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Europas Juden im Mittelalter - Speyer, Historisches Museum der Pfalz

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Handschriftenseite gewährt einen Blick in eine Jeschiwa, in <strong>der</strong> eine Gruppe Schüler sich um<br />

einen Lehrer schart, <strong>der</strong> auf einem thronartigen Stuhl sitzt.<br />

Die dritte berühmte Gesetzeskodifikation des <strong>Mittelalter</strong>s, die in <strong>der</strong> Ausstellung vertreten ist,<br />

ist das Werk des Jakob ben Ascher aus dem 13./14. Jh. mit dem Titel „Vier Reihen“. Der<br />

Titel „Vier Reihen“ ist eine Anspielung auf 2. Mose 28,17, wo von vier Reihen von<br />

Edelsteinen auf dem Gewand des Hohen Priesters die Rede ist. Praktisch bedeuten die<br />

„Reihen“ die inhaltliche Glie<strong>der</strong>ung des rabbinischen Rechts. Die erste „Reihe“ heißt „Weg<br />

des Lebens“ und bezieht sich auf Gesetze des Alltags und <strong>der</strong> Feiertage. Optisch umgesetzt<br />

wird <strong>der</strong> Inhalt des Buchs durch die Darstellung einer gotischen Synagoge und eines Kantors<br />

vor dem Toraschrein. Die zweite „Reihe“ hat die religiöse Praxis zum Thema. Deshalb wird<br />

das Buch durch die Abbildung einer rituellen Schlachtung illustriert. Der dritte Teil befasst<br />

sich mit dem jüdischen Eherecht. Bildlich wie<strong>der</strong>gegeben ist eine Hochzeitsszene. Das vierte<br />

Buch hat das Zivilrecht zum Inhalt und wird mit einer Gerichtsdarstellung eingeleitet.<br />

Arbeitsvorschläge:<br />

• Vergleicht die Position eines Rabbiners mit <strong>der</strong> eines christlichen Priesters! Welche<br />

Unterschiede gab es <strong>im</strong> <strong>Mittelalter</strong> und gibt es heute?<br />

• Welche Funktion hat eine Jeschiwa?<br />

• Welche Bedeutung hat Bildung <strong>im</strong> <strong>Juden</strong>tum und welche Auswirkungen hatte dies <strong>im</strong><br />

Vergleich zu ihrer Umgebung?<br />

• Wie unterschied sich die Jungen- von <strong>der</strong> Mädchenbildung?<br />

• Ma<strong>im</strong>onides ist bei <strong>der</strong> Darlegung und Begründung <strong>der</strong> biblischen Gesetze zur<br />

Schlussfolgerung gelangt, dass sie in den Anfängen Israels durchaus ihre Funktion hatten. In<br />

<strong>der</strong> Nachfolge dieser Ansicht hat Baruch Spinoza (17. Jh.) in seinem „Theologisch-Politischen<br />

Traktat“ die Konsequenz gezogen, dass mit dem Ende des Staates Israel, <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong><br />

biblischen Gesetze keinen Nutzen mehr habe und außer Kraft gesetzt sei.<br />

1. Welcher Konflikt musste sich aus dieser Sichtweise ergeben, wenn man<br />

berücksichtigt, dass das <strong>Juden</strong>tum die biblischen Rechtsgrundlagen auch auf den<br />

Alltag anwendet, also nicht zwischen religiösem und weltlichen Anwendungsbereich<br />

(auch z.B. <strong>im</strong> Erb- und Vermögensrecht) unterscheidet?<br />

2. Welche Meinung müsste Spinoza konsequenterweise in <strong>der</strong> heutigen Zeit vertreten?<br />

2.2.2.4 Tod, Bestattung, Friedhof 32<br />

Da die <strong>Juden</strong> daran glauben, dass Gott <strong>der</strong> Herr des Lebens ist, setzt er auch das Ende des<br />

Lebens fest und zwar er allein. Sein Urteil ist unantastbar und gerecht. Am offenen Grab<br />

sprechen die <strong>Juden</strong> deshalb folgendes Gebet.<br />

„Der Fels, vollkommen ist sein Tun, all seine Wege sind gerecht. Ein Gott <strong>der</strong> Treue, ohne Trug, gerecht und<br />

gerade .... Wer könnte ihm sagen: Was tust du? Der in <strong>der</strong> Tiefe und in <strong>der</strong> Höhe herrscht, er macht tot und<br />

lebendig, er führt zum Grabe hinab und führt auch herauf ...“. 33<br />

Da Gott allein <strong>der</strong>jenige ist, <strong>der</strong> über Leben und Tod best<strong>im</strong>mt, schließt das <strong>Juden</strong>tum jede<br />

Sterbehilfe aus.<br />

In <strong>der</strong> Antike fielen die jüdischen Bestattungen prachtvoller aus als <strong>im</strong> <strong>Mittelalter</strong>. Während<br />

man aus <strong>der</strong> Antike Grabanlagen in Höhlen kennt o<strong>der</strong> Katakombenbestattungen wie in Rom<br />

und sich Gebeinkisten und Sarkophage erhalten haben, setzte sich <strong>im</strong> Laufe <strong>der</strong> Zeit<br />

Erdbestattung in <strong>der</strong> Form durch, dass man Gräber aushob und das Grab durch einen<br />

Grabstein markierte. Verbrennung des Leichnams lehnte man ab in Erinnerung an die<br />

Bibelworte (Gen. 3,19):<br />

32 Lit.: Das <strong>Mittelalter</strong> (Kat. <strong>Museum</strong> <strong>Speyer</strong>), S.52; 78ff.: Übersetzungen <strong>der</strong> Grabinschrift von dort<br />

entnommen; Künzl, Jüd. Grabkunst, S.69ff.; dies., Jüd. Kunst, S.32ff.; 204ff.; Lau, S.341ff.; Metzger, S.79;<br />

238ff.; Stemberger, S.101ff.; zum jüd. Kalen<strong>der</strong>: Hannover, S.114ff.<br />

33 Stemberger, S.103/4<br />

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