrum München immer hingewiesen.“<br />
Schiebt hier einer die Schuld auf den anderen?<br />
Offensichtlich sind zahlreiche Daten und Hinweise<br />
des Helmholtz-Betreibers von den verantwortlichen<br />
Ministerien in Hannover und Berlin<br />
nicht genau gelesen worden. Dabei ist für den<br />
emeritierten Professor für physikalische Chemie,<br />
Rolf Bertram, eines klar: „Wenn Salzlauge<br />
mit dem Atommüll in Berührung kommt, kann<br />
es jede Menge chemischer Reaktionen geben“.<br />
Oder hat sich das Helmholtz Zentrum München<br />
so sehr auf die Forschung verlegt, dass es die<br />
Ängste und Fragen der Menschen vor Ort vernachlässigte<br />
oder falsch einschätze?<br />
Asse II ist das weltweit erste unterirdische Lager<br />
für Atommüll, das vor allem radioaktiv belastete<br />
Abfälle aus Kliniken und Labors aufgenommen<br />
hat. Doch nun scheint es bereits wenige Jahrzehnte<br />
nach seiner Inbetriebnahme höchst unsicher<br />
zu sein, obwohl der dort lagernde Müll über<br />
zehntausende von Jahren weggeschlossen bleiben<br />
muss. Und mit Asse II ist sofort wieder der<br />
Streit um die weitere Nutzung der Atomenergie<br />
– und damit auch um den möglichen Bau neuer<br />
Kernkraftwerke – entbrannt. Einmal mehr zeigt<br />
sich, dass gerade auf dem Feld der Kernenergie<br />
noch eine große Lücke zwischen Forschung und<br />
Öffentlichkeit existiert.<br />
Die nach Hermann von Helmholtz (1821-1894)<br />
benannte Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher<br />
Forschungszentren ist die größte deutsche<br />
Großforschungseinrichtung. Ist durch die Vorkommnisse<br />
und den politischen Streit um Asse<br />
II auch das Ansehen der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
in Mitleidenschaft gezogen? Heinz-Jörg<br />
Haury bestreitet nicht, dass der Name gelitten<br />
haben könnte. Allerdings gebe es keine Umfragen<br />
dazu.<br />
Thomas Gazlig, Presseprecher der Helmholtz-<br />
Gemeinschaft, räumt ein, dass man durch den<br />
Asse II-Streit „nicht gerade ins positive Licht“<br />
gerückt worden sei. In München könne man<br />
sich aber jetzt wieder auf die eigentliche Forschungsarbeit<br />
konzentrieren.<br />
K.Rüdiger Durth<br />
news & facts 9<br />
Der bisherige Asse-Betreiber<br />
wünscht sich, dass endlich einmal<br />
zur Kenntnis genommen<br />
wird, dass rechtzeitig auf eintretendes<br />
Wasser aufmerksam<br />
gemacht wurde und dass es eine<br />
Vielzahl wichtiger Forschungen<br />
für die Endlagerung von Atomabfällen<br />
gegeben habe.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
10 wissenschaftsmanager Armbrüster – Berührungsängste abbauen<br />
nachGefraGt<br />
„Management kann Freude machen“ appelliert Prof.<br />
Dr. habil. Thomas Armbrüster an alle Hochschullehrer,<br />
für die Wissenschaftsmanagement noch immer<br />
nur ein unbeliebtes Amt ist. Mit seiner Arbeit an der<br />
heilbronn business school will er Zeichen setzen sowohl<br />
für die Region als auch für die deutsche Hochschullandschaft.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Berührungsängste abbauen<br />
Prof. Dr. habil. Thomas Armbrüster,<br />
Präsident der heilbronn business school<br />
1Wie sind sie Wissenschafts manager<br />
geworden?<br />
Als Lehrstuhlinhaber an der Universität Witten/Herdecke<br />
wurde ich gefragt, ob ich das<br />
Amt des Dekans der Wirtschaftsfakultät übernehmen<br />
möchte. Da ich schon länger mit dem<br />
Gedanken gespielt habe, nicht mehr reiner<br />
Forschungsprofessor zu sein, sondern einen<br />
Fuß in die Tür des Wissenschaftsmanagements<br />
zu setzen, war mir die Anfrage willkommen<br />
und ich habe angenommen. Ein Jahr<br />
später kam die Anfrage, ob ich Präsident der<br />
heilbronn business school werden möchte;<br />
das war dann der endgültige Schritt ins Wissenschaftsmanagement.<br />
2Worin besteht ihre aktuelle<br />
tätigkeit?<br />
Als Präsident der heilbronn business school<br />
(hbs) und Geschäftsführer der g<strong>GmbH</strong> leite ich<br />
die akademischen und wirtschaftlichen Geschicke<br />
der hbs. Dabei geht es vor allem um<br />
die kontinuierliche Verbesserung der Lehre,<br />
um die Koordination unserer zahlreichen<br />
englischsprachigen Adjunct-Professoren aus<br />
dem Ausland, und darum, aus dem Studium<br />
an der hbs ein Gesamterlebnis zu machen –<br />
das Ganze unter Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips.<br />
Es gilt, sehr gute Inhalte und<br />
Didaktik sicherzustellen und unser studentisches<br />
Gemeinschaftsgefühl mit Exkursionen,<br />
Vorträgen und vielen anderen Veranstaltungen<br />
weiter zu stärken. Darüber hinaus ist die heilbronn<br />
business school für eine Fachhochschule<br />
sehr forschungsstark. Hier stelle ich<br />
die Rahmenbedingungen sicher, z.B. durch<br />
die Rekrutierung von forschungsstarken Professoren<br />
und durch die internationale Vernet-<br />
zung der Business School. Last but not least<br />
ist die heilbronn business school regional eng<br />
vernetzt, daher habe ich viele Termine bei Unternehmen<br />
der Region, bei denen es vor allem<br />
um unsere berufsbegleitenden Angebote geht.<br />
Und natürlich gehören deutschlandweite und<br />
internationale Repräsentationsaufgaben dazu,<br />
wodurch unsere Sichtbarkeit als Business<br />
School weiter gefördert wird. Und gelegentlich<br />
komme ich auch noch dazu, einen Artikel<br />
zu schreiben.<br />
3Welche beruflichen<br />
Ziele haben sie?<br />
Den Erfolg der heilbronn business school weiter<br />
voranzutreiben. Das nützt der Region und<br />
setzt in der deutschen Hochschullandschaft<br />
den wichtigen Akzent, mit berufsbegleitenden,<br />
komplett englischsprachigen Angeboten eine<br />
neue Facette von Bildung und Berufsausbildung<br />
zu bieten. Ein übergeordnetes Ziel ist,<br />
einen Beitrag zu leisten, das Hochschulwesen<br />
in Deutschland durchlässiger, liberaler, weniger<br />
hierarchisch, kooperativer, gelassener und<br />
weniger steif zu machen. Eine offene Gesellschaft<br />
braucht ein offenes Hochschulsystem<br />
mit durchlässigen Grenzen zwischen den<br />
Ebenen und zwischen Fachdisziplinen – und<br />
ohne Berührungsängste für Unternehmen,<br />
für Praktiker, für Studieninteressierte und für<br />
diejenigen, die Bildung nicht automatisch im<br />
Elternhaus bekommen.<br />
4Die größte herausforderung für<br />
das Wissenschaftsmanagement?<br />
Die unterschiedlichen Interessen und Gestaltungsziele<br />
innerhalb einer Hochschule<br />
möglichst konfliktfrei unter einen Hut zu be-
kommen. Etwas überspitzt ausgedrückt: Die<br />
Studenten wollen hundertprozentige Aufmerksamkeit<br />
der Professoren. Die Professoren<br />
möchten forschen, zeiteffizient gute Lehre<br />
machen und ansonsten in Ruhe gelassen<br />
werden. Die Geldgeber möchten einen effizienten,<br />
schlanken Hochschulbetrieb. Die Professoren<br />
und wissenschaftlichen Mitarbeiter<br />
wollen eine gute Ausstattung und berufliche<br />
Perspektiven. Der Marketingleiter möchte die<br />
Professoren am liebsten als Vertriebsmitarbeiter<br />
einsetzen. Die Verwaltungsmitarbeiter<br />
wollen einen stets geordneten Ablauf mit beruflichen<br />
Perspektiven. Diese Interessen unter<br />
einen Hut zu bekommen, erfordert immer wieder<br />
Gespräche – als größere Besprechungen<br />
oder unter vier Augen. Die Herausforderungen<br />
an den Wissenschaftsmanager sind das effiziente<br />
Zeitmanagement, das diplomatische<br />
Geschick, die unterschiedlichen Vorstellungen<br />
zu balancieren und dabei selber gestalten zu<br />
können, und die Fähigkeit, alle zum Ziehen an<br />
einem Strang zu motivieren.<br />
5Wohin wird sich das Wissenschaftsmanagement<br />
entwickeln?<br />
Zu einem eigenständigen Arbeitsmarkt. Zurzeit<br />
wird an den meisten Hochschulen noch<br />
mit turnusmäßiger Übernahme eines unbeliebten<br />
Amts gearbeitet. Aber durch die sehr<br />
dynamische Entwicklung des Bildungsmarkts<br />
und die deutlich gesteigerten Gestaltungsspielräume<br />
für Hochschulen werden aus den<br />
unbeliebten Ämtern immer mehr neue, attraktive<br />
Arbeitsplätze für Manager mit Führungsqualitäten.<br />
An einen aktiven Wissenschaftsmanager<br />
steigt mit dem Gestaltungsspielraum<br />
auch die Verantwortung – hier wird das<br />
Vergütungssystem, vor allem an staatlichen<br />
Hochschulen, eindeutig nachziehen müssen,<br />
ansonsten bleiben Hochschulen von unwilligen<br />
Interimsmanagern geleitet. Denkbar ist<br />
auch, dass ein akademischer Dekan und ein<br />
professioneller Wissenschaftsmanager zusammen<br />
eine Fakultät leiten oder dass dem<br />
professionellen Wissenschaftsmanager als<br />
Leiter der Einrichtung nicht nur ein Studiende-<br />
Armbrüster – Berührungsängste abbauen wissenschaftsmanager 11<br />
kan, sondern auch ein Forschungsdekan zur<br />
Seite gestellt wird. Hier werden sich in den<br />
kommenden Jahren voraussichtlich zwei oder<br />
drei Modelle herauskristallisieren, sowohl auf<br />
Fakultäts- als auch auf Hochschulebene, und<br />
alle unter Einbezug von Wissenschaftsmanagern.<br />
6ihre Botschaft an die Kolleginnen<br />
und Kollegen?<br />
An die Kolleginnen und Kollegen Wissenschaftsmanager:<br />
Lasst euch nicht aus der<br />
Ruhe bringen und von den verschiedenen Seiten<br />
nicht zu sehr an euch zerren. Setzt Grenzen<br />
an die Anspruchsgruppen. An die Hochschullehrer,<br />
die nicht als Wissenschaftsmanager<br />
arbeiten: Wollt ihr bis Mitte/Ende 60 nur<br />
Forschung und Lehre machen? Habt ihr keine<br />
Befürchtung, damit zu stagnieren? Management<br />
kann große Freude bereiten; man kann<br />
an Schwächen arbeiten, eigene Stärken entdecken<br />
und weiterentwickeln; deutschlandweit<br />
neue, interessante Menschen kennenlernen;<br />
international neue Kontakte knüpfen. An<br />
die Geldgeber, in der Regel die Bundesländer:<br />
Gestaltet Wissenschaftsmanagement als offenen<br />
Arbeitsmarkt für Professoren und externe<br />
Manager und vergütet die Tätigkeiten wie<br />
höhere Manager – nur dann bekommt ihr ein<br />
Hochschulmanagement, das den Namen verdient<br />
und das ihr euch schon lange erhofft.<br />
Die Herausforderungen an den<br />
Wissenschaftsmanager sind das<br />
effiziente Zeitmanagement, das<br />
diplomatische Geschick, die unterschiedlichen<br />
Vorstellungen<br />
zu balancieren und dabei selber<br />
gestalten zu können, und die Fähigkeit,<br />
alle zum Ziehen an einem<br />
Strang zu motivieren.<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. habil. Thomas Armbrüster<br />
Präsident<br />
heilbronn business school<br />
Bahnhofstr. 1<br />
D-74072 Heilbronn<br />
Tel.: + 49 7131 64 56 36 – 12<br />
Fax: + 49 7131 64 56 36 – 27<br />
armbruester@hn-bs<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
12 news & facts<br />
WissensWertes<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Aktuell und kompakt<br />
Die Qualität der deutschen Forschung sieht<br />
der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft,<br />
Matthias Kleiner, durch die Zuerkennung<br />
des diesjährigen Nobelpreises für<br />
Medizin an den Heidelberger Krebsforscher<br />
Professor Harald zur Hausen belegt. Der Preis<br />
stehe zudem für die erfolgreiche Verbindung<br />
von universitärer und außeruniversitärer Forschung.<br />
Nicht minder bahnbrechend seien die<br />
Verdienste des neuen Nobelpreisträgers um<br />
die Vermittlung wissenschaftlicher Ergebnisse<br />
in die Gesellschaft. Mit dem Krebsinformationsdienst<br />
des Deutschen Krebsforschungszentrums<br />
(KID), habe zur Hausen ein anerkanntes<br />
Medium geschaffen, das die Öffentlichkeit<br />
fundiert informiere.<br />
Mehr frauen müssen angesichts des demografischen<br />
Wandels für technische Berufe<br />
begeistert werden. Diese Auffassung vertritt<br />
die Arbeitsmarktforscherin Franziska Schreyer<br />
vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
der Bundesagentur für Arbeit (IAB).<br />
Gegenwärtig machten sie lediglich 22 Prozent<br />
der Studierenden in ingenieurwissenschaftlichen<br />
Fächern aus. Um diese Zahl zu erhöhen,<br />
müssten auch die Arbeitsbedingungen<br />
in dieser nach wie vor männlich geprägten<br />
Domäne geändert werden, u.a. durch mehr<br />
Teilzeitstellen. Mehr Ingenieure und Maschinenbauer<br />
hält auch Barbara Ischinger von der<br />
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung (OECD) für notwendig,<br />
wenn Deutschland auch in Zukunft wettbewerbsfähig<br />
bleiben wolle.<br />
fünf spitzencluster erhalten fünf Jahre<br />
lang von der Bundesregierung zusammen<br />
200 Millionen Euro. Insgesamt waren 38 Bewerbungen<br />
eingegangen, von denen sich der<br />
Mikroelektronik-Cluster Cool Silicon aus der<br />
Region Dresden, der Solarzellenverbund Solarvalley<br />
Mitteldeutschland, zwei Cluster der<br />
organischen Elektronik und der Molekularen<br />
Medizin aus dem Rhein-Neckar-Raum und ein<br />
Luftfahrtcluster aus Hamburg durchsetzten.<br />
Ziel ist es, die Verbünde aus Unternehmen und<br />
Wissenschaftlern international konkurrenzfähig<br />
zu machen. Außerdem sollen neue Ideen<br />
schneller in Produkte umgesetzt werden.<br />
Das 8. Gain-Jahrestreffen, das diesmal in<br />
Boston (USA) stattfand, hat sich aus der Sicht<br />
der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />
mehr als bewährt. Ziel dieser Treffen, die zusammen<br />
mit der Alexander von Humboldt-<br />
Stiftung (AvH), dem Deutschen Akademischen<br />
Austauschdienst (DAAD) und der German<br />
Scholars Organization (GSO) durchgeführt<br />
werden, ist es, in den USA und Kanada arbeitenden<br />
jungen deutschen Wissenschaftlern<br />
neue Chancen in der Heimat zu erörtern.<br />
DFG-Präsident Matthias Kleiner nach seiner<br />
Rückkehr: „Wir haben die Türen in Deutschland<br />
weit geöffnet. Viele junge Talente wollen<br />
kommen. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.“<br />
Mehr als kritisch hat sich der Deutsche<br />
Hochschulverband zum Bologna-Prozess geäußert,<br />
den er letztlich für gescheitert erklärt.<br />
Vor allem die neuen Bachelor-Studiengänge<br />
führten wegen ihrer Modularisierung zu weniger<br />
statt zu mehr Mobilität. Die Schaffung<br />
eines europäischen Hochschulraumes werde<br />
verfehlt. Da das eingeführte Punktesystem<br />
sehr unterschiedlich angewandt werde, seien<br />
Leistungsvergleiche kaum noch möglich.<br />
Nach Ansicht des Hochschulverbandes ist der<br />
Bologna-Prozess nur noch zu retten, wenn der<br />
Master anstelle des Bachelor zum berufsbefähigenden<br />
Regelabschluss an Universitäten gemacht<br />
werde. Gegenwärtig würden nur bis zu<br />
30 Prozent der Studierenden ihr Studium mit<br />
einem Master abschließen, notwendig seien<br />
aber 70 bis 80 Prozent.<br />
K. Rüdiger Durth
Jörg Friedel<br />
Maximale Flexibilität<br />
Technologiepark lockt mit „Kommunikation aus der Steckdose“<br />
Mit über 400 unternehmen, forschungseinrichtungen und universitätsinstituten zählt<br />
der Wissenschafts- und technologiepark adlershof im südosten Berlins zu den ambiti-<br />
onierten Wirtschaftsförderungsprojekten in Deutschland. ein Grund, warum sich immer<br />
mehr firmen auf dem 80 hektar großen Gelände ansiedeln, ist die erstklassige it- und<br />
Kommunikationsinfrastruktur. auch ihre Bereitstellung für die Mieter ist in dieser Größen-<br />
ordnung bundesweit einzigartig – ein überblick, der ähnlichen überlegungen in Deutsch-<br />
land zur orientierung dient.<br />
Sie waren echte Pioniere der Luftfahrt – Flugzeugbauer wie Anton Herman Fokker, Wilbur Wright<br />
oder Edmund Rumpler, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten Motorflugzeuge Deutschlands<br />
von einer Wiese im Südosten Berlins in die Wolken aufsteigen ließen. Johannisthal hieß<br />
seinerzeit der Flugplatz, dessen Gelände einhundert Jahre später erneut ein von Pioniergeist<br />
geprägter Ort ist: der Wissenschafts- und Technologiepark Berlin-Adlershof.<br />
Wenn die Entwicklung des Geländes beschrieben wird, ist häufig von „Erfolgsmodell“ oder<br />
„Boomtown“ die Rede. Vor der Wende waren hier unter anderem verschiedene Fernsehstudios<br />
und neun Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR angesiedelt, von denen acht mit<br />
dem Beschluss zur „Schaffung des integrierten Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Adlershof“<br />
in bestehende bundesdeutsche Großforschungseinrichtungen überführt wurden. Gleichzeitig<br />
schufen die Verantwortlichen Voraussetzungen dafür, in der unmittelbaren Nachbarschaft<br />
zahlreiche innovative Firmen anzusiedeln.<br />
In sanierten Altbauten oder in neuen Gebäuden mit teilweise preisgekrönter Architektur entstanden<br />
moderne Fachzentren, etwa für Photonik und optische Technologien, für Umwelt-, Bio- und<br />
Energietechnologien, für Informations- und <strong>Medien</strong>technologie sowie für Material- und Mikrosystemtechnologie.<br />
Von 1998 bis 2003 verlegte zudem die Berliner Humboldt-Universität ihre<br />
mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten nach Adlershof. Den Kern dieser „Stadt in der<br />
Stadt“ – die mit Naturschutz- und Sporteinrichtungen, Wohnquartieren, Läden, Hotels, Restaurants<br />
und Kindergärten alles Lebensnotwendige bietet – ist auf einer Fläche von etwa 80 Hektar<br />
der Wissenschafts- und Technologiepark. Insgesamt 413 Unternehmen, sechs universitäre Institute<br />
sowie zwölf weitere wissenschaftliche Einrichtungen haben sich hier angesiedelt.<br />
Sprach- und Datenkommunikation auf hohem Niveau<br />
Die WISTA-MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H als Entwicklungs- und Betreibergesellschaft des Wissenschafts-<br />
und Technologieparks stellt eine leistungsstarke Infrastruktur für die Sprach- und Datenkommunikation<br />
zur Verfügung. Allerdings kommt es für sie nicht infrage, eine solche komplexe<br />
Infrastruktur in Eigenregie zu betreiben. Die Kernkompetenz der WISTA-MANAGEMENT<br />
G<strong>MB</strong>H besteht vielmehr darin, gute Standortbedingungen zu schaffen sowie zwischen Unterneh-<br />
Friedel – Maximale Flexibilität management 13<br />
WirtschaftsfÖrDerunG<br />
In Adlershof steht die dauerhafte Zufriedenheit der<br />
Nutzer im Mittelpunkt. Und dies nicht nur in Bezug<br />
auf die Bereitstellung und den Betrieb der Dienste,<br />
sondern auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung<br />
der Technologie sowie auf die Versorgungssicherheit<br />
und Kostenoptimierung.<br />
Foto: © WISTA-MG – www.adlershof.de<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
14 management Friedel – Maximale Flexibilität<br />
Den Nutzern stehen unabhängig<br />
von ihrer jeweiligen Größe hochwertige<br />
Kommunikationsgeräte<br />
und -dienste zur Verfügung, deren<br />
Systemkosten ausschließlich<br />
anschluss- beziehungsweise<br />
arbeitsplatzbezogen berechnet<br />
werden.<br />
Stichwörter<br />
Wissenschafts- und Technologiepark<br />
Sprach- und Dateninfrastruktur<br />
individuelle Kommunikationsdienstleistungen<br />
Unified Communications<br />
Managed Services<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
men, wissenschaftlichen Einrichtungen und Universitätsinstituten Austausch und Kooperation<br />
zu vermitteln. Für den Betrieb des Sprach- und Datennetzes arbeitet die WISTA-MANAGEMENT<br />
G<strong>MB</strong>H mit einem externen Partner zusammen.<br />
Um dem hohen Anspruch an die Infrastruktur gerecht zu werden, wurde die turnusgemäße Ausschreibung<br />
dieser Dienstleistung im Jahr 2006 zum Anlass genommen, auch das auf dem Areal<br />
vorhandene Telekommunikationsnetz zu modernisieren. Denn dieses fast zehn Jahre alte Netz<br />
auf Basis der ATM-Technologie (Asynchronous Transfer Mode) war mit einer Übertragungsrate<br />
von 155 Megabit/s mittlerweile veraltet, zudem lief der vereinbarte Support-Vertrag für die<br />
sechs vorhandenen Telekommunikationsanlagen vom Typ Hicom 300 aus. Ein leistungsfähiger<br />
Gigabit-Backbone, in dem sowohl Sprache wie Daten über ein einziges Netz übertragen werden,<br />
sollte die bisherige Infrastruktur ersetzen und auf der Basis von Voice-over-IP (VoIP) die Voraussetzungen<br />
für „unified communications“ schaffen.<br />
Die dafür notwendigen Investitionen wollte die WISTA-MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H allerdings nicht<br />
selbst schultern. Stattdessen wurde ein Geschäftsmodell angestrebt, bei dem der Partner sowohl<br />
die Verantwortung für die technische Infrastruktur übernimmt, als auch den Unternehmen und<br />
Forschungseinrichtungen vor Ort hochwertige Kommunikationsdienste zu kundenfreundlichen<br />
Konditionen zur Verfügung stellt. Im Gegenzug sollte dem Betreiber das Recht eingeräumt werden,<br />
an die potenziellen Kunden vor Ort heranzutreten, um seine Telefonie-, Daten- und Security-Dienstleistungen<br />
zu vermarkten. Damit verbunden wurde die Forderung, dass der zukünftige<br />
Partner seinen Sitz auf dem Gelände des Wissenschafts- und Technologieparks nimmt, um von<br />
dort aus vertriebliche Aktivitäten zu starten, aber auch, um kurze Wege für die Kundenbetreuung<br />
zu gewährleisten.<br />
Keine finanziellen Vorleistungen<br />
Der Dienstleister, der die europaweite Ausschreibung schließlich für sich entschied, war Siemens<br />
Enterprise Communications mit dem Angebot der „HiPath Managed Services“. Der entscheidende<br />
Pluspunkt dieser Lösung: Die WISTA-MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H kann die IT-Infrastruktur<br />
auf dem Campus ohne Risiken und finanzielle Vorleistungen auf den neuesten Stand der Technik<br />
bringen. Gleichzeitig erhalten die Unternehmen vor Ort moderne Kommunikationsleistungen bei<br />
maximaler Flexibilität, d.h. auch neue Mieter können sofort nach dem Einzug auf ihre Bedürfnisse<br />
maßgeschneiderte IT- und Telekommunikationsservices „aus der Steckdose“ beziehen.<br />
Die Managed-Services-Lösung sieht vor, dass der Dienstleister nicht nur die komplette Infrastruktur,<br />
