INDIVIDUELLER STUDIEREN qDer entzerrte Studienplan Die FH Osnabrück gibt ihren Studierenden mehr Luft für eigene Pläne: Großzügige Urlaubs- und Auslandssemester sorgen für ein flexibles Curriculum, das jeder auf seine Bedürfnisse zuschneiden kann Immer wenn Professor Dr. Andreas Bertram ein Problem lösen wollte, haben sich stattdessen oft neue Schwierigkeiten aufgetan: Wollte er den Studierenden die Möglichkeit geben, ein Semester zu pausieren, um sich auf Prüfungen vorzubereiten oder eine Weltreise zu machen, wären sie ein paar Monate später wieder zurückgekommen an die Fachhochschule Osnabrück – und hätten nach ihrem halben Jahr Auszeit mit den Seminaren Pech gehabt, die nur einmal pro Jahr angeboten werden. Jetzt hat Bertram, Vizepräsident der Osnabrücker FH, ein neues Programm entwickelt, das diese und andere Schwierigkeiten auf einen Schlag lösen würde. „Bachelor plus“ heißt sein Konzept, und es soll vor allem mehr Flexibilität in das Studium bringen – mehr Luft für diejenigen, die sie brauchen und einen stringenten Verlauf für die anderen, die schnell fertig werden wollen mit dem Studium. Das Prinzip basiert auf den bestehenden Bachelorstudiengängen, die an der Fachhochschule in Osnabrück auf eine Regelstudienzeit von sechs Semestern angelegt sind. In dieses Grundmuster lassen sich künftig problemlos freie Semester einbauen und ins Studium integrierte Auslandsaufenthalte. „Es geht uns darum, den Studierenden zu zeigen, dass es völlig in Ordnung ist, wenn sie sich für ihr Studium mehr als sechs Semester Zeit nehmen wollen“, sagt Andreas Bertram. 80 Bislang ließ sich dieses Ausbrechen aus dem Studienplan nicht so einfach umsetzen. Wer sich ein Urlaubssemester nehmen wollte, für das auch keine Studiengebühren bezahlt wurden, musste mit strikten Regeln klarkommen. So besagt das Landesgesetz in Niedersachsen beispielsweise, dass Studierende in dieser Zeit keine Leistungen der Hochschule in Anspruch nehmen dürfen. „Gerade das war für unsere Zwecke kontraproduktiv“, heißt es an der FH Osnabrück. Viele Studierende nähmen sich etwa gerne ein Semester Auszeit, um vor den Prüfungen noch einmal den Stoff zu rekapitulieren – bislang war das nicht möglich, da im Urlaubssemester keine Prüfungen absolviert werden durften. Ähnlich war die Gemengelage auch bei anderen individuellen Vorhaben der Studierenden: Wer ins Ausland ging, konnte sich nicht beim internationalen Büro der Hochschule beraten lassen, die Praktikumsbörse durfte ihn nicht während „Es ist doch in Ordnung, wenn sich die Studierenden mehr Zeit nehmen wollen!“ des Urlaubssemesters an einen potenziellen Arbeitgeber vermitteln. Im Bachelor-plus- Programm wird sich das jetzt ändern. „Unsere Urlaubssemester sollen den Studierenden künftig die Möglichkeit geben, zusätzliche individuelle Kompetenzen über das Regelstudium hinaus zu erwerben oder einfach zwischendurch einmal aufzuat- men“, sagt Bertram. In den Ingenieurwissenschaften etwa ist ein zusätzliches Angebot für Studierende geplant, die in dieser Zeit an Forschungsprojekten mitarbeiten oder in fachfremden Vorlesungen ihren Horizont erweitern können. Wenn die Auszeit dann vorbei ist, geht das Studium nahtlos weiter. Die Hochschule sieht dafür ein größeres Angebot an Seminaren vor, das künftig auch außerhalb des üblichen zweisemestrigen Rhythmus’ stattfinden soll. „Die Kunst ist es, solche strukturellen Vorgaben innerhalb der Hochschule flächendeckend umzusetzen“, sagt Andreas Bertram. An dieser Aufgabe feilt er gerade: Schon bald soll Bachelor plus als Rahmenmodell hochschulweit verankert werden, nach und nach werden dann möglichst viele Studienprogramme auf dieses Modell umgestellt. Der Vorteil des Systems liegt auf der Hand: Wer schnell sein Studium absolvieren will, kann das nach wie vor in sechs Semestern tun. Wer zwischendurch andere Bereiche erkunden will, bekommt dazu gleichermaßen eine Gelegenheit. Dieses Mehr an Flexibilität will die Fachhochschule Osnabrück auch an anderer Stelle ermöglichen. An der Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sind die Studiengänge so konzipiert, dass die Studierenden nach den ersten beiden Semestern problemlos ihr Fach wechseln können, wenn sie feststellen, dass eine andere Studienrichtung ihnen eher zusagt. Die bereits absolvierten Veranstaltungen bekommen sie dabei angerechnet. Als eine Art Plattform sehen die Professoren diese Einführungsphase in das Studium – die vermittelten Grundkenntnisse ließen sich schließlich auch in einer anderen Disziplin aus dem gleichen Fachbereich einsetzen. Vizepräsident Andreas Bertram: „Mit solchen Impulsen können wir viel für die Entzerrung des Studiums tun und die Individualisierung fördern.“
Studieren in der Natur: Am Standort Haste der FH Osnabrück sind Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur untergebracht 81 Bildnachweis: Bettina Meckel - FH Osnabrück