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Der Massenmörder Peter Kürten

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<strong>Der</strong> <strong>Massenmörder</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong><br />

In den dreißiger Jahren sangen die Gassenjungen nach einer bekannten<br />

Schlagermelodie: »Warte, warte noch ein Weilchen, bald kommt Haarmann<br />

auch zu dir, mit seinem kleinen Hackebeilchen...« Die Greueltaten<br />

des Polizeispitzels Haarmann lösten landesweites Entsetzen aus. <strong>Der</strong><br />

gelernte Fleischer hatte in Hannover Dutzende junger Männer umgebracht,<br />

sie fachgerecht zerlegt und ihr Fleisch an eine private Schlächterei<br />

verkauft.<br />

Doch noch andere <strong>Massenmörder</strong> gingen damals in Deutschland<br />

um. Sie trugen schlichte Namen wie Großmann, Hopf und Wagner. <strong>Der</strong><br />

blutrünstigste von ihnen, <strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong>, endete erst viele Jahre nach seinem<br />

ersten Mord auf der Guillotine.<br />

Handtaschenräuber und Brandstifter<br />

<strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong> wurde 1883 als Sohn eines Gewohnheitstrinkers in Köln-<br />

Mühlheim geboren. <strong>Der</strong> Vater konnte sich nicht lange an seinem neugeborenen<br />

Knäblein erfreuen. Weil er sich an einer seiner Töchter verging,<br />

mußte er für mehrere Jahre ins Zuchthaus. Die Mutter blieb mit vierzehn<br />

Kindern zurück und verzog 1894 nach Gerresheim bei Düsseldorf. Verständlicherweise<br />

konnte sie sich bei soviel Sprößlingen kaum um ihren<br />

kleinen <strong>Peter</strong> kümmern. <strong>Der</strong> nutzte die Zeit für Handtaschendiebstähle,<br />

unterschlug in der Lehre Lohngelder und kam schon als Vierzehnjähriger<br />

für zwei Monate ins Gefängnis.<br />

Nach seiner Entlassung sprach eine ältere Dame bei der Mutter vor.<br />

Sie wolle gern für den Jungen sorgen und ihn was Rechtes lehren – und<br />

meinte damit, er solle sie als alleinstehende Witwe trösten. Die Mutter<br />

willigte ein, und der schlaksige, stets mürrisch wirkende <strong>Peter</strong> hatte tagtäglich<br />

die masochistischen Gelüste der wohlhabenden Geschäftsfrau<br />

zu befriedigen. Als sie seiner überdrüssig wurde, zeigte sie ihn wegen<br />

Körperverletzung an, und er wanderte als Rückfalltäter für zwei Jahre<br />

hinter Gitter.<br />

1904 erhielt der arbeitslose <strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong> seinen Einberufungsbefehl<br />

zum Infanterieregiment Metz. Auf dem Wege dahin zündete er mehrere<br />

Heuschober an und sah dann voller Vergnügen bei den Löscharbeiten<br />

zu. Beim Militär blieb er nur einen Tag: Nachdem er mehrere Kameraden<br />

bestohlen hatte, desertierte er.<br />

Nach einem Jahr ergriffen Landjäger den fahnenflüchtigen Herum-<br />

Das Geheimnis der drei Männer • 53


treiber. Das Kriegsgericht mußte eine lange Liste abhaken. Zur Desertion<br />

kamen vierunddreißig Diebstähle hinzu. »Sieben Jahre Zuchthaus« lautete<br />

das Urteil.<br />

Die erste Bluttat<br />

Im Mai 1913 brach der entlassene Sträfling in die Gastwirtschaft »Zum<br />

goldenen Roß« in Köln-Mühlheim ein. Er durchstöberte die Zimmer und<br />

stopfte sich die Taschen voll. In einem Raum traf <strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong> auf ein<br />

schlafendes Kind, die zehnjährige Tochter Christine des Gastwirtsehepaars<br />

Klein. Das Mädchen schreckte aus dem Schlaf und wollte schreien.<br />

<strong>Kürten</strong> hielt ihm den Mund zu, würgte es und schnitt ihm schließlich mit<br />

einem Taschenmesser die Kehle durch. Durch den Lärm erwachte die<br />

Mutter und stürzte nach nebenan. Sie kam zu spät. Doch der Mörder<br />

hatte ein Taschentuch mit seinen Initialen »P. K.« zurückgelassen.<br />

Und hier nun versagte die Polizei zum erstenmal – wie noch so oft bei<br />

den weiteren Untaten des Mordgesellen. Sie richtete ihren ausschließlichen<br />

Verdacht auf Paul Klein, den mit der Familie verfeindeten Bruder<br />

des Gastwirts. Weil dem Untersuchungsführer die Buchstaben »P. K.«<br />

auf dem Schnupftuch als stichhaltig genug erschienen, ließ er ihn verhaften.<br />