sondern auch die notwendigen Applikationen für die Nutzer und das Performance-Management<br />
des Sprach-Daten-Netzes bereitstellt. Auf dieser Basis können die auf dem WISTA-<br />
Gelände angesiedelten Firmen und Forschungseinrichtungen jeweils individuell zugeschnittene<br />
Kommunikationspakete beziehen. Die Qualität der Dienstleistung wird in sogenannten Service<br />
Level Agreements (SLA) definiert, für deren Einhaltung der Dienstleister die Gewähr bietet.<br />
Das Besondere dieser Vereinbarung besteht darin, dass die WISTA-MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H zwar<br />
als Auftraggeber und Verhandlungspartner für das Gesamtprojekt auftritt, die eigentliche Kundenbeziehung<br />
jedoch nur zwischen dem Dienstanbieter und den einzelnen Unternehmen bzw.<br />
Instituten besteht. Auf diese Weise fungiert der Provider praktisch als eigene Firma unter dem<br />
WISTA-Dach. Mit positiven Folgen für die Nutzer auf dem Gelände des Wissenschafts- und Technologieparks:<br />
Ihnen stehen unabhängig von ihrer jeweiligen Größe hochwertige Kommunikationsgeräte<br />
und -dienste zur Verfügung, deren Systemkosten ausschließlich anschluss- beziehungsweise<br />
arbeitsplatzbezogen berechnet werden. Sie müssen sich also kein eigenes Equip-
ment anschaffen, leasen oder mieten, das häufig entweder überdimensioniert ist oder bei einem<br />
raschen Wachstum nicht mehr ausreicht.<br />
Überschaubarer Kostenrahmen<br />
In einem vertraglich vereinbarten Rahmen, der auf Wunsch auch sehr kurze Kündigungsfristen<br />
vorsieht, kann zum Beispiel die Anzahl der Endgeräte je nach betrieblichen Erfordernissen erhöht<br />
oder reduziert werden – bezahlt werden müssen dabei nur die Leistungen, die tatsächlich<br />
in Anspruch genommen werden. Für die Nutzer entstehen keine eigenen Investitionskosten, die<br />
monatlichen Abrechnungen können als variable Kosten verbucht werden. Auf diese Weise erhalten<br />
die Anrainer einen Kostenrahmen, der überschaubar und planbar ist.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen der WISTA-MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H und der Siemens-Tochter begann<br />
am 1. Januar 2007, als der Dienstleister von dem bisherigen Betreiber das bestehende<br />
ATM-Netz übernahm. Parallel zur Implementierung des neuen redundanten Gigabit-Backbones<br />
wurde der Hicom 300-Netzverbund zu einer IP-fähigen Kommunikationsplattform HiPath 4000<br />
hochgerüstet. Sie ist skalierbar, bietet höchste Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit. Nach der<br />
Migration des bestehenden Netzwerkes und dem Einbau neuer leistungsfähiger Komponenten<br />
beträgt die Datenübertragungsrate auf dem Campus heute 1 GBit/s. Über 10/100-<strong>MB</strong>it/s-Ports<br />
werden die Nutzer mit Anschlüssen für VoIP-Endgeräte versorgt. Außerdem wurde eine Wireless-<br />
LAN-Infrastruktur implementiert, die die Schnurlostelefonie mit Hilfe von mobilen IP-Phones auf<br />
dem Campus ermöglicht.<br />
Zu den in Adlershof heute angebotenen innovativen Sprach-, Daten- und Security-Diensten gehören<br />
beispielsweise Komplettpakete für Büro- oder Komfortarbeitsplätze, die entsprechende<br />
Endgeräte, Leitungsanschlüsse und die Carrier-Grundgebühr enthalten. Aber auch Angebote für<br />
mobiles Telefonieren, für eine Voice-Mail-Box, PC-Fax und CTI-Funktionalitäten (Computer-Telefonie-Integration).<br />
Hinzu kommen im Bereich der Datendienste komplett ausgestattete Desktopund<br />
mobile Arbeitsplätze, 10/100 Mbit/s-Datenanschlüsse, 10 Mbit/s-Internetanbindungen mit<br />
Flatrate oder Sicherheitspakete mit Firewall und Virenscanner. Für Start-ups gibt es sogenannte<br />
Gründerpakete, die mehrere Telefonarbeitsplätze, Faxanschluss, eine breitbandige Carrieranbindung,<br />
Internet-Anschluss sowie Sicherheitsleistungen wie eine „Managed Firewall“ und Spamfilter<br />
enthalten. Alle diese Dienstleistungen sind modular buchbar und werden vom Siemens-<br />
Rechenzentrum mit hoher Verfügbarkeit bereitgestellt.<br />
Individuelle Kommunikationslösungen<br />
Da der neue Partner von Anfang an aktiv auf seine potenziellen Kunden zugehen sollte, begann<br />
der Dienstleister parallel zur Fertigstellung der Infrastruktur mit der Beratung der Anrainer,<br />
deren Verträge mit dem bisherigen Betreiber ausliefen. Gleichzeitig wurde auf dem Gelände ein<br />
Dienstleistungszentrum eingerichtet, dass neben den technischen Anlagen eine Anlaufstelle für<br />
die Kunden beherbergt. Zudem ging eine spezielle Website online, auf der sich die Anwender im<br />
Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof über das laufende Angebot, die aktuellen Preise<br />
oder die Gebührentarife für In- und Ausland informieren, sich ihre Rechnung online anzeigen lassen<br />
oder die Produktpalette der Endgeräte für den Bürobetrieb in Augenschein nehmen können.<br />
Auf diese Weise überzeugte der neue Dienstleister im persönlichen Kontakt und in kürzester Zeit<br />
etwa 370 Anrainer von dem Managed-Services-Angebot. In dieser Größenordnung ist der Aufbau<br />
und Betrieb der Kommunikationsinfrastruktur im Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof<br />
ein bundesweit einzigartiges Projekt. Zwar gibt es auch in anderen Technologie- und Gründer-<br />
Friedel – Maximale Flexibilität management 15<br />
Jörg Friedel ist<br />
Enterprise Business<br />
Manager bei Siemens<br />
Enterprise Communications<br />
in Berlin.<br />
summary<br />
The Science and Technology Park<br />
Berlin-Adlershof is one of the<br />
ambitious projects for business<br />
development in Germany. One<br />
reason to settle there is its first<br />
class voice and data infrastructure.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
16 management Friedel – Maximale Flexibilität<br />
Ein Ziel ist es, die Zusammenarbeit<br />
zwischen den hier ansässigen<br />
Technologieunternehmen<br />
mit dem wissenschaftlichen Umfeld<br />
bestmöglich zu unterstützen.<br />
keywords<br />
science and technology park<br />
voice and data infrastructure<br />
individual communication<br />
services<br />
unified communications<br />
managed services<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
zentren oder Businessparks entsprechende „All inclusive“-Angebote für die Mieter – die Dimensionen<br />
sind allerdings nicht vergleichbar. Mit dem Ergebnis der Partnerschaft ist die Betreibergesellschaft<br />
des Wissenschafts- und Technologieparks bisher hochzufrieden. Denn ein Wechsel<br />
des Netzbetreibers kann ja unter Umständen erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Doch<br />
in Adlershof hatte sich für die Mieter nicht nur die Leistungsfähigkeit der Kommunikationsinfrastruktur<br />
verbessert, sondern auch die Servicequalität spürbar erhöht.<br />
Um die Erreichbarkeit der Telefon- und Datenanschlüsse für alle Anwender zu garantieren, hat<br />
die WISTA-MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H ebenfalls vorgesorgt. Sie vereinbarte mit dem Dienstleister, dass<br />
in dem Dienstleistungszentrum auf dem Campus eine Servicemannschaft bereitsteht und im Störungsfall<br />
sofort aktiv wird. Sie ist arbeitstäglich von 8 bis 17 Uhr über eine Hotline erreichbar und<br />
greift nach einer Meldung innerhalb von zwei Stunden aus der Ferne oder direkt vor Ort ein.<br />
Schnelle Hilfe im Störungsfall<br />
Jeder telefonische Hilferuf wird in ein sogenanntes „Trouble Ticket“ umgesetzt, in dem alle Einzelheiten<br />
des Vorfalls erfasst sind und das die Störungsbearbeitung bis zum Abschluss begleitet.<br />
Auf diese Weise kann ein Störungsverlauf im Nachhinein gut nachvollzogen werden. Die Bearbeitung<br />
wird so einerseits optimiert und andererseits transparent. Denn in jedem Quartal gibt<br />
es ein Reporting bei der WISTA-MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H, wo in einem Review die geleistete Arbeit<br />
bilanziert wird. Dabei wurde sehr schnell deutlich, dass es bisher keinen größeren Ausfälle und<br />
alle kleineren Störungen reibungslos behoben wurden.<br />
Das neue Sprach- und Datennetz ist nun eine tragende Säule des Technologiestandortes Adlershof.<br />
Ein Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen den hier ansässigen Technologieunternehmen<br />
mit dem wissenschaftlichen Umfeld bestmöglich zu unterstützen. So ermöglicht die<br />
Aufteilung in die vier Fachzentren etwa die Nutzung von Gemeinschaftsgeräten genauso wie die<br />
Bildung von Netzwerken, wodurch Forschungs- und Entwicklungsergebnisse schnell in marktfähige<br />
Produkte überführt werden können. Neben den kurzen Wegen ist für diesen Austausch<br />
eine hochleistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur unbedingte Voraussetzung. Für die hier<br />
ansässigen Firmen, die dieses Angebot nutzen, bedeutet es zudem ein Stück Gemeinsamkeit.<br />
Denn alle Nutzer sind über die gemeinsame Rufnummer 6392 plus die eigenen Firmendurchwahlen<br />
erreichbar, sofern sie keine andere Telefonnummer nutzen wollen. Das wirkt unter den<br />
Anrainern, aber auch außerhalb des Campus durchaus identitätsstiftend.<br />
Das Port-Preis-Modell, das alle Kommunikationsdienstleistungen arbeitsplatzbezogen abrechnet<br />
und größtmögliche Flexibilität bietet, ist überdies ein gutes Argument bei der Akquisition<br />
von Neuansiedlungen und strahlt positiv auf den Standortbetreiber zurück. Denn gleichgültig, ob<br />
ein gerade ausgegründetes Unternehmen die Arbeit aufnehmen will oder ein Institut kurzfristig<br />
für ein Forschungsprojekt neue Arbeitsplätze einrichten muss: Je nach Bedarf stellt der Partner<br />
Endgeräte und Dienstleistungen bereit, die dann monatlich abgerechnet werden – Wartung<br />
sowie Betreuung inklusive.<br />
Das gemeinsame Netz macht sich ebenfalls unmittelbar auf der Kostenseite bemerkbar, da die<br />
Telefonkommunikation zwischen Unternehmen und Instituten auf dem Gelände kostenlos ist,<br />
wenn sie über das Campusnetz geführt wird. In einzelnen Instituten kann das rund 20 Prozent<br />
der monatlichen Telefonkosten ausmachen. Aber auch Anrainer mit einer anderen Berliner Telefonnummer<br />
können diese von den Experten auf die Telekommunikationsanlage portieren lassen.<br />
Der Teilnehmer kann dann an der kostenlosen Telefonie innerhalb des Campus-Netzes teilhaben,<br />
Managed Services in Anspruch nehmen und trotzdem seine gewohnte Rufnummer behalten.
Fazit<br />
Im Rahmen eines Managed-Services-Konzeptes stellt der Dienstleister ein ganzes Paket von<br />
individuell gestalteten Sprach-, Daten- und Security-Services zur Verfügung – bezahlt werden<br />
müssen dabei nur die Leistungen, die tatsächlich in Anspruch genommen werden. Für die Nutzer<br />
entstehen bei diesem Port-Preis-Modell keine eigenen Investitionskosten, die monatlichen<br />
Abrechnungen können als variable Ausgaben verbucht werden. Ein weiterer Vorteil des neuen<br />
Sprach- und Datennetzes: Die Kommunikation zwischen den Unternehmen und Instituten auf<br />
dem Gelände ist kostenlos. Das Besondere an diesem Konzept besteht darin, dass die landeseigene<br />
WISTA MANAGEMENT G<strong>MB</strong>H als Betreiber des Technologieparks zwar als Auftraggeber und<br />
Verhandlungspartner für das Gesamtprojekt auftritt, die eigentliche Kundenbeziehung jedoch nur<br />
zwischen dem Service-Provider und den einzelnen Anwendern besteht. Dadurch muss das landeseigene<br />
Unternehmen weder in finanzielle Vorleistungen treten noch das Risiko tragen.<br />
Quartäre Bildung<br />
Firmen wünschen mehr Orientierung<br />
Die Hochschulen können in der wissenschaftlichen Weiterbildung expandieren. Die Unternehmen<br />
würden wesentlich mehr Angebote aus Fachhochschulen und Universitäten in<br />
Anspruch nehmen, wenn sie mehr Beratung und Orientierung erhielten. Das belegt der<br />
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (SV) mit einer aktuellen Studie zur „Quartären<br />
Bildung“. „Das Stück des Weiterbildungsmarktes für Hochschulen kann deutlich<br />
größer werden. Dazu müssen jetzt aber auch die Hochschulen einen Paradigmenwechsel<br />
durchlaufen“, erklärt Volker Meyer-Guckel, der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbandes,<br />
anlässlich der Vorstellung der Untersuchung, an der rund 500 Unternehmen<br />
teilnahmen. Und dass es sich um einen lukrativen Markt handelt, belegt das aktuelle<br />
BDI- und BDA-Präsidiumspapier zur „Bildungsrepublik“. Demnach investieren deutsche<br />
Unternehmen jährlich insgesamt gut 55 Milliarden Euro in die betriebliche Aus- und Weiterbildung.<br />
Befragt nach ihren Wünschen, äußerten die Unternehmen in der SV-Studie, die mit den<br />
Kooperationspartnern Deloitte und MLP durchgeführt wurde, dass sie in erster Linie mehr<br />
Transparenz über die bestehenden Angebote der Hochschulen erwarteten.<br />
Weiter sei es den Firmen auch wichtig, dass die Hochschulen passgenaue Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
mit hohem Praxisbezug und Problemorientierung schafften; neue Tendenzen<br />
in Technik, Wirtschaft und Gesellschaft könnten dadurch schnell aufgegriffen und<br />
als Weiterbildung angeboten werden.<br />
Friedel – Maximale Flexibilität management 17<br />
Kontakt:<br />
Jörg Friedel<br />
Siemens Enterprise Communications<br />
Nonnendammallee 101<br />
13629 Berlin<br />
Tel.: +49 30 386-3 14 16<br />
Fax: +49 30 386-11 33 14 16<br />
joerg.friedel2@siemens.com<br />
In Deutschland gibt es ein dichtes Angebot an beruflicher Weiterbildung. Meistens bieten<br />
private Weiterbildungseinrichtungen die Leistungen an. Die öffentlichen Hochschulen<br />
profitierten – so die Studie – nur wenig von den jährlich 30 Milliarden Euro, die direkt von<br />
Unternehmen dafür ausgegeben würden. Gründe seien unter anderem darin zu suchen,<br />
dass die quartäre Bildung (Weiterbildung nach dem tertiären Abschluss) für die Hoch- www.stifterverband.de<br />
schulen oftmals nur eine marginale Rolle spielte. Die meisten Bildungsangebote seien für<br />
Abiturienten gedacht, die ein Studium als Erstausbildung antreten möchten. Meyer-Guckel: „Die Dax-Unternehmen haben noch keine strategische<br />
Verschränkung zwischen der Veränderung ihrer Geschäftsfelder und ihrem Bedarf an quartärer Bildung erreicht.“ Hochschulen, die Firmen hier erst<br />
Beratungsleistungen und anschließend zugeschnittene Fort-und Weiterbildungsangebote unterbreiten, haben laut SV-Studie den entscheidenden<br />
Schritt getan.<br />
Die Studie bietet einen Überblick über die Situation der quartären Bildung an Deutschlands Hochschulen, beschreibt die Anforderungen und Wünsche<br />
der Unternehmen an eine wissenschaftlich fundierte berufliche Weiterbildung. Ebenso werden Handlungsstrategien der Hochschulen und der einzelnen<br />
Bundesländer beleuchtet. Zahlreiche Statistiken und Grafiken bereiten den Markt der quartären Bildung auf. Luis Padberg<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
18 management Hohn/Meyer/Schmidt – Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft<br />
netZWerKe<br />
Jedes Jahr laden Hochschulen und Stadt zum Hochschultag<br />
nach Münster ein – 2007 kamen an diesem<br />
Tag 17.000 studieninteressierte Schülerinnen und<br />
Schüler nach Münster.<br />
Foto: Universität Münster<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Stefanie Hohn, Clas Meyer<br />
und Matthias Schmidt<br />
Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft<br />
Erfolgsfaktoren für den Aufbau von Netzwerkstrukturen<br />
zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik<br />
Der sich verschärfende Wettbewerb zwischen städten findet heute primär um die kreativen<br />
Köpfe der Leistungselite statt. im weltweiten Wettstreit der innovationsstandorte<br />
geht es vor allem darum, die am besten qualifizierten Wissenschaftler und nachwuchskräfte,<br />
die besten forschungs- und entwicklungszentren, die innovativsten unternehmen<br />
und letztendlich auch nationale wie internationale fördergelder für die eigene region zu<br />
gewinnen. Die ressource Wissen gilt als wichtigster ökonomischer entwicklungsmotor für<br />
die Zukunftsfähigkeit von städten und regionen. Diese versuchen sich infolgedessen als<br />
Wissenschaftsstandorte zu profilieren. Zentrale voraussetzung für diese innovationsstrategie<br />
ist die etablierung von leistungsfähigen netzwerkstrukturen zwischen Wissenschaft,<br />
Wirtschaft und Politik. am Beispiel der stadt Münster, die gemäß ihrem Leitbild eine „wissensbasierte<br />
stadtentwicklung“ verfolgt, werden die wichtigsten erfolgsfaktoren für den<br />
aufbau derartiger netzwerke dargestellt.<br />
Spätestens seit dem Beschluss des Europäischen Rates im Jahr 2000, die EU zum „wettbewerbsfähigsten<br />
und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu entwickeln, denken<br />
Städte und Regionen vermehrt darüber nach, wie sie sich im Wettbewerb um die wichtigste Ressource<br />
„Wissen“ profilieren können. Städte interessieren sich in diesem Zusammenhang für die<br />
Bezüge zwischen wissenschaftlichem Know-how und den dafür notwendigen siedlungskulturellen<br />
Räumen innerhalb von Stadtregionen.<br />
Das Verhältnis von Wissensentwicklung und Raumentwicklung erfährt derzeit in Forschung und<br />
Politik unter dem Begriff der Wissensstadt starke Beachtung. Mit dem Übergang von der Informations-<br />
zur Wissensgesellschaft hat der (Stadt-) Raum als wichtiger Ort des Wissensaustauschs<br />
stark an Bedeutung gewonnen.<br />
Die „Wiederentdeckung“ des (Stadt-) Raums in der Wissensgesellschaft<br />
Die Informationsgesellschaft konzentrierte sich primär auf kodifizierte Informationsprozesse und<br />
den Ausbau der technischen Infrastruktur. Damit schrumpfte der soziale Raum „tendenziell zur<br />
vernachlässigbaren temporären location für die Hardware von Kommunikations- und Informationsmedien“<br />
(Matthiesen/Bürkner 2004, S. 67). Dies fand seine siedlungsstrukturelle Entsprechung<br />
unter anderem in solitären Campus- und Technologiepark-Lösungen „auf der grünen Wiese“.<br />
Seit Ende der 1990er-Jahre ist dieses Verdikt eines unumkehrbaren Bedeutungsverlustes konkreter<br />
Räume aufgehoben. In der Wissensgesellschaft rücken die impliziten, also nicht kodifizierbaren<br />
Wissensformen, die an Personen gebunden sind, ins Zentrum. Diese Wissensträger können<br />
überall auf der Welt arbeiten; sie bevorzugen aber bestimmte, meist urbane Lebensräume und
Hohn/Meyer/Schmidt – Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft management 19<br />
suchen den persönlichen Austausch mit anderen Wissensträgern. Damit entscheiden nicht nur<br />
vorhandene Wissensstrukturen, sondern auch urbane Qualitäten über Anziehung und Bindung von<br />
Wissen an Stadtregionen (vgl. Matthiesen/Bürkner 2004, S. 65 ff).<br />
Netzwerke als „Transmissionsriemen“ der Wissensgesellschaft<br />
Zur Klärung der Frage, wie und wo sich Wissensindustrien und kreative Köpfe ansiedeln, muss der<br />
veränderte Prozess der Wissensproduktion beleuchtet werden. Die Produktion von Wissen lässt<br />
sich hierzu in zwei Logiken, mode1 und mode2, unterteilen, welche parallel und verknüpft existieren<br />
können und müssen. Mode1 meint die herkömmliche Wissenserzeugung im Sinne einer<br />
disziplinären Wissensproduktion, also Wissensgewinnung durch Akademiker und Institutionen. Die<br />
gewonnenen Erkenntnisse werden in der Regel in der jeweiligen Institution (z.B. Hochschule) bewahrt<br />
und sind nur intern zugänglich und für interne Zwecke nutzbar. Ein wesentliches Kennzeichen<br />
von mode1 ist die lange Gültigkeit der Ergebnisse.<br />
Die neue Form der Wissensproduktion wird mode2 genannt und basiert auf der Erkenntnis, dass<br />
die Gültigkeitsdauer von Wissen heute rapide abnimmt. Eine stetige Aktualisierung und Erneuerung<br />
von Wissen ist vonnöten. Die Erzeugung von Wissen nach mode2 erfolgt nicht mehr ausschließlich<br />
durch Wissenschaftler, sondern entsteht durch den Austausch zwischen Theorie und Praxis. Die<br />
Produktion von Wissen nach mode2 setzt persönlichen Austausch und Vernetzung voraus, damit<br />
auch verborgene Wissensreserven, die mit dem Begriff „tacit knowledge“ bezeichnet werden, genutzt<br />
werden können. Transfer und Kommunikation sind der Schlüssel für die Verbreitung dieses<br />
Wissens.<br />
Da die Verbindung von formellem und informellem Wissen ein entscheidendes Kriterium für Innovation<br />
ist, müssen die notwendigen Voraussetzungen für Interaktionsnetze geschaffen werden. Der<br />
räumliche Bezug, also die Nähe der einzelnen Wissenspotenziale zueinander, spielt daher wieder<br />
eine wichtige Rolle in einer wissensbasierten Ökonomie (Genosko 1999, S. 37 ff; Berkin 2004, S.<br />
43 ff; Barta <strong>2008</strong>, S. 24 ff).<br />
Erfolgreiche Wissensstandorte zeichnen sich durch eine gelungene Vernetzung von unterschiedlichen<br />
Wissensakteuren mit ihren jeweiligen Wissensformen aus. Aufgabe der Verantwortlichen<br />
des Stadtentwicklungsprozesses ist es, diesen Vernetzungsprozess geschickt anzustoßen und<br />
dauerhaft am Leben zu halten.<br />
Um Wissensträger erfolgreich vor Ort vernetzen zu können, müssen diese natürlich zuerst angeworben<br />
und an den Standort gebunden werden. Dies gelingt nur, wenn ihre Anforderungen an das<br />
Lebens- und Arbeitsumfeld erfüllt werden. Eine hohe Lebensqualität und das ständige Bemühen<br />
um die Erfüllung der Standortpräferenzen ist deshalb die notwendige Voraussetzung für Standortsicherung<br />
in der Wissensgesellschaft.<br />
Am Beispiel der Stadt Münster soll der strategisch ausgerichtete Prozess zur Etablierung einer<br />
Wissenschaftsstadt nachgezeichnet werden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor wurde in der engen Verzahnung<br />
mit dem „Integrierten Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingprozess“ erkannt. Ferner<br />
lässt sich anhand der Analyse des Münsteraner Beispiels illustrieren, wie unterschiedliche Wissensformen<br />
und Netzwerke strategisch in die Standortentwicklung eingebracht werden können.<br />
Fallstudie Münster: Mit strategischem Marketing auf dem Weg zur Wissenschaftsstadt<br />
