Genossenschaftliche Allgemeine Zeitung - Internationales Jahr der ...
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OK TOBER 2011 ----- GEnOssEnsch a fTlichE a llGEmEinE<br />
Sport<br />
> VON KURT DE SWAAF<br />
Essen. Ein Mann steht am Fluss. Der<br />
Himmel ist leicht bewölkt, kaum Wind,<br />
kein Verkehrslärm, man hört nur das<br />
leise Rauschen des Wassers. Und gelegentlich<br />
den Schrei eines Graureihers.<br />
Der Mann lässt sich nicht aus <strong>der</strong> Ruhe<br />
bringen. Er ist mit seinen Gedanken<br />
unter Wasser, dort, wo hoffentlich die<br />
Barsche lauern. Der Angler liest die<br />
Strömung. Am Boden scheint eine<br />
Schwelle zu sein, ein guter Platz. Er<br />
hebt die schlanke Rute an und holt aus.<br />
Blei und Kö<strong>der</strong> tauchen in den Fluss<br />
und sinken ab. Am Haken hängt ein<br />
fetter Tauwurm. Die Strömung trägt<br />
den Happen dorthin, wo <strong>der</strong> Fischer<br />
seine Beute vermutet. Die gespannte<br />
Leine vibriert. Es ist das Blei, das über<br />
den Kies rollt. Meter für Meter. Dann<br />
ein blitzartiger Ruck. Der Anhieb folgt<br />
sofort, aber dennoch zu spät. Am Ende<br />
<strong>der</strong> Schnur baumelt ein leerer Haken.<br />
Der Fisch war schneller. Diesmal.<br />
Gegen Abend wird <strong>der</strong> Angler vielleicht<br />
ein paar Barsche mit nach Hause<br />
nehmen können, vielleicht auch nicht.<br />
Trotzdem wird er irgendwie glücklich<br />
sein. Seine Freunde verstehen das nicht.<br />
Was treibt einen erwachsenen Mann bei<br />
fast jedem Wetter an das Ufer eines<br />
Flusses, wo er dann stundenlang sitzt,<br />
seine Kleidung verschmutzt und sich<br />
manchmal eine Erkältung holt, nur um<br />
ein paar Fische zu fangen? Im Supermarkt<br />
ist die Tiefkühltruhe doch voll<br />
davon. Seine Ehefrau kann es auch<br />
nicht wirklich nachvollziehen, aber sie<br />
weiß nach all den <strong>Jahr</strong>en, wie wichtig<br />
ihrem Gatten solche Tage sind. Den<br />
Fang muss sie nicht zubereiten, das<br />
macht er lieber selber und gar nicht<br />
Was <strong>der</strong> Angler braucht<br />
Vor <strong>der</strong> Ausrüstung steht die<br />
Ausbildung:<br />
• Fischereischein (Anglerverein)<br />
• Angelberechtigungsschein<br />
(Gewässerpächter)<br />
• Ausrüstung (Fachgeschäft)<br />
schlecht. Also hat sie ihren Frieden geschlossen<br />
mit den Haken, die immer<br />
wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Küche herumliegen, den<br />
Kosten für Ruten, Rollen und Fischereischeine<br />
und den Wochenendtrips.<br />
Phänomen Angelsport: Verständnislosigkeit<br />
bei den einen, anspruchsvolles<br />
Hobby für die an<strong>der</strong>en. In Deutschland<br />
sind etwa vier Millionen Menschen dieser<br />
Passion verfallen. Die Dunkelziffer<br />
dürfte noch höher liegen. Fast alle sind<br />
Männer. Frauen stellen bislang nur zwei,<br />
drei Prozent <strong>der</strong> Vereinsmitglie<strong>der</strong>, berichtet<br />
Hans-Joachim Sempf, Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Angelvereins Kettwig vor <strong>der</strong><br />
Brücke e. V. „So ganz langsam werden<br />
es mehr.“ Allgemein jedoch müssen sich<br />
die Kettwiger nicht über mangelndes<br />
Interesse beklagen. „In unserem Verein<br />
haben wir immer eine Warteliste und<br />
immer Zulauf”, sagt Sempf. Das hat allerdings<br />
auch formale Gründe. Für das<br />
> VON WALTER ROTH<br />
Silverstone. Beim Thema Boxenstopp<br />
denken Formel-1- und Vettel-Fans sofort<br />
an das letze Rennen in Silverstone.<br />
Vettel fuhr, an <strong>der</strong> Spitze liegend, in <strong>der</strong><br />
28. Runde an die Box. Während die Mechaniker<br />
an seinem Wagen herumwerkelten,<br />
tickten die Sekunden herunter.<br />
Alonso fuhr im Ferrari vobei. Auch Lokalmatador<br />
Lewis Hamilton überholte.<br />
Nach einer Formel-1-Ewigkeit von 11,4<br />