Zwar mußte Paul Klein mangels Beweisen freigesprochen werden<br />

– aber der Makel des angeblichen Nichtenmordes haftete ihm sein<br />

Leben lang an.<br />

<strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong> blieb indes nicht untätig. Er versuchte sich als Heiratsschwindler,<br />

steckte hier und da Erntewägen an und landete schließlich<br />

wieder im Zuchthaus.<br />

Ab 1921 trat eine überraschende Ruhepause ein. <strong>Kürten</strong> arbeitete in<br />

Altenburg in einer Maschinenfabrik, heiratete und baute sich allmählich<br />

eine kleinbürgerliche Existenz auf. 1925 zog die Familie nach Düsseldorf.<br />

In dem Haus, in dem niemand etwas von dem Vorstrafenregister<br />

wußte, galten die <strong>Kürten</strong>s als stille und bescheidene Mieter, die kein<br />

lautes Wort wagten und in voller Harmonie miteinander lebten.<br />

<strong>Kürten</strong> geht ins Kino<br />

Am 9. Februar 1929 zog <strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong> seinen grauen Mantel an, setzte<br />

einen weichen Hut mit breiter Krempe auf und ging ins Kino. Auf dem<br />

Rückweg bemerkte er ein Kind, die neunjährige Rosa Ohliger, die zu<br />

später Stunde noch allein auf der Straße spielte. Zufällig trug <strong>Kürten</strong><br />

54 • Das Geheimnis der drei Männer


eine große Scheiderschere in der Tasche. <strong>Der</strong> Blutrausch packte ihn. Er<br />

schlich sich von hinten an das Mädchen heran, stieß ihr die Schere in den<br />

Rücken und schleifte sie hinter eine Reklamewand. Danach schlenderte<br />

er in aller Ruhe nach Hause, holte eine Flasche Petroleum, übergoß die<br />

Leiche damit und zündete sie an. Nur mit Mühe und Not konnte er sich,<br />

wie er später aussagte, von dem Anblick losreißen, der ihm tiefe sexuelle<br />

Befriedigung verschaffte. Die leere Flasche mit seinen Fingerabdrücken<br />

ließ er achtlos liegen. Ein Polizist, der sie später fand, wischte sie mit<br />

einem Lappen ab, um sich nicht die Hände mit Petroleum zu beschmutzen.<br />

Drei Tage später rempelte ein betrunkener Invalide <strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong> kurz<br />

vor Mitternacht in einem Düsseldorfer Vorort an. Blitzschnell zückte der<br />

Mörder seine Schere und stach wie von Sinnen auf den alten Mann ein,<br />

der eine Böschung hinabrollte und dort verblutete. Am nächsten Morgen<br />

sperrte die Polizei den Tatort ab und drängte die Neugierigen zurück. Auf<br />

den Mann im schlichten grauen Mantel mit dem tief in die Augen gezogenen<br />

Hut achtete niemand.<br />

Die Polizei suchte fieberhaft nach dem Ungeheuer, währenddessen<br />

Kürtgen gemütlich am Kaffeetisch mit seiner Frau plauderte, ins Werk<br />

ging oder im Bett den Schlaf der Gerechten schlief.<br />

Am 11. August 1929 zog es ihn hinaus ins Grüne. Unterwegs lernte<br />

er eine unternehmungslustige und leichtsinnige Hausangestellte aus<br />

Bremen, Maria Hahn, kennen und legte sich mit ihr an den schattigen<br />

Rand eines Eichenwäldchens. Als Maria sich die Kleider ordnete, bohrte<br />

<strong>Kürten</strong> ihr die Schere in den Hals.<br />

Zwei Stunden danach kehrte er mit einem Spaten zurück, verscharrte<br />

die Leiche und fertigte eine Lageskizze an, die er nach einigen Monaten<br />

an die Polizei schickte.<br />

Die nächsten drei Mordanschläge mißlangen. Die Opfer, zwei Frauen<br />

und ein Mann, konnten schwer verletzt entkommen. Sie lieferten genaue<br />

Personenbeschreibungen. <strong>Kürten</strong> geriet in den Kreis der Verdächtigen.<br />

