Intelligentes Wissen zu erwerben, ist <strong>und</strong> bleibt <strong>die</strong> wichtigste Aufgabe des Bildungssystems,des Ausbildungssystems <strong>und</strong> des lebenslangen <strong>Lernen</strong>s. Es gibt keine herausragendeKompetenz auf anspruchsvollen Gebieten ohne ausreichendes inhaltlichesWissen. Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand der Kognitionswissenschaftenkann es keine Zweifel geben, dass es zum Scheitern veurteilt ist, wenn mandurch formale Techniken des <strong>Lernen</strong> lernens oder mit Hilfe einiger weniger Schlüsselqualifikationenfehlendes oder mangelhaftes inhaltliches Vorwissen kompensierenwollte.Intelligentes Wissen ist nicht reines Faktenwissen. Die Hauptstadt von Ecuador z. B.muss man in der Regel nicht auswendig kennen. Unter intelligentem Wissen ist einwohlorganisiertes, disziplinär, interdisziplinär <strong>und</strong> lebenspraktisch vernetztes Systemvon flexibel nutzbaren Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnissen <strong>und</strong> metakognitivenKompetenzen zu verstehen. Sowohl Voraussetzung als auch Resultat ist ein sachlogischaufgebautes, systematisches, inhaltsbezogenes <strong>Lernen</strong>, das gr<strong>und</strong>legendeKenntnislücken, Verständnisdefizite <strong>und</strong> falsche Wissenselemente vermeidet.Intelligentes Wissen, das anschlussfähig sein soll für lebenslanges <strong>Lernen</strong> <strong>und</strong> das<strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage des lebenslangen <strong>Lernen</strong>s darstellt, muss in systematischer Weiseerworben werden. Daher kann es nicht in <strong>die</strong> Beliebigkeit des einzelnen Schülersgestellt sein, <strong>die</strong>ses Wissen zu erwerben, sondern es erfordert <strong>die</strong> Verantwortlichkeitauf Seiten des Lehrers. Es erfordert eine Unterrichtsmethode, <strong>die</strong> lehrergesteuert,aber schülerzentriert ist.Dazu muss <strong>die</strong> einzelne Lehrerin <strong>und</strong> der einzelne Lehrer prüfen, welche relevantenVoraussetzungen <strong>ihre</strong> Schüler zu Beginn des Unterrichts eigentlich haben. MancheLehrer halten Unterricht <strong>und</strong> wissen gar nicht, auf welcher Basis des Vorwissens sieunterrichten. Wenn man <strong>die</strong> <strong>Mathematik</strong>leistungen mancher Klassen überprüft, stelltman fest, dass einige Schüler Defizite von zwei bis zu vier Schuljahren haben. Wieerfolgreich kann ein Unterricht sein, der sich an einen Schüler wendet, der solcheDefizite hat? Wie soll das neue Wissen, wie sollen <strong>die</strong> neuen Informationen, wie solldas neue Verständnis eigentlich erworben werden in einem solchen Steinbruch vonWissen?Aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong>e sind <strong>die</strong> gelegentlich propagierten Übertragungen aller Verantwortlichkeitenfür das <strong>Lernen</strong> auf <strong>die</strong> lernenden Schüler keine angemessene, sondernmeiner Meinung nach eine falsche, sogar eine gefährliche Methode. Es gibtkein <strong>Lernen</strong>, ohne dass Schüler aktiv sind, aber <strong>die</strong>ses aktive - nicht das passive,schläfrige! - <strong>Lernen</strong> muss zum Teil vom Lehrer gesteuert werden.Ein letzter Satz in <strong>die</strong>sem Zusammenhang: Vieles von dem, was gelernt werdenmuss, wird "lustvoll" gelernt. Es wird Verknüpfungen zwischen Vergnügung <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong>geben. <strong>Lernen</strong> wird einerseits vergnügt <strong>und</strong> spielerisch sein <strong>und</strong> andererseitswie immer eine große, ernsthafte Anstrengung von allen Heranwachsenden verlangen.2. Man hat der Schule seit jeher vorgeworfen, dass Schüler zu wenig ihr Wissen inpraktischen Situationen anwenden können. Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern beklagenseit vielen Jahren, dass praktisch innerhalb der einzelnen Betriebe nochmalseine Neuvermittlung großer Teile des Wissens stattfinden müsse, um <strong>die</strong>ses eher6
systematische Wissen zum anwendungsbezogenen Wissen <strong>und</strong> Können zu machen.Das hat sich leider wissenschaftlich als richtig erwiesen (Abb. 4).2. BildungszielErwerb anwendungsfähigen Wissensdurchsituationsspezifische Erfahrungenerforderthorizontalen Lerntransferwird begünstigt durchsituationsspezifisches <strong>Lernen</strong>wird erleichtert durchProjektunterrichtEin geschlossenes System von Wissen im Kopf zu haben sorgt nicht dafür, dass <strong>die</strong>sesWissen in unterschiedlichen Situationen angewandt werden kann. Dies hat inAmerika zu einem sehr intensiven Streit geführt, ob wir denn überhaupt noch systematischesWissen in den Schulen vermitteln sollten, oder ob Schülerinnen <strong>und</strong> Schülernicht besser anwendungszentriertes <strong>und</strong> situationsbezogenes Wissen erwerbensollten. Die Antwort, <strong>die</strong> inzwischen gef<strong>und</strong>en worden ist, liegt auf der Hand: Manmuss das eine tun, ohne das andere zu lassen.Das heißt, dass neben dem lehrergesteuerten Unterricht in jeder Klasse - von derersten bis zur letzten! - Projektunterricht mit sinnvollen, komplexen <strong>und</strong> transdisziplinärenProblemen eine zwingende Notwendigkeit ist. Im Projektunterricht könnenSchüler lernen, wie ihr Wissen in unterschiedlichen Anwendungssituationen genutztwerden kann. Diese Anwendungssituationen haben nämlich eigene Regelhaftigkeiten.Daher besteht <strong>die</strong> Nutzung des Wissens aus der Verbindung der Eigengesetzlichkeitdes Wissens mit der Eigengesetzlichkeit von Anwendungssituationen. DieVermittlung anwendungsbezogenen Wissens ist eine Aufgabe, der sich <strong>die</strong> Schulenicht entziehen kann.3. Nichts ist im Augenblick ein solches "Mysterium" wie der Begriff der Schlüsselqualifikation.Dieser Begriff wurde vor gar nicht so langer Zeit eingeführt in dem Bewusstsein,dass kaum jemand nur einen Beruf im Laufe seines Lebens ausübt. Esgeht um <strong>die</strong> Frage, welches methodische Wissen, welche Kenntnisse <strong>und</strong> welcheFertigkeiten, <strong>die</strong> in unterschiedlichen Berufen oder Tätigkeiten anwendbar sind, mussman den Schülern vermitteln. Schlüsselqualifikation bedeutet also nichts anderes alsjene wichtigen Kenntnisse <strong>und</strong> jenes wichtige Können, <strong>die</strong> nicht in einer Situation,sondern in möglichst vielen beruflichen Situationen anwendbar sind.7