Privatrecht - Kallwass / Abels, Leseprobe
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§ 45. Unmöglichkeit 143<br />
Bei einem Kaufvertrag erhöhen sich die Rohstoffkosten infolge eines Atomreaktorunfalls<br />
in den bisherigen Ursprungsland auf das Fünffache.<br />
Diese Fälle der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ werden allerdings nicht als Fälle<br />
der Unmöglichkeit, sondern als Störungen der Geschäftsgrundlage verstanden und<br />
von § 313 erfasst. Der Schuldner hat also einen Anspruch auf Anpassung des Vertrags<br />
an die veränderten Umstände, notfalls ein Rücktrittsrecht.<br />
� Bitte lesen Sie § 313.<br />
Die Abgrenzung der praktischen Unmöglichkeit von der wirtschaftlichen Unmöglichkeit<br />
ist nicht einfach. Der Unterschied wird darin gesehen, dass § 275 II nur auf<br />
den Nutzen des Aufwands für den Gläubiger, § 313 dagegen auf die Beschwerlichkeit<br />
für den Schuldner abhebt. 6 Überlappungsfälle bleiben. In solchen Fällen geht<br />
§ 275 II als konkretere Regel vor.<br />
3. Unmöglichkeit wegen persönlicher Unzumutbarkeit<br />
§ 275 III sieht ein Leistungsverweigerungsrecht für den Fall einer persönlich zu erbringenden<br />
Leistung vor. In Betracht kommen vor allem Arbeits- und Dienstleistungen,<br />
aber auch Werk- und Geschäftsbesorgungsverträge, und es werden nicht<br />
nur objektive, sondern auch persönliche Umstände berücksichtigt. Hierzu wieder<br />
ein Schulfall:<br />
Eine Sängerin weigert sich aufzutreten, weil ihr Kind lebensgefährlich erkrankt ist.<br />
Auch hier gibt es Abgrenzungsprobleme zur Störung der Geschäftsgrundlage gem.<br />
§ 313, z.B. wenn in dem Schulfall das Kind schwer, aber nur vorübergehend erkrankt<br />
ist und eine Verlegung des Konzerts die beste Lösung wäre (Anpassung!).<br />
4. Die Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld<br />
Bei der im Handel, vor allem im Großhandel sehr weit verbreiteten Gattungsschuld<br />
ist die zu leistende Sache nicht konkret, sondern nur der Gattung nach bestimmt<br />
(§ 243 I). Das hat Konsequenzen für die sog. Leistungsgefahr.<br />
a) Marktbezogene Gattungsschuld<br />
Wenn der Schuldner zum Zwecke der Erfüllung Sachen angeschafft hat, diese Sachen<br />
aber vor der Erfüllung vernichtet worden sind, liegt keine Unmöglichkeit vor.<br />
Der Schuldner muss also Sachen aus der Gattung auf dem Markt erneut anschaffen:<br />
Er trägt die Leistungsgefahr. Dabei haftet er dafür, dass er die dazu erforderlichen<br />
finanziellen Mittel besitzt – jedenfalls bei der üblichen (marktbezogenen) Gattungsschuld.<br />
Beispiel:<br />
Ein Großhändler verkauft Spargel einer bestimmten Güteklasse an einen Supermarkt.<br />
Unmöglichkeit im Sinne von § 275 I könnte hier nur eintreten, wenn die<br />
ganze Gattung, d.h. die ganze Güteklasse unterginge.<br />
Praktisch liegt Unmöglichkeit aber auch dann vor, wenn die geschuldete Handelsware<br />
im Handel nicht mehr erhältlich ist. Die Beschaffung von Handelsware aus<br />
6 Regierungsentwurf zum Schuldrechtmodernisiesrungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S. 129 f.