berichtet - AWO Halle-Merseburg
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14 <strong>AWO</strong> <strong>berichtet</strong>: Erziehungshilfe gGmbH<br />
Der „Zwei-Fliegen-mit-einer-Klappe-Weg“<br />
Unter den MitarbeiterInnen der<br />
ambulanten und der stationären<br />
Erziehungshilfe der <strong>AWO</strong> herrscht<br />
große Unruhe. Damit sind sie nicht<br />
allein. Auch bei allen anderen freien<br />
Trägern ist man verunsichert, wie<br />
sich in der nächsten Zeit der Bereich<br />
der Jugendhilfe entwickeln wird.<br />
Gründe der Verunsicherung gibt es<br />
zwei. Der erste: Die Stadt <strong>Halle</strong> hat<br />
beschlossen, die Mittel für die Hilfen<br />
zur Erziehung von bisher 18,5<br />
Millionen bis 2008 in zwei Schritten<br />
auf 14,5 Millionen abzusenken.<br />
Nun könnte man z. B. sagen, wenn<br />
die Mittel um ein Fünftel gekürzt<br />
werden, bekommt jedes fünfte Kind<br />
keine Hilfe mehr, jeder fünfte Arbeitsplatz<br />
ist gefährdet und ganze<br />
Strukturen brechen weg. Dies trifft<br />
vermutlich auch zu, wenn die freien<br />
Träger weiterhin im Unklaren<br />
gelassen werden, wie es ganz konkret<br />
weitergehen soll.<br />
Auf dem Spielplatz Trakehnerstraße<br />
Denn der große Plan greift noch<br />
nicht. Die Einsparung soll nämlich<br />
mittels eines neuen Ansatzes erreicht<br />
werden. Dazu gibt es Grundsatzbeschlüsse<br />
des Stadtrates über<br />
Leitziele der Kinder-, Jugend- und<br />
Familienpolitik, über die Haushaltskonsolidierung<br />
(also weniger Geld),<br />
und dann kommt das Zauberwort:<br />
Sozialraumorientierung.<br />
Sozialraumorientierung soll es richten.<br />
Was das alles bedeutet, kann hier<br />
nicht vertieft werden. So viel sei (sehr<br />
vereinfacht) gesagt: Die Stadt wird in<br />
fünf Sozialräume eingeteilt<br />
und dort arbeiten<br />
alle da ansässigen<br />
Institutionen im<br />
Interesse der Kinder,<br />
Jugendlichen eng<br />
zusammen, also alle<br />
dort befindlichen Kindereinrichtungen,<br />
Schulen, Sportvereine,<br />
die Wohnungswirtschaft<br />
usw. Der<br />
Schlüssel zum künftigen<br />
Erfolg heißt Prävention.<br />
Der Gedanke, der hinter dem Ganzen<br />
steckt, ist sicher nicht verkehrt,<br />
er überzeugt auch die freien Träger.<br />
Was sie umtreibt, ist die Umsetzung,<br />
deren Dauer, und dass ihre<br />
Bedenken und Fragen nicht ernst<br />
genug genommen werden.<br />
Von der Stadt wurde ein Fachkonzept<br />
erstellt. Daraus ein Zitat: „...<br />
auf der Grundlage kluger Systeme<br />
und intelligenter Lösungen werden<br />
die Angebote für Kinder, Jugendliche<br />
und ihre Familien bzw. die Bürger<br />
insgesamt wirkungsvoller (effektiver)<br />
und zugleich für die Stadt wirtschaftlicher<br />
(effizienter).“<br />
An der Ausarbeitung des Fachkonzeptes<br />
waren die freien Träger nicht<br />
beteiligt, obwohl es gesetzlich garantierte<br />
Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte<br />
gibt. Im Kinder- und<br />
Jugendhilfegesetz heißt es, dass die<br />
freien Träger in Fragen der Jugendhilfeplanung<br />
frühzeitig und umfassend<br />
zu beteiligen sind.<br />
Bei einer Veranstaltung zur Vorstellung<br />
des Fachkonzeptes listeten die<br />
freien Träger 15 Seiten offener Fragen<br />
auf, ähnlich lang wie das Fachkonzept.<br />
Was zum Beispiel geschieht<br />
mit den Jugendhilfeangeboten,<br />
die bisher ein stadtweites<br />
und kein sozialraumorientiertes Einzugsgebiet<br />
hatten? Wie findet man<br />
mit Präventionsangeboten den Weg<br />
in Familien, mit denen man bisher<br />
nur durch Maßnahmen der Erzie-<br />
Im Orientierungswohnen<br />
hungshilfe im Interesse der Kinder<br />
arbeiten konnte? Wie viele Projekte<br />
und Einrichtungen werden dadurch<br />
gefährdet, dass sie finanziell<br />
und praktisch schon bald „abgekoppelt“<br />
sein könnten? Wie wird<br />
der für Eltern bzw. Familien bestehende<br />
Rechtsanspruch auf Hilfe zur<br />
Erziehung garantiert, wenn die<br />
städtischen Haushaltsmittel in so<br />
drastischer Weise gekürzt werden?<br />
Das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten,<br />
bekommt eine neue<br />
Dimension.<br />
Folgende Zahlen sprachen sich am<br />
Rande einer überregionalen Fachkonferenz<br />
herum:<br />
Stuttgart hat einen solchen Umbau<br />
hinter sich. Erfolgreich. Er dauerte<br />
zehn Jahre und nun spart die<br />
Stadt im Kinder- und Jugendbereich<br />
jährlich 7% (und keine<br />
20%!). Das konnte erreicht werden,<br />
indem in diesen zehn Jahren<br />
die Mittel nicht gekürzt wurden. Im<br />
Gegenteil, verteilt auf drei Jahre<br />
hat man 10 Millionen extra aufgewendet,<br />
mit denen man z. B.<br />
Projektstellen, die den Umbau begleiteten,<br />
einrichtete und Projekte<br />
sowie die Fortbildung von Mitarbeitern<br />
des Jugendamtes und der<br />
freien Träger finanzierte.<br />
Spätestens da erscheint der hallesche<br />
„Zwei-Fliegen-mit-einer-Klappe-Weg“<br />
in einem so sensiblen Bereich gewagt.<br />
Vorsichtig ausgedrückt.