Zum Download - Hochschule Magdeburg-Stendal
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Die Kunst des Jonglierens – ein Selbstversuch<br />
Mit Rotation zur inneren Balance<br />
Dezember 2012<br />
Oft saß ich als Kind im Zirkuspublikum und bestaunte die Jongleure in der Manege. Mit welcher Leichtfertigkeit sie diese<br />
so kompliziert aussehenden Figuren mit ihren zahllosen Bällen, Keulen und Stäben entstehen ließen. Umso mehr erwachte<br />
diese einstige Bewunderung bei einem Blick in das Sportangebot der <strong>Hochschule</strong> wieder zum Leben: Es wird ein Jonglier-<br />
Kurs angeboten! Ohne Zögern ergreife ich die Gelegenheit, die mystische Wurfkunst einmal selbst auszuprobieren.<br />
Erst zwei, dann drei Kugeln – dank Alex’ Anleitung gelingt mir am Trainingsende das Jonglieren und ich finde zu innerer Ausgeglichenheit.<br />
Mein Coach ist Alex Leymann, er jongliert<br />
bereits seit 15 Jahren und gibt spezielle<br />
Workshops während der Trainingszeiten<br />
in der Sporthalle der Otto-von-Guericke-<br />
Universität <strong>Magdeburg</strong>.<br />
Während des gesamten Kurses sehe ich<br />
seine Arme rotieren, in seinen Händen<br />
mal Kugeln, mal Keulen, in oft nicht eindeutiger<br />
Zahl. Wenn er nicht gerade Gegenstände<br />
um seinen Kopf kreisen lässt,<br />
arbeitet der 27-Jährige als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter für theoretische Physik<br />
an der Universität. Mit etwas Theorie beginnt<br />
auch meine Trainingsstunde. „Jonglieren<br />
kann man im Prinzip alle Dinge,<br />
die man kompliziert manipulieren kann“,<br />
erläutert Alex seine eigene Definition der<br />
Sportart. Da werde ich skeptisch: Kann<br />
man die Jonglage überhaupt als Sport bezeichnen?<br />
immerhin steht der Kurs auf<br />
der Angebotsliste der Hochschulsportdisziplinen.<br />
Des Trainers leicht empörte<br />
Antwort: „Natürlich gibt es Jonglier-Varianten,<br />
die wettkampfmäßig betrieben<br />
werden. im Grunde genommen ist es<br />
aber wie mit dem Joggen: ich kann es als<br />
Hobby praktizieren, ich kann aber ebenso<br />
gut an einem Marathon teilnehmen.“<br />
Klingt logisch. Für mich bedeutet Sport<br />
allerdings auch einen gewissen Grad an<br />
körperlicher Anstrengung. Da ist der Unterschied<br />
zum Joggen schon größer und<br />
ich bezweifle, dass man bei dem bisschen<br />
Armbewegung wirklich ins Schwitzen<br />
geraten soll. Auch hier hängt die Betrachtungsweise<br />
vom Jongleur ab: „Nach<br />
einem vernünftigen Training mit anderthalb<br />
Stunden Programm bin ich sowohl<br />
körperlich als auch geistig total erschöpft.<br />
Allerdings gibt es nur wenige andere Tätigkeiten,<br />
nach denen ich so fröhlich und<br />
ausgelassen bin“, beschreibt mir der Hobbyjongleur,<br />
der sich die Techniken weitestgehend<br />
selbst beibrachte.<br />
Am Ende seiner Einführung drückt er<br />
mir zwei mit Sand gefüllte Plastikkugeln<br />
in die Hand. Warum nur zwei, fehlt da<br />
nicht eine? „Zur Koordinationsübung“,<br />
ruft er mir zwischen seinen vier, inzwischen<br />
schon wieder schwebenden, Keulen<br />
zu. ich solle beide Kugeln parallel<br />
nach oben werfen und fangen. Das Werfen<br />
ist einfach, die Koordination ist beim<br />
Fangen gefragt. Nach ein paar Durchgängen<br />
aber fliegen die Kugeln schön<br />
gleichmäßig und parallel in meine Hände.<br />
Dann kommt die dritte Kugel dazu.<br />
„Jetzt musst du deine Unterarme kreisen<br />
lassen und die Kugel immer erst nach<br />
oben werfen, wenn die vorige genau über<br />
dir ist“, lautet diesmal die Anweisung.<br />
Meine ersten Versuche müssen kläglich<br />
aussehen, ich mache mehr Bekanntschaft<br />
mit dem Parkettboden als mit der<br />
Hallendecke. immer wieder komme ich<br />
aus dem Rhythmus und eine Kugel ver-<br />
lässt die vorgesehene Flugbahn. „Versuch,<br />
deine innere Balance zu finden“, rät Alex<br />
mir. Mit der Zeit lässt meine Konzentration<br />
nach und ich versuche nicht mehr,<br />
krampfhaft an die Bewegungen zu denken.<br />
ich stelle mir einfach vor, dass meine<br />
Arme zwei rotierende Windmühlen wären.<br />
So simpel wie es klingt – es klappt!<br />
im Takt lasse ich die Kugeln tanzen und<br />
ernte ein anerkennendes Kopfnicken<br />
vom Coach. Plötzlich ist alles im Fluss.<br />
So stelle ich mir Meditation vor: Der Kopf<br />
leer, der Körper leicht und die Seele frei.<br />
Nach einer guten Stunde Übung mit Bällen<br />
und Keulen habe ich es also gelernt<br />
– das einst mit Kinderaugen bestaunte<br />
Jonglieren. <strong>Zum</strong> Andenken darf ich meine<br />
drei Kugeln mitnehmen. Beruhigend<br />
rieselt der Sand in den Plastikhüllen, als<br />
ich sie in meine Tasche packe. „Als alltägliches<br />
Koordinationstraining für Rechtshänder<br />
empfehle ich dir, zukünftig die<br />
Dinge auch mal ‚mit links‘ anzugehen“,<br />
gibt Alex mir noch mit auf den Weg. ich<br />
danke ihm für seine exzellente Anleitung<br />
und gehe tatsächlich fröhlich und ausgelassen<br />
nach Hause. ich habe inzwischen<br />
auch eine eigene Definition der Sportart<br />
für mich gefunden: Jonglieren führt im<br />
Prinzip dazu, dass alle Dinge, die sonst<br />
kompliziert manipuliert sind, leicht und<br />
lösbar werden.<br />
CHRiSTiN ECKSTEiN<br />
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Fotos: Nancy Hase