Seit Ende der 1999er-Jahre betreibt Münster einen beteiligungsintensiven „Integrierten Stadtentwicklungs-<br />
und Stadtmarketingprozess“ (ISM), mit dem lokales Wirtschaftswachstum ebenso ge-<br />
Erfolgreiche Wissensstandorte<br />
zeichnen sich durch eine gelungene<br />
Vernetzung von unterschiedlichen<br />
Wissensakteuren mit ihren<br />
jeweiligen Wissensformen aus.<br />
Stichwörter<br />
Vernetzung<br />
Wissenschaftsstadt<br />
Wissensbasierte Stadtentwicklung<br />
Städtewettbewerb<br />
Wissensproduktion<br />
Technologieinitiative<br />
Konzertierte Aktion Wissenschaftsstadt<br />
Wissenschaftsbüro<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
20 management Hohn/Meyer/Schmidt – Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft<br />
Literatur<br />
Barta, Y., Knowledge City – Wissen schafft Stadt –<br />
Wissenschaftsstadt schafft Wissen, München <strong>2008</strong>.<br />
Becker, T./Dammer, I, Netzwerkmanagement – Mit<br />
Kooperation zum Unternehmenserfolg, 2. Auflage,<br />
Berlin 2007.<br />
Bender, G., mode2 – Wissenserzeugung in globalen<br />
Netzwerken?, in: Matthiesen, U., Stadtregion und<br />
Wissen, Wiesbaden 2004, S. 149-158.<br />
Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, Marburg<br />
1999.<br />
Ivanisin, M., Regionalentwicklung im Spannungsfeld<br />
von Nachhaltigkeit und Identität, 1.Auflage, Wiesbaden<br />
2006.<br />
Matthiesen, U./Bürkner, H.-J., Wissensmilieus – Zur<br />
sozialen Konstruktion und analytischen Rekonstruktion<br />
eines neuen Sozialraum-Typus, in: Matthiesen, U.,<br />
Stadtregion und Wissen, Wiesbaden 2004, S. 65-90.<br />
Schulz-Schaeffer, I./Böschen, St., Wissenschaft in der<br />
Wissensgesellschaft, 1.Auflage, Wiesbaden 2003.<br />
keywords<br />
networking<br />
knowledge city<br />
knowledge based city<br />
development<br />
knowledge society<br />
towns competition<br />
knowledge production<br />
technology initiative<br />
concerted initiative knowledge<br />
city<br />
knowledge office<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
sichert werden soll wie eine internationale Konkurrenzfähigkeit. Die Gründung des Eigenbetriebs<br />
Münster Marketing im Jahr 2001 bot die Chance, die bisher isolierten Zukunftsdebatten des Stadtmarketing,<br />
der Stadtentwicklung (Strategisches Stadtentwicklungskonzept), der lokalen Agenda<br />
21 und der Altstadtplanung (Integriertes Handlungskonzept City) im ISM zusammenzuführen. Die<br />
Kernaufgabe des Eigenbetriebs liegt in der Profilierung und Stärkung von Münster im Städtewettbewerb.<br />
Neben der Entwicklung geeigneter Strategien, welche eine überregionale Wahrnehmung<br />
ermöglichen, liegt der Fokus der Betrachtung auf einer Stadtentwicklung, die für Zukunftsaufgaben<br />
gerüstet ist. Im Besonderen beziehen sich die Aktivitäten auf ein Standortmarketing, welches<br />
sich zum einen an Wirtschaftsbetriebe richtet und zum anderen versucht, das Potenzial der ansässigen<br />
Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen weiterzuentwickeln und für die Stadt zu<br />
nutzen. Unterschiedliche wissenschaftliche Untersuchungen und vielfältige Foren wie die „Münsteraner<br />
Zukunftsgespräche“ oder kleinere Netzwerkinitiativen haben die große Bedeutung der<br />
Wissenschaft für die Stadt erhellt und bestätigt. Die wissensbasierte Stadtentwicklung ist durch<br />
das Leitmotiv „Wissenschaft und Lebensart“ fest im strategischem Stadtmarketing verankert.<br />
Vom Technologiehof zur „Konzertierten Aktion Wissenschaftsstadt“<br />
Erste Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft hat es in Münster bereits Anfang<br />
der 1990er-Jahre gegeben. Damals wurde der Technologiehof gegründet und mit ihm optimale<br />
Rahmenbedingungen für die kommunale Technologieförderung geschaffen. Auf über 10.000<br />
qm Mietfläche wurde Raum für innovativen Unternehmernachwuchs aus den Bereichen Analytik,<br />
Nanotechnologie, Medizintechnik, Pharmazeutik sowie den angewandten Biowissenschaften geschaffen.<br />
Der Technologiehof ist bis heute ein aufstrebendes Technologie- und Gründerzentrum,<br />
welches den Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gewährleistet. Ein großes<br />
Flächenangebot, eine ausgereifte Infrastruktur sowie zahlreiche Servicedienstleistungen fördern<br />
Unternehmensexpansionen und innovative Neugründungen in der Stadt.<br />
Im Jahr 1996 wurden von Seiten der Stadt weitere Maßnahmen ergriffen, um den Technologiestandort<br />
Münster nachhaltig zu fördern. Die Stadt hat zusammen mit der Fachhochschule Münster,<br />
der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer, der Sparkasse Münsterland Ost, der<br />
Volksbank Münster, der Technologieförderung Münster <strong>GmbH</strong> und der Westfälischen Wilhelms-<br />
Universität Münster die Technologieinitiative Münster (tim) ins Leben gerufen. Der Fokus lag auf<br />
der Profilierung der Stadt Münster als anerkannter Technologiestandort mit überregionaler Ausstrahlung.<br />
Inhaltlich sollte der zuvor genannte Technologiepark aufgebaut, Wissens- und Technologietransfer<br />
gefestigt, effektives Standortmarketing betrieben und das Innovationspotenzial der<br />
Wirtschaft gefördert werden. Dieser Initiative schlossen sich weitere wichtige Partner wie das<br />
Universitätsklinikum Münster, das Zentrum für Nanotechnologie (CeNTech), die Gesellschaft für<br />
Bioanalytik e.V., das Kompetenzzentrum für Nanoanalytik, das Max-Planck-Institut für Molekulare<br />
Biomedizin, die Volksbank Münster, die LSA Life Sciences Agency NRW sowie einige Technologieunternehmen<br />
an.<br />
Aus diesem städtischen Findungsprozess sind in den Bereichen Nanotechnologie, Life Sciences<br />
sowie in den Informations- und Kommunikationstechnologien Cluster entstanden, die sich überregionaler<br />
und zum Teil auch internationaler Wahrnehmung erfreuen.<br />
Die bereits bestehenden Netzwerkstrukturen wurden <strong>2008</strong> in die „Konzertierte Aktion Wissenschaftsstadt“<br />
überführt. Dieses von Münster Marketing, der Wirtschaftsförderung Münster <strong>GmbH</strong>,<br />
der Westfälischen Wilhelms-Universität und der Fachhochschule Münster initiierte Netzwerk dient<br />
neben der inhaltlichen Profilierung vor allem als strategische Allianz. Durch die Etablierung ver
Hohn/Meyer/Schmidt – Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft management 21<br />
bindlicherer Strukturen soll der Aufbau der Wissensstadt beschleunigt werden. Die „Konzertierte<br />
Aktion“ soll ferner eine wichtige Ebene für die Bildung von Antragskonsortien sein, wenn Bewerbungen<br />
um Ausschreibungen oder Wettbewerbe im Raum stehen. Die Allianz ist somit auch eine<br />
Reaktion auf die zunehmende Tendenz, dass bei Ausschreibungen, Wettbewerben etc. Partner aus<br />
Wirtschaft, Wissenschaft und Region benannt werden müssen.<br />
Bewerbung um den Titel „Stadt der Wissenschaft“ als Antrieb<br />
Ein wichtiger Meilenstein beim Aufbau der oben beschriebenen Netzwerkstrukturen war die Bewerbung<br />
um den Titel „Stadt der Wissenschaft“. Dieses vom Stifterverband für die Deutsche<br />
Wissenschaft e.V. jährlich ausgeschriebene Förderprogramm soll die Verbindung von Wissenschaft,<br />
Wirtschaft, Kultur, Politik auf regionaler Ebene unterstützen. Die Initiative verleiht dem<br />
Wettbewerbssieger die Möglichkeit, für die Dauer eines Jahres seine Kompetenzen im Bereich<br />
Wissenschaft, Forschung und Technologie der Öffentlichkeit zu präsentieren. Neben dem Prädikat<br />
„Stadt der Wissenschaft“ ist die Initiative mit einem Preisgeld von 125.000 Euro dotiert. Ziel ist,<br />
die Gesellschaft für die Wissenschaft zu begeistern und die Vernetzung unterschiedlicher Akteure<br />
zu fördern. Die Anforderungskriterien an die Bewerberstädte sind anspruchsvoll: Interdisziplinäre<br />
Ansätze, Originalität der Konzepte, Nachhaltigkeit und Gewichtigkeit für die Stadtentwicklung, Dialogorientierung,<br />
Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie die aktive Rolle der<br />
Kommune bei der Netzwerkbildung seien als Kriterien des Auswahlprozesses genannt.<br />
Die Stadt Münster hat sich 2005 und 2006 mit den beiden Konzepten „Multitalent Münster – Wege<br />
der Wissenschaft“ und „Wissen schafft Münster“ um den Titel beworben. Das Konzept von 2005<br />
hat es unter die Top 10 der 37 Bewerberstädte geschafft und verpasste nur knapp die Endrunde<br />
der letzten vier. Der Wettbewerb wurde zwar nicht gewonnen, dennoch hat die Stadt nach Einschätzung<br />
der Beteiligten davon profitiert. Die bestehenden Kooperationen in Münster haben sich<br />
weiter gefestigt und es ist zu neuen Bündnissen im Prozess der Stadtentwicklung gekommen.<br />
Diese gestärkten Vernetzungen haben schließlich zum erneuten Bewerbungskonzept 2006 geführt.<br />
Der inzwischen weit fortgeschrittene „Integrierte Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingprozess“<br />
(ISM) hatte ebenfalls dazu geführt, das Thema Wissenschaft noch stärker in Münsters<br />
Profilierungsprozess einzubinden. Der zweite Bewerbungstitel „Wissen schafft Münster“ verdeutlichte<br />
dieses Bewusstsein. Der Zukunftsfaktor Wissenschaft und die Bewältigung des Strukturwandels<br />
waren Schwerpunkte der zweiten Bewerbung, die allerdings auch nicht zum Erwerb des<br />
Titels geführt hat.<br />
Obwohl sich Münster in den Wettbewerben nicht als Sieger durchgesetzt hat, können beide Bewerbungen<br />
als Treiber für die Netzwerkbestrebungen der Stadt angesehen werden. Die entstandenen<br />
Beziehungen haben bis heute Bestand und werden kontinuierlich gefestigt.<br />
Ein entscheidender Meilenstein ist auch das 2005 entstandene Wissenschaftsbüro bei Münster<br />
Marketing, welches sich seither als „Knotenpunkt“ für die vielen Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft<br />
und auch Politik etabliert hat. Es arbeitet seitdem vorwiegend an dem Auf- und Ausbau<br />
sowie dem Management von Netzwerkstrukturen und der auch internationalen Positionierung<br />
Münsters als Wissenschaftsstadt.<br />
Anforderungen an kommunale Netzwerke im Kontext Wissenschaftsstadt<br />
Im Rahmen umfangreicher Experteninterviews mit den beteiligten Netzwerkpartnern wurden<br />
deren Anforderungen an erfolgreiche Netzwerkarbeit untersucht. Entscheidend für den Zusammenhalt<br />
von Netzwerken ist zum einen die Netzwerkkultur, welche auf offener Kommunikation<br />
Prof. Dr. Stefanie Hohn<br />
ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Fakultät für<br />
Wirtschaft- und Sozialwissenschaft<br />
der Fachhochschule<br />
Osnabrück<br />
mit dem Schwerpunkt<br />
öffentliches Marketing.<br />
Clas Meyer ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter<br />
im Forschungsprojekt<br />
„Standortentwicklung<br />
durch Wissensnetzwerke“<br />
an der Fakultät<br />
für Wirtschaft- und Sozialwissenschaft<br />
der<br />
Fachhochschule Osnabrück.<br />
Dr. Matthias Schmidt<br />
ist Leiter des Wissenschaftsbüros<br />
der Stadt<br />
Münster.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • <strong>2008</strong>
22 management Hohn/Meyer/Schmidt – Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft<br />
summary<br />
The current contest of the innovative<br />
regions refers primarily<br />
to creative heads of the performance<br />
elite. The requirements<br />
of the new factor knowledge<br />
have an important impact for<br />
regions and cities. The emphasis<br />
is more on the production,<br />
acquirement and utilization of<br />
knowledge. In addition there is<br />
in-tensified town competition,<br />
structural change and the pressure<br />
to be innovative. These new<br />
claims require a cooperation of<br />
different participants of economics,<br />
science, administration and<br />
policy, since the local range of<br />
tasks is not to be mastered alone<br />
any more. In this context, networked<br />
structures have become<br />
indispensable.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
und kooperativem Miteinander beruhen sollte und zum anderen die Existenz von Spielregeln, die<br />
von allen Netzwerkpartnern akzeptiert und durch eine externe Moderation und ein professionelles<br />
Projektmanagement immer wieder in Erinnerung gerufen werden.<br />
Netzwerke benötigen Steuerung durch definierte Ansprechpartner und Anlaufstellen, die Akteure<br />
und Aktivitäten koordinieren. Häufig müssen sich diese Knotenpunkte auch als Treiber in der<br />
Strukturentwicklung des Netzwerks betätigen, d.h. sie müssen operativ agiler sein als die anderen<br />
Netzwerkakteure. Hinzu kommt, dass Netzwerke nur über feste Strukturen effektiv arbeiten können.<br />
Das bedeutet beispielsweise, redundante Netzwerkstrukturen so zu bündeln, dass Koordinationsprobleme<br />
und Mehrarbeit vermieden werden.<br />
Ein weiterer Erfolgsfaktor besteht darin, dass allen Akteuren der Nutzen der Partnerschaft ersichtlich<br />
ist. Gerade die Kooperation mit Hochschulen oder Wirtschaftsunternehmen erfordert die klare<br />
Herausstellung des Mehrwerts. Um diese Grundlage zu schaffen, müssen die Netzwerkziele gemeinschaftlich<br />
definiert werden. Auch bedürfen sie politischer Bestätigung. Ein erfolgreiches Netzwerkmanagement<br />
hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, die auftretenden unterschiedlichen<br />
Interessen auszutarieren.<br />
Netzwerke funktionieren gut, wenn zwischen der Bindung an das Netzwerk und dem individuellen<br />
Freiraum der Akteure ein Gleichgewicht geschaffen wird. Netzwerke lassen sich in der Regel nicht<br />
durch Verträge fixieren und müssen deswegen auf dem Prinzip der Reziprozität beruhen. In diesem<br />
Kontext muss auch hervorgehoben werden, dass Netzwerkbeziehungen nur erfolgreich sein<br />
können, wenn gegenseitiges Vertrauen besteht.<br />
Vertrauen wird über persönliche Kontakte und Kommunikationswege aufgebaut. Die Pflege dieser<br />
vertrauensbildenden Beziehungen wird von den Befragten als wesentlich für die positive Entwicklung<br />
in Münster eingestuft. Netzwerkerfolge müssen zudem mittels professioneller Kommunikationspolitik<br />
kontinuierlich sichtbar gemacht werden. Geschieht das nicht, können die Bürger die<br />
Relevanz der Thematik Wissenschaftsstadt nicht erkennen und mittragen.<br />
Oft scheint es notwendig, dass sich kommunale Netzwerke der Hilfe externer Partner oder Berater<br />
bedienen. Um langfristig Innovationen und Lernprozesse zu fördern, müssen Ideen, die von außen<br />
kommen, integriert werden. Da die europäische beziehungsweise globale Dimension maßgeblich<br />
für den Standortwettbewerb ist, sollten Kooperationen mit vergleichbaren Städten eingegangen<br />
werden, um Synergien herstellen und neue Informationen für den eigenen Standortentwicklungsprozess<br />
gewinnen zu können. Dabei ist das sensible Gleichgewicht zwischen interkommunaler<br />
Kooperation und Konkurrenz ständig neu zu tarieren.<br />
In kommunalen Netzwerken lassen sich viele Anforderungskriterien finden, welche auch in der<br />
„klassischen“ Netzwerktheorie diskutiert werden. Zu beachten ist allerdings, dass kommunale<br />
Netzwerke weit höhere Ansprüche an die beteiligten Akteure und ihr Umfeld stellen: so die politische<br />
Legitimation, regelmäßige Erfolge, die Notwendigkeit, permanent zu agieren, die Integration<br />
Externer. Aus dem Genannten folgt, dass städtische Netzwerke immer nur fall- und situationsspezifisch<br />
auszugestalten sind.<br />
Fazit<br />
Zusammenfassung der wichtigsten Erfolgsfaktoren:<br />
u Die Ziele der Netzwerkarbeit und die angestrebten Cluster müssen gemeinschaftlich formuliert<br />
werden; sie bedürfen des politischen Rückhalts.
Hohn/Meyer/Schmidt – Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft management 23<br />
u Die Netzwerkarbeit sollte in strategische Stadtentwicklungs-und Stadtmarketingprozesse eingebunden<br />
sein.<br />
u Die Einschaltung neutraler Moderatoren, gerade zu Beginn der Netzwerkarbeit, ist unerlässlich.<br />
Ebenso notwendig ist ein professionelles Projektmanagement mit klaren Ansprechpartnern und<br />
mindestens einer Person, die kontinuierlich für das Funktionieren des Netzwerks Sorge trägt.<br />
Im Fall Münster übernimmt das Wissenschaftsbüro viele dieser Aufgaben.<br />
u Für die Auswahl von Projekten und Veranstaltungen müssen klare Kriterien gemeinsam erarbeitet<br />
werden.<br />
u Persönliche Kontakte sollten gepflegt werden, um Vertrauen aufzubauen, Vertrauen als unverzichtbare<br />
Bedingung jedweder Kooperation. Die räumliche „Kompaktheit“ Münsters kann dabei<br />
als Vorteil eingestuft werden.<br />
u Die Existenz von Schlüsselpersonen, die gleichzeitig in unterschiedlichen Netzwerken und Kooperationen<br />
aktiv sind, ist von stabilisierender Wirkung. Diese Personen, die wie eine Art „Brückenkopf“<br />
agieren, gilt es zu identifizieren und insbesondere in Maßnahmen der Kommunikationspolitik<br />
einzubinden..<br />
u Netzwerke brauchen kontinuierlich Erfolgsmeldungen, als Gegengewicht zu den ihnen inhärenten<br />
„Fliehkräften“. Deshalb müssen neben der langfristigen Perspektive auch immer kurzfristig<br />
realisierbare Projekte eingeplant werden, die die Erfolge der Netzwerkarbeit sichtbar und<br />
erlebbar machen.<br />
In Zukunft werden vor allem die Standorte erfolgreich im Wettbewerb bestehen, die als wichtige<br />
„Infrastruktur“ einen optimalen Zugang zu Wissen(schaft) zur Verfügung stellen können.<br />
Die genannten Erfolgsfaktoren einer kommunalen Vernetzungsstrategie sind dafür eine wichtige<br />
Voraussetzung. Nicht zuletzt deshalb, weil nationale bzw. europäische Förderprogramme diese<br />
Vernetzung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kommune zunehmend zur Auflage für die<br />
Finanzierung von Projekten machen.<br />
Anzeige<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. Stefanie Hohn<br />
Öffentliches Management<br />
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />
Fachhochschule Osnabrück<br />
Caprivistr. 30a<br />
49076 Osnabrück<br />
Tel.: +49 541 969-32 98<br />
Fax: + 49 541 969-31 76<br />
s.hohn@fh-osnabrück.de<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
24 management Knie/Simon – Evaluationen im Governance-Mix<br />
steuerunG<br />
Damit Evaluationen Anerkennung finden und zum Erfolg<br />
führen können, müssen Wissenschaft und Staat<br />
gemeinschaftlich neue Formen der Qualitätskontrolle<br />
erarbeiten.<br />
Foto: S. Hofschlaeger/PIXELIO<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Andreas Knie und Dagmar Simon<br />
Evaluationen im Governance-Mix<br />
Herausforderungen für das deutsche Wissenschaftssystem<br />
evaluationen – vor allem in ihren quantifizierenden ausformungen in rankings und ratings<br />
– erfreuen sich keiner großen Beliebtheit bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.<br />
Die Gründe werden in den verändernden Koordinations- und steuerungsformen<br />
(Governancestrukturen) des Wissenschaftssystems vermutet. Die auswirkungen<br />
auf die evaluationspraxis sind umfassend. Das Problem scheint im Kern darin zu liegen,<br />
einerseits eine am Bedarf der Wissenschaft ausgerichtete form der Qualitätsüberprüfung<br />
zu ermöglichen, andererseits aber gegenüber der staatlichen Politik und der Öffentlichkeit<br />
transparente verfahren zu schaffen. ein ausweg kann offenkundig nur dann gelingen,<br />
wenn sich Wissenschaft und staatliche Politik auf ein neues, gegenseitig respektiertes<br />
rollenverständnis einigen.<br />
Wir leben alle in der „Audit Society“. Diese zeichnet sich laut Michael Power durch die Einführung<br />
von Kontrollsystemen in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen aus, die steigende<br />
Effizienz und Effektivität versprechen, aber oftmals auch zu nicht intendierten Effekten führen,<br />
die Innovationen und Kreativität verhindern (Power 1997). Nun hat auch die „Auditierung“ und<br />
damit die Mentalität der Rechnungslegung die Wissenschaftssysteme ereilt und droht, die hier<br />
eingesetzten etablierten Instrumente der Bewertung von Qualität zu überformen. „What is meant<br />
by ‚auditization’ is the processes, explicit or implicit, by which practices of evaluation come<br />
to constitute themselves in the shadow of the financial audit model – specifically through the<br />
emergence of best-practice standards of performance which can be checked“ (Power <strong>2008</strong>, S.<br />
16). Diese Tendenz könnte dazu führen – so die Kritiker –, dass Wissenschaft nur noch dahin<br />
überprüft wird, ob die best practice-Standards eingehalten sind. In der Konsequenz wird bei<br />
einer solchen Perspektive das bisherige Modell der wissenschaftsinternen Qualitätsprüfung, das<br />
Peer-Review, entwertet und den Fachkollegen im Grunde die Legitimation abgesprochen, kompetente<br />
Experten für die Qualitätssicherung in der Wissenschaft darzustellen.<br />
Unerwünschte (Neben-)effekte von Auditierungen, Zertifizierungen und anderen Instrumenten<br />
in Unternehmen, Verwaltungen und Politikfeldern werden zwar überall kritisch diskutiert, aber<br />
in keinem gesellschaftlichen Teilsystem auch so vehement abgelehnt wie in der Wissenschaft.<br />
Dies konnte bereits bei der Einführung flächendeckender Evaluationen im deutschen Wissenschaftssystem<br />
in den 1980er-Jahren beobachtet werden und steigerte sich noch bei der Einführung<br />
externer Bewertungsverfahren wie der Ziel- und Leistungsvereinbarungen oder denen<br />
von Rankings und Ratings. Neben dem grundsätzlichen Gefühl, einem permanenten Prozess<br />
sachfremder Qualitätsüberprüfungen ausgesetzt zu sein, die zudem die Wissenschaftler nur von<br />
ihren eigentlichen Forschungs- und Lehraufgaben abhalten, gesellen sich weitere Argumente<br />
der Kritiker hinzu: Die quantifizierenden Instrumente der Beobachtung und Bewertung seien dem<br />
Gegenstand Wissenschaft und Forschung nicht adäquat und führten zu einer unsachgemäßen<br />
„Ökonomisierung“ der Wissenschaft, wodurch im Ergebnis fatale Anpassungseffekte produziert<br />
würden (vgl. Hoffmann 2003).