Sekunden kam Vettel wie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />
Box. Zu viel. Ein defekter Wagenheber<br />
hatte den auf Platz 1 abonnierten Vettel<br />
den Sieg gekostet.<br />
Weil das langwierige Nachtanken<br />
seit 2010 verboten ist, sind schnelle Reifenwechsel<br />
in den Mittelpunkt <strong>der</strong> Formel-1-Strategen<br />
gerückt. Die Standzeiten<br />
haben sich drastisch verringert.<br />
Waren es früher sieben Sekunden, liegt<br />
die Zeit heute bei zwei Sekunden. 500<br />
Stopps ließ Mercedes im vergangenen<br />
Winter üben. Ferrari trainiert in Wochen<br />
ohne Grand-Prix-Rennen 30 Reifenwechsel<br />
am Tag. Red Bull hält einen<br />
inoffizellen Teamrekord von 1,8 Sekunden.<br />
Allerdings brauchen die Rennstäl-<br />
Thorsten Arendt (3)<br />
Die Sache mit dem Haken<br />
Angeln immmer beliebter į Zulauf an <strong>der</strong> Ruhr į Spezialkenntnisse gefragt į Das Geheimnis des Karpfens<br />
Angeln an <strong>der</strong> Werse: Geduld für den Moment des Glücks. Eine Drei-Pfund-Brasse hat angebissen (Foto rechts).<br />
Vereinsgewässer, die Ruhr bei Essen,<br />
gibt es nämlich nur eine begrenzte Anzahl<br />
Angelgenehmigungen.<br />
Hin und wie<strong>der</strong> ist vom „Trendsport<br />
Angeln“ die Rede. Das ist leicht übertrieben.<br />
Dennoch wandelt sich die Szene<br />
schon seit <strong>Jahr</strong>en. Es gibt einen Trend<br />
hin zu mehr Spezialisierung und mehr<br />
Finesse. Angeln ist nämlich nicht gleich<br />
Angeln. Das Klischee des brummigen<br />
älteren Herrn, <strong>der</strong> mit seinem Klappstuhl<br />
am Ufer in Stellung geht und den<br />
ganzen Tag stur auf den Schwimmer<br />
starrt, ist passé. Natürlich gibt es ihn,<br />
aber auch viele an<strong>der</strong>e Petrijünger, wie<br />
sie sich selbst manchmal nennen. Der<br />
Spinnfischer zum Beispiel ist ständig in<br />
Bewegung. Er macht mit Kunstkö<strong>der</strong>n,<br />
kleinen Fisch-Imitaten aus Holz, Kunst-<br />
stoff o<strong>der</strong> Metall, Jagd auf Räuber wie<br />
Hecht und Zan<strong>der</strong>. Dabei kommt es darauf<br />
an, die Attrappe möglichst lebensecht<br />
„schwimmen“ zu lassen und sie<br />
genau an die richtigen Stellen zu führen.<br />
Sonst bleibt <strong>der</strong> Erfolg aus. Ganz an<strong>der</strong>s<br />
<strong>der</strong> Karpfenspezialist, <strong>der</strong> vor allem<br />
4Millionen<br />
Menschen angeln<br />
in Deutschland<br />
Die Männer für gewisse Sekunden<br />
Boxenstopps in <strong>der</strong> Formel 1 į Reifenwechsel in 1,8 Sekunden į Perfekte Choreografie <strong>der</strong> Crew<br />
le dazu eine perfekte Choreografie <strong>der</strong><br />
Mechaniker. Die im Schnitt 16 Männer<br />
müssen auf die Hun<strong>der</strong>tstelsekunde<br />
aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt sein, wenn <strong>der</strong><br />
Bolide an <strong>der</strong> Box steht. Drei pro Rad,<br />
zwei beim Aufbocken und Nie<strong>der</strong>lassen<br />
des Autos, <strong>der</strong> Fahrer und <strong>der</strong> sogenannte<br />
„Lollipop-Mann“. Er gibt dem<br />
Piloten das Zeichen zur Abfahrt. Schon<br />
eine Zehntelsekunde mehr Stillstand<br />
kann über Sieg und Nie<strong>der</strong>lage entscheiden.<br />
Um ein perfektes Ergebnis zu erzielen,<br />
wird die Crew nach speziellen<br />
Kriterien zusammengestellt. Wer ist<br />
Linkshän<strong>der</strong>? Wer ist Rechtshän<strong>der</strong>?<br />
Wer neigt zur Hektik? Wer ist die Ruhe<br />
selbst? Und vor allem: Wer ist am fittesten?<br />
Der Job erfor<strong>der</strong>t Kraft und Reaktionsvermögen.<br />
Das Training wurde<br />
für alle Mitarbeiter verschärft, die Abläufe<br />
mit Videoaufzeichnungen verbessert.<br />
Auch das Material wurde optimiert.<br />
Schlagschrauber und Muttern<br />
sind für schnellere Reifenwechsel designt,<br />
die neuen Wagenheber so konstruiert,<br />
dass <strong>der</strong> bedienende Mechaniker<br />
