Ärzteblatt Sachsen 06/2004 - Sächsische Landesärztekammer
Ärzteblatt Sachsen 06/2004 - Sächsische Landesärztekammer
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Kammerversammlung<br />
(Knut Köhler, M. A., Referent für Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit)<br />
Wie jedes Jahr kamen die Mandatsträger der <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landesärztekammer</strong><br />
auch zweimal im Jahr 2003 in der Kammerversammlung<br />
zusammen. Die Kammerversammlung beschließt<br />
grundsätzliche Angelegenheiten wie Satzungen, Ordnungen sowie<br />
Haushalt und berät aktuelle Schwerpunktthemen. Als oberstes<br />
Organ der <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landesärztekammer</strong> entlastet sie den<br />
Vorstand und die Geschäftsführung aufgrund des vorgelegten<br />
Jahresberichtes und der Jahresabrechnung. Die Versammlungen<br />
fanden vom 27. bis 28. Juni und am 15. November 2003 statt.<br />
13. <strong>Sächsische</strong>r Ärztetag / 28. Kammerversammlung<br />
Zum 13. <strong>Sächsische</strong>n Ärztetag wählten die Mandatsträger den<br />
Vorstand und den Präsidenten für die Wahlperiode 2003–2007.<br />
Das Wahlergebnis wurde im „<strong>Ärzteblatt</strong> <strong>Sachsen</strong>“, Heft 07/2003,<br />
veröffentlicht.<br />
Gesundheitspolitik<br />
Im Hauptreferat des Präsidenten der <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landesärztekammer</strong>,<br />
Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze, ging es um das aktuelle<br />
Thema „Die Zukunft der Medizin im Spannungsfeld von<br />
Selbstverwaltung und Fremdbestimmung“. Vor dem Hintergrund<br />
der anstehenden Gesundheitsreform in Deutschland<br />
machte Prof. Dr. Jan Schulze die Bedeutung der Selbstverwaltung<br />
deutlich. Die sächsische Ärzteschaft ist bereit zu einer umfassenden<br />
Reform, solange die Selbstverwaltung erhalten bleibt<br />
und die Berufsfreiheit gesichert wird. Zugleich muss eine Verbesserung<br />
der medizinischen Versorgung die Hauptzielrichtung<br />
einer Strukturreform sein. Aber die angedachten Maßnahmen<br />
im Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz sind nur auf eine<br />
Verbesserung der finanziellen Basis für die gesetzlichen Krankenkassen<br />
ausgerichtet. Prof. Dr. Jan Schulze wies darauf hin,<br />
dass die Einnahmebasis im Gesundheitssystem mit Sicherheit<br />
verbessert werden muss, wenn man weiterhin eine wohnortnahe,<br />
gute medizinische Betreuung wünscht. Dennoch handelt<br />
es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, weil die hohe<br />
Arbeitslosigkeit sowie die gestiegene Lebenserwartung der Bevölkerung<br />
in Deutschland zu der Einnahmeschwäche der Sozialsysteme<br />
beitragen.<br />
Ein schlechtes Beispiel für eine Verbesserung der medizinischen<br />
Versorgung ist das praktizierte Verfahren zur Einführung<br />
von Disease Management Programmen. Fachlich vollkommen<br />
unterentwickelt, in den Erfolgen nicht validiert und mit der<br />
Kopplung an den Risikostrukturausgleich (RSA) bilden diese<br />
Programme einen Höhepunkt an fachlicher Inkompetenz der<br />
Politik. Grundsätzlich sind Ärzte für eine integrierte Versorgung<br />
chronisch Kranker. Doch trotz berechtigter fachlicher Bedenken<br />
wurden die DMP auf den Weg gebracht. Die Versorgung von<br />
zum Beispiel Diabetes-Patienten in <strong>Sachsen</strong> wird mit der Einführung<br />
von DMP schlechter. Auf „Wunsch“ des Bundesversicherungsaufsichtsamtes<br />
mussten zudem wichtige medizinische<br />
Zielwerte aus den Vertragsentwürfen gestrichen werden, damit<br />
Aussicht auf Zulassung besteht und das Geld aus dem RSA<br />
fließt. Wieder siegt die Bürokratie über den medizinischen<br />
Sachverstand.<br />
Die Diagnoseorientierten Fallpauschalen (DRG) an Krankenhäusern<br />
bedürfen ebenfalls einer dringenden fachlichen Nachbesserung.<br />
