Mit Künstlerbriefmarken bearbeiteter Briefumschlag - Media for People
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mit den Nationalvertrieben zuteilt, auch abzunehmen. »Er darf<br />
nicht sagen, den ›Focus‹ oder den ›Spiegel‹ will ich diesmal nicht«,<br />
verrät Peter Strahlendorf, Verleger des Presse Fachverlags, in dem<br />
diverse Branchenblätter erscheinen. »Das wäre auch fatal, denn der<br />
Einzelhändler kann sich keinen ausreichenden Überblick über das<br />
gesamte Zeitschriftensortiment verschaffen. Zudem würde es dem<br />
Prinzip der Überall-Erhältlichkeit widersprechen – einem wesentlichen<br />
Bestandteil der Pressefreiheit.«<br />
Nicht verkaufte Exemplare wandern ins altpapier<br />
Eine weitere Besonderheit der Branche: Die Grossisten sammeln<br />
für die Verlage alle nicht verkauften Presseerzeugnisse wieder ein.<br />
Das sind bei der Karl Crämer KG über 690 000 der wöchentlich gut<br />
1,7 Millionen ausgelieferten Exemplare. So bringt die Sprinter-Flotte<br />
die remittierten »Bild«-Zeitungen spätestens am nächsten Morgen<br />
wieder zurück auf das Werksgelände. Dort wird jedes einzelne<br />
Exemplar in einer zweiten Halle per Hand über einen Scanner gezogen<br />
und rutscht über breite Gummi-Förderbänder auf eine Rampe<br />
zum Altpapiercontainer. Trotzdem kommt es darauf an, dass wirklich<br />
jede einzelne »Bild«-Zeitung erfasst wird, denn nur dann kann<br />
die Karl Crämer KG mit Verlag und Einzelhändlern abrechnen.<br />
Außerdem wissen so Verlag und Grossist genau, wie viele Zeitungen<br />
wirklich verkauft wurden. »Entscheidend für die Liefermenge<br />
der nächsten Montags-›Bild‹ ist die Verkaufshistorie, aber auch Werbemaßnahmen<br />
und besondere Ereignisse spielen eine Rolle. »Wenn<br />
Hannover 96 einen guten Lauf in der Fußballbundesliga hat, kann<br />
die ›Bild‹-Hannover mit den Fußballergebnissen schon mal einige<br />
Prozent mehr verkaufen.« Trotz aller Planung und trotz der branchenüblichen<br />
hohen Remissionsquote von knapp vierzig Prozent<br />
kommt es hin und wieder zu Ausverkäufen. Zuletzt liefen im Kundenzentrum<br />
der Karl Crämer KG die Telefone heiß, weil ein Sonderheft<br />
zur Hochzeit von Kate und William hoffnungslos vergriffen war.<br />
Gelegentlich stößt das Grosso-System also zwangsläufig an seine<br />
Grenzen. Der Grund: Das Verhalten jedes einzelnen Käufers ist von<br />
vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Regnet es zum Beispiel morgens<br />
überraschend, entscheidet sich ein Kunde vielleicht nicht wie<br />
an jedem anderen Tag in der Woche, in der Bäckerei seine Tagesszeitung<br />
zu kaufen, sondern an der Tankstelle auf dem Weg zur Arbeit.<br />
Bei einem einzigen Käufer stellt das natürlich kein Problem dar.<br />
Wenn aber Hunderte bei Platzregen so reagieren, sind die Zeitungen<br />
in der betreffenden Tankstelle so<strong>for</strong>t ausverkauft – egal, wie gut<br />
der Grossist plant.<br />
Konkurrenz hat Crämer dabei nicht zu fürchten, denn wie alle Zwischenhändler<br />
(bis auf die Kollegen in Hamburg und Berlin) ist er<br />
Monopolist in seinem Gebiet. Dieses Vertriebssystem aus den sechziger<br />
Jahren ist im Kartellrecht geregelt und wurde 1993 nochmals<br />
bestätigt. Vergleichbare europäische Länder organisieren den Zeitschriftenvertrieb<br />
