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Europas Juden im Mittelalter - Speyer, Historisches Museum der Pfalz

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Auch in einem weiteren Pergament geht es um den A<strong>der</strong>lass (1396/7 aus Deutschland). Die<br />

Schrift ist hebräisch, <strong>der</strong> Text enthält jedoch viele jiddische Wörter, womit er zu den ältesten<br />

Zeugnissen für das Jiddische zählt. Auch ein handschriftlich verfasstes Rezept- und<br />

Therapiebuch von 1474 liegt in <strong>der</strong> Ausstellung vor. Die Sammlung beginnt allerdings erst<br />

mit <strong>der</strong> Nummer 261, <strong>der</strong> vorangegangene Teil fehlt. Über den jüdischen Kenntnisstand in<br />

Kräuterkunde und Pharmazie gibt ein hebräisch medizinisches Herbarium Auskunft<br />

(Italien, um 1500), in dem Heilpflanzen abgebildet und beschrieben werden mit Aussagen<br />

darüber, welche Teile <strong>der</strong> Pflanze - Blätter, Blüten, Wurzeln o<strong>der</strong> Rinde - eine entsprechende<br />

Heilwirkung erzielen. Eine medizinische Abhandlung (15. Jh.) aus <strong>der</strong> Provence ist sowohl<br />

in Hebräisch als auch in Romanze abgefasst, dem frühen romanischen Dialekt, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong><br />

iberischen Halbinsel gesprochen wurde. Geschmückt ist die Handschrift mit Blumen und<br />

Tiermotiven.<br />

Die Hochburgen <strong>der</strong> Medizin waren <strong>im</strong> <strong>Mittelalter</strong> in Toulouse, Montpellier, Bologna, wo<br />

man die Kenntnisse <strong>der</strong> Araber studierte und tradierte. Ein Zentrum <strong>der</strong> Chirurgie war Paris.<br />

Im <strong>Mittelalter</strong> wurde die Chirurgie, die in Antike hohes Ansehen genossen hatte, wenig<br />

gepflegt und geschätzt. Man überließ sie den Ba<strong>der</strong>n und betrachtete die chirurgische Kunst<br />

eher als ein Handwerk, das man auf Jahrmärkten feilbot. Grund für die Geringschätzung <strong>der</strong><br />

Chirurgie war das kirchliche Verbot 63 für Kleriker und Mönche, die die damalige<br />

Bildungsschicht darstellten und die medizinischen Traktate in lateinischer und griechischer<br />

Sprache lesen konnten, sich chirurgisch zu betätigen. Erst allmählich fand die Chirurgie die<br />

Beachtung, die sie verdiente, und wurde zu einer Disziplin, die man wissenschaftlich betrieb.<br />

In <strong>der</strong> Ausstellung sind Chirurgenbestecke zu sehen: z.B. Schabeisen, die damals<br />

Anwendung be<strong>im</strong> Ablösen <strong>der</strong> Kopfhaut fanden, und Nadeln zum Vernähen von Wunden.<br />

Zu den weltlichen Wissenschaften, die über die Araber vermittelt wurden, gehörten die<br />

Mathematik und die Astronomie. Die Astronomie als Wissenschaft und die Astrologie, <strong>der</strong><br />

Glaube, dass <strong>der</strong> Mensch unter dem Einfluss <strong>der</strong> Gestirne steht, waren <strong>im</strong> <strong>Mittelalter</strong> nicht<br />

zwei voneinan<strong>der</strong> getrennte Gebiete, son<strong>der</strong>n gehörten zusammen. Nur Ma<strong>im</strong>onides<br />

bezeichnete die Astrologie als Betrug. In Astronomie und Astrologie waren die <strong>Juden</strong><br />

führend. Gezeigt wird in <strong>der</strong> Ausstellung ein Astrolabium von 1029 aus Spanien und eines<br />

von ca. 1300 aus Nordafrika o<strong>der</strong> Spanien. Das Astrolabium war seit dem 10. Jh. <strong>im</strong><br />

Abendland bekannt. Das Instrument stellt die H<strong>im</strong>melskugel zweid<strong>im</strong>ensional dar. Der<br />

irdische Horizont - für jeweils eine best<strong>im</strong>mte geografische Breite - wird auf fest stehenden<br />

Scheiben fixiert und von einer drehbaren Scheibe überlagert, die den H<strong>im</strong>mel repräsentiert<br />

mit Tierkreiszeichen und Zeigern für ausgewählte Fixsternpositionen. Auf <strong>der</strong> Rückseite ist<br />

ein Zeiger mit Visiereinrichtung zur Ermittlung <strong>der</strong> Höhe von Gestirnen. Mit Hilfe des<br />

Astrolabiums kann man Tages- und Nachtstunden, Gestirnpositionen, was wichtig für die<br />

Seefahrt war, aber auch geodätische Daten ermitteln, wie Höhe und Tiefe irdischer<br />

Formationen wie Täler, Berge, Brunnen. Das Prinzip <strong>der</strong> Sternenmessung geht auf den<br />

Griechen Hipparch (2. Jh. v. d. Z.) zurück. Die Araber haben, da sie die griechischen<br />

Schriften übersetzten, dieses Prinzip überliefert. Die erste bekannte Abhandlung über das<br />

Astrolabium wurde von dem jüdischen Wissenschaftler Masha´allah aus Basra um 800<br />

verfasst. Jüdische und musl<strong>im</strong>ische Astronomen arbeiteten an <strong>der</strong> Verbesserung des<br />

Astrolabiums in Spanien. Aus dem 14. Jh. stammt eine Sammlung astronomischmathematischer<br />

Abhandlungen. Es handelt sich dabei um verschiedene Tabellen aus dem<br />

13. und 14. Jh., die die Umrechnung jüdischer Zeitangaben auf den christlichen Kalen<strong>der</strong> und<br />

umgekehrt mit Merkversen und Skizzen erleichtern sollen. Wenn man in einer christlichen<br />

Umwelt lebte, war es gut zu wissen, wann die Christen ihre Feiertage hatten, damit jüdische<br />

Feste nicht zu offen in Konkurrenz zu ihnen traten. Sog. „Handtafeln“, auf denen zwei Hände<br />

63 so 1215 auf dem IV. Laterankonzil ausgesprochen<br />

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