Die auftretenden Probleme hinsichtlich Zeitplan und<br />
Krankheitsbildern wurden frühzeitig und noch vor der Einführung<br />
dieser Fallpauschalen dargelegt, doch war die Politik<br />
nicht bereit, auf Bedenken einzugehen. Damit Krankheitsbilder<br />
besser abgebildet werden können und damit am Krankenhaus<br />
zum Beispiel auch die Palliativmedizin adäquat bezahlt und<br />
Schwerstverletzte umfassend behandelt werden können, müssen<br />
Nachbesserungen erfolgen. Weiterhin sollte die Einführungsphase<br />
auf fünf Jahre verlängert werden, um den beteiligten Krankenhäusern<br />
und vor allem den Ärzten die Umstellung ohne negative<br />
Auswirkungen auf die Patienten möglich zu machen.<br />
Zu weiteren strittigen Punkten der angestrebten Gesundheitsreform<br />
gehören:<br />
– die Stärkung der Krankenkassen,<br />
– der Aufbau neuer Versorgungsstrukturen sowie<br />
– zu enge Vorschriften für die medizinische Behandlung und<br />
– die steigende Bürokratie in den Arztpraxen.<br />
Ein „Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin“ war fester<br />
Bestandteil des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes.<br />
Dieses Zentrum soll Maßstäbe für die medizinische Behandlung<br />
entwickeln und überprüfen. Gleichzeitig sollen verbindliche<br />
Empfehlungen für die ärztliche Fortbildung gegeben werden,<br />
welche dann einzuhalten und auch nachzuweisen sind, sonst<br />
droht der Entzug der Zulassung. Ein Nutzen durch das Qualitätszentrum<br />
ist aber nicht zu erwarten. In Großbritannien entstehen<br />
dem Staat Kosten von jährlich 930 Millionen Euro nur für die<br />
Bewertung von Arzneimitteln durch das dortige Institut. Der<br />
Zugang zu innovativen Medikamenten wird für Patienten erheblich<br />
erschwert. Eine unannehmbare Einmischung in die ärztliche<br />
Berufsfreiheit ist auch die geplante Vorgabe von Fortbildungsinhalten<br />
sowie die damit verbundene Rezertifizierung.<br />
Der Ärztemangel in ländlichen Gebieten gehört zu einem Dauerthema,<br />
weil er in <strong>Sachsen</strong> jetzt schon spürbar ist. Ärzte gehen in<br />
den Ruhestand und finden keinen Nachfolger. Die Praxis<br />
schließt, die Patienten müssen sich in immer größerer Entfernung<br />
einen neuen Arzt suchen. Aus fast allen Kreisärztekammern kommen<br />
ähnliche Meldungen oder persönliche Briefe. Auch die eigenen<br />
Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. Die so genannten<br />
Reformen werden die Situation verschärfen. Seit Jahren<br />
bemüht sich die <strong>Sächsische</strong> <strong>Landesärztekammer</strong> auf allen politischen<br />
Ebenen um die Lösung dieser Generationenaufgabe. Im<br />
Freistaat haben sich ab 2001 Politik, Krankenkassen und Körperschaften<br />
in Arbeitsgruppen zusammengefunden, um Strategien<br />
zu erarbeiten. Lösungsmöglichkeiten reichen von Landarztzulagen<br />
bis hin zu zinslosen Praxiskrediten. Die älteren Kollegen sind<br />
ausgebrannt. Rund 47 leerstehende Arztpraxen gibt es bereits in<br />
<strong>Sachsen</strong>. Bessere Rahmenbedingungen, wie eine gleichwertige<br />
Vergütung und angemessene Arbeitszeiten, damit die jungen<br />
Ärzte in <strong>Sachsen</strong> bleiben, sind notwendig. Auf Bundesebene sieht<br />
man das Problem nicht. Es ist an der Zeit, das Arbeitszeitgesetz<br />
an das europäische Recht anzupassen. Es ist an der Zeit, 14 Jahre<br />
nach der politischen Wende, für mehr Leistung eine angemessene<br />
finanzielle Vergütung zu erhalten. Die Abschaffung des „Arzt im<br />
Praktikum“ und die Modernisierung des Studiums sind nur kleine<br />
Schritte, die bei der Politik durchgesetzt wurden. Es bedarf sehr<br />
viel mehr Anstrengungen, damit es in weniger als zehn Jahren<br />
keinen Versorgungsnotstand in <strong>Sachsen</strong> zu verzeichnen gibt.<br />
236 <strong>Ärzteblatt</strong> <strong>Sachsen</strong> 6/<strong>2004</strong>