Europas Juden im Mittelalter - Speyer, Historisches Museum der Pfalz
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aus Paris, die aus Bronze hergestellt, innen in vier Fächer für verschiedene Gewürze<br />
unterteilt und außen mit Edelsteinen geschmückt ist. Gegen Ende des <strong>Mittelalter</strong>s kam die<br />
Turmform für die Besam<strong>im</strong>büchsen auf. Eine so gestaltete Büchse aus Norditalien wird aus<br />
dem 15. Jh. gezeigt. Möglicherweise war für die Formgebung die christliche Monstranz<br />
Vorbild. Das wird in gewisser Weise von einem Frankfurter Silberschmied bestätigt, <strong>der</strong> 1550<br />
von <strong>der</strong> Herstellung einer „<strong>Juden</strong>monstranz“ spricht. Der norditalienische Gewürzbehälter<br />
weist oben an <strong>der</strong> Turmspitze eine Kugel mit Kreuz auf, dieser Zusatz wurde später<br />
hinzugefügt, wahrscheinlich um die Büchse in ein Reliquiar umzuwandeln.<br />
Am Schabbat ist es wesentlich, dass sich die Familie, auch mit Gästen, zusammen <strong>im</strong> Haus<br />
am Tisch zum gemeinsamen Mahl versammelt. Es ist die Zeit, wo man miteinan<strong>der</strong> spricht<br />
und sich über alles austauschen kann. Heutzutage werden die Jugendlichen den Samstag gern<br />
mit ihren Freunden verbringen und die Gemeinden bieten auch für die Jugend Extraaktivitäten<br />
an, z.B. Diskussions- und Erholungsprogramme. Seit <strong>der</strong> Zerstörung des Tempels in<br />
Jerusalem sind <strong>im</strong>mer mehr religiöse Zeremonien auf den häuslichen Bereich übertragen<br />
worden. Der Tisch ersetzt praktisch den Altar. Für den Vollzug <strong>der</strong> häuslichen Zeremonien ist<br />
die Frau zuständig. Der Frau, die nicht den Gottesdienst in <strong>der</strong> Synagoge wie die Männer<br />
besuchen muss, obliegt die häusliche Frömmigkeit und die Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> <strong>im</strong> Glauben.<br />
Die strikte Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau erscheint uns heute in Anbetracht<br />
des Wunsches nach Gleichberechtigung nicht leicht verständlich. Sie leitet sich aus <strong>der</strong><br />
untergeordneten Rechtsstellung <strong>der</strong> Frau <strong>im</strong> Altertum her. Dass die Frau ihren religiösen<br />
Verpflichtungen nicht in <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>der</strong> Synagoge nachgehen muss, begründet sich aus<br />
<strong>der</strong> aufwändigen Haushaltsführung (Vorratshaltung, Speisenzubereitung, auch<br />
Klei<strong>der</strong>herstellung), zu <strong>der</strong> sie aufgrund <strong>der</strong> Glaubensvorschriften angehalten ist.<br />
In <strong>der</strong> Synagoge versammelt sich die Gemeinde am Freitagabend, am Samstagmorgen und am<br />
späten Samstagnachmittag zum Gottesdienst. Die unabdingbare Voraussetzung für einen<br />
Gottesdienst ist die Anwesenheit von zehn Männern. Man nennt dies einen Minjan. Als Mann<br />
gilt man ab 13 Jahren. Die Zeremonie <strong>der</strong> Bar Mizwa ist das äußere Zeichen <strong>der</strong> religiösen<br />
Mündigkeit. In <strong>der</strong> Synagoge übernehmen Gemeindemitglie<strong>der</strong> ehrenvolle Aufgaben, z.B. das<br />
Vorlesen aus <strong>der</strong> Tora. Bei <strong>der</strong> Bar Mizwa wird <strong>der</strong> 13-jährige Junge an den auf seinen 13.<br />
Geburtstag folgenden Schabbat auch zum ersten Mal zur Toralesung aufgefor<strong>der</strong>t.<br />
Die Lesung <strong>der</strong> Tora wird über das Jahr in Wochenabschnitte eingeteilt, so dass in einem Jahr<br />
die ganze Tora gelesen wird. Im aschkenasischen Raum bildete sich eine best<strong>im</strong>mte Art <strong>der</strong><br />
musikalisch betonten Bibellesung und <strong>der</strong> Gebetsmelodien heraus. In <strong>der</strong> Synagoge werden<br />
am Schabbat, aber auch an den jüdischen Festen Psalmen vorgetragen, die Gott preisen sollen.<br />
Sie werden mit dem hebräischen Wort Hallel („Lobpreis“) bezeichnet. Daher kommt auch das<br />
<strong>im</strong> Christentum bekannte Hallelujah, was so viel heißt wie „Lobt Jahwe/Gott“.<br />
Vor Beginn <strong>der</strong> häuslichen Schabbatzeremonie muss die Frau alle Mahlzeiten bereitet haben.<br />
Der Tisch ist festlich gedeckt, das Haus ist ordentlich geputzt. Nicht nur das Haus soll<br />
gepflegt sein, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Mensch. Er soll vor Beginn des Schabbats gebadet o<strong>der</strong><br />
geduscht haben. Bevor <strong>der</strong> Schabbatgottesdienst in <strong>der</strong> Synagoge beginnt, zündet die Frau zu<br />
Hause die Schabbatkerzen an. Die Kerzen erinnern an die ursprüngliche Beleuchtung, als man<br />
noch kein elektrisches Licht kannte. Die Zeit des Sonnenuntergangs ist je nach Jahreszeit und<br />
Ort verschieden, so dass auch <strong>der</strong> Schabbatbeginn nicht an jedem Ort gleich ist. In Bezug auf<br />
die Zahl <strong>der</strong> Kerzen, die entzündet werden, gibt es zwei Gepflogenheiten. Entwe<strong>der</strong> zündet<br />
man zwei Kerzen an. Diese stehen für die beiden Gebote: „Gedenke des Sabbats“ und „Halte<br />
ihn heilig“ o<strong>der</strong> man n<strong>im</strong>mt für die Kerzen eine Anzahl, die <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Familienmitglie<strong>der</strong><br />
entspricht. Zu Beginn des Schabbatmahls füllt <strong>der</strong> Vater den Becher mit Wein zum Kiddusch,<br />
dazu liest er 1. Mose 2,1-3 vor. Danach segnet er den Wein und den Schabbat. Der Becher mit<br />
Wein macht am Tisch die Runde und auch die Kin<strong>der</strong> dürfen etwas Wein trinken. Neben dem<br />
Wein, <strong>der</strong> bei jüdischen Festen <strong>im</strong>mer eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielt, ist auch das Brot von<br />
beson<strong>der</strong>er Bedeutung. Unter einer bestickten Decke liegen zwei weiße Schabbatbrote. Dass<br />
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