MieterMagazin - Berliner Mieterverein e.V.
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18<br />
TiTel<br />
Auf der Suche nach<br />
dem authentischen<br />
Berlin: Partytouristen<br />
im<br />
Wrangelkiez<br />
und auf der<br />
Admiralbrücke<br />
in Kreuzberg<br />
vernünftigen Bahnen zu halten. Die<br />
Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
und Friedrichshain-Kreuzberg haben<br />
eine „City-Tax“ oder Bettensteuer<br />
vorgeschlagen, um damit beispielsweise<br />
eine häufigere Reinigung besonders<br />
belasteter Parks und Straßen<br />
zu bezahlen. Das Bezirksamt<br />
Friedrichshain-Kreuzberg hat zudem<br />
Von der Pilgerfahrt zum Massenphänomen<br />
„Tourismus ist eine soziale, kultu rel le<br />
und ökonomische Erscheinung, die<br />
es mit sich bringt, dass Menschen zu<br />
persönlichen oder geschäftlich-beruflichen<br />
Zwecken in Länder oder an<br />
Orte außerhalb ihrer gewöhnlichen<br />
Umgebung reisen.“ So lautet die Definition<br />
der UN-Welttourismusorganisation.<br />
Wer am Ziel der Reise mindestens<br />
einmal übernachtet und<br />
dort nicht länger als ein Jahr bleibt,<br />
gilt definitionsgemäß als Tourist.<br />
Der Begriff Tourismus taucht zum<br />
ersten Mal um 1800 im Englischen<br />
auf („tourism“). Im Deutschen<br />
sprach man bis in die 1980er Jahre<br />
überwiegend von Fremdenverkehr.<br />
Reisen wurden früher vor allem unternommen,<br />
um Handel zu treiben,<br />
Rohstoffe auszubeuten oder Länder<br />
zu erobern. Die früheste Form des<br />
Tourismus waren Pilgerreisen, die<br />
schon aus dem alten Ägypten überliefert<br />
sind. In Europa hat sich im<br />
Mittelalter ein reger Wallfahrttourismus<br />
entwickelt. Fernreisen waren<br />
ansonsten eine teure Angelegenheit<br />
im Herbst 2010 Richtlinien erlassen,<br />
mit denen dem Bau neuer Hotels im<br />
Ortsteil Friedrichshain ein sehr enger<br />
Rahmen gesetzt wird: Beherbergungsbetriebe<br />
in Wohnstraßen oder<br />
in der Nähe weiterer Hotels erhalten<br />
Touristenströme lassen<br />
sich nicht lenken<br />
und überwiegend dem Adel vorbehalten.<br />
Man reiste, um sich zu bilden.<br />
Erholungsreisen kamen erst im<br />
19. Jahrhundert auf. Der Englän der<br />
Thomas Cook, der ab 1869 Schiffsreisen<br />
veranstaltete, gilt als Erfinder<br />
des Pauschaltourismus.<br />
Obwohl sich im 20. Jahrhundert das<br />
Recht auf bezahlten Urlaub in Europa<br />
und Nordamerika durchsetzte,<br />
blieben Reisen für die meisten Menschen<br />
unbezahlbar. Der Massentourismus<br />
begann erst in den späten<br />
50er Jahren. Die Urlaubsfahrt mit<br />
dem VW-Käfer über den Brenner an<br />
die Adria wurde fes ter Bestandteil<br />
des bundesdeut schen „Wirtschaftswunders“.<br />
In der Folge wandelten<br />
sich viele Fi scherdörfer am Mittelmeer<br />
und Bergbauerngehöfte in den<br />
Alpen zu Hotelburgen. Der Tourist<br />
steht vor dem Dilemma, dass er das,<br />
was er sucht, gleichzeitig zerstört.<br />
Der „sanfte Tourismus“, mit dem<br />
nachteilige Folgen am Reiseziel vermieden<br />
werden sol len, bleibt bis<br />
heute eine Randerscheinung. Billi-<br />
keine Baugenehmigung mehr. Auch<br />
wenn sie mehr als 100 Betten haben<br />
oder ein sonstiges Störpotenzial auf-<br />
ger werdende Flüge ziehen die Urlauber<br />
stattdessen an immer abgelegenere,<br />
exotischere Or te. Gleichzeitig<br />
gibt es einen ver stärkten<br />
Trend zu individuellen Kurzurlauben,<br />
die nicht weit im Vor aus gebucht<br />
werden müssen.<br />
js<br />
weisen, werden sie nicht zugelassen.<br />
Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />
können sich die Bezirke<br />
bei diesem Thema indessen keine<br />
Unterstützung erhoffen. Stadtentwicklungssenatorin<br />
Ingeborg Junge-<br />
Reyer (SPD) bekannte im Abgeordnetenhaus,<br />
nicht zu wissen, was<br />
„stadtunverträgliche Hotels“ sein<br />
sollen: „Dieser Begriff ist mir so<br />
grausam fremd, dass ich mir nicht<br />
das Geringste darunter vorstellen<br />
kann.“<br />
Partylärm, Vermüllung, Suff und<br />
Drogenhandel kann man nicht allein<br />
den Touristen in die Schuhe schieben,<br />
denn zum Partyvolk gehören<br />
auch genug <strong>Berliner</strong>. Andererseits:<br />
Die Anwohnerkritik an diesen Zuständen<br />
kann man auch nicht in die<br />
fremdenfeindliche Ecke stellen. Wer<br />
in einer Gegend wohnt, die plötzlich<br />
zur Partylocation wird, hat dasselbe<br />
Recht auf Nachtruhe und ein intaktes<br />
Wohnumfeld wie die Bewohner<br />
der Stadtteile, die von der internationalen<br />
Karawane (noch) links liegen<br />
gelassen werden.<br />
Jens Sethmann<br />
Mit immer billigeren<br />
Flügen wird der<br />
Tourismus zu einem<br />
immer größeren<br />
Problem – und<br />
zwar weltweit<br />
<strong>MieterMagazin</strong> 7+8/2011