schon aus dem Weg laufen kann,<br />
bevor er das Auto wie<strong>der</strong> zu Boden<br />
Sitzfleisch und eine ausgefeilte Kö<strong>der</strong>präsentation<br />
braucht. Große Karpfen<br />
sind beson<strong>der</strong>s scheu und argwöhnisch.<br />
Sie hören sehr gut, dank spezieller Knöchelchen,<br />
die mit <strong>der</strong> Schwimmblase in<br />
Verbindung stehen und jede feine Druckwelle<br />
im Wasser an das Gehirn weiterleiten.<br />
Schon unbedachtes Auftreten mit<br />
den Füßen kann die sonst eher trägen<br />
Fische schnellstens in die Flucht schlagen.<br />
Forellen-Fans binden sich ihre Ausrüstung<br />
auf den Rücken und steigen in<br />
alpine Schluchten herab, o<strong>der</strong> sie wan<strong>der</strong>n<br />
stundenlang über Pässe und Almen,<br />
um in hochgelegenen Bergseen ihr<br />
Glück zu versuchen. Ein ganz eigenes<br />
Völkchen sind die Fliegenfischer. Sie<br />
verwenden kunstvolle Fe<strong>der</strong>gebilde, die<br />
Insekten, Larven o<strong>der</strong> Kleinfische dar-<br />
Reifenwechsel: Perfekte Abstimmung zwischen Mensch und Maschine<br />
dpa<br />
KUNST AM HIMMEL<br />
Das Drachenfestival<br />
ist im Herbst 2011 im<br />
Norden Deutschlands on<br />
Tour. In Damp (30.9–2.10.),<br />
auf Rügen (14.–16.10)<br />
und Fehmarn (21.–23.10.)<br />
lassen Drachenflieger<br />
aus mehreren Län<strong>der</strong>n<br />
ihre bunten Kunstwerke<br />
stellen, und überlisten damit<br />
sogar meterlange Lachse.<br />
Was eint all die Angler,<br />
was ist <strong>der</strong> Zauber des<br />
Sports? Schwer zu erklären.<br />
Man muss wohl selbst<br />
erleben, wenn die Angel<br />
plötzlich ausschlägt und<br />
am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong><br />
Schnur ein kiloschwerer<br />
Fisch tobt. Ein Argument ist<br />
allerdings, dass die Flüsse in<br />
Nordrhein-Westfalen längst wie<strong>der</strong><br />
sauber und fischreich sind.<br />
„Von <strong>der</strong> Wasserqualität und <strong>der</strong><br />
Umweltbelastung her esse ich<br />
lieber einen Ruhrfisch als einen<br />
aus <strong>der</strong> Nordsee“, sagt Hans-<br />
Joachim Sempf. Ω<br />
in die Luft und präsen-<br />
tieren aufsehen-<br />
erregende Flugshows.<br />
www.drachenfestival-<br />
spo.de<br />
picture-alliance/dpa<br />
„Es wird nie<br />
so viel gelogen wie<br />
vor <strong>der</strong> Wahl, während<br />
des Krieges<br />
und nach <strong>der</strong> Jagd.“<br />
Anglerlatein<br />
Otto von Bismarck zugeschrieben<br />
„Das Wichtigste<br />
beim Angeln sind<br />
lange Arme, damit<br />
man zeigen kann,<br />
wie groß <strong>der</strong> Fisch<br />
war.“<br />
Anglerwitz<br />
lässt. Auch die Ampel, die dem Fahrer<br />
das Zeichen zum Losfahren gibt, kann<br />
noch mal Zehntelsekunden bringen.<br />
Was waren das noch für Zeiten, als<br />
Rennfahrer wie Klaus Fritzinger 1972<br />
beim 24-Stunden-Rennen auf dem<br />
Nürburgring „eine kleine Zigarettenpause“<br />
einlegen konnten. Im Adenauer<br />
Forst hatte sein Partner Hans-Joachim<br />
Stuck an seinem Ford einen Reifenplatzer<br />
und schleppte sich danach fast<br />
16 Kilometer auf <strong>der</strong> Felge bis zu den<br />
Boxen. Innerhalb von 13 Minuten wurde<br />
das ramponierte Radlager getauscht.<br />
Klaus Fritzinger ging wie<strong>der</strong> ins<br />
Rennen. Das konkurrierende BMW-<br />
Team hatte einen Vorsprung von 1,5<br />
Runden herausgefahren. Trotzdem feuerten<br />
einige Fans und Streckenposten<br />
Fritzinger weiter an. In <strong>der</strong> letzten<br />
Runde hielt er bei den Streckenposten<br />
an und bedankte sich bei ihnen für ihre<br />
Unterstützung. Nachdem er eine Zigarette<br />
„geschnorrt“ hatte, fuhr er gemächlich<br />
den Rest <strong>der</strong> Runde zu Ende<br />
und sicherte seinem Ford-Team den<br />
2. Rang. Nachzulesen unter www.prosteilstrecke.de,<br />
einer Website zum Mythos<br />
Nürburgring. Ω