Ein Kriminalbeamter suchte ihn in der Wohnung auf. <strong>Der</strong> unscheinbare,<br />

stille Mann machte einen solch guten Eindruck auf ihn, daß er ihn<br />

von der Liste strich.<br />

<strong>Peter</strong> <strong>Kürten</strong>s Mordgier versiegte nicht mehr. Er brachte wahllos jeden<br />

um, den er an eine entlegene Stelle zerren konnte. Alter, Geschlecht<br />

oder Aussehen interessierten ihn nicht – ihm kam es auf den Mord des<br />

Mordens wegen an: Am 24. August 1929 fanden Bauern in einem Feld<br />

bei Flehe zwei kleine Mädchen mit durchtrennten Hälsen. Am 25. Au-<br />

Das Geheimnis der drei Männer • 55


gust wankte in Neuß die blutüberströmte Gertrud Schulte aus einem<br />

Gebüsch. Am 29. September starb die Hausangestellte Ida Reuter auf<br />

den Rheinwiesen an dreizehn Hammerschlägen. Die Polizei schickte<br />

Hunde los, doch sie verloren die Spur. Ein Herr im grauen Mantel beobachtete<br />

interessiert ihre vergeblichen Bemühungen.<br />

Die Prostituierte Elisabeth Dörrier stolzierte am 11. Oktober auf der<br />

Suche nach Kundschaft durch verschwiegene Gassen. Ein Mann sprach<br />

sie an und lupfte seinen Hut. Sie nickte, im selben Augenblick traf sie ein<br />

furchtbarer Hammerschlag an der rechten Schläfe. Elisabeth Dörrier<br />

starb einen Tag später im Krankenhaus. Als die Kriminalbeamten mit<br />

Spürhunden die enge Straße absuchten, mußten sie einen aufdringlichen<br />

Passanten mit weichem Hut verscheuchen, der sie allzu neugierig<br />

in ihrer Arbeit behinderte.<br />

Genau vierzehn Tage später bekamen zwei Frauen im Abstand weniger<br />

Stunden solch wuchtige Hammerschläge versetzt, daß nach dem<br />

letzten Überfall ein abgebrochener Stiel gefunden wurde. Beide überlebten<br />

wie durch ein Wunder.<br />

Die Liste ließe sich noch lange fortführen. Kaum eine Woche verging,<br />

in der die Zeitungen nicht von einem neuen Mord oder versuchten Totschlag<br />

berichteten. Obwohl die Kriminalpolizei durch Kollegen aus anderen<br />

Städten auf das Doppelte verstärkt worden war, gelang es ihr erst<br />

am 23. Mai 1930, nach einer gründlichen Durchsicht der Akten aller<br />

Verdächtigen, die Identität des Düsseldorfer Monstrums zu enthüllen.<br />

Und wieder passierte eine Panne: <strong>Kürten</strong> hörte die schweren Polizeistiefel<br />

die Stiegen hinaufpoltern und konnte noch im letzten Moment<br />

über den Dachboden flüchten.<br />

Das Monstrum wird gefaßt<br />

In der Nacht versteckte er sich in einem Gebüsch an den Rheinwiesen.<br />

Am nächsten Morgen ließ er seiner Frau durch einen Boten eine Nachricht<br />

überbringen, in der er sie um Geld bat. Als er sich am verabredeten<br />

Treffpunkt, dem Platz vor der Rochuskirche einfand, überwältigte ihn die<br />

Polizei, die mit Überfallkommandos das gesamte Stadtviertel hermetisch<br />

abgeriegelt hatte.<br />

Während der Verhöre nannte sich <strong>Kürten</strong> »Jack the Ripper«. Er habe<br />

eigentlich jeden Tag zwei Menschen ermorden wollen, sei jedoch dafür<br />

zu gutmütig gewesen, was er nun bedaure. Sorgfältig durchgeführte<br />

56 • Das Geheimnis der drei Männer


psychiatrische Untersuchungen erbrachten keinerlei Anzeichen einer<br />

Geisteskrankheit oder einer verminderten Zurechnungsfähigkeit.<br />

<strong>Der</strong> Prozeß verlief ohne Sensationen. Alle Beteiligten – vom Staatsanwalt<br />

bis zum Verteidiger – zeigten wenig Interesse daran, alle blutigen<br />

Einzelheiten bis ins letzte Detail auszubreiten. Außerdem legte <strong>Kürten</strong><br />

ein volles Geständnis ab.<br />

Am 2. Juli 1931 frühstückte <strong>Kürten</strong> mit großem Appetit, schrieb einige<br />

Zeilen zum Abschied an seine Frau sowie an die Hinterbliebenen seiner<br />

Opfer, in denen er um Entschuldigung für seine Taten bat. Er besuchte<br />

eine stille Messe, wenig später klappte dumpf das Messer der<br />

Guillotine.<br />

Das Geheimnis der drei Männer • 57

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