Ein Lob der Unvernunft - Biss
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intern<br />
Wir sind so frei<br />
„Die Zeitschrift ,BISS - Bürger in sozialen Schwierigkeiten‘ ist von niemandem<br />
abhängig und nur einem seriösen Journalismus und den Zielen <strong>der</strong> Vereinssatzung<br />
verpflichtet.“ So steht es in unseren Statuten, und so ist es. Diese<br />
Freiheit ist hart erarbeitet. Wir haben von Anfang an unsere Zeitschrift<br />
gegen alle freundlichen und feindlichen „Übernahme-Angebote“ verteidigt<br />
und nicht bei einem großen Träger Unterschlupf gesucht. Auch wenn wir in<br />
verkaufsschwächeren Monaten manchmal heimlich nach öffentlichen Gel<strong>der</strong>n<br />
für unser Fachpersonal geschielt haben, so kam diese Möglichkeit doch<br />
nie ernsthaft in Betracht. Lieber sind wir ein kleiner Verein mit großer Verantwortung<br />
und großer Freiheit geblieben.<br />
Mit meiner ausgeprägten Freiheitsliebe hängt wohl auch meine ausgeprägte<br />
Arbeitsliebe zusammen. (Nein, nicht Arbeitswut, Arbeitsliebe ist das<br />
Wort!) Denn Freiheit kann man sich bis zu einem gewissen Grad durch Leistung<br />
„erkaufen“. Wer seine Arbeit ordentlich macht, hat mehr Freiräume.<br />
Das ist auch bei BISS so. Ordentliche, gute Verkäufer haben bei uns einen<br />
größeren Freiraum als jene, die man immer wie<strong>der</strong> ermahnen und anschieben<br />
muss. Wem man zutraut, dass er sein Verkaufssoll auch nachträglich erfüllt,<br />
<strong>der</strong> kann beispielsweise im Februar freinehmen, obwohl <strong>der</strong> offizielle<br />
Urlaubsmonat für angestellte BISS-Verkäufer <strong>der</strong> August ist. <strong>Ein</strong>e Freiheit,<br />
die je<strong>der</strong> BISS-Verkäufer hat, ist die, sein Geld auszugeben, wie er mag. Wer<br />
seine Miete bezahlt und seine sonstigen Verpflichtungen erledigt hat, muss<br />
we<strong>der</strong> seinen Kunden noch seiner augenrollenden Chefin erklären, warum<br />
es sinnvoll war, das ganze Ersparte für einen Flachbildschirm auszugeben.<br />
Als neulich eine Firma ihre künftige Spende an spezielle Bedingungen<br />
knüpfen wollte, war ich so frei und habe blutenden Herzens auf das Geld<br />
verzichtet. Wir sind jedem Spen<strong>der</strong> wirklich dankbar, aber in unser Geschäft<br />
können wir uns nicht dreinreden lassen. Trotzdem bemühe ich mich<br />
sehr, dazuzulernen, was „marketingtechnische Ansätze“ und Sponsoring<br />
betrifft. Denn bei unserem geplanten Projekt Hotel BISS (siehe Seite 23) gehen<br />
wir ganz neue Wege. Wir verkaufen zwar auch dabei nicht unsere Seele,<br />
aber sonst alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Vom Gefängnisgitter bis<br />
zur Namensgebung für eine Suite ist später alles in unserem Angebot! Wir<br />
werden uns gemeinsam mit allen Unterstützern und Freunden noch mal ins<br />
Zeug legen und alles tun, damit Hotel BISS Wirklichkeit wird. Denn dann<br />
können im Laufe <strong>der</strong> Jahre viele ehemals benachteiligte junge Menschen mit<br />
einer erstklassigen Berufsausbildung ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben<br />
finden. Und dann sind sie nicht mehr draußen, son<strong>der</strong>n drinnen – nämlich<br />
in <strong>der</strong> Gesellschaft und nicht im Knast!<br />
Es grüßt Sie ganz herzlich<br />
Foto: Barbara Donaubauer