Warum also das ganze Zählen, Gewichten, Wiegen und weshalb die Vehemenz der Kritik aus<br />
der Wissenschaft? Denn die Prüfung und Bewertung wissenschaftlicher Leistungen existiert,<br />
solange es organisierte Wissenschaft gibt. Und bei aller Zurückweisung externer Kontroll- und<br />
Überwachungsversuche bleibt doch daran zu erinnern, dass Wissenschaft Teil der Gesellschaft<br />
ist und letztlich von dieser auch alimentiert wird.<br />
Wer steuert wen und was im Wissenschaftssystem?<br />
Wissenschaft und Forschung – und damit ihre erzeugenden, organisatorischen Kontexte wie<br />
die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen – sehen sich in den letzten<br />
Dekaden einem verstärkten Legitimationsdruck ausgesetzt. Die gesellschaftliche Relevanz<br />
muss unter Beweis gestellt werden und das auch noch im Zusammenhang zunehmender Erwartungen<br />
an wissenschaftliche Beiträge zur Sicherung der ökonomischen Wettbewerbsposition<br />
der Volkswirtschaften. In den hochschul- und wissenschaftspolitischen Diskursen spiegelt sich<br />
daher auch dieser grundlegende Wandel der gesellschaftlichen Legitimationsbedingungen von<br />
Wissenschaft wider (Krücken 2006). Damit verbunden ist ein erheblicher Vertrauensverlust in<br />
die wissenschaftliche Selbststeuerung, der zu neuen Modellen der Koordinierung öffentlicher<br />
Lehr- und Forschungseinrichtungen geführt hat.<br />
Als Zielgröße neuer Steuerungsversuche gilt jedoch nicht nur die Relevanz – letztendlich bezogen<br />
auf den volkswirtschaftlichen Nutzen von Wissenschaft und Forschung –, sondern auch die Steigerung<br />
der Effizienz bei den eingesetzten Mittel, die mit erhöhtem Wettbewerbsdruck erreicht werden<br />
soll. Anreiz- und Sanktionsmodelle wie leistungsorientierte Mittelvergabe wurden in den Hochschulen<br />
eingeführt, während in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen betriebswirtschaftlich orientierte<br />
Instrumente wie Kosten-Leistungs-Rechnungen und Programmbudgets diskutiert werden. Allerdings<br />
bedeutet dies nicht, dass mit einer Einführung dieser neuen, wettbewerblich ausgerichteten<br />
Ansätze die etablierten Elemente der Kameralistik abgeschafft wären, sie bestehen und wirken weiter.<br />
Das Prinzip der Jährlichkeit und die dementsprechend etablierte Form der Mittelbewirtschaftung treffen<br />
gleichzeitig auf unternehmerisch orientierte Denkansätze eigenverantwortlicher Budgetverwaltung<br />
innerhalb einer Einrichtung. Man kann also eine ganze Mixtur von inkonsistenten exogenen und endogenen<br />
Steuerungsversuchen beobachten, die kein konsistentes Verhalten produzieren können. Die<br />
betroffenen Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, also<br />
die von Bund und Ländern grundfinanzierten Institute der Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer<br />
Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und in den Helmholtz Zentren, werden zur gleichen Zeit nach<br />
der Logik der Kameralistik behandelt und müssen Leistungsnachweise auf der Basis der Kosten-<br />
Leistungs-Rechung hinterlegen, bei denen kooperative Projektforschungen in Einzelteile zerlegt werden<br />
müssen, damit sie den Kostenstellen zugeordnet werden müssen. Diese verschiedenen Governance-Logiken<br />
führen dazu, dass zum einen eine marktliche Wettbewerbssituation simuliert wird und<br />
Evaluationen von Forschung und Lehre den Charakter von „Quasi-Märkten“ erhalten. Auf der anderen<br />
Seite aber lassen die staatlichen finanziellen Rahmenbedingungen den Universitäten nach wie vor nur<br />
bedingte Bewegungsfreiheit, die Kameralistik schafft den neuen internen Steuerungsmodellen wenig<br />
Entfaltungsmöglichkeiten, weil die Mittelvergabe detailliert und weitgehend objektfixiert ist, ja gerade<br />
dazu erfunden wurde, unternehmerische Handlungen zu unterbinden.<br />
Diese sehr unterschiedlichen und sich in ihrer Wirkung überlagernden Verfahren zur Leistungsmessung<br />
und Budgetsteuerung werden daher als widersprüchliche, aufgesetzte, wirkungslose<br />
und der Bevormundung dienende Instrumente wahrgenommen, da ihre Konsequenzen vor allem<br />
im Hinblick auf Struktur- und Organisationsfragen von den Einrichtungen kaum umgesetzt werden<br />
können.<br />
Knie/Simon – Evaluationen im Governance-Mix management 25<br />
Man kann also eine ganze Mixtur<br />
von inkonsistenten exogenen und<br />
endogenen Steuerungsversuchen<br />
beobachten, die kein konsistentes<br />
Verhalten produzieren können.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
26 management Knie/Simon – Evaluationen im Governance-Mix<br />
Die Wissenschaft selbst hat es<br />
bislang nicht geschafft, eine für<br />
diese Erkenntnisform angemessene<br />
interne Leistungsbewertung<br />
so transparent zu gestalten, dass<br />
diese für staatliche Politik oder<br />
für die Öffentlichkeit nachvollziehbar<br />
wäre.<br />
Stichwörter<br />
Evaluationen<br />
Governance<br />
Qualitätsentwicklung<br />
Scientific Community<br />
Wissenschaftspolitik<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Evaluationen in der Kritik<br />
Bei einer ersten Betrachtung des unübersichtlichen und zum Teil widersprüchlichen Governance-<br />
Mix im Wissenschaftssystem nehmen die systematisch eingeführten und auf Dauer gestellten<br />
Evaluationen mehr und mehr die zentrale Rolle bei der Bewertung der Qualität von Leistungen<br />
in Wissenschaft und Forschung ein. Die Kritik ist seitens der wissenschaftlichen Fachgemeinschaften<br />
groß und die Überfrachtung des Wissenschaftssystems mit betriebswirtschaftlich orientierten<br />
und daher fachfremden Instrumenten, Kriterien und Verfahren wird stark beklagt.<br />
Die Kritik richtet sich dabei gleichermaßen auf die Ziele, Verfahren und Kriterien der Evaluationen.<br />
Hierbei entsteht das objektive Problem, dass Evaluationen häufig die Rolle einer „Multifunktionswaffe“<br />
einnehmen. Geht es beispielsweise um die Bewertung von Erkenntnissen<br />
im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Güte oder ihre gesellschaftliche Relevanz oder sind es<br />
Fragen nach einer effizienten Organisation der Erkenntnisproduktion, also Probleme der Steuerung<br />
im Hinblick auf den effizienten Einsatz von Ressourcen und eine Optimierung des Ertrages?<br />
In Bezug auf letztere Dimension wird die Ökonomisierung der Wissenschaft kritisiert,<br />
weil in diesem Prozess die „ökonomischen Kriterien zunehmend den Primat gegenüber anderen<br />
Leitvorstellungen übernehmen“ (Hoffmann/Neumann 2003, S. 9) und Kriterien zur Anwendung<br />
kommen, die einer wissenschaftlichen Leistungsbeurteilung nicht angemessen seien. Dieser Paradigmenwechsel<br />
– so wird gemutmaßt – ersetzt die Kategorie der „Wahrheit“, die auch immer<br />
schon stark umstritten war, durch die der „Nützlichkeit“, die aus instrumentell-technologischer<br />
Perspektive entwickelt wird (Hoffmann/Neumann 2003, S 18). Allerdings bleibt dabei unbewiesen,<br />
ob ohne Verpflichtung auf diese externen Evaluationen die Wissenschaft den Antrieb zum<br />
Unkonventionellen, Risikoreichen und Erkenntnisgetriebenen tatsächlich besser und störungsfreier<br />
entwickeln könnte. Die Wissenschaft selbst hat es bislang nicht geschafft, eine für diese<br />
Erkenntnisform angemessene interne Leistungsbewertung so transparent zu gestalten, dass<br />
diese für staatliche Politik oder für die Öffentlichkeit nachvollziehbar wäre.<br />
In der Kritik stehen zwar die – aus Sicht der Wissenschaften - nicht angemessenen Indikatoren,<br />
mit denen die Aufgaben, Ziele und Leistungen des entsprechenden Instituts oder Fachbereichs<br />
abgebildet werden sollen und die einen „Zwang zur Anpassung an Leistungsindikatoren“ entwickeln,<br />
der Annahmen über „gute“ und auch „gesellschaftlich relevante“ Forschung vornimmt.<br />
Unterschiede in der Aufgabenstellung der wissenschaftlichen Einrichtung oder in den wissenschaftlichen<br />
Disziplinen würden nur ungenügend zur Kenntnis genommen und es entstünden<br />
opportunistische Anpassungseffekte, die den jeweiligen wissenschaftlichen Zielen zum Teil zuwider<br />
liefen. Es geht hierbei nicht nur um die Art der Kriterien, sondern auch um die Entwicklung<br />
zur Quantifizierung bei der Bewertung der Qualität von wissenschaftlichen Leistungen, frei nach<br />
dem Motto: Bei Evaluationen wird nicht mehr gelesen, sondern gezählt. Hierbei stehen insbesondere<br />
die Zahl der Veröffentlichungen in refereed journals, die Zahl der Zitationen und die<br />
Einwerbung von Drittmitteln hoch im Kurs.<br />
Die Kritik scheint sicherlich zu weiten Teilen berechtigt (vgl. Matthies/Simon <strong>2008</strong>). In den Evaluationen<br />
von Forschungseinrichtungen ist tatsächlich – selbst bei multidisziplinär und aus unterschiedlichen<br />
Institutionen zusammengesetzten Gutachtergruppen – immer wieder die Homogenität<br />
einer Vorstellung von „guter Forschung“ verblüffend (Barlösius 2006; Schimank 2006), ein<br />
„normative isomorphism“ wie es Powell einmal ausdrückte. Dies funktioniert aber nur deshalb<br />
so gut, weil sich alle beteiligten Wissenschafter und Wissenschafterlinnen ihrer gegenseitigen<br />
Abhängigkeit bewusst sind und die Beteiligung am Peer Review nicht nur eine Frage der inhaltlichen<br />
Bewertung ist, sondern vor allem auch eine Verständigung auf Verfahrensgrundsätze
darstellt, die eine grundlegende Anerkennung und Akzeptanz dieser wechselseitigen Abhängigkeiten<br />
voraussetzt (Knie/Matthies/Simon <strong>2008</strong>). Damit werden Bewertungen und Empfehlungen<br />
produziert, die für außerhalb des Wissenschaftssystems stehende Beobachter oft schwer nachvollziehbar<br />
sind.<br />
Symptomatisch insbesondere für die deutsche Diskussion ist das Beharren großer Teile der<br />
akademischen Gemeinde auf der Re-Etablierung eines Status quo ante, einem „vor-evaluativen<br />
Zeitalter“, in dem die Qualitätskontrolle – konzentriert auf die Bereiche Forschungsförderung<br />
und Publikationspraxis – im Wesentlichen den Fachkollegen, den „peers“ – vorbehalten war. Mit<br />
diesen Forderungen wird aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Bei aller Kritik an externen<br />
Leistungskontrollen wird vergessen, welche erheblichen Strukturprobleme des deutschen Wissenschaftssystems<br />
alleine in den letzten zwanzig Jahren entstanden sind. Eine fehlenden Nachwuchsförderung,<br />
die mangelnde Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft sowie die kaum<br />
vorhandenen beruflichen Entwicklungspfade bei einer institutionellen Verkrustung und Versäulung<br />
der Institutslandschaften und nur schwach entwickelter Instrumente des Monitorings sind<br />
nur wenige Stichworte um die gravierenden Mängel eines ausschließlich auf interne Bewertung<br />
setzenden Wissenschaftssystems zu beschreiben (vgl. Wissenschaftsrat 2003; Winnacker 2006).<br />
Die Selbststeuerungsinstrumente der scientific communities eignen sich offensichtlich alleine<br />
nicht zu einer Regulierung offensichtlicher Problemlagen, sondern „die das wissenschaftliche<br />
Wissen produzierenden Fachgemeinschaften weisen das für Gemeinschaften charakteristische<br />
Defizit endogener Governance auf, das zugleich ein Defizit von Kanälen für die Intervention exogener<br />
Governance ist (Gläser/Lange 2007, S. 438).<br />
Von der Kontrolle zum Monitoring?<br />
In der letzten Dekade ist nicht nur viel über Evaluationen gestritten, sondern es sind auch Instrumente<br />
und Verfahren der Qualitätsbewertung von Forschungseinrichtungen weiterentwickelt<br />
worden: Bewertungskriterien wurden ausdifferenziert und den jeweiligen Aufgabenprofilen und<br />
institutionellen Zielen angepasst, disziplinäre Ausdifferenzierungen berücksichtigt, Struktur- und<br />
Organisationsfragen einen höheren Stellenwert beigemessen; Transparenz und Partizipation der<br />
betroffenen Akteure und Institutionen als wichtige Verfahrensgrundsätze verabschiedet und vor<br />
allem stärker auf die Entwicklung von Handlungsempfehlungen als auf ausschließliche Kontrollmechanismen<br />
gesetzt (Leibniz Gemeinschaft 2007; Wissenschaftsrat 2007; Simon <strong>2008</strong>).<br />
Es zeichnen sich in Deutschland damit ähnliche Trends ab wie auch in anderen europäischen<br />
Staaten. Hemlin und Rasmussen (2006) konstatieren etwa in den Qualitätssicherungssystemen<br />
der Wissenschaft generell eine Schwerpunktverlagerung von der Produkt- zur Prozesskontrolle<br />
sowie die Relativierung von internen Bewertungskriterien der Wissenschaft wie etwa Originalität<br />
und methodische Ansätze durch die Hinzunahme von Kriterien wie gesellschaftliche Relevanz.<br />
Außerdem spielen ethische und politische Fragen eine stärkere Rolle. Darüber hinaus geht die<br />
Entwicklung von der Evaluation von Individuen zu Organisationen, einschließlich solcher, die die<br />
Grenzen des Wissenschaftssystems überschreiten. Insgesamt ist eine Tendenz von punktuellen<br />
Qualitätskontrollen zu einem kontinuierlichen Monitoringprozess erkennbar.<br />
Beispiele aus Schweden zeigen, dass sich in der Forschungsförderung die sogenannten strategic<br />
research funds auf die Förderung von transdisziplinärer Forschung und Forschung mit direktem<br />
Bezug auf gesellschaftliche Problemfelder oder ökonomische Verwertungsaspekte orientieren.<br />
Auch die Gründung neuer Universitäten in Schweden setzt auf multi- und transdisziplinäre Forschung<br />
und bei der Rekrutierung des Leitungspersonals gehen die Leistungskriterien über die<br />
der wissenschaftlichen Exzellenz hinaus.<br />
Knie/Simon – Evaluationen im Governance-Mix management 27<br />
Literatur/Links:<br />
Barlösius, E, Wissenschaft evaluiert – praktische Beobachtungen<br />
und theoretische Betrachtungen, in:<br />
Flick, U. (Hrsg.), Qualitative Sozialforschung. Konzepte,<br />
Methoden, Umsetzungen. Reinbek bei Hamburg<br />
2006, S. 385-404.<br />
Hemlin, S./Rasmussen, S. B., The Shift in Academic<br />
Qualitiy Control, in: Science, Technology & Human Values,<br />
31,2 (2006), S. 173-198.<br />
Hoffmann, D., Zur Kritik einer ‚neuen’ Hochschulpolitik:<br />
Lässt sich wissenschaftlicher Erfolg institutionell<br />
organisieren? in: Ders./Neumann, K. (Hrsg.): Ökonomisierung<br />
der Wissenschaft: Forschen, Lehren und<br />
Lernen nach den Regeln des „Marktes“. Weinheim<br />
2003, S. 15-41.<br />
Gläser, J., Wissenschaftliche Produktionsgemeinschaften.<br />
Die soziale Ordnung der Forschung, Frankfurt/New<br />
York 2006.<br />
Gläser, J./ Lange, St., Wissenschaft, in: Benz, A./Lütz,<br />
S./Schimank, U./Simonis, G. (Hrsg.): Handbuch Governance.<br />
Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder,<br />
Wiesbaden 2007, Seite 437-451.<br />
Hoffmann, D./Neumann, K., Einleitung in: dies.<br />
(Hrsg.), Ökonomisierung der Wissenschaft: Forschen,<br />
Lehren und Lernen nach den Regeln des „Marktes“,<br />
Weinheim 2003, S. 7-14.<br />
Knie, A./Matthies, H./Simon, D., Gefühlte Exzellenz –<br />
Implizite Kriterien der Bewertung von Wissenschaft<br />
als Dilemma der Wissenschaftspolitik, in: Matthies,<br />
H./Simon, D. (Hrsg.), Wissenschaft unter Beobachtung.<br />
Effekte und Defekte von Evaluationen, Leviathan<br />
Sonderband 2007, Wiesbaden <strong>2008</strong>, S. 331-344.<br />
Krücken, G., Wandel – welcher Wandel? Überlegungen<br />
zum Strukturwandel der universitären Forschung in<br />
der Gegenwartsgesellschaft, in: die hochschule<br />
1/2006, S. 7-18.<br />
Editorial, in: Matthies, H./Simon, D.(Hrsg.), Wissenschaft<br />
unter Beobachtung: Effekte und Defekte von<br />
Evaluationen, Leviathan Sonderband 2007, Wiesbaden<br />
<strong>2008</strong>, S. 9-12.<br />
Power, M., The Audit Society: Rituals of Verification,<br />
Oxford 1997.<br />
Power, M., Research Evaluation in the Audit Society,<br />
in: Mattthies, H./Simon, D. (Hrsg.), Wissenschaft unter<br />
Beobachtung. Effekte und Defekte von Evaluationen,<br />
Leviathan Sonderband 2007. Wiesbaden <strong>2008</strong>, S.15-<br />
24.<br />
Schimank, U., New Public Management and the Academic<br />
Profession: Reflections on the German Situation,<br />
in: Minerva 43, 2005, S. 361-376.<br />
Simon, D., Als Konsequenz mehr Kohärenz? Strukturelle<br />
Wirkungen von Evaluationen, in: Matthies, H./,<br />
Simon, D. (Hrsg.), Wissenschaft unter Beobachtung.<br />
Effekte und Defekte von Evaluationen, Leviathan Sonderband<br />
2007, Wiesbaden <strong>2008</strong>, S. 178-190.<br />
Winnacker, E.-L., Wissenschaft an der Zeitenwende,<br />
Freiburg i. Br. 2006.<br />
Wissenschaftsrat, Strategische Forschungsförderung<br />
– Empfehlungen zur Kommunikation, Kooperation und<br />
Wettbewerb im Wissenschaftssystem, 2003, Drs.<br />
5654/03, Köln.<br />
Wissenschaftsrat, Aufgaben, Kriterien und Verfahren<br />
des Evaluationsausschusses des Wissenschaftsrates,<br />
<strong>2008</strong>, Drs. 8328-08, Köln.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
28 management Knie/Simon – Evaluationen im Governance-Mix<br />
summary<br />
Evaluations – especially in their<br />
quantified forms of rankings and<br />
ratings – are not very popular<br />
among scientists. Reasons for<br />
this are expected to be found in<br />
the changed forms of coordination<br />
and controlling (governance<br />
structures) of the science system.<br />
The effects of evaluation practice<br />
are widespread. The core of the<br />
problem seems to be to allow<br />
for a form of quality assurance<br />
suiting the needs of science, and<br />
at the same time to create procedures<br />
transparent for politics<br />
and the public. The dilemma can<br />
obviously only be overcome if<br />
science and politics agree upon<br />
a new, mutually-respectful role<br />
perception.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Dimension Quality control<br />
(Product orientation)<br />
Quality Monitoring<br />
(Process orientation)<br />
criteria Scientific Scientific and societal<br />
focus Individual researchers Organizations, networks<br />
Goal Valid, reliable knowledge Socially robust knowledge,<br />
learning<br />
evaluator Traditional peers New peers, users. consultants,<br />
lay persons<br />
evaluation time After production Continuously<br />
science study perspective First order: philosophy and<br />
sociology of knowledge<br />
Second order: knowledge<br />
management, organizational<br />
learning<br />
The Transition from Quality Control to Quality Monitoring in Science; Quelle: nach Hemlin/Rasmussen 2006)<br />
Ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten und sie<br />
werden in engem Zusammenhang mit veränderten wissenschaftlichen Produktionsweisen diskutiert,<br />
die die Grenzen wissenschaftlicher Einrichtungen überschreiten und neue institutionelle<br />
Verbindungen mit Partnern aus gesellschaftlichen Praxisbereichen eingehen. Sie erfordern aber<br />
auch Governanceformen, die phasen- und kontextgerecht wissenschaftliche Erkenntnisprozesse<br />
begleiten und angemessen im Sinne der Schaffung kreativer Arbeitsumgebungen unterstützen.<br />
Neue Formen wissenschaftlicher Qualitätskontrolle<br />
Um also auch in Deutschland zu neuen Formen des Umgangs mit der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle<br />
zu kommen, sind mehrere Bedingungen zu erfüllen:<br />
(1) Wenn man von einer stärkeren Verflechtung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, Wirtschaft,<br />
<strong>Medien</strong> und anderen gesellschaftlichen Teilsystemen ausgehen kann, dann sollten diese<br />
Umstände eine deutlichere Beachtung in Evaluationsverfahren erhalten und sich in einer entsprechend<br />
differenzierten Bewertungsphilosophie niederschlagen. Dies heißt beispielsweise,<br />
dass seitens der Wissenschaft grundsätzlich anerkannt wird, dass die reklamierte Selbstverwaltung<br />
nur auf Basis einer Abstimmung mit öffentlichen Mittelgebern zu erreichen ist. Dies heißt<br />
aber auch, nicht bei jedem Anlass nach Verwendungsmöglichkeiten oder der Praxisrelevanz zu<br />
fahnden. Erkenntnisprozesse vollziehen sich nicht innerhalb linearer Prozesse, sondern verlaufen<br />
in rekursiven Schleifen, bei der jede Etappe für sich eigene Kriterien der Messung benötigt.<br />
Außerwissenschaftliche Nützlichkeit ist zudem nicht immer und überall mit wirtschaftlicher<br />
Verwertbarkeit und entsprechenden Patentstatistiken gleichzusetzen. Dem bereits erreichten<br />
Grad an komplexen Formen entgrenzter und hybridisierter Wissenschaftsproduktion kann nur<br />
mit angemessen Verfahren der Bewertung begegnet werden. Hierbei sind die unterschiedlichen<br />
Etappen sowie die verschiedenen Produktionsformen zu berücksichtigen. Eine systematische<br />
Validierung der gesellschaftlichen Einbettung und Bedeutung von Forschungsfeldern und ihrer<br />
Weiterentwicklung durch entsprechende Experten ist eine Voraussetzung wie aber auch der<br />
Abgleich wissenschaftlicher Ergebnisse durch die Fachgemeinschaft. Erst die Zusammenschau<br />
beider Validierungen kann ein adäquates Bild von der Leistungsfähigkeit wissenschaftlicher Einrichtungen<br />
geben.
(2) Die Prozesse selbst müssen sich wandeln. Auch wenn es zunächst wie ein Widerspruch<br />
klingt: Chancen und Optionen, Ziele, Verfahren und Kriterien von Evaluationen sind in einem offenen<br />
Verfahren zu gestalten. Dies geschieht noch nicht in dem Ausmaß wie es tatsächlich möglich<br />
wäre (vgl. Schimank 2005), sondern vielmehr werden Prozess- und Kriteriendefinitionen<br />
den Wissenschaftsadministrationen mit bekannten Ergebnissen überlassen: Dabei besteht die<br />
Chance darin, die Aus- und Entdifferenzierung der wissenschaftlichen Disziplinen und Fachgebiete<br />
in ihren verschiedenen epistemischen Praktiken und Bezügen auf unterschiedliche Adressatengruppen<br />
stärker in Verfahrenselemente und Kriterien zu respektieren und zu integrieren.<br />
Denn auf diese Weise können die Betroffenen frühzeitig und umfassend am ganzen Vorhaben<br />
beteiligt werden.<br />
Evaluierungen werden bisher von den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zumeist als<br />
zusätzliche Belastung wahrgenommen, die ausschließlich ihr wertvollstes Gut, nämlich Zeit für<br />
die Erstellung wissenschaftlicher Produkte, rauben. Ein Kernproblem besteht daher vor allem<br />
darin, dass Evaluationen im Reputationssystem der Wissenschaft nicht verankert sind, keine<br />
Anerkennung genießen und nicht als Element der eigenen Professionsentwicklung wahrgenommen<br />
werden. Dies liegt auch an den bisherigen Evaluationsprozessen, denn gezählt werden in<br />
der Bewertung von Forschungseinrichtungen und Hochschulen die Publikationen und Drittmitteleinwerbungen,<br />
aber nicht das Engagement der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in<br />
Evaluierungen und anderen bewertenden und beratenden Aktivitäten.<br />
Fazit<br />
Ein Ausweg aus dem bisherigen Governance-Mix im Wissenschaftssystem mit seinen zum Teil<br />
kontraproduktiven Effekten ist alles andere als einfach. Eine Voraussetzung hierfür ist die Neufassung<br />
des Verständnisses über Aufgabenzuschnitte und Rollenverständnisse. Der Hochschulforscher<br />
Uwe Schimank schlug hierfür die Abfassung eines neuen „Vertrags“ vor „[…] between<br />
those who produce and diffuse knowledge, and those who guard the public purse“ (Schimank<br />
2005, S. 376). Gegenstand wäre die Aushandlung eines gemeinsamen Konsenses darüber, dass<br />
Evaluationen Teil einer modernen wissenschaftlichen Praxis sind, deren Prozesse und Inhalte<br />
aber zwischen den Fachgemeinschaften und den Wissenschaftsadministrationen auszuhandeln<br />
sind. Dies erfordert seitens der Scientific Community die Einsicht, dass externe Akteure und ihre<br />
Realitätsdeutung Teil des gesamten wissenschaftlichen Umfeldes sind und entsprechend respektiert<br />
werden müssen. Auf der anderen Seite muss sich die staatliche Politik bei der Definition<br />
der Rahmenbedingungen auf eine konsistente Steuerungsphilosophie verständigen: Entweder<br />
wird den Einrichtungen eine eigenverantwortliche Budgetverantwortung mit allen Rechten und<br />
Pflichten eingeräumt oder es bleibt bei der klassischen kameralistischen Kontrollmethode, bei<br />
der Wissenschaftsreinrichtungen als Teil des öffentlichen Kontrollsystems verstanden werden.<br />
Verbindungen oder Kompromisse verhindern die Entstehung klarer Orientierungen, die aber für<br />
die Entwicklung eines gegenseitig respektvollen Umgangs notwendig sind.<br />
Knie/Simon – Evaluationen im Governance-Mix management 29<br />
Prof. Dr. Andreas Knie, Politikwissenschaftler<br />
ist Geschäftsführer<br />
des Innovationszentrums für Mobilität<br />
und gesellschaftlichen Wandel<br />
und verantwortlich für die wissenschaftliche<br />
Koordination der ForschungsgruppeWissenschaftspolitik<br />
am WZB.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Dagmar Simon ist<br />
Politikwissenschaftlerin<br />
und Leiterin der<br />
Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik<br />
am<br />
Wissenschaftszentrum<br />
Berlin für Sozialforschung<br />
(WZB).<br />
Dr. Dagmar Simon<br />
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung<br />
Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik<br />
Reichpietschufer 50<br />
10785 Berlin<br />
Tel.: +49 30 2 54 91-588<br />
dsimon@wzb.eu<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
30 management Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement<br />
GeotechnoLoGien<br />
GEOTECHNOLOGIEN – High Tech in der Grundlagen-<br />
und Anwendungsforschung. Die großen Tunnelbohrmaschinen<br />
sind komplexe Lösungen, darin sind Sensoren<br />
und Empfänger für die seismische Vorauserkundung<br />
integriert.<br />
Foto: Herrenknecht<br />
Abb. 1: Das FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN im<br />
Wirkungsdreieck Wissenschaftsorganisation, Projektkoordination,<br />
Wirtschaftskooperation.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Ludwig Stroink und Volker Mosbrugger<br />
Integratives Forschungsmanagement<br />
Vernetzung – am Beispiel des FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN<br />
aufbruchstimmung herrschte vor gut acht Jahren: Die damalige Bundesministerin für Bildung<br />
und forschung, edelgard Bulmahn, und der zu dieser Zeit aktive Präsident der Deutschen<br />
forschungsgemeinschaft (DfG), ernst-Ludwig Winnacker, stellten gemeinsam das<br />
neue forschungs- und entwickungsprogramm (fue) GeotechnoLoGien der Öffentlichkeit<br />
vor. ehrgeizig war nicht nur der ansatz, ein gemeinsames forschungsprogramm der<br />
beiden wichtigsten deutschen forschungsförderungseinrichtungen zu etablieren. ambitioniert<br />
war auch die idee, durch ein abgestimmtes handeln über die fächer- und Ländergrenzen<br />
hinweg, den Grundstein für ein globales „erdsystemmanagement“ zu legen. Mit<br />
der Jahrtausendwende gingen die ersten vorhaben in die förderung. Jetzt ist Zeit, eine<br />
erste Bilanz zu ziehen, wie auch den Blick auf das integrierte forschungsmanagement<br />
einer Grundlagenwissenschaft mit hohem anwendungsbezug zu richten.<br />
Zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben sind die Geowissenschaften gefordert, sich aktiv um<br />
eine Überwindung der Grenzen zu den einschlägigen Nachbardisziplinen in den Ingenieur-,<br />
Natur- und Sozialwissenschaften zu bemühen. Gleichzeitig muss die Zusammenarbeit zwischen<br />
öffentlich geförderter Wissenschaft und privater Wirtschaft gestärkt werden, um auch die technologischen<br />
Grundlagen für ein globales „Erdsystemmanagement“ zu legen.
Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement management 31<br />
Diesen übergreifenden Ansatz verfolgt das FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN. Seine zwölf interdisziplinär<br />
ausgerichteten und thematisch aufeinander abgestimmten Schlüsselthemen ermöglichen<br />
es, den „Lebensraum Erde“ von der globalen Beobachtung aus dem Weltraum bis<br />
in die atomare Dimension seiner einzelnen Bausteine zu untersuchen. Dadurch können Ideen<br />
und Kenntnisse gebündelt und neue Synergien geschaffen werden, die in den einzelnen Fachgebieten<br />
selbst nicht entstehen können. Das Programm GEOTECHNOLOGIEN hat damit den eingeleiteten<br />
Paradigmenwechsel von der disziplinären Forschung zu transdisziplinären Konzepten<br />
und Lösungsansätzen konsequent fortgesetzt und ausgebaut.<br />
Bevorzugt werden interdisziplinäre Gemeinschaftsverbünde gefördert, in denen sich Forschungseinrichtungen<br />
und Unternehmen zusammenschließen. Bislang haben sich 44 Universitäten,<br />
31 außeruniversitäre Einrichtungen und 52 Unternehmen in 113 Verbundprojekten zu<br />
neun Schlüsselthemen beteiligt. Die Fördersumme von Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
(B<strong>MB</strong>F) und DFG beträgt bislang cirka 150 Millionen Euro. Entsprechend der Philosophie<br />
des Programms versteht es sich von selbst, dass die Mehrzahl der Vorhaben in internationale<br />
Großprojekte eingebettet ist.<br />
Integrative Managementstruktur des Programms<br />
Integrativ wie die Programminhalte ist die Managementstruktur des FuE-Programms. Ziel ist es,<br />
auch hier Kräfte zu bündeln und aus der Wissenschaft heraus handlungsfähig zu sein. Die strategische<br />
Planung und wissenschaftlich-technologische Begleitung des Forschungsprogramms<br />
obliegt einem unabhängigen wissenschaftlichen Steuerungsgremium. Die sechs Mitglieder<br />
werden für eine Amtszeit von bis zu zweimal vier Jahren durch das B<strong>MB</strong>F berufen. Den Vorsitz<br />
übernimmt in Personalunion der jeweils amtierende Vorsitzende der Senatskommission für<br />
Geowissenschaftliche Gemeinschaftsforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (kurz:<br />
Geokommission).<br />
Dem wissenschaftlichen Aufsichtsgremium steht die Geschäftsstelle GEOTECHNOLOGIEN zur<br />
Seite. Gemeinsam nehmen sie folgende Aufgaben wahr:<br />
u Wissenschaftliche Koordination des Gesamtprogramms und Förderung der interdisziplinären<br />
Zusammenarbeit (national/international; inhaltlich/institutionell)<br />
u Identifizieren und vermarkten von wirtschaftlich verwertbaren Technologien, Verfahren und<br />
Dienstleistungen aus den Geowissenschaften<br />
u Erkennen und rasches Umsetzen neuer wissenschaftlich-technologischer Entwicklungen und<br />
gezielte Förderung der Innovationskultur in den GEOTECHNOLOGIEN<br />
u Einbindung von Unternehmen mit dem Ziel des Wissenstransfers in die Anwendung<br />
u Qualitätsmanagement<br />
u Umsetzen einer breiten Informations- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Bottom-up statt Top-down – Entwicklung neuer Projekte in den GEOTECHNOLOGIEN<br />
Innovationen können nicht verordnet werden, sie müssen wachsen. Im wissenschaftlichen Steuerungsgremium<br />
werden daher lediglich Themenrahmen gesetzt und Ziele formuliert. Sie orientieren<br />
sich an den wissenschaftlichen Bedürfnissen, spiegeln aber auch die berechtigten Interessen<br />
und Erwartungen wider, die von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft an die Wissenschaft<br />
Integrativ wie die Programminhalte<br />
ist die Managementstruktur<br />
des FuE-Programms. Ziel ist<br />
es, auch hier Kräfte zu bündeln<br />
und aus der Wissenschaft heraus<br />
handlungsfähig zu sein.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
32 management Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement<br />
Stichwörter<br />
Geowissenschaften<br />
Erdsystemmanagement<br />
Koordinierte Forschung<br />
Transdisziplinarität<br />
Qualitätsmanagement<br />
Forschung & Öffentlichkeit<br />
Technologietransfer<br />
Geotechmarket<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
herangetragen werden. Zentrales Anliegen ist es, neue Wissensgebiete zu definieren, die einerseits<br />
Spitzenforschung garantieren, andererseits aber auch konkrete Verwertungsperspektiven<br />
von neuem Wissen ermöglichen. „Verwertung“ wird „ganzheitlich“ verstanden. Das heißt, sie<br />
berücksichtigt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Faktoren.<br />
Besondere Aufmerksamkeit genießt die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Angelehnt<br />
an bewährte Förderkonzepte, besteht in jeder öffentlichen Ausschreibung auch die Möglichkeit,<br />
eine Nachwuchsgruppe zu beantragen, die – nach erfolgreicher Begutachtung - bis zu<br />
sechs Jahre gefördert werden kann. Derzeit sind zwei Nachwuchsgruppen aktiv.<br />
Internationale Begutachtung – Qualitätssicherung auf hohem Niveau<br />
Eine wichtige strategische Komponente des FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN ist das Qualitätsmanagement.<br />
Es besteht aus drei Schritten:<br />
u Zweiphasiges Antragsverfahren (Skizze/Vollantrag)<br />
u Internationales Peer-Review<br />
u Kontinuierliche Begleitung geförderter FuE-Vorhaben durch die Gutachter, die Geschäftsstelle<br />
und den Steuerungsausschuss<br />
Tragende Säule ist das Peer Review. Alle Projektskizzen und Anträge werden durch unabhängige,<br />
hochkarätige Forscherinnen und Forscher (Peers) aus dem In- und Ausland begutachtet. Dabei<br />
greift die Geschäftsstelle nicht auf einen festen Stamm von Gutachtern zurück. Den wechselnden<br />
fachlichen Anforderungen Rechnung tragend, wird für jede neue Ausschreibung ein international<br />
zusammengesetztes Gutachtergremium („Review Panel“) zusammengestellt.<br />
Marktpositionierung – Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie<br />
Die Forschungsthemen des FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN sind disziplinenübergreifend<br />
und vielfach an der Schnittstelle zwischen Geowissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Biowissenschaften,<br />
Physik und Chemie angesiedelt. Entsprechend breit sind die Einsatzmöglichkeiten,<br />
die eine hier entwickelte Basistechnologie besitzt. Darin unterscheiden sich die Geowissenschaften<br />
von vielen anderen Wissenschaftsbereichen. Eine besondere Herausforderung ist es<br />
daher, Unternehmen an den Forschungsvorhaben zu beteiligen und den Know-how-Transfer in<br />
die Anwendung zu unterstützen.<br />
Das wissenschaftliche Steuerungsgremium und die Geschäftsstelle GEOTECHNOLOGIEN fördern<br />
gezielt die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungsinstitutionen. Primäres Ansinnen<br />
ist es, Firmen so zu integrieren, dass sichergestellt ist, dass sie einen eigenen Beitrag zu<br />
den Zielen des Verbundes leisten: Nur so ist auch ein wirtschaftliches (und persönliches) Interesse<br />
an der Entwicklung innovativer Technologien und Methoden gewährleistet, was letztlich dem<br />
Gesamterfolg des Verbundes zugutekommt. Eine Zusammenarbeit mit externen Anwendern, zum<br />
Beispiel als Unterauftragnehmer, bleibt dagegen die Ausnahme. Der Wunsch nach einer Kooperation<br />
ist hier in der Regel nur einseitig und daher wenig produktiv.<br />
Um das Interesse der Wirtschaft zu gewinnen, wird den speziellen Bedürfnissen der Anwender<br />
Rechnung getragen; zum Beispiel indem Unternehmensvertreter schon in die Abstimmung neuer<br />
Forschungsthemen eingebunden werden. Innovative Technologiefelder und ihre wirtschaftlichen<br />
Umsetzungsmöglichkeiten lassen sich auf diese Weise frühzeitig identifizieren und in den Förderbekanntmachungen<br />
berücksichtigen. Die Motivation der Industrie zur Mitarbeit in zukünftigen
Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement management 33<br />
FuE-Projekten wird deutlich gesteigert. Anwender haben bereits im Planungsstadium neuer For-<br />
schungsvorhaben die Möglichkeit, den industriespezifischen FuE-Bedarf zu definieren und nicht<br />
– wie vielfach üblich – erst als „industrielles Feigenblatt“ oder Subauftragnehmer, nachträglich<br />
in die Forschungsprojekte eingebunden zu werden. Der Wunsch nach Zusammenarbeit ist somit<br />
beidseitig, was sich auf die Einsatzbereitschaft der Unternehmen positiv auswirkt. Durch diese<br />
nachfrageorientierte Strategie konnte nicht nur das unternehmerische Engagement, sondern<br />
auch die zahlenmäßige Beteiligung von Firmen in den FuE-Verbünden der GEOTECHNOLOGIEN<br />
signifikant gesteigert werden.<br />
Abb. 2: Prozentuale Entwicklung der Unternehmensbeteiligung im FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN.<br />
Angebotsorientierte Strategien zielen darauf, Innovationen aus laufenden (grundlagenorientierten)<br />
Forschungsvorhaben frühzeitig zu erkennen und mit potenziellen Anwendern zusammenzubringen.<br />
Das viel zitierte „Matching“ zwischen Wissenschaft und Wirtschaft findet hier<br />
seine praktische Umsetzung. Die erst kürzlich gestartete Initiative „Geotechmarket“ bietet hierfür<br />
die notwendige Plattform.<br />
„Geotechmarket“ – Zukunftsmodell zum Technologie- und Know-how-Transfer?<br />
Forschungsergebnisse, die sich aus öffentlich finanzierten Vorhaben ergeben, werden bislang<br />
noch zu wenig in neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen umgesetzt. Insbesondere die<br />
Erdsystem-Forschung wird in der breiten Öffentlichkeit und vielfach auch von Seiten der Unternehmen<br />
nicht als Innovationsquelle erkannt – obwohl Deutschland auf diesem Gebiet weltweit<br />
einen Spitzenplatz einnimmt. Geowissenschaftliche Forschungszentren und Universitäten verfügen<br />
über eine hervorragende wissenschaftlich-technologische Infrastruktur und über leistungsfähige<br />
und hochmotivierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jedoch nur in Einzelfällen<br />
wird diese Infrastruktur auch schon von Unternehmen genutzt. Die Breite der Anwendungsmöglichkeiten<br />
reicht dabei weit über die klassischen Einsatzfelder der Geowissenschaften hinaus:<br />
von der Geoinformation, über die Luft- und Raumfahrt, den Anlagenbau bis hin zur Medizintechnik.<br />
Diese Potenziale werden bislang nicht ausreichend genutzt.<br />
Die Erdsystem-Forschung wird<br />
in der breiten Öffentlichkeit und<br />
vielfach auch von Seiten der Unternehmen<br />
nicht als Innovationsquelle<br />
erkannt – obwohl Deutschland<br />
auf diesem Gebiet weltweit<br />
einen Spitzenplatz einnimmt.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
34 management Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Die neu gegründete überregionale Kommunikationsplattform Geotechmarket soll hier Abhilfe<br />
schaffen. Ziel ist es, Innovationen aus geowissenschaftlichen Forschungsvorhaben frühzeitig zu<br />
erkennen und erfolgreich am Markt zu platzieren. Jenseits institutioneller und regionaler Grenzen<br />
entsteht damit eine unabhängige Verwertungsplattform zwischen Wissenschaft und Industrie, die<br />
Kontakte zu potenziellen Technologieabnehmern und -produzenten vermittelt und deren Vernetzung<br />
mit Forschungseinrichtungen und anderen Hightech-Clustern fördert. Bevorzugt klein- und<br />
mittelständischen Unternehmen, die über keine eigenen Forschungsabteilungen verfügen, soll<br />
auf diese Weise der Zugang zum anwendungsorientierten Know-how der Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />
erleichtert werden.<br />
Geotechmarket verfolgt kein kommerzielles Interesse, ist bundesweit aktiv und kooperiert eng<br />
mit den Transferstellen der Forschungseinrichtungen. Die Initiative konzentriert ihre Aktivitäten<br />
auf die ersten Phasen eines Transferprozesses, um als Inkubator neue Technologien zu fördern<br />
und den Transferprozess für diese Technologien individuell zu initiieren und zu koordinieren. Darüber<br />
hinaus will Geotechmarket die Entwicklung von Netzwerken und die Bildung von strategischen<br />
Allianzen im geowissenschaftlichen Umfeld fördern und unterstützen.<br />
SWOT-Analyse: Geotechmarket<br />
(Strengths, Weakness, Opportunities, Threats)<br />
• Von Dritten unabhängig (neutral)<br />
• Nicht kommerziell ausgerichtet<br />
• Interdisziplinäres Forschungsumfeld<br />
• Individuelle Beratung und Betreuung<br />
• Anerkannte Modelle und effiziente Instrumente<br />
• Prototypischer Durchlauf des Verfahrens<br />
• Zentraler bundesweiter Ansprechpartner<br />
für Technologien aus den Geowissenschaften<br />
• Enge Kontakte zu Forschungseinrichtungen<br />
• Breite Anwendung entwickelter Basistechnologien<br />
Stärken<br />
Chancen<br />
• Komplementäres Instrument zu bestehenden Aktivitäten<br />
• Großes Interesse bei Technologieabnehmern<br />
• Erst wenige Firmenkontakte<br />
• Noch geringe Anzahl konkreter Produkte<br />
• Wissenschaftler bieten ihre Technologien noch nicht selbst an<br />
• Wenige Kontakte zu Transferbeauftragten<br />
• Noch keine ausreichende regionale Präsenz<br />
• Kein ausreichendes Marketing<br />
Schwächen<br />
Risiken<br />
• Interessenskonflikte mit Transferbeauftragten<br />
• Sehr unterschiedliche Erwartungshaltung der Wissenschaftler<br />
• Keine Anreiz- und Motivationssysteme für Wissenschaftler<br />
• Geringes Interesse der Technologieabnehmer<br />
• Fehlendes Bewußtsein über das Anwendungspotenzial<br />
Abb. 3: SWOT-Analyse als Grundlage für die Entwicklung der Plattform Geotechmarket.<br />
Die Aktivitäten von Geotechmarket orientieren sich an einem Verfahrensmodell als Grundlage<br />
für einen effizienten Technologietransfer.<br />
Es ist als fünfstufiges Kreislaufmodell konzipiert, das – im Idealfall – mehrfach im Jahr durchlaufen<br />
werden soll. Die einzelnen Stufen sind:<br />
1.) Innovations-Scouting<br />
Auf der Basis von definierten Suchfeldern werden innovative Technologien, Methoden und<br />
Dienstleistungen aus dem interdisziplinären Umfeld der Geowissenschaften identifiziert. In
Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement management 35<br />
einem persönlichen Gespräch mit dem Wissenschaftler oder der Wissenschaftlerin werden systematisch<br />
die Merkmale, der Entwicklungsstand, das Anwendungspotenzial und der Unterstützungsbedarf<br />
diskutiert.<br />
2.) Innovationsworkshop<br />
Die in Phase 1 identifizierten Technologien mit wirtschaftlich verwertbaren Potentialen werden<br />
in einem interdisziplinär besetzten Workshop durch die jeweiligen Wissenschaftler präsentiert.<br />
Anhand ausgewählter Bewertungskriterien, wie (1) technische Machbarkeit, (2) Entwicklungsstand<br />
der Technologie, (3) Reichweite der Anwendungsmöglichkeiten, (4) Mehrwertpotenziale<br />
aus Anwendersicht (Multipurpose-Technology) und (5) bereits bestehende Kontakte zu Firmen<br />
und Technologieabnehmern, erfolgt eine erste Trendbewertung und Quantifizierung durch den<br />
Ideengeber selbst. Die aussichtsreichsten Entwicklungen werden in einem Ranking abgebildet.<br />
Gleichzeitig werden die Anforderungen und Bedürfnisse der Ideengeber aufgenommen, um individuelle<br />
Transferinstrumente zu entwickeln.<br />
3.) Marktrecherche<br />
Für die aussichtsreichsten Technologien werden Profile in Form eines aussagekräftigen Exposés<br />
angelegt. Eine erste Marktrecherche identifiziert Branchen und potenzielle Firmen. Ziel ist es,<br />
ein möglichst breites Einsatzgebiet für die Entwicklung zu identifizieren (Querschnittsanwendungen),<br />
die eine Marktplatzierung auch in neuen, fachfremden Anwendungsfeldern eröffnet.<br />
Geeignet erscheinenden Unternehmen werden die Technologieprofile (anonymisiert) präsentiert.<br />
Ziel ist es, interessierte Unternehmen als Partner für ein Matching zu gewinnen.<br />
4.) Matching<br />
Ist ein (Leit)Unternehmen identifiziert wird ein Treffen zwischen Ideengeber (Wissenschaftler)<br />
und Unternehmensvertretern organisiert. Dieses Matching findet in der Regel an der wissenschaftlichen<br />
Institution des Ideengebers statt, um eine innovative Umgebungsatmosphäre zu<br />
schaffen und die Breite der wissenschaftlich-technologischen Potenziale der „Heimatinstitution“<br />
des Entwicklers vorzustellen.<br />
5.) Transferprojekt<br />
Im letzten Schritt wird idealerweise ein Transferprojekt vereinbart. Dies kann vielgestaltiger<br />
Natur sein: Denkbar ist beispielsweise ein Pilotprojekt oder ein Feldversuch, um die technische<br />
und wirtschaftliche Machbarkeit zu bewerten.<br />
Dialog mit Politik und Gesellschaft<br />
Forschung transparent und kommunikativ zu gestalten, ist ein weiteres Merkmal der GEOTECH-<br />
NOLOGIEN. Geschäftsstelle und Steuerungsausschuss sehen hierin eine wichtige „Servicefunktion“<br />
für die gesamte wissenschaftliche Community. Neben der Wissenschaft selbst sind Industrie,<br />
Politik und die „breite Öffentlichkeit“ Zielgruppen einer umfassenden Informations- und<br />
Kommunikationsstrategie.<br />
Informationen in Wort und Bild. Das Internetportal www.geotechnologien.de bietet eine umfassende<br />
Informationsplattform über laufende und geplante Förderinitiativen, öffentliche Ausschreibungen,<br />
Pressemitteilungen und -berichte sowie aktuelle Aktivitäten und Veranstaltungen. Eine<br />
spezielle Rubrik widmet sich der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Bis zu 20.000 „hits“ pro<br />
Woche spiegeln das große Interesse an dem Programm wider. Das web-basierte Informationsangebot<br />
wird durch Broschüren und Folder, zum Beispiel zu einzelnen Förderschwerpunkten,<br />
keywords<br />
Geosciences<br />
management of system earth<br />
coordinated research<br />
transdisciplinarity<br />
quality management<br />
public outreach<br />
technology transfer<br />
Geotechmarket<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
36 management Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement<br />
Literatur:<br />
Defila, R./Di Giulio, A./Scheuermann, M., Forschungsverbundmanagement<br />
– Handbuch für die Gestaltung<br />
inter- und transdisziplinärer Projekte; vdf Hochschulverlag<br />
AG an der ETH Zürich, 2006.<br />
Stroink, L., Underground Storage of CO 2 in Germany.<br />
A new research programme as part of the national<br />
R&D-Programme GEOTECHNOLOGIEN, Greenhouse<br />
Issues, No. 81, March 2006.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Abb. 4: Verfahrensmodell Geotechmarket mit seinen fünf Transferschritten.<br />
sowie einen regelmäßig erscheinenden Newsletter ergänzt. Die englischsprachige Schriftenreihe<br />
„GEOTECHNOLOGIEN Science Report“ wendet sich an die Fachwelt und berichtet regelmäßig<br />
über neue Forschungsinitiativen und Forschungsergebnisse.<br />
Stetige <strong>Medien</strong>präsenz und Transfer in die Politik. Die Pressearbeit und die populärwissenschaftliche<br />
Aufbereitung der verschiedenen Forschungsthemen sichern die regelmäßige Präsenz<br />
der Forschungsergebnisse in der nationalen und internationalen <strong>Medien</strong>landschaft. Bislang sind<br />
mehr als 250 Presseberichte erschienen, die direkt über das FuE-Programm berichten. <strong>Medien</strong>partnerschaften,<br />
unter anderem mit den internetbasierten Wissenschaftsmagazinen „planet<br />
erde“ (www.planeterde.de) und SCINEXX (www.g-o.de), sorgen auch in diesen Bereichen für<br />
die Sichtbarkeit des Programms. Die Geschäftsstelle trägt überdies für die Verbreitung von Forschungsergebnissen<br />
im politischen Umfeld Sorge. Spezielle Foren, Diskussionsrunden und Parlamentarische<br />
Abende zu ausgewählten Themen der GEOTECHNOLOGIEN bieten hier geeignete<br />
Instrumente.<br />
Konzeption und Organisation von Wanderausstellungen. Bundesweite Wanderausstellungen vermitteln<br />
Inhalte und Ergebnisse des Forschungsprogramms verständlich und spannend: Bedeutung<br />
und Alltagsrelevanz geowissenschaftlicher Forschung wird für breite Kreise der Öffentlichkeit<br />
im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar. Mehr als 100.000 Besucher sahen zum Beispiel<br />
die Wanderausstellung „In die Tiefe gehen“. Zwischen April 2004 und Oktober 2005 stellte diese<br />
an bundesweit sechs Standorten, Nutzungsmöglichkeiten des Untergrundes in den Fokus des<br />
öffentlichen Interesses. Ein noch größerer Erfolg ist die derzeitige Ausstellung „Unruhige Erde“.<br />
Sie begleitet den jüngst gestarteten Forschungsschwerpunkt „Innovative Frühwarnsysteme<br />
gegen Naturgefahren“. An den Standorten Frankfurt/Main, Münster, Bremen, München, Bonn,<br />
Berlin und Dresden ließen sich bislang insgesamt knapp 250.000 Besucher von den spektakulären<br />
Mitmachexponaten, Großaufnahmen und interaktiven Computeranimationen begeistern.
Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement management 37<br />
Herausforderungen im Management geowissenschaftlicher Forschungsvorhaben<br />
Durch den systemorientierten Ansatz, die Komplexität des Forschungsfeldes und den Auftrag<br />
zur Lösung gesellschaftlicher Probleme sind die Geowissenschaften exemplarisch für eine<br />
transdisziplinäre Forschungsrichtung. (Transdisziplinarität im Sinne von: R. Defila, A. di Giulio<br />
& M. Scheuermann, 2006). Das Management von entsprechenden Forschungsprojekten und<br />
-programmen sieht sich daher mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, wie sie auch in<br />
anderen interdisziplinären Wissenschaftsbereichen existieren. Zu nennen sind unter anderem:<br />
Vernetzung der Forschungsarbeiten, ein internes wie externes Qualitätsmanagement, die Beteiligung<br />
der Wirtschaft, Methoden und Verfahren der Synthesebildung und die in- und externe<br />
Kommunikation.<br />
Das Management geowissenschaftlicher Forschungsverbünde unterliegt jedoch aufgrund des<br />
Forschungsobjektes „Erde“ ganz speziellen Anforderungen. Im Gegensatz zu den anderen<br />
Geistes-, Natur- oder Ingenieurwissenschaften findet ein wesentlicher Teil geowissenschaftlicher<br />
Forschung nach wie vor außerhalb des Labors oder der Versuchshalle statt, im – wie wir sagen –<br />
Gelände. Die Forscherinnen und Forscher sind nicht selten mehrere Wochen in abgelegenen,<br />
unwirklichen Regionen beschäftigt, ohne Handy- oder E-Mail-Kontakt. Für die Verbundkoordinatoren<br />
bedeutet dies lange Vorlaufzeiten bei der Organisation von Planung- oder Abstimmungsgesprächen,<br />
Workshops oder Statusseminaren, insbesondere dann, wenn die Gruppen eines Verbundes<br />
weltweit in unterschiedlichen (Jahres)Zeitzonen operieren.<br />
Viele Forschungsprojekte, vornehmlich wenn es sich um technische Großprojekte in dicht besiedelten<br />
Gebieten handelt, unterliegen strengen, sehr unterschiedlichen Genehmigungsauflagen.<br />
Mangelnde Weitsicht bei der Planung, fehlende Kenntnis des Genehmigungsprozesses, Unerfahrenheit<br />
im Umgang mit beaufsichtigenden Behörden oder die vielfach langen Verfahrenswege<br />
können solche Großprojekte in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Für die Mittelbewirtschaftung<br />
dieser meist „millionenschweren“ Projekte können Verzögerungen dann existenzielle Probleme<br />
nach sich ziehen.<br />
Seismische Versuche, die es erlauben durch künstlich erzeugte Schallwellen und deren Reflektion<br />
im Untergrund, bis tief in das Erdinnere zu „schauen“, unterliegen zudem den strengen Auflagen<br />
des Naturschutzes. Durch Brut- und Vegetationszeiten existieren nur schmale Zeitfenster,<br />
in denen diese Untersuchungen durchgeführt werden können. Fehlen entsprechende Genehmigungen<br />
oder sind die begleitenden Forschungsprojekte nicht rechtzeitig eingerichtet, verstreicht<br />
der enge Zeitkorridor. Verzögerungen bis zu einem Jahr sind die Folge; mit unabsehbaren Konsequenzen<br />
für den Projektfortgang.<br />
Letztlich gilt für die geowissenschaftliche Forschung aber gleiches wie für die Forschung generell:<br />
Sie beinhaltet diverse unplanbare Momente und kann immer wieder zu unvorhergesehenen<br />
Ergebnissen führen. Wird den besonderen Spezifika und den sich daraus ergebenen Anforderungen<br />
und Herausforderungen Rechnung getragen, lassen sich auch Großprogramme in den<br />
Geowissenschaften zum Erfolg führen.<br />
GEOTECHNOLOGIEN – Best-Practice-Beispiele koordinierter Forschung<br />
In dem FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN wird deutlich, wie produktiv und selbstverständlich<br />
Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten.<br />
Neue Allianzen zwischen Forschungsinstituten und Unternehmen ermöglichen überdies<br />
überraschende und innovative Ergebnisse und zeigen die vielfältigen Anwendungsfelder geowissenschaftlicher<br />
Forschung.<br />
Dr. Ludwig Stroink ist<br />
Leiter der Geschäftsstelle<br />
GEOTECHNO-<br />
LOGIEN im Wissenschaftspark<br />
Albert Einstein<br />
in Potsdam.<br />
Professor Dr. Dr. h.c.<br />
Volker Mosbrugger,<br />
Direktor des SenckenbergForschungsinstituts<br />
und Naturmuseums<br />
in Frankfurt. Bis<br />
zum 31.10.<strong>2008</strong> war<br />
Prof. Mosbrugger Vorsitzender<br />
des wissenschaftlichenSteuerungsausschusses<br />
GE-<br />
OTECHNOLOGIEN, dem<br />
er weiterhin als Mitglied<br />
angehört.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
38 management Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement<br />
summary<br />
GEOTECHNOLOGIEN is a multidisciplinary<br />
German R&D-Programme<br />
funded by the Federal<br />
Ministry for Education and Research<br />
(B<strong>MB</strong>F) and the German<br />
Research Council (DFG). Overall<br />
approach is to study earth processes<br />
in which the earth is viewed<br />
as an integrated dynamic<br />
system, rather than a collection<br />
of isolated components. The<br />
article gives an overview on the<br />
specific challenges in terms of<br />
managing transdisciplinary programmes<br />
in geosciences.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Kleinsatelliten – Technologische Multitalente im All. Der Themenschwerpunkt „Erfassung des<br />
Systems Erde aus dem Weltraum“ gehörte zu den ersten geförderten Kernthemen des Programms.<br />
Anlass war der Start der Satelliten-Mission CHAMP im Jahre 2000. Eine schnelle Entscheidung<br />
war erforderlich, um die Beteiligung von deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />
an der Datenauswertung dieser deutsch-amerikanischen Mehrzweck-Mission<br />
von Beginn an sicherzustellen. Die Beteiligung deutscher Wissenschaftler an dieser und den<br />
nachfolgenden Missionen GRACE und GOCE wird durch das FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN<br />
sichergestellt, das den idealen Rahmen für interdisziplinäre Forschungsvorhaben dieser Dimension<br />
bietet. Seit 2001 werden seitens des B<strong>MB</strong>F 14 Forschungsverbünde mit knapp 16 Millionen<br />
Euro gefördert. Hinzu kommen diverse Projekte im DFG-Normalverfahren und das Mitte 2006<br />
gestartete DFG-Schwerpunktprogramm „Massentransporte und Massenverteilung im System<br />
Erde“. Das Schwerpunktthema „Erfassung des Systems Erde aus dem Weltraum“ ist damit exemplarisch<br />
für das integrative Förderkonzept von B<strong>MB</strong>F und DFG in den GEOTECHNOLOGIEN.<br />
Aus den Daten der GRACE-Mission berechnen Wissenschaftler beispielsweise das Schwerefeld<br />
der Erde – und wie es sich verändert.<br />
Neue Energien – Methanhydrate: Exemplarisch für interdisziplinäre F&E-Kooperationen. Als<br />
Wissenschaftler des GEOMAR-Forschungszentrums (heute: IFM-GEOMAR) in Kiel 1996 erstmals<br />
Gashydrate vom Meeresboden bergen konnten, schlugen sie auch ein neues Kapitel interdisziplinärer<br />
Forschung auf. Denn nur durch eine enge Zusammenarbeit von Geowissenschaftlern,<br />
Biologen, Ingenieuren, Ökologen und Chemikern lässt sich das komplexe System dieser sensiblen<br />
Verbindungen aus Eis und Methan entschlüsseln. Seit 2000 fördert das B<strong>MB</strong>F im Rahmen<br />
des FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN die Gashydratforschung. 19 interdisziplinäre Forschungsverbünde<br />
aus Wissenschaft und Wirtschaft, die sich mit der Bildung, Verbreitung und<br />
Zersetzung von Gashydraten befassen, wurden bislang mit mehr als 20 Millionen Euro gefördert.<br />
Wissenschaftlich steht insbesondere eine verlässliche Mengenabschätzung der weltweiten Gashydratvorkommen<br />
im Fokus.<br />
Neue Umweltschutzstrategien – Geologische Speicherung von CO2 . Kohlendioxid (CO2 ), das in<br />
großen Mengen bei der Verbrennung von Kohle frei wird, gilt als eines der gefährlichsten Treibhausgase.<br />
Ernstzunehmenden Prognosen zufolge, wird Kohle auch zukünftig eine maßgebliche<br />
Rolle im Energiemix Deutschlands spielen. Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Energiewirtschaft<br />
ist dies jedoch nur dann möglich, wenn das CO2 , das bei der Stromgewinnung aus Kohle<br />
entsteht, minimiert wird oder erst gar nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Abscheidung des<br />
Treibhausgases aus den Kraftwerksdämpfen und seine unterirdische Speicherung werden von<br />
vielen Experten inzwischen als eine Schlüsseltechnologie angesehen, dieses Ziel zu erreichen.<br />
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Forschungsarbeiten zur geologischen<br />
Speicherung von CO2 . In einem Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Industrie wird im<br />
Rahmen des FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN untersucht, welchen Beitrag diese Schlüsseltechnologie<br />
zur Verminderung der anthropogenen CO2-Emissionen leisten kann (s.a. Stroink,<br />
2006). Dafür sollen in den kommenden drei Jahren rund 45 Millionen Euro zur Verfügung gestellt<br />
werden.<br />
Unterirdisch über den Berg – Seismische Vorauserkundung im Tunnelbau. In gemeinsamen Verbundprojekten<br />
mit der Industrie wird derzeit ein neuartiges seismisches Vorauserkundungssystem<br />
(Sonic Softground Probing SSP) entwickelt, optimiert und getestet, das sich direkt in Tunnelbohrmaschinen<br />
einbauen lässt. SSP arbeitet nach dem Prinzip der seismischen Reflexion. Ein<br />
Sender, der im Schneidrad der Bohrmaschine installiert ist, sendet ein Schallsignal ab, das sich
Stroink/Mosbrugger – Integratives Forschungsmanagement management 39<br />
in seinem Frequenzbereich charakteristisch von den Umgebungsgeräuschen unterscheidet. Je<br />
nach Beschaffenheit des Untergrundes wird das Signal unterschiedlich stark reflektiert – bis zu<br />
einer Reichweite von cirka 40 Metern vor der Maschine. Die reflektierten Schallwellen werden<br />
durch mehrere Empfänger, die ebenfalls in dem sich drehenden Schneidrad eingebaut sind, registriert<br />
und in konkrete Informationen für den Maschinenführer umgewandelt. Mit SSP können<br />
plötzliche Gesteinswechsel, Störungen oder Störkörper wie Findlinge während des Bohrbetriebes<br />
erkannt werden. Dem Maschinenführer bleibt ausreichend Zeit, die Fahrweise der Bohrmaschine<br />
anzupassen. Teure Reparaturzeiten oder gar Komplettausfälle der millionenschweren Bohrwerkzeuge<br />
können so vermieden werden. Die neue Technologie eignet sich besonders für den Einsatz<br />
in Großstädten. Hier ist aufgrund der dichten Bebauung eine verlässliche geophysikalische<br />
Erkundung des Untergrundes vor der Baumaßnahme nicht oder nur eingeschränkt möglich. Ein<br />
breites Feld zukünftiger Anwendungen für eine Technologie die, in Deutschland entwickelt, nun<br />
zur Serienreife gebracht wird.<br />
Fazit<br />
Koordination, Kommunikation und Motivation sind heute zentrale Herausforderungen im Wissenschaftsmanagement,<br />
um in transdisziplinären Forschungsverbünden Verständnis- und Verständigungsschwierigkeiten<br />
sowohl zwischen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen als auch mit<br />
deren Partnern aus der Praxis entgegenzutreten.<br />
Das nationale FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN mit seinem breiten Spektrum an aktuellen<br />
wissens- und gesellschaftspolitischen Forschungsthemen setzt diese grundlegende Forderung<br />
mit einem innovativen Konzept in die Praxis um. In mehr als 100 Verbundprojekten arbeiten Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler unterschiedlichster Forschungsdisziplinen zusammen.<br />
Auch die Kooperation mit ihren Kollegen aus der Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren<br />
stetig fortentwickelt: Ergebnis eines systematisch ausgebauten Kommunikationskonzeptes, das<br />
durch gezielte Vermittlung, beide Seiten zu motivieren verstand.<br />
Kommunikation ist bekanntermaßen aber keine „Einbahnstraße“. Sie muss alle Partner berücksichtigen.<br />
Dies bedeutet, auch die Öffentlichkeit in die Aktivitäten zu integrieren – ein erst in jüngerer<br />
Zeit akzeptierter Partner der Wissenschaft. Dabei ist es die öffentliche Hand, die mit ihren<br />
Steuergeldern Wissenschaft zu einem herausragenden Anteil finanziert. Das Managementkonzept<br />
des FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN versucht diesen ganzheitlichen Ansatz umzusetzen.<br />
Wichtige Säulen eines modernen Forschungsmanagements wie „Wissenschaftskoordination“,<br />
„Wirtschaftsintegration“, und „Öffentliche Präsentation“ sind an einer Stelle konzentriert.<br />
Komplementär zu bestehenden Verwaltungsstrukturen, aber flexibler in der Gestaltung, wird<br />
so die praktische Umsetzung eines komplexen Forschungsprogramms sichergestellt. Eine abschließende<br />
Bewertung kann zwar erst am Ende der zwölfjährigen Förderphase erfolgen. Schon<br />
heute aber zeichnet sich ab, dass das FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN Modellcharakter für<br />
zukünftige Programme dieses Zuschnitts haben könnte.<br />
Koordination, Kommunikation<br />
und Motivation sind heute zentrale<br />
Herausforderungen im Wissenschaftsmanagement,<br />
um in<br />
transdisziplinären Forschungsverbünden<br />
Verständnis- und Verständigungsschwierigkeiten<br />
sowohl<br />
zwischen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen<br />
als auch mit<br />
deren Partnern aus der Praxis<br />
entgegenzutreten.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Ludwig Stroink<br />
Leiter Geschäftsstelle GEOTECHNOLOGIEN<br />
Helmholtz-Zentrum Potsdam<br />
Deutsches GeoForschungsZentrum<br />
Telegrafenberg<br />
14473 Potsdam<br />
Tel.: +49 331-288 1070<br />
stroink@gfz-potsdam.de<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
40 forschungsinformation II<br />
inforMationssysteMe<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Wolfgang Adamczak<br />
Mehrwert − nicht Mehrarbeit<br />
für Forscherinnen und Forscher<br />
„Forschungsbericht online“ an der Universität Kassel<br />
Berichte zur forschung sind in Deutschland für die universitäten gesetzliche Pflicht. Wis-<br />
senschaft und forschung sind nicht nur frei, sondern ihre entwicklung kann sich nur in<br />
öffentlicher auseinandersetzung vollziehen. Gerade vor dem geschichtlichen hintergrund<br />
des nationalsozialismus in Deutschland und des heutigen Wettbewerbs der forschungs-<br />
institutionen ist der anspruch auf Öffentlichkeit der forschung sehr hoch. sinnvolle for-<br />
schungsberichterstattung dient mehr als „nur“ den gesetzlichen Zwecken.<br />
Sie ist auch ein Mittel der Öffentlichkeitsarbeit, um <strong>Medien</strong>, Politik und Interessengruppen zu erreichen.<br />
Über das Internet wird auch die Scientific Community viel schneller erreicht als nur über<br />
den klassischen Weg der Publikation. Und Forschungsberichte zeigen zudem nicht mehr nur<br />
Ergebnisse, sondern „work in progress“. Schließlich bietet die Forschungsberichterstattung für<br />
Evaluierungen durch Hochschulleitungen und die Wissenschaftspolitik Möglichkeiten, prospektiv<br />
zu erkennen, zu welchen Themen mit welchen Mitteln wo geforscht wird und wo die Desiderate<br />
sind, die mit entsprechender Förderung abgebaut werden müssen.<br />
Daten einmal eingeben und vielfach nutzen<br />
Zu diesem Zweck sind (internetbasierte) Werkzeuge entwickelt worden. Forschungsberichterstattung<br />
ist aber primär kein „technisches“ Problem. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
lieben es, zu forschen. Doch Berichte zu schreiben, ist eine ungeliebte Pflicht. Das an der Universität<br />
Kassel eingeführte Tool ist daher als Organisationswerkzeug so angelegt, dass die o.a.<br />
Intentionen mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen sind. Daten müssen nur einmal eingegeben<br />
werden, um verschiedene Aufgaben zu erledigen. Notwendige Arbeiten sollen schnell erledigt<br />
werden können. Ziel ist es, nicht Mehrarbeit, sondern Mehrwert für Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler zu schaffen. Das Präsidium der Universität Kassel hat zudem beschlossen,<br />
dass die Eintragung in „Forschungsbericht online“ verpflichtend ist und als Grundlage von Evaluierungen<br />
genutzt wird.<br />
Berichts- und Evaluierungs-Tool<br />
Auf der Webseite eines Fachbereichs kann auf Berichte, Projektbeschreibungen oder Publikationen<br />
in „Forschungsbericht online“ verwiesen werden, so dass keine zusätzliche Arbeit notwendig<br />
ist, um über die Forschung zu berichten. Alle Seiten sind direkt adressierbar. Schnell<br />
und unkompliziert können Fachbereichs-, Instituts- und/oder Fachgebietsberichte zur Forschung<br />
generiert werden, die für Evaluationen oder die Öffentlichkeitsarbeit benötigt werden. Darüber<br />
hinaus können individuelle Fachgebiets-, Instituts- und/oder Fachbereichs-Bibliografien erstellt<br />
werden. Zudem kann die gesetzlich vorgeschriebene Anzeige für Drittmittelprojekte über „Forschungsbericht<br />
online“ erstellt werden. Projekteintrag und Drittmittelanzeige werden in einem<br />
Arbeitsgang erledigt.
Common European Research Information Format<br />
„Forschungsbericht online“ folgt den Anforderungen von CERIF (Common European Research<br />
Information Format), das die Verknüpfung von Personen, Projekten und Institutionen ermöglicht.<br />
CERIF wird von der europäischen Organisation euroCRIS weiterentwickelt. Das erleichtert den<br />
Weg zu Austauschformaten mit anderen Datenbanksystemen z.B. für Fachinformationssysteme.<br />
Die lästige Doppelt- und Dreifachanfrage zu denselben Projekten wird damit überflüssig.<br />
Ebenen der Informationseingabe<br />
Institutionelle Daten werden in einem Bericht dokumentiert. Dazu gehören u.a.<br />
u Struktur der Einrichtung und zugehörige Professuren,<br />
u Schwerpunkte und deren (externe) Finanzierung,<br />
u Strategie der Positionierung des Fachbereich mit seiner Forschung,<br />
u Besondere Ressourcen (große Geräte, besondere Archive ...),<br />
u Gutachtertätigkeiten, Herausgeberaktivitäten und (gewichtige) Ehrungen von Fachbereichsmitgliedern<br />
sowie<br />
u Kooperationen mit anderen Institutionen in der Forschung.<br />
In den Zielvereinbarungen mit dem Präsidium spielt die Entwicklung der Forschung eine wichtige<br />
Rolle. Die o.a. Angaben sind daher ohnehin im jeweiligen Bereich vorhanden und damit schnell<br />
im „Forschungsbericht online“ aktualisierbar.<br />
Bei Projektbeschreibungen werden u.a. folgende Angaben abgefragt:<br />
u LeiterIn und weitere Beteiligte<br />
u Titel<br />
u kurze Beschreibung des Projekts<br />
Liegt eine (ausführliche) Beschreibung des Projekts schon im WWW vor, kann direkt die entsprechende<br />
Internet-Adresse eingegeben werden. Um die Eingabe komfortabler zu gestalten,<br />
kann ein Editor aktiviert werden, der ähnliche Funktionalitäten wie gängige Textverarbeitungen<br />
(z.B. Word oder OpenOffice) zur Formatierung und Gestaltung von Texten bietet.<br />
u Laufzeit des Projektes<br />
Die Laufzeit ist für das automatische Mahnverfahren wichtig, das im Tool implementiert ist.<br />
u Drittmittelförderung des Projektes<br />
Hiermit kann gleichzeitig die Drittmittelanzeige erstellt werden. Nach Beendigung der Dateneingabe<br />
kann diese ausgedruckt, unterschrieben und an die Haushaltsabteilung/Drittmittelbewirtschaftung<br />
geschickt werden. Diese Daten sind extern nicht sichtbar.<br />
u Status der eingegebenen Information<br />
Daten sind nur dann für Externe sichtbar, wenn der Status „öffentlich“ angeklickt ist. Diese<br />
Angaben können weiter bearbeitet werden. Beim Status „Archiv“ sind die Daten weiterhin<br />
öffentlich aufrufbar, können aber nicht mehr bearbeitet werden. Damit wird eine Historie der<br />
Forschungsaktivitäten aufrufbar.<br />
u Publikationen<br />
Entsprechend bibliografischen Standards können Publikationen eingetragen werden. Wenn<br />
forschungsinformation II 41<br />
Literatur/Links:<br />
Adamczak, W./Gradmann, S./Plumbaum; J., On the<br />
way from research information to research management<br />
systems − what are the needs for universities?“<br />
in Asserson, A./Simons, E., Enabling Interaction and<br />
Quality: Beyond the Hanseatic League. 8th international<br />
Conference on Current Research Information Systems,<br />
Leuven 2006.<br />
http://forschung.uni-kassel.de/<br />
http://www.eurocris.org<br />
http://www.openarchives.org/<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
42 forschungsinformation II<br />
Kontakt:<br />
Dr. Wolfgang Adamczak<br />
Universität Kassel<br />
UniKasselTransfer<br />
Forschungsreferat<br />
Gottschalkstr. 22<br />
34125 Kassel<br />
Tel.: +49 561 804-2224<br />
adamczak@uni-kassel.de<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
diese in der Kasseler Online Bibliothek, Repository und Archiv (KOBRA) abgelegt sind, können<br />
die dort liegenden Daten direkt vom „Forschungsbericht online“ übernommen werden. Damit<br />
ist eine wichtige Forderung der Open-Archive-Initiative erfüllt worden, nämlich die freie Zugänglichkeit<br />
von Publikationen und deren Verknüpfung mit anderen Informationssystemen.<br />
Am Ende der Publikations-Eingabe werden alle zum jeweiligen Bereich gehörenden Projekte<br />
aufgerufen. Jede Publikation kann dann mit dem Projekt verknüpft werden, aus dem ihr Material<br />
stammt. Es können auch mehrere Projekte mit einer Publikation und umgekehrt verknüpft<br />
werden.<br />
Datenausgabe über eine Recherche<br />
Es kann nach Projekten, Personen, Publikationen und Institutionen gesucht werden. Mit der Recherche<br />
kann eine individuelle, die Fachgebiets-, Instituts- oder Fachbereichsbibliografie erstellt<br />
werden. Ebenso kann für die o.a. Ebenen eine Auflistung der Forschungsprojekte erfolgen. Zusätzlich<br />
kann der Zeitrahmen bestimmt werden, für den Projekte und Publikationen ausgegeben<br />
werden sollen. Diese Datei kann mit einer Textverarbeitung weiter bearbeitet werden. Das bietet<br />
die Möglichkeit, für Berichte schnell und komfortabel (bearbeitbares) Datenmaterial zu erzeugen<br />
und weiter zu aufzubereiten.<br />
Ausblick<br />
Die kontinuierliche Pflege von „Forschungsbericht online“ bedeutet nicht nur Arbeit, sondern eröffnet<br />
vielfältige Nutzungen einmal eingegebener Daten. Die „tägliche“ Nutzung der Daten und<br />
die Verbesserung des Mehrwertes sind Ziele der weiteren Entwicklung von „Forschungsbericht<br />
online“. Es soll ein wichtiges Arbeitsinstrument in der gesamten „Forschungskette“ von der Idee<br />
über das (extern finanzierte) Projekt bis zur Verwertung von Ergebnissen werden.