ganz anders. In Großbritannien etwa schreiben<br />
Verlage einzelne Regionen aus. Den Zuschlag bekommt der billigste<br />
Grossist, der nach genauen Vorgaben der Verlage die Verteilung<br />
übernimmt. Der Preiskampf ist dabei so verschärft, dass unrentable<br />
Verkaufsstellen nicht mehr beliefert werden. Aus diesem Grund ist<br />
etwa in ländlichen Regionen Südenglands laut Branchenexperten die<br />
Versorgung mit Tageszeitungen unzureichend. Das britische Vertriebssystem<br />
hat auch dazu geführt, dass mit Smith News und John<br />
Menzies nur zwei Grossisten neunzig Prozent des Markts kontrollieren.<br />
»Von diesem System profitieren nur die Großverlage. Kleinere<br />
Magazine wie ›mare‹ oder ›brand eins‹ wären in Großbritannien<br />
überhaupt nicht auf den Markt gekommen. Dort ist die Zutrittsschwelle<br />
zu hoch«, sagt der Medienwissenschaftler Michael Haller,<br />
Autor einer Studie über Pressevertriebssysteme im europäischen<br />
Vergleich. »Aber auch <strong>Mit</strong>telständler wie der Jahreszeiten- oder der<br />
Spiegel-Verlag bekämen massive Probleme, weil der Vertrieb ihrer<br />
Magazine teurer würde.«<br />
Das deutsche Presse-Grosso, darin sind sich die meisten Beteiligten<br />
einig, hat also viele Vorteile. Im internationalen Vergleich ist<br />
es allerdings auch (neben dem schweizerischen und dem skandinavischen)<br />
das teuerste. Je nach Auflage behalten die Grossisten<br />
zwischen 15,5 und 29,26 Prozent Handelsspanne – deutlich mehr<br />
als etwa in Großbritannien. Das erklärte Ziel der Großverlage: Sie<br />
wollen diese Vertriebskosten senken. <strong>Mit</strong> Spannung erwartet daher<br />
die Branche Ende Oktober eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.<br />
Hier klagt ein Grossist gegen die Kündigung durch einen<br />
Verlag, aber letztlich geht es um die Unabhängigkeit des Pressevertriebs.<br />
Das betonte auch Jörg Nothdurft vom Bundeskartellamt.<br />
Er wies beide Parteien darauf hin, dass das Verfahren wie »ein ins<br />
Rollen gebrachter Stein sei, der einen Abhang hinunterrollt« und<br />
eine Säule des Presse-Grosso zu Fall bringen könnte. »Kein Mensch<br />
kann dabei sagen, ob das System den Wegfall einer Säule überlebt.«<br />
»Dass erst kürzlich Verlage wie Axel Springer oder Gruner + Jahr<br />
langfristige Verträge mit dem Bundesverband Presse-Grosso unterschrieben<br />
haben, spricht allerdings dafür, dass das beste Presse-<br />
Grosso der Welt eher an der einen oder anderen Stelle optimiert und<br />
fit gemacht wird für zukünftige Heraus<strong>for</strong>derungen.«<br />
Wissenswertes<br />
» Der Umsatz des Presse-Einzelhandels (Copypreise) betrug im<br />
Jahr 2010 3,483 Milliarden Euro.<br />
» Im Jahr 2009 gab es in Deutschland 1511 Zeitungsausgaben<br />
mit einer Gesamtauflage von 25,31 Millionen. Davon waren<br />
19,95 Millionen Tageszeitungen. Bei den restlichen Exemplaren<br />
handelt es sich um Wochen- oder Sonntagszeitungen.<br />
» Im Vergleich zum europäischen Ausland hat Deutschland das<br />
vielfältigste Zeitungsangebot und ist nach Verkäufen auch<br />
der größte Markt in Europa. Weltweit liegen Indien und China<br />
vorn: Dort werden jeweils täglich etwa 109 Millionen Exemplare<br />
verkauft.