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Der Suizid als Herausforderung an Theologie und ... - Spitalseelsorge

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6der Philosoph K. Löwith, es gäbe nur ein einziges stichhaltiges Argument, ein religiöses, das"steht <strong>und</strong> fällt mit dem christlichen Glauben, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, dass ersein Leben <strong>als</strong> eine Gabe geschenkt bekam. D<strong>an</strong>n, aber auch nur d<strong>an</strong>n ist der Selbstmord ....eine ungehörige Anmaßung, ein Aufst<strong>an</strong>d des Menschen gegen seinen Schöpfer". In der Tatsieht die moraltheologische Tradition in der Souveränität Gottes gegen die freieSelbstverfügung des Menschen das entscheidende Argument. Die beiden <strong>an</strong>dern in derTradition vorgetragenen Argumente, die gewollte <strong>und</strong> freie direkte Selbstvernichtung verstoßegegen das Gebot der Selbstliebe <strong>und</strong> gegen die Gemeinschaft, sind demSouveränitätsargument gegenüber von sek<strong>und</strong>ärer Bedeutung. Dies nicht zuletzt deshalb, weildie Unzulänglichkeit der Beweiskraft dieser beiden Argumente <strong>als</strong> längst aufgedeckt gilt: Denndie Wertschätzung des Lebens (d.h. die Selbstliebe) bezieht sich nicht bloß auf die physischeExistenz, sondern auch auf die Person, die, exemplarisch im Martyrium, gerade die Dr<strong>an</strong>gabeder physischen Existenz einfordern k<strong>an</strong>n. Zum <strong>an</strong>dern gibt es zwar Ansprüche <strong>und</strong>Verpflichtungen gegenüber <strong>an</strong>deren, welche die Selbsttötung gleichsam <strong>als</strong> Aufkündigungderselben erscheinen lassen; solche Verpflichtungen sind aber nicht immer gegeben. Daher istvon diesem aristotelischen Argument kein gr<strong>und</strong>sätzliches Verbot abzuleiten.a) Die Zeit der AmbivalenzIch darf <strong>als</strong> bek<strong>an</strong>nt voraussetzen, dass alle christlichen Kirchen schon in früher Zeit - nacheiner gewissen Zeit der Ambivalenz - den <strong>Suizid</strong> verurteilt haben. Das harte Verdikt ist um soerstaunlicher, <strong>als</strong> die Bibel weder im Alten noch im Neuen Testament eine Verurteilung des<strong>Suizid</strong>s kennt. Vielmehr nennt sie recht unbef<strong>an</strong>gen eine Anzahl von Selbsttötungen Sieübertrifft dabei die späteren christlichen Theologen insofern <strong>an</strong> Einsicht, <strong>als</strong> sie die erwähntenFälle in den übergreifenden Zusammenh<strong>an</strong>g einer Lebenstragik zu stellen weiß, den <strong>Suizid</strong> <strong>als</strong>onie <strong>als</strong> isolierten Akt einer Lebensgeschichte darstellt. So zieht König Saul mit seinem Tod (1Sam 31) lediglich das Fazit aus der Tatsache, dass sein Königtum gescheitert ist <strong>und</strong> dieFeinde, nicht ohne die Fügung Gottes, eine Niederlage bereitet haben. Von einer Schuld infolgeSelbsttötung ist hier nicht die Rede, <strong>und</strong> soweit dennoch das Schuldmotiv auftaucht, ist sie inseinem Schicksal so tief <strong>an</strong>gelegt, dass die Selbsttötung nur noch <strong>als</strong> die Bestätigung einesschwer zu entrinnenden Verhängnisses erscheint. Dasselbe gilt, um ein <strong>an</strong>deres Beispiel zuerwähnen, für den Tod des Judas Ischarioth (Mt 27,5). Schuldig macht sich Judas nicht durchden Tod, sondern durch all das, was dieser Tat <strong>als</strong> Verrat <strong>und</strong> <strong>als</strong> Aufkündigung derFre<strong>und</strong>schaft vorausging. Sein Entschluss, sich zu erhängen, hat im Mt-Ev<strong>an</strong>gelium sogaretwas Versöhnliches: <strong>Der</strong> Tod erscheint quasi <strong>als</strong> Reuetat, die Judas für seinen Verratempf<strong>und</strong>en hat, erfolgt <strong>als</strong>o in gewisser Weise, um durch die Hingabe des Lebens sein Lebenvor Gott <strong>und</strong> den Menschen wieder in Ordnung zu bringen. Die Selbsttötung erscheint wie beiSaul <strong>als</strong> Abschluss einer fatalen Lebensgeschichte, die tief verstrickt ist mit persönlicherSchuld, Verhängnis <strong>und</strong> Unvermögen.

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