INDUSTRIAL DESIGN O6 - Lambert Rosenbusch
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3 Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />
die Darstellung David Hockneys, der zu mit<br />
Piero della Francescas Geißelung Christi<br />
(um 1460) sagt: »Die Bewegungen der Arme,<br />
die Geste der Hände erfolgen bei ihm<br />
gemäß seinen Kenntnissen von Geometrie<br />
und Perspektive. Er stellt die Figuren so dar,<br />
wie er es weiß, nicht wie er sie vor sich<br />
sieht.« (Hockney, 2001, S.125) Dies könnte<br />
auch bei den Abweichungen in der Darstellung<br />
der Hände Luca Paciolis der Fall sein.<br />
4 In der Literatur wird die Auffassung geteilt,<br />
dass keine der Figuren aus Buch XIII<br />
8/9 der Tafelzeichnung entsprechen. Allerdings<br />
gibt es Darstellungen, die einen inhaltlichen<br />
Bezug der Tafelzeichnung zu einer<br />
anderen Textstelle herstellen; so wird einmal<br />
Buch XIII. 12 (Davis), das andere Mal<br />
Buch XIV 2 (Mackinnon) angegeben.<br />
Das Projektionsexperiment beweist, dass insbesondere die linke Hand Luca Paciolis<br />
deutlich von einer realistischen Darstellung abweicht. Der Mittelfinger, scheint<br />
hier kürzer zu sein als der Zeigefinger.<br />
Um einen direkten Vergleich zu ermöglichen, werden die entsprechenden Handhaltungen<br />
von einer Versuchsperson nachgestellt. Das Experiment zeigt dass eine<br />
solche Handstellung nicht möglich ist: Nicht nur der Mittelfinger, sondern auch der<br />
kleine und der Ringfinger der linken Hand Luca Paciolis sind zu kurz wiedergegeben.<br />
Der Mittelfinger müsste deutlich länger und damit stärker gebeugt sein.<br />
Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass auch die Arme Luca Paciolis unterschiedlich<br />
dargestellt sind. So scheint der linke Ellenbogen deutlich tiefer zu sitzen als der<br />
rechte, obgleich die Schultern waagerecht ausgerichtet sind. 3<br />
Die zeichnerische Darstellung des in der Mitte aufgeschlagenen Buches entspricht<br />
nicht der Wirklichkeit: Der Buchblockrücken müsste in aufgeschlagenem Zustand<br />
deutlich sichtbar nach oben gewölbt sein. Im Gegensatz dazu sind die Abbildungen<br />
der Doppelseite detailgetreu wiedergegeben, so dass jene eindeutig als Proposition<br />
8 bzw. 9 aus Buch XIII zu identifizieren ist (s. Abb. S. 22). Allerdings befindet<br />
sich Buch XIII nicht in der Mitte sondern am Ende der Ausgabe von 1482 (vgl.<br />
Mackinnon 1993).<br />
Ob diese Abweichung auf inhaltliche oder kompositorische Gründe zurückzuführen<br />
ist, bleibt offen. Nichtsdestotrotz drängt sich die Frage auf, ob der Maler eine ursprüngliche<br />
Konzeption später abgewandelt hat. Dabei könnten sich die Fehler in<br />
der Darstellung von Buch und Hand eingeschlichen haben.<br />
Interessant ist der vermeintliche inhaltliche Bezug zwischen dem aufgeschlagenen<br />
Buch und der Zeichentafel, der durch die Handhaltung Luca Paciolis suggeriert wird.<br />
Der direkte Vergleich zeigt jedoch, dass sich die Tafelzeichnung und die Zeichnung<br />
zu Proposition 8 im Einzelnen deutlich unterscheiden. 4<br />
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