Marianne Schork<br />
Präsentation von Forschungsobjekten<br />
im Internet<br />
Die zentrale Forschungsdatenbank der Universität Heidelberg<br />
Die forschungsdatenbank der universität heidelberg, ein service des forschungsdezer-<br />
nates der Zentralen universitätsverwaltung, existiert seit anfang der 1990er-Jahre und<br />
wurde als ersatz für den forschungsbericht in Papierform zunächst als Pc-Datenbank<br />
ohne netzzugang (stn Personal file system) entwickelt. Mitte der 90er-Jahre wurde die<br />
umstellung auf die relationale Datenbank oracLe realisiert. Damit konnte über eine ent-<br />
sprechende verschlüsselung und ein Berechtigungskonzept die Datenpflege über eine di-<br />
rekte schnittstelle zum Webserver ermöglicht werden. Mit oracle wurde außerdem eine<br />
einbindung in das bestehende Dienststellen-, Personal- und studierendensystem reali-<br />
siert.<br />
Der anfängliche Anspruch, den Forschungsbericht in Papierform durch eine Beschreibung der<br />
Forschungsprojekte in der Datenbank abzulösen, wurde zunehmend durch neue Anforderungen<br />
an Darstellung und Transparenz von Forschungsleistungen ergänzt. Das Internet entwickelte sich<br />
zudem immer mehr zum Rechercheinstrument für unterschiedliche Interessentengruppen.<br />
War am Anfang noch ein Erhebungsbogen in Papierform erforderlich, um die formale und inhaltliche<br />
Erschließung eines Projektes zu ermöglichen, konnten nach Einführung der Datenbank die<br />
formalen Projektdaten über eine Online-Eingabemaske zunächst zentral erfasst und dezentral<br />
vom Projektleiter ergänzt werden. Diese Daten werden ausschließlich zentral und nach entsprechender<br />
Prüfung fürs Internet frei geschaltet.<br />
Mit der Möglichkeit, Projektdaten dezentral über Internet zu pflegen, wuchsen auch die Anforderungen<br />
an die Darstellungs-, Recherche- und Ausgabemöglichkeiten. Das System erlaubt eine<br />
individuelle Gestaltung der Projektbeschreibungen, Grafiken und Bilder können ebenso eingebunden<br />
werden wie Internetlinks. Jedes Institut kann von seiner Homepage aus Links zu seinen<br />
Projekten in der Forschungsdatenbank setzen. Recherchen/Abfragen sind nach verschiedenen<br />
Kriterien möglich, es kann nach Projekttitel, Projektmitarbeiter und Schlagworten gesucht werden,<br />
aber auch eine Volltextsuche steht zur Verfügung.<br />
Die Forschungsdatenbank gibt dem Wissenschaftler die Möglichkeit, seine Forschung für seine<br />
Interessentengruppe (Studierende, Absolventen, Fach-Community) zu präsentieren. Darüber hinaus<br />
bietet die faktische Darstellung der Forschungsaktivitäten an der Universität Informationen<br />
für Geldgeber (Ministerien, Industrie, Stiftungen), die Politik (Landtagsanfragen), die Öffentlichkeit<br />
regional/überregional (Privatpersonen, Unternehmen, Wissenschaftsjournalisten) und für die<br />
Hochschulleitung (Steuerungsbedarf nach Leistung, Output). Außerdem dient sie dem Bereich<br />
„Informationsmanagement“ des Forschungsdezernates als Rechercheinstrument zur zielgruppenspezifischen<br />
Vermittlung von Forschungsförderprogrammen.<br />
Die Akzeptanz der Datenbank hängt wesentlich von den Zugriffsmöglichkeiten und von der Gestaltung<br />
ab. Momentan pflegen die Institute lieber noch ihre eigene Homepage und bilden ihre<br />
forschungsinformation II 43<br />
Die Forschungsdatenbank der Universität Heidelberg<br />
im Internet: www.zuv.uni-heidelberg.de/forschung/<br />
forschungsdatenbank/index.html<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
44 forschungsinformation II<br />
Kontakt:<br />
Marianne Schork<br />
Informationsmanagement<br />
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg<br />
Dezernat für Forschung und Projektmanagement<br />
Seminarstraße 2<br />
69117 Heidelberg<br />
Tel.: +49 6221 54-2367<br />
marianne.schork@zuv.uni-heidelberg.de<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Forschungsaktivitäten meistens auf einer statischen Seite ab. Die Leistungsfähigkeit einer zentral<br />
gepflegten Datenbank mit Online-Zugriff und Gestaltungsmöglichkeit durch den Projektleiter<br />
sowie das Einsparpotenzial für die Unterhaltung einer eigenen Internetseite zur Präsentation von<br />
Forschungsaktivitäten werden nur teilweise erkannt und genutzt.<br />
Aus der unterschiedlich ausgeprägten, bislang eher mäßigen Akzeptanz der Forschungsdatenbank<br />
durch die Projektleiter resultiert eine unzureichende Ergänzung von Daten und damit eine<br />
unvollständige Abbildung der Forschungsaktivitäten. Es erscheint daher wichtig, die Anforderungen<br />
der Institute an die Datenbank zu ermitteln und besser zu berücksichtigen. Gleichzeitig<br />
muss verdeutlicht werden, dass mit der kostenlosen Dienstleistung der Datenbankbereitstellung<br />
und -programmierung dem Forscher ein leistungsfähiges, jederzeit erweiterbares System zur<br />
Verfügung steht, mit dem er seine Forschungsarbeit im Internet präsentieren kann.<br />
Annette Lewerentz<br />
Forschungsdaten mit SAP<br />
effizient verwalten<br />
Die Forschungsdatenbank der Freien Universität Berlin<br />
für Drittmittelprojekte<br />
in den letzten Jahren ansteigende Drittmitteleinwerbungen der freien universität Berlin<br />
weisen auf eine zunehmende anzahl an Drittmittelvorhaben hin. Das spezifizierte Berichtswesen<br />
für unterschiedliche nutzerkreise, erhöhter informationsbedarf an Daten für<br />
universitäre steuerungsprozesse wie auch die umstrukturierung der universitären forschungslandschaft,<br />
z.B. durch die Bildung von sogenannten Wissensclustern und den<br />
Wettbewerb bei der exzellenzinitiative, bedeuten neue anforderungen an ein it-gestütztes<br />
informationssystem zu forschungsdaten. Quantitative und qualitative informationen zum<br />
universitären forschungsprofil müssen zielgruppen- und themenorientiert, schnell und<br />
nutzerfreundlich aufbereitet werden.<br />
Mit der Einführung von SAP 2004 im Personal- und Haushaltswesen, 2005 in der Studierendenverwaltung<br />
wurden an der Freien Universität die Homogenisierung der IT-Landschaft sowie die<br />
Optimierung der internen Geschäftsgänge weiter ausgebaut. Dies betraf ebenso die effiziente<br />
Verwaltung von Drittmitteln und Forschungsinformationen. Bis 2004 existierten für das administrative<br />
und inhaltliche Management drittmittelgeförderter Forschungsprojekte heterogene, z.T.<br />
unkompatible Datenbanksysteme. Auf die Evaluation der Geschäftsprozesse in der Drittmittelverwaltung<br />
folgend wurde 2005 eine Forschungsdatenbank für Drittmittelvorhaben implementiert,<br />
die die technisch veralteten IT-Systeme ablöste.<br />
Ziele sind zum einen Optimierungseffekte im Arbeitsablauf durch die integrative Verwaltung der<br />
Drittmittelvorhaben, zum anderen die formale und inhaltliche Aufbereitung von Forschungsin-
formationen als Basis für das Berichtswesen, für die Außendarstellung der universitären Forschungen,<br />
für statistische Auswertungen, unterschiedlichste Rechercheanforderungen und<br />
strategische universitäre Entscheidungen. Um zugleich dem Homogenisierungsanspruch an<br />
die IT-Landschaft entsprechen zu können, bot sich die Entwicklung einer SAP-Applikation als<br />
Forschungsdatenbank an, die die einzelnen SAP-Module einbeziehen und durch Berechtigungskonzepte<br />
unterstützt sichere Mehrfachzugriffe gewährleisten sollte. Damit konnte sowohl den<br />
formalen und inhaltlichen Anforderungen eines Forschungsinformationssystems genüge getan<br />
werden als auch durch die integrative Nutzung der SAP-Schnittstellen Datenredundanzen und<br />
mehrfache Arbeitsvorgänge vermieden werden. Dies bedeutet zugleich eine technische und<br />
qualitative Abhängigkeit zwischen den einzelnen Schnittstellen des SAP-Systems, insbesondere<br />
bei der Datenpflege durch unterschiedliche Arbeitsbereiche oder bei Releasewechseln von SAP.<br />
SAP bietet bislang keine IT-Anwendung für die Abbildung qualitativer Forschungsinformationen.<br />
Daher wurde die Forschungsdatenbank als separate SAP-Applikation mit referenziellem Zugriff<br />
auf Stammdaten einzelner SAP-Module generiert: SAP-FI/CO/PSM zur Finanzverwaltung der<br />
Drittmittelprojekte, SAP-HR zur Personalverwaltung, SAP-HR-Organisationsmanagement zur Einbindung<br />
der Einrichtungen in die Organigraphie der Freien Universität, SAP-Geschäftspartnerverwaltung<br />
zur Erfassung von Kooperationspartnern und SAP-Textverwaltung für die Verzeichnung<br />
von projektbezogenen Abstracts und Schlagworten. Die Datenbank dient zudem als Datenbasis<br />
für die Online-Forschungsdatenbank der Freien Universität.<br />
Diese Form der technischen und inhaltlichen Einbindung eines Forschungsinformationssystems<br />
in die SAP-Landschaft ist bundesweit bislang einzigartig. Somit lassen sich durch Drittmittel<br />
geförderte Forschungsvorhaben aller Wissenschaftler der Freien Universität nach formalen und<br />
inhaltlichen Kriterien – z.B. nach Forschungsthemen über ein systematisches Schlagwortverzeichnis,<br />
Projekttypen, Verbundforschungen inklusive Kooperationspartner – umfassend recherchieren.<br />
Forschungsinhalte und Ziele werden in Abstracts skizziert. Dadurch werden aktuelle<br />
Forschungen und Forschungsbeziehungen der Freien Universität fächerübergreifend dargestellt<br />
und zugleich das universitäre Forschungsprofil der Öffentlichkeit präsentiert.<br />
forschungsinformation II 45<br />
Kontakt:<br />
Dr. Annette Lewerentz<br />
Freie Universität Berlin<br />
Abt. VI Forschung<br />
Kaiserswerther Str. 16-18<br />
14195 Berlin<br />
Tel.: +49 30 838-73608<br />
annette.lewerentz@fu-berlin.de<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
46 forschungsinformation II<br />
Die Forschungsdatenbank der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven<br />
im Internet:<br />
www.fh-oow.de/forschung/<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Andrea Meinen<br />
Wissenschaftskommunikation<br />
per Mausklick<br />
Beispiel Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven<br />
Die fachhochschule oldenburg/ostfriesland/Wilhelmshaven (fh ooW) verfügt über ein<br />
breites spektrum an Disziplinen und vielfältige forschungsaktivitäten an den fünf studi-<br />
enorten elsfleth, emden, Leer, oldenburg und Wilhelmshaven. Dieses forschungsprofil der<br />
größten fachhochschule niedersachsens intern und extern zu kommunizieren, hat in den<br />
letzten Jahren ständig an relevanz gewonnen.<br />
„Gutes zu tun und darüber zu reden“ trägt nämlich nicht nur zum Imagegewinn bei, sondern<br />
dient auch der Akquisition neuer forschungsbezogener Kooperationen. Zusammenarbeit lohnt<br />
sich gemäß aktueller Förderparameter externer Fördergeber. Finanzielle Unterstützung erhalten<br />
derzeit bevorzugt solche Projekte, die interdisziplinär angelegt sind und unter Beteiligung mehrerer<br />
Hochschulen sowie Unternehmen durchgeführt werden.<br />
Information und Kommunikation werden somit zu den bestimmenden Faktoren bei der erfolgreichen<br />
Einwerbung von Drittmitteln. Forscherinnen und Forscher brauchen dafür ein effizientes<br />
Informations- und Kommunikationssystem. So entstand vor fünf Jahren an der FH OOW die<br />
Initiative zur Errichtung einer Forschungsdatenbank. Für die Entscheidung, Berichte über Forschungsprojekte<br />
digital im Internet zugängig zu machen und dafür auf die Herausgabe eines<br />
Wissenschaftsmagazins in Printform zu verzichten, sprachen damals viele überzeugende Argumente,<br />
die sich in der Praxis bestätigt haben:<br />
u Die Datenbank gewährleistet größtmögliche aktualität, da die Wissenschaftler ihre Projektberichte<br />
selbst ins Netz einstellen können und persönlich die Datenpflege übernehmen.<br />
u Anders als bei der Erstellung von Printmedien verfügen Hochschulen mit der Einrichtung einer<br />
Forschungsdatenbank über ein ausgesprochen kostengünstiges Marketinginstrument.<br />
u Forschungsaktive erreichen mit der Präsentation ihrer Forschungsarbeiten eine breite Zielgruppe,<br />
denn Zugriff auf die Datenbank hat weltweit und rund um die Uhr jeder Nutzer eines<br />
internetfähigen Rechners.<br />
Aufgrund der Erfahrungswerte im Umgang mit der Forschungsdatenbank wurde die Bedienungsfreundlichkeit<br />
in den vergangenen Jahren mehrmals optimiert; insbesondere mit dem Ziel, Nutzern<br />
die Recherche zu erleichtern. Per Suchbegriff ist es nun gezielt möglich, themenzentriert<br />
oder personenbezogen zu ermitteln. Abrufbar sind Informationen über bestimmte Forschungsgebiete,<br />
Forschungsschwerpunkte sowie Forschungsverbünde der FH OOW. Außerdem sind alle<br />
rund 200 Einträge – sortiert nach bestimmten Themenkomplexen − in einer Übersichtstabelle<br />
zusammengefasst.<br />
In der Regel gibt es für jeden Eintrag einen Link, der zu einem Bericht über die Ergebnisse der<br />
jeweiligen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten führt. Die Berichte stehen als Druckversion<br />
im pdf-Format zur Verfügung und enthalten einen Kontaktlink zu den verantwortlichen Professo-
innen und Professoren, so dass an einer Zusammenarbeit Interessierte schnell miteinander in<br />
Verbindung treten können.<br />
Mit der Einrichtung der Datenbank im Jahr 2002 war die Zielsetzung verbunden, die Kommunikation<br />
im Forschungsbereich sowohl nach innen als auch nach außen zu optimieren. Lehrende<br />
an einem Studienort der Hochschule sollten sich jederzeit darüber informieren können, auf welchen<br />
Gebieten ihre Kolleginnen und Kollegen an den anderen Studienorten gerade Forschungsund<br />
Entwicklungsarbeiten betreiben. Die Bilanz nach sechs Jahren: Insbesondere eine Hochschule<br />
mit relativ weit voneinander entfernt liegenden Standorten und mit neun Fachbereichen<br />
profitiert von der „Wissenschaftskommunikation per Mouseklick“. Die forschungsbezogene<br />
Kommunikation konnte dadurch wesentlich verbessert werden. Das lässt sich u.a. an der steigenden<br />
Zahl interdisziplinärer Projekte festmachen, die fachbereichs- und standortübergreifend<br />
stattfinden. Durch die Bündelung fachlicher Ressourcen ist es gelungen, die Erfolgsquote bei der<br />
Beantragung externer Fördermittel deutlich zu steigern.<br />
Ulrich Düsterhöft<br />
Höchste Ansprüche an Prozess-<br />
dokumentation<br />
CAQ (computer aided quality assurence) an der Technischen<br />
Fachhochschule Georg Agricola in Bochum<br />
Das hochschul-Know-how hat tradition. Denn die Wurzeln liegen in den technischen in-<br />
novationen des Bergbaus. Gegründet 1816 als Bochumer Bergschule, vermittelt die tech-<br />
nische fachhochschule (tfh) seit knapp 200 Jahren fachkompetenz rund um energie<br />
und umwelt.<br />
Mit Lehr- und Entwicklungsschwerpunkten wie Geoingenieurwesen, Maschinenbau, Zukunftsenergien,<br />
Umwelttechnik, Energietechnik oder Informationstechnologie setzt die TFH heute Zeichen<br />
für den Strukturwandel. Als private, staatlich anerkannte Hochschule hält sie engen Kontakt<br />
zu ihrem Träger und den Unternehmen der Region. Als eine der ersten Hochschulen hat die<br />
TFH die Qualität ihrer Ausbildung durch ein externes Gutachten nach DIN EN ISO 9001 zertifizieren<br />
lassen. Damit verpflichtet sie sich, einen durchgängig hohen Standard in der Ausbildung zu<br />
gewährleisten. Die TFH setzt auf Praxisbezug in Lehre und Forschung.<br />
Bereits im Jahre 1997 wurde in einem Intranetprojekt eine papierlose Dokumentation der Prozessabläufe<br />
entwickelt. Diese papierlose Dokumentation bildete die Grundlage für das QM-System.<br />
Es wurde konsequent weiterentwickelt und schon in mehreren Unternehmen und Institutionen<br />
erfolgreich eingesetzt und in Zertifizierungsverfahren bestätigt. In Veröffentlichungen<br />
wurde in der Fachpresse darüber berichtet.<br />
forschungsinformation II 47<br />
Kontakt:<br />
Andrea Meinen, Assn.d.LA<br />
Forschungsmanagement<br />
Fachhochschule Oldenburg/<br />
Ostfriesland/Wilhelmshaven<br />
Constantiaplatz 4<br />
26725 Emden<br />
Tel.: 04921/ 807 - 1009<br />
andrea.meinen@fh-oow.de<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
48 forschungsinformation II<br />
Kontakt:<br />
Ulrich Düsterhöft<br />
Qualitätsmanagement<br />
RAG BILDUNG Berufskolleg <strong>GmbH</strong><br />
Herner Str. 45<br />
44787 Bochum<br />
Tel.: +49 234 968-8302<br />
Fax: + 49 234 968-8390<br />
Ulrich.Duesterhoeft@ragbildung.de<br />
www.berufskolleg.ragbildung.de<br />
www.qmpro.net<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Einen weiteren Entwicklungsschritt stellt die Softwareplattform „QMpro.net®“ als datenbankgestützte<br />
Lösung dar. Dieses System wurde für die flächendeckende Einführung integrierter Managementsysteme<br />
genutzt. Nach einer intensiven Testphase hat der Produktivbetrieb im Herbst<br />
2001 im eigenen Hause begonnen.<br />
Das von der DIN EN ISO 9001:2000 geforderte Prozessmodell wird mit Hilfe dieser Software in<br />
Prozesslandkarten dargestellt. Die Prozessabläufe werden grafisch so aufbereitet, dass neben<br />
den eigentlichen Arbeitsabläufen auch die Schnittstellen zu vor- und nachgeschalteten Prozessen<br />
sowie die Prozesseingaben und -ausgaben nach dem SIPOC-Prinzip (Supplier-Input-Process-Output-Customer)<br />
sichtbar werden. Die standardisierte Darstellung stellt sicher, dass in der<br />
Einführung und Umsetzung eines QM-Projektes von Anfang an mit derselben Sprache gesprochen<br />
wird. Das verwendete Schema ist intuitiv, verständlich und für alle Abläufe anwendbar. Es<br />
lässt sich je nach Bedarf auf einem Metaplan vorbereiten und durch die einfachen Strukturen<br />
können die erarbeiteten Ergebnisse leicht über eine Eingabemaske in das elektronische System<br />
übertragen werden. Bereits zu Projektbeginn können Prozessbeschreibungen in den einzelnen<br />
Bereichen aufgenommen und bei Bedarf frühzeitig in ein Intranet eingebunden werden. Dieses<br />
Verfahren ist mehrfach in Unternehmen erprobt und gibt Sicherheit in der technischen Umsetzung.<br />
Durch die Möglichkeit, nahezu alle Mitarbeiter in die Erstellung ihrer Prozessabläufe miteinzubinden,<br />
steigt die Akzeptanz, die QM-Dokumentation für die tägliche Arbeit zu nutzen und Veränderungen<br />
in Form einer „lebenden Dokumentation“ zu visualisieren.<br />
Der Erfolg dieser Vorgehensweise im eigenen und den verbundenen Unternehmen hat dazu geführt,<br />
dass das System auch anderen Unternehmen zur Erstellung ihrer Managementdokumentation<br />
angeboten wurde. Die Nachhaltigkeit des Konzeptes spiegelt sich in den erfolgreichen<br />
Zertifizerungsverfahren der Geschäftspartner und des eigenen Unternehmens wider. Vom 19. bis<br />
20. November <strong>2008</strong> wird diese intranetbasierende Datenbanklösung in München auf der 4. Management<br />
Circle Jahrestagung „Qualität <strong>2008</strong>“ präsentiert.
Sabine Hellmann<br />
Rekrutierung an deutschen<br />
Hochschulen<br />
Werbemaßnahmen gegen rückläufige Studierendenzahlen<br />
Hellmann – Rekrutierung an deutschen Hochschulen weiterbildung 49<br />
Die demografische entwicklung in Deutschland stellt die rentenversicherungsträger, den<br />
arbeitsmarkt und viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens vor neue herausforde-<br />
rungen. Dass auch deutsche hochschulen vom demografischen Wandel betroffen sein<br />
werden, zeichnet sich bereits ab. in den letzten Jahren registrierten vor allem ostdeut-<br />
sche regionen einen schwund der studierenden, der das wirtschaftliche Gleichgewicht<br />
an den dortigen einrichtungen ins schwanken zu bringen droht.<br />
Nahmen Bund und Länder den vorausgesagten Anstieg der Studienberechtigten bis 2020 –<br />
überwiegend aufgrund der doppelten Abiturjahrgänge – noch zum Anlass mit dem „Hochschulpakt<br />
2020“ neue Studienplätze zu schaffen, konzentrieren sich viele Universitäten bereits auf<br />
eine gezielte Anwerbung von Schulabgängern und Studieninteressierten, um ihre Kapazitäten<br />
auslasten zu können – und zwar nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ: Die Suche nach<br />
dem „richtigen Studenten“, das Recruiting, hat begonnen.<br />
In ihrer Funktion als Dienstleister sind dabei alle Hochschulen vom steigenden Wettbewerb um<br />
den Wirtschaftsfaktor Student betroffen. An einigen öffentlichen Einrichtungen wird sich zudem<br />
die Einführung der Studiengebühren bemerkbar machen und auch die Konkurrenz unter privaten<br />
Hochschulen steigt mit ihrer zunehmenden Dichte. Doch wie lässt sich der Wissenschaftler von<br />
morgen am besten gewinnen? Einflussfaktoren, die bei der Entscheidung über die Studienplatzwahl<br />
ausschlaggebend sind, reichen von der Einstellung des Elternhauses über den Standpunkt<br />
von Freunden und Lehrern bis hin zur allgemeinen Stimmung in der Öffentlichkeit. Wo also ansetzen?<br />
Tage der offenen Tür, Informationsveranstaltungen, Messeauftritte, Kinder-Uni, Schnupperstudium<br />
und Girls-Day, Anzeigen in Printmedien, im Radio und Fernsehen – und alles stets<br />
mit Blick auf die Kosten-Nutzen-Frage.<br />
Um sich einen detaillierten Überblick über die Situation an deutschen Einrichtungen zu verschaffen,<br />
hat die Redaktion der Zeitschrift Wissenschaftsmanagement und des Newsletters wita im<br />
Juli 2007 eine deutschlandweite Umfrage an insgesamt 109 Hochschulen durchgeführt. Die Interviews<br />
setzten sich in erster Linie mit den bestehenden Werbemaßnahmen (siehe Grafik) sowie<br />
künftigen Vorhaben auf diesem Gebiet auseinandersetzten und machten schnell deutlich, dass<br />
letztlich zwei zentrale Absichten der Hochschulen im Vordergrund stehen, nach denen die passenden<br />
Recruiting-Maßnahmen ausgewählt werden: Aufmerksamkeit wecken und Interessenten<br />
informieren. Dabei kommt der individuellen und offenen Beratung seitens der Universitäten eine<br />
entscheidende Rolle zu. Denn nur durch sie kann nachhaltig vermittelt werden, dass ein Ausbildungsweg<br />
nicht nach der zu erwartenden Arbeitsmarktsituation, sondern entsprechend der<br />
eigenen Interessenlage getroffen werden sollte. Eine solche Fachkenntnis erfordernde Studienberatung<br />
wird an deutschen Einrichtungen jedoch in der Regel nur an den einzelnen Lehrstühlen<br />
angeboten. Sie ist nicht zentral organisiert und bestreitet ihre Mittel meist aus dem Budget der<br />
einzelnen Fachbereiche.<br />
aKtueLLer BeGriff<br />
wita W<br />
Recruiting an deutschen Hochschulen<br />
Unternehmen<br />
Firmen sind auf gute Nachwuchskräfte<br />
angewiesen, die in hohem<br />
Maße durch Hochschulen ausgebildet<br />
werden. Deshalb hat die Industrie<br />
ein eigenes Interesse an attraktiven<br />
Instrumenten, mit denen die richtigen<br />
Studierenden erreicht werden.<br />
Für die Unternehmen ist das<br />
Recruiting der Hochschulen jedoch<br />
noch ein „junges Thema“, wie Sven<br />
Roth aus dem Personalmarketing<br />
der Fraport AG, Frankfurt, zugibt.<br />
„Aber die Universitäten sind auf<br />
dem richtigen Weg.“ Die Fraport AG<br />
kooperiert zum Beispiel mit der Uni -<br />
versität Frankfurt, indem sie für die<br />
Studierenden Praktika anbietet und<br />
im Verlauf des Studiums weiter<br />
Kontakt hält und sie sogar mit Talentprogrammen<br />
fördert, um dann fähige<br />
neue Mitarbeiter gewinnen zu können.<br />
Das Interesse am Studierenden<br />
beginnt also nicht erst mit seinem<br />
akademischen Abschluss. ||<br />
Vereinigungen<br />
Die Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände (BDA)<br />
sieht einen zunehmenden Wettbewerb<br />
um Talente kommen. Und dieser<br />
stellt die Hochschulen nach Darstellung<br />
von Irene Seling, BDA-<br />
Abteilung Bildung und Berufliche<br />
Bildung, vor die Aufgabe, mehr<br />
Autonomie zu fordern und auszufüllen.<br />
Mit einer größeren Flexibilität<br />
hinsichtlich der Bezahlung und der<br />
Arbeitsbedingungen sei es möglich,<br />
internationale Forscher zu rekrutieren.<br />
„Und die Hochschulen müssen<br />
Modelle für die Rekrutierung von<br />
Master- und PhD-Studierenden entwickeln“,<br />
so Seling. Aus Sicht der<br />
Hochschulrektorenkonferenz (HRK)<br />
muss das Thema ganz nach oben. Die<br />
HRK-Generalsekretärin Christiane<br />
Gaehtgens dazu: „Lange war die Personalentwicklung<br />
in Hochschulen ein<br />
blinder Fleck – das darf beim Re crui ting<br />
nicht wieder so geschehen.“ ||<br />
Forschung<br />
Keine der außeruniversitären<br />
For schungseinrichtungen beabsichtigt,<br />
sich an der eigentlichen<br />
