Luthergemeinde Mainz Friedrich-Naumann-Straße 20 55131 Mainz ...
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doch noch insofern einbezogen, als hier das<br />
Evangeliar vor und nach der Eucharistiefeier<br />
ausliegt. Der Umgang mit dem Werk ist<br />
beispielhaft für Konflikte, die Kunst in ihrer<br />
Form- und Aussagefreiheit mit festgeschriebenen<br />
Vorstellungen und Praktiken von Religionsgemeinschaften<br />
haben kann.<br />
Von religiöser Kunst abzugrenzen ist jene<br />
Kunst, die sich mit Religion auseinander<br />
setzt, selbst aber keine religiösen Inhalte vermitteln<br />
oder aber Teil einer religiösen Praxis<br />
sein will. Ein gutes Beispiel dafür ist das<br />
Ausstellungsprojekt »The Poverty of Riches«<br />
von Andrea Büttner (geb. 1972) – einer<br />
Künstlerin, die in <strong>Mainz</strong> an der Kunsthochschule<br />
lehrt und die auf der dOCUMENTA<br />
(13) vertreten ist. Büttner erhielt den Max<br />
Mara Art Prize for Women, der ihr im Jahr<br />
<strong>20</strong>10 einen längeren Aufenthalt in Italien ermöglichte.<br />
In dieser Zeit besuchte sie Klöster<br />
von Bettelorden und setzte sich mit italienischer<br />
Kunst auseinander. Büttner hatte<br />
sich bereits zuvor in London mit dem Leben<br />
einer zurückgezogenen Ordensgemeinschaft<br />
befasst. Büttner nennt zwei Aspekte, die bei<br />
ihren Studien in den Klöstern zentral waren:<br />
die selbst gewählte Armut und der Umgang<br />
mit Scham. In ihrer Ausstellung »The Poverty<br />
of Riches« (Whitechapel Gallery, London<br />
und Collezione Maramotti, Reggio Emilia)<br />
präsentierte Büttner Werke in unterschiedlichen<br />
Medien. Motivisch befasste sie sich<br />
unter anderem mit Stoffen. Büttner präsentierte<br />
beispielsweise einen schlichten Tisch<br />
mit Tischdecke und aufgelegter Glasplatte.<br />
Auf diesem legte sie Fotos von ihren Aufenthalten<br />
in den Klöstern aus, Postkarten<br />
sowie Abbildungen von Kunstwerken der<br />
Kunstrichtung der Arte Povera (der »armen<br />
TITELTHEMA<br />
9<br />
Kunst«) und ihrer Vorläufer, die ästhetische<br />
Bezüge deutlich werden lassen. Der Tisch<br />
selbst erinnert von seiner Ästhetik an einen<br />
Altartisch in einem der Klöster, der durch<br />
ein Foto dokumentiert ist. Für ein anderes<br />
Kunstwerk spannte Büttner einfarbige<br />
Stoffe einfacher Arbeitskleidung in unterschiedlichen<br />
Farbtönen auf Keilrahmen auf<br />
und schuf damit eine Reihe monochromer<br />
Bilder, die aus »armen« Materialien bestehen<br />
und dennoch eine große Leuchtkraft besitzen.<br />
Außerdem schuf sie eine Reihe großformatiger<br />
Holzschnitte und bediente mit dem<br />
Holzschnitt ein Medium, das in der zeitgenössischen<br />
Kunst aus der Mode gekommen<br />
ist, aber in klerikalen Kreisen nach wie vor<br />
größere Verbreitung findet. Ein zweiteiliger<br />
Holzschnitt trägt den Titel »Man with Fabric«.<br />
Die beiden Blätter zeigen in schlichten<br />
Umrisslinien einen Mann, der ein Stück<br />
Stoff auf dem Boden ausbreitet. Dieses Motiv<br />
fand Büttner in einem Fresko von Giotto:<br />
Menschen huldigen Jesus bei seinem Einzug<br />
in Jerusalem durch unterschiedliche Gesten<br />
– unter anderem durch das Ausbreiten von<br />
Stoffbahnen.<br />
Büttners Annäherungen an die Religion<br />
sind subtil: Die Künstlerin wendet sich der<br />
Lebensweise religiöser Institutionen zu, die<br />
zu einer bestimmten Ästhetik führt, und<br />
untersucht Gefühle, die damit verbunden<br />
sind.<br />
Irene Schütze