Studentenrekrutierung unmittelbar<br />
zu beteiligen. Schon aus traditionellen<br />
Zuständigkeiten obliegt es<br />
den Hochschulen, Studienanfänger<br />
oder -wechsler für ihre Angebote zu<br />
begeistern. Anders hingegen sieht<br />
es bei der Nachwuchsförderung in<br />
der Forschung aus. Die Institute der<br />
Leibniz-Gemeinschaft , Max-Planck-<br />
Gesellschaft sowie der Helmholtz-<br />
Gemeinschaft bieten zum Beispiel<br />
nicht nur spezielle Informationsmöglichkeiten<br />
für Schüler an, sondern fördern<br />
– oft auch in Zusammenarbeit<br />
mit den örtlichen Hochschulen –<br />
die Ausbildung von ambitioniertem<br />
Nachwuchs in der Forschung. Im<br />
Rahmen der Exzellenzinitiative<br />
wird die Arbeitsteilung zwischen<br />
Rekrutierung und Ausbildung sowie<br />
spezieller Forschung geschärft. ||<br />
Institut<br />
1/2007<br />
Einzelpreis 6,50 €<br />
ISSN 1615-3979<br />
ISBN 978-3-932306-88-4<br />
Wirtschafts-<br />
und Wissenschaftsthema<br />
Ein Beispiel zur Nachwuchswerbung<br />
liefert das Astrophysikalische Institut<br />
Potsdam (AIP). Laut Gabriele<br />
Schönherr, unter anderem Scientific<br />
Coordinator, arbeitet das AIP insbesondere<br />
mit der Universität Potsdam<br />
zusammen. Für Schüler werden<br />
Veranstaltungen wie der „Girls’ Day“<br />
und verschiedene Praktika gemeinsam<br />
mit der Universität gestaltet.<br />
Schülergruppen besichtigen regelmäßig<br />
das Institutsgelände und<br />
AIP-Mitarbeiter halten Vorträge an<br />
Schulen. An der Universität Potsdam<br />
und den Berliner Universitäten sind<br />
Wissenschaftler des AIP zudem<br />
direkt in die Lehre eingebunden, so-<br />
dass Diplomanden und Doktoranden<br />
nicht nur über die Forschung, sondern<br />
auch durch Vorlesungen geworben<br />
werden. Die Exzellenzinitiative<br />
bietet auch dem AIP Gelegenheit zu<br />
einer noch engeren Kooperation mit<br />
den Hochschulen. ||<br />
Sonderheft „Recruiting an deutschen Hochschulen“<br />
(wita1/2007), 12 Seiten, 6,50 Euro, <strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong>,<br />
ISSN 1615-3979<br />
Sabine Hellmann ist Mitarbeiterin in der Redaktion<br />
Wissenschaftsmanagement und hat unter anderem<br />
am Sonderheft „Recruiting an deutschen Hochschulen“<br />
(WITA 1/2007) inhaltlich mitgewirkt.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
50 weiterbildung Hellmann – Rekrutierung an deutschen Hochschulen<br />
Recruiting ist nicht mehr nur<br />
ein Thema der freien Wirtschaft,<br />
in der die Vermittlung von adäquaten<br />
Fachkräften schon seit<br />
Jahrzehnten eine wichtige Position<br />
einnimmt. Recruting hat<br />
längst jüngere Generationen erreicht<br />
und wird als Instrument<br />
zur Gewinnung von Forschungsnachwuchs<br />
in der gesamten deutschen<br />
Hochschul- und Wissenschaftslandschaft<br />
an Bedeutung<br />
zunehmen.<br />
Die grafische Auswertung der angewendeten Re-<br />
cruiting-Maßnahmen (hier die Top Ten) macht deutlich,<br />
welche Bedeutung die Hochschulen vor allem<br />
Informationsveranstaltungen im regionalen Umfeld<br />
einräumen. Datengrundlage der telefonisch durch-<br />
geführten Umfrage: Von den 109 befragten waren<br />
67 (61,47%) Hochschulen unter öffentlicher und 42<br />
(38,53%) unter privater Trägerschaft. 75 (68,81%) von<br />
ihnen befinden sich in den alten, 34 (31,19%) in den<br />
neuen Bundesländern. Im Detail sprachen wir mit 33<br />
(30,28%) Universitäten, 29 (26,61%) Fachhochschulen,<br />
12 (11,01%) Musik- und Kunsthochschulen und<br />
35 (32,11%) sonstigen privaten Hochschulen.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
Geeignete Maßnahmen finden<br />
Welche Werbemaßnahmen für die jeweilige Einrichtung am besten geeignet sind, um die richtigen,<br />
die engagierten und motivierten Studierenden in ausreichender Anzahl anzusprechen,<br />
wird also schon durch die Struktur der Hochschulen entschieden. Kleinere, meist fachspezifisch<br />
ausgerichtete Universitäten oder Fachhochschulen stellen andere Anforderungen an ihre Studentenschaft<br />
als solche, in denen eine große Bandbreite an Studienfächern angeboten wird. Die<br />
Finanzierung großflächiger und allgemein gehaltener Werbemaßnahmen wird sich daher nicht<br />
für alle Universitäten als rentabel erweisen. Es gibt keine Patentlösung für ein erfolgreiches<br />
Recruiting. Vielmehr erfordert das Herausfiltern von passenden Maßnahmen eine gewisse Probezeit.<br />
Um sich auf den Rückgang an Studienberechtigten vorzubereiten, sind die deutschen<br />
Hochschulen folglich zum frühzeitigen Handeln aufgefordert. Als Faustregel gilt: Zwischen fünf<br />
und zehn Jahre kann die Entwicklung und Implementierung einer umfassenden Recruiting-Strategie<br />
in Anspruch nehmen.<br />
Die Fragestellung, wie ambitionierter Nachwuchs rekrutiert werden kann, bleibt dabei nicht auf<br />
die Universitäten beschränkt. Institute z.B. der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft<br />
und der Leibniz-Gemeinschaft fördern die Ausbildung von jungen Forschern und sind<br />
auf eine solide Anzahl von guten Absolventen angewiesen. Vor diesem Hintergrund hat sich die<br />
Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Einrichtungen der außeruniversitären Forschung<br />
bereits nachweislich verstärkt und wird, davon ist auszugehen, auch in Zukunft weiter ausgebaut<br />
werden. So tragen Graduierten- und Doktorandenkollegs, die beispielsweise im Rahmen<br />
der Exzellenzinitative des Bundes und der Länder entstanden sind, explizit zur Vertiefung der<br />
Kooperationen bei.<br />
Anzahl Anwender<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Instrumente<br />
97<br />
75<br />
22<br />
regionale Messen<br />
41<br />
56<br />
84<br />
65<br />
19<br />
Tag der offenen Tür<br />
37<br />
47<br />
71<br />
56<br />
15<br />
überregionale Messen<br />
25<br />
46<br />
67<br />
49<br />
18<br />
Vorstellung in Schulen<br />
28<br />
39<br />
55<br />
43<br />
12<br />
Anzeigen im Internet/E-Mailings<br />
31<br />
24<br />
42<br />
28<br />
14 11<br />
Schnupperstudium<br />
31<br />
39<br />
33<br />
6 9<br />
Spezialveranstaltung (z.B. Lange Nacht der…)<br />
30<br />
34<br />
28<br />
6<br />
Anzeigen in regionaler Presse<br />
insgesamt west ost privat öffentlich<br />
1717<br />
22<br />
17<br />
5 2<br />
Kinder-Uni<br />
20<br />
21<br />
17 17<br />
4<br />
Anzeigen in Fachpresse<br />
4
Jens Heiling<br />
Rechnungslegung staatlicher<br />
Hochschulen<br />
Eine vergleichende Analyse deutscher und US-amerikanischer<br />
Hochschulen<br />
Heiling – Rechnungslegung staatlicher Hochschulen buchbesprechung 51<br />
über Jahrhunderte hinweg hat sich das öffentliche rechnungswesen als das rechnungswesen<br />
öffentlicher Wirtschaftssubjekte herausgebildet. es stellt auf kameraler Basis finanzwirtschaftliche<br />
informationen zur Befriedigung vielfältiger informationsbedürfnisse<br />
von Politik und verwaltung bereit. Kameralistik sowie zahlungsorientierte Kassen- und<br />
haushaltsrechnungen sind bei traditionell administrativer verwaltungssteuerung ein geeigneter<br />
rechnungsstil und erprobte rechnungsinstrumente. seit Mitte der 1990er-Jahre<br />
führt das angelsächsische new Public Management auch in Deutschland zu einer Diskussion<br />
über eine betriebswirtschaftliche neuausrichtung des öffentlichen sektors. Bei<br />
new Public Management geht es darum, öffentliche verwaltungen innerhalb politischer<br />
Zielsetzungen wie unternehmen zu führen. es interessiert nicht mehr die einhaltung von<br />
haushaltsansätzen innerhalb eines mehr oder weniger restriktiven haushaltsrechts, sondern<br />
das erzielte finanzwirtschaftliche ergebnis im sinne einer nettoressourcenentstehung<br />
oder eines nettoressourcenverbrauchs. Die abbildung des finanzwirtschaftlichen<br />
Periodenerfolgs lässt sich am besten mit einem doppischen rechnungsstil und dazugehöriger<br />
Jahresabschlussrechnung erreichen. es liegt deshalb nahe, im Zuge der einführung<br />
betriebswirtschaftlicher steuerungsinstrumente ein „neues“ öffentliches rechnungswesen<br />
zu fordern. Die aktuelle umstellung des öffentlichen rechnungswesens auf<br />
die Doppik und kaufmännische rechnungslegung muss in diesem Zusammenhang gesehen<br />
werden.<br />
Von dieser Entwicklung motiviert, beschäftigt sich Jens Heiling in seiner Dissertation mit der<br />
Rechnungslegung staatlicher Hochschulen. Im ersten Kapitel gibt er einen Überblick über den<br />
Stand der Rechnungslegung staatlicher Hochschulen in Deutschland. Er zeigt auf, dass es in<br />
Wissenschaft und Praxis erhebliche Divergenzen über die „richtige“ Rechnungslegung gibt. Die<br />
Notwendigkeit einer Umstellung des Rechnungswesens staatlicher Hochschulen auf Doppik<br />
und kaufmännische Rechnungslegung nach dem Ressourcenverbrauchskonzept begründet er<br />
mit der damit einhergehenden finanzwirtschaftlichen Transparenz einerseits und den Schwächen<br />
bisheriger kameraler Rechnungen andererseits. Das zweite Kapitel erörtert den fallstudienbasierten<br />
Vergleich als geeignete Methode für die Erforschung der staatlichen Hochschulrechnungslegung.<br />
Hierbei entwickelt der Autor ein Vergleichs-Framework, mit Hilfe dessen er in den<br />
beiden nachfolgenden Kapiteln die Rechnungslegung staatlicher Hochschulen in Deutschland<br />
am Beispiel der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und öffentlicher Hochschulen in den USA<br />
am Beispiel der University of Illinois ausführlich erschließt. Im anschließenden fünften Kapitel<br />
werden die Vergleichsergebnisse zu Empfehlungen für die Ausgestaltung der Hochschulrechnungslegung<br />
in Deutschland verdichtet. Der Autor spricht sich nachhaltig für die Schaffung eines<br />
einheitlichen Rechnungslegungsmodells für staatliche Hochschulen und eines Standard Setters<br />
Jens Heiling<br />
zur öffentlichen Verwaltung<br />
und öffentlichen Wirtschaft<br />
Rechnungslegung<br />
staatlicher Hochschulen<br />
Eine vergleichende Analyse<br />
deutscher und US-amerikanischer Hochschulen<br />
198<br />
BWV • BERLINER WISSENSCHAFTS-VERLAG<br />
Jens Heiling<br />
Rechnungslegung staatlicher Hochschulen.<br />
Eine vergleichende Analyse deutscher und<br />
US-amerikanischer Hochschulen<br />
Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2007, 285 S.<br />
59,00 Euro, ISBN 978-3-8305-1380-3<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
52 buchbesprechung Heiling – Rechnungslegung staatlicher Hochschulen<br />
Message<br />
Es lassen sich auf vergleichender<br />
Basis einerseits komplexitätsreduziert<br />
die Unterschiede in der<br />
Rechnungslegung aufzeigen und<br />
andererseits nachvollziehbar Vorschläge<br />
zur Entwicklung einer<br />
Hochschulrechnungslegung aufzeigen.<br />
Dadurch leistet der Autor<br />
methodisch und inhaltlich einen<br />
Beitrag zur Weiterentwicklung<br />
des öffentlichen Rechnungswesens.<br />
Prof. Dr. Dietmar Bräunig ist Professor für Management<br />
personaler Versorgungsbetriebe am Institut für<br />
Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbrauchsforschung<br />
an der Justus-Liebig-Universität Gießen.<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
nach dem Vorbild des Governmental Accounting Standards Boards (GASB) aus, um Rechnungs-<br />
abschlüsse vergleichen zu können. Im Duktus der Entwicklung des öffentlichen Rechnungswesens<br />
in Deutschland plädiert er für die modifizierte Übernahme der privatwirtschaftlichen<br />
Rechnungslegung. Orientieren könnte sich eine einheitliche Hochschulrechnungslegung an handelsrechtlichen<br />
Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften oder Standards der internationalen<br />
Rechnungslegung. Es ergibt sich dadurch die jeweilige Bilanzierungskonzeption. Die International<br />
Public Sector Accounting Standards (IPSAS) beispielsweise verfolgen das Ziel der Schaffung<br />
weitgehender finanzwirtschaftlicher Transparenz nach dem Grundsatz des True and Fair View.<br />
Die Dissertation von Jens Heiling verdient Beachtung. Bereits die Herausarbeitung des Ist-Zustands<br />
der Rechnungslegung ist verdienstvoll. Darüber hinaus wählt er zur Gewinnung neuer<br />
Erkenntnisse den bei wissenschaftlichen Arbeiten zum Rechnungswesen eher seltenen Weg des<br />
exemplarischen Vergleichs. Er erarbeitet ein Vergleichs-Framework, das ihm eine systematische<br />
Vorgehensweise ermöglicht. Es lassen sich auf vergleichender Basis einerseits komplexitätsreduziert<br />
die Unterschiede in der Rechnungslegung aufzeigen und andererseits nachvollziehbar<br />
Vorschläge zur Entwicklung einer Hochschulrechnungslegung aufzeigen. Dadurch leistet der<br />
Autor methodisch und inhaltlich einen Beitrag zur Weiterentwicklung des öffentlichen Rechnungswesens.<br />
Zumindest teilweise offen bleibt die Frage, ob es für eine staatliche Hochschule im bestehenden<br />
Bildungs- und Wissenschaftssystem notwendig und zweckmäßig ist, auf die Doppik und kaufmännische<br />
Rechnungslegung umzustellen. Lehr- und Forschungsleistungen tragen mit ihren<br />
Wirkungen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bei. Sie sind sachlich nicht mess- und (monetär)<br />
bewertbar. Es fehlt deshalb an funktionierenden Märkten für Wissenschaftsleistungen, weshalb<br />
sich die meisten Hochschulen in Deutschland in staatlicher Trägerschaft befinden. Traditionell<br />
räumen die öffentlichen Träger ihren Hochschulen nach bildungs- und wissenschaftspolitischen<br />
Kriterien Ausgabenbudgets ein. Den Hochschulen obliegt es, die zugewiesenen Gelder mit dem<br />
Ziel der größtmöglichen Wirksamkeit zu bewirtschaften. Es ist zwar möglich, indikatorenbasierte<br />
Budgets wie Erlöse zu behandeln. Ob dies steuerungstheoretisch langfristig sinnvoll und rechnungstheoretisch<br />
konzeptionell überzeugend ist, darf wegen der damit verbundenen latenten<br />
Gefahr eines Steuerungs- und Rechnungsversagens bezweifelt werden. Ohne marktliche Leistungsbewertung<br />
in Form von Erlösen treffen kaufmännischer Jahresabschluss und insbesondere<br />
Ergebnisrechnung auf ein Zweckmäßigkeitsdefizit. Unbeantwortet ist bislang übrigens auch die<br />
Frage, ob sich mit der neuen Hochschulsteuerung überhaupt ein wirksamerer Mitteleinsatz erreichen<br />
lässt. Es besteht die Gefahr, dass die direkten und indirekten betrieblichen und sozialen<br />
Kosten der Steuerung „entfesselter“ Hochschulen die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.<br />
Dieses ökonomische Paradoxon lässt sich auf alle Verwaltungsbetriebe, die nicht<br />
durch Märkte bepreiste oder marktlich bepreisbare Leistungen erstellen, übertragen. Die „richtige“<br />
Umstellung auf Doppik und kaufmännische Rechnungslegung im Kontext der Anwendung<br />
weiterer betriebswirtschaftlicher Instrumente und Methoden ist nicht nur ein formaler Vorgang,<br />
sondern stellt zu Ende gedacht einen hochschulpolitischen Systemwechsel dar. Lehr- und Forschungsleistungen<br />
würden auf unvollständigen Wissenschaftsmärkten bepreist. Hochschulen<br />
müssten ihre Erlöse und Gewinne maximieren. Studierende und Drittmittelgeber würden zu Kundinnen<br />
und Kunden – letztlich zum Nachteil der Qualität (und Freiheit!) von Lehre und Forschung.<br />
Ob dies wirklich politisch gewollt ist, sollte diskutiert werden.
Ralf E. Strauß<br />
Marketingplanung mit Plan<br />
Strategien für ergebnisorientiertes Marketing<br />
<strong>2008</strong>, 307 Seiten, gebunden, 39,95 Euro,<br />
Schäffer Poeschel Verlag, ISBN 978-3-7910-2552-0<br />
War das Marketing früher noch eine Art Kunst, die sich allein durch Kreativität auszeichnen<br />
konnte, ist es heute zu einer angewandten Wissenschaft geworden. Unter den wachsamen<br />
Augen der Geschäftsführung, des Controllings und natürlich der Kunden und des Marktes zählt<br />
auch für das Marketing am Ende des Jahres nur, was es effektiv geleistet hat. Um zu beweisen,<br />
dass Marketing etwas leisten kann und für jedes Unternehmen wertvoll ist, muß es aber auch<br />
mess- und überprüfbar sein. Aktuelle Praxisbeispiele wie unter anderem aus dem Bereich des<br />
Online-Marketings veranschaulichen den 7-Punkte-Plan von der Planung der Planung über die<br />
Kampagnenentwicklung und -exekution bis zur Analyse und Reporting einer erfolgreichen Marketingplanung.<br />
Eine Arbeits- und Lebenshilfe nicht nur für Marketingprofis.<br />
Jörg Hoewner, Michael Jansen, Kirsten Jantke<br />
von der spinnovation zur sinnovation<br />
<strong>2008</strong>, 100 Seiten, broschiert, 39,90 Euro,<br />
Monsenstein & Vannerdat Verlag, ISBN: 978-3-86582-626-8<br />
(Gegen Registrierung auch kostenfrei herunterzuladen unter www.k-zwoelf.com)<br />
Wie der Titel schon vermuten lässt, nähern sich die drei Autoren dem Thema Innovation bewusst<br />
nicht akademisch. In Stil und Gestaltung kann man das überschaubare Buch sogar problemlos<br />
selbst als „innovativ“ bezeichnen. Ob man die waagerechten Textelemente und Textstopper,<br />
feuilletonistischen Schmuckbilder und ganzseitigen Porträts nun als ein Stück gelebte Innovationskommunikation<br />
oder als marketingtechnisch klug gemachte Effekthascherei versteht, bleibt<br />
dem jeweiligen Leser überlassen. Inhaltlich thematisiert das Buch die Herausforderung einer<br />
zeitgemäßen Kommunikation für „Open Innovation“. So berichten die Autoren aus der Agentur-<br />
Perspektive von Projekten, bei denen beispielsweise Netzwerk-Methoden angewandt wurden,<br />
um interne Meinungsführer in Unternehmen zu identifizieren, oder wo mit dem Lead-User-Ansatz<br />
externe Partner in Innovationsprozesse eingebunden wurden. Lesenswert sind vor allem<br />
die Interviews, etwa mit Klaus Burmeister von Z_punkt, Henkel-Chef Prof. Ulrich Lehner oder<br />
Fraunhofer-Institutsleiter Prof. Reinhart Poprawe. Im Kontext des Titels „spinnen“ die Autoren<br />
also weitaus weniger als sie „Sinn“ stiften zum Thema Innovationskommunikation.<br />
Ingo Balderjahn, Joachim Scholderer<br />
Konsumentenverhalten und Marketing<br />
Grundlagen für Strategien und Maßnahmen<br />
2007, 244 Seiten, gebunden, 39,95 Euro,<br />
Schäffer-Poeschel Verlag, ISBN 978-3-7910-2535-3<br />
Nach einer Einleitung in das Konsumentenverhalten auf psychologischen Grundlagen steht das<br />
Verhältnis zum Marketing im Mittelpunkt dieser Publikation. Welche Teilgebiete des Konsumentenverhaltens<br />
sind relevant für das Marketing? Der Beantwortung dieser zentralen Frage folgt<br />
die Darstellung der wichtigsten Marketingstrategien und -instrumente – immer in Bezug auf das<br />
Konsumverhalten der Zielgruppen. So lernt der Leser, welche Zusammenhänge und Erfolgsbe-<br />
buchmarkt 53<br />
Ralf E. Strauß<br />
Marketingplanung mit Plan<br />
Strategien für ergebnisorientiertes Marketing<br />
Ingo Balderjahn, Joachim Scholderer<br />
Konsumentenverhalten und Marketing<br />
Grundlagen für Strategien und Maßnahmen<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong>
54 buchmarkt<br />
www.wissenschaftsmanagement.de<br />
Impressum<br />
Geschäftsführende herausgeber<br />
Dr. Markus <strong>Lemmens</strong>,<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong>, Bonn<br />
Prof. Dr. Detlef Müller-Böling,<br />
Centrum für Hochschulentwicklung, Gütersloh<br />
Dr. Johannes Neyses, Universität zu Köln<br />
Prof. Dr. Frank Ziegele, Centrum für Hochschul entwicklung,<br />
Gütersloh, und Fachhochschule Osnabrück<br />
herausgeberbeirat<br />
Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger,<br />
Fraunhofer-Gesellschaft, München<br />
Dr. iur. Dietmar Ertmann,<br />
Universität Karlsruhe (TH)<br />
Prof. Dr. Cornelius Herstatt,<br />
Technische Universität Hamburg-Harburg<br />
Prof. Dr. Péter Horváth,<br />
IPRI International Performance Research Institute g<strong>GmbH</strong><br />
und Universität Stuttgart<br />
Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer,<br />
Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Prof. Dr. Hanns H. Seidler,<br />
Zentrum für Wissenschaftsmanagement e.V., Speyer<br />
Dr. Horst Soboll, Union des Industries de la Communauté<br />
Européenne (UNICE)<br />
Prof. Dr.-Ing. Hartmut Weule, Institut für Werkzeug maschinen<br />
und Betriebstechnik, Universität Karlsruhe<br />
redaktionsleitung<br />
Klaudia Gerhardt, M.A. (verantw.)<br />
Telefon: +49 228 42137-18<br />
E-Mail: gerhardt@lemmens.de<br />
redaktion Bonn<br />
Telefon: +49 228 42137-0<br />
E-Mail: wissenschaftsmanagement@lemmens.de<br />
redaktion Berlin<br />
K. R. Durth<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong> – Büro Berlin<br />
Hannoversche Str. 15<br />
10115 Berlin<br />
Telefon: +49 30 28045-144<br />
E-Mail: wissenschaftsmanagement@lemmens.de<br />
verlag und anzeigen<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Matthias-Grünewald-Str. 1-3, 53175 Bonn<br />
Telefon: +49 228 42137-0<br />
Telefax: +49 228 42137-29<br />
E-Mail: info@lemmens.de<br />
Internet: www.lemmens.de<br />
Bezugsbedingungen:<br />
Jahresabonnement (6 Ausgaben) e 114,50 inkl. MwSt.<br />
zzgl. Versandkosten (Inland e 10,50; Ausland e 13,75)<br />
Einzelheft e 19,80 inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten<br />
(Inland e 1,40; Ausland e 3,00)<br />
Erscheinungsweise zweimonatlich; Bestellungen über Buchhandel<br />
oder Verlag; Anzeigenpreisliste Nr. 10 (<strong>2008</strong>); Inhalte sind<br />
urheber rechtlich geschützt. Das Abonnement kann mit einer dreimo<br />
na ti gen Frist jeweils zum Jahresende gekündigt werden.<br />
herstellung Courir-Media <strong>GmbH</strong>, Bonn<br />
ISSN 0947-9546<br />
wissenschaftsmanagement 5 • september/oktober • <strong>2008</strong><br />
dingungen einzelne Marketingstrategien wie die Kundenbindung oder die Markenpolitik haben<br />
und wie sie sich auf den potenziellen und tatsächlichen Konsumenten auswirken. Übersichtlich<br />
aufgebaut, mit hilfreichen Diagrammen und veranschaulichenden Bildern ist dieses Fachbuch<br />
für Studierende und Praktiker gleichsam geeignet.<br />
Hochschulrektorenkonferenz<br />
Qualitätsorientierte hochschulsteuerung und externe standards<br />
Projekt Qualitätsmanagement<br />
2007, Beiträge zur Hochschulpolitik 12/2007, 205 Seiten, broschiert,<br />
kostenlos zu beziehen oder zum Download unter www.hrk.de<br />
Im Rahmen ihres Projektes „Qualitätssicherung“ organisierte die Hochschulrektorenkonferenz in<br />
Bonn Ende 2007 die Veranstaltung „Qualitätsorientierte Hochschulsteuerung und externe Standards“,<br />
deren Reden nun gesammelt und in den „Beiträgen zur Hochschulpolitik“ 12/2007 veröffentlicht<br />
wurden. Namhafte Mitglieder der deutschen Hochschullandschaft berichten von ihren<br />
Erfahrungen, diskutieren Neuerungen und geben eine Zielrichtung für die Universität der Zukunft<br />
an: Nicht die Qualitätssicherung der Lehre, sondern die Qualitätsentwicklung soll das Prinzip der<br />
Hochschulsteuerung sein. Im zweiten Teil der Vorträge steht die Internationalität und Internationalisierung<br />
der Qualitätssicherung mit zahlreichen Vertretern aus europäischen Hochschulen im<br />
Zentrum der Debatte.<br />
Robert Ernst-Siebert<br />
KMu im globalen innovationswettbewerb<br />
Eine Untersuchung des betriebsgrößenspezifischen Innovationsverhaltens<br />
und innovationsinduzierter Beschäftigungseffekte<br />
<strong>2008</strong>, 210 Seiten, broschiert, 27,80 Euro,<br />
Rainer Hampp Verlag, ISBN 978-3-86618-218-9<br />
Fallen die Begriffe „Innovation“ und „globaler Wettbewerb“ zusammen, denkt man zumeist an<br />
die großen Namen der internationalen Wirtschaft. Aber auch kleine und mittlere Unternehmen<br />
(KMU) sind im weltweiten Wirtschaftsgeschehen mit Neuerungen, Entwicklungen und Patenten<br />
vertreten. Und nicht nur bei Global Playern sind diese Innovationsleistungen ausschlaggebend<br />
für die Beschäftigungszahlen. Der vorliegende Band geht auf die Spezifikation kleiner und mittlerer<br />
Unternehmen in Innovationsprozessen ein, beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Innovation<br />
und Beschäftigung und führt drei Fallstudien in der Logistikdienstleistung, der maritimen<br />
Industrie und der Umwelttechnologie durch. Theoretische und empirische Befunde werden aufbereitet<br />
und übersichtlich in vielen Tabellen und Schaubildern dargestellt. Nicht zuletzt wird die<br />
Frage gestellt, ob KMU erfolgreich in das nationale Innovationssystem eingebunden sind.
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