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Pater Kassian Etter - Gwick.ch

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<strong>Pater</strong><strong>Kassian</strong>(Romuald)<strong>Etter</strong>* 29. April 1929† 3. April 2009SALVE 3 · 2009Lebenslauf<strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> wurde am 29. April 1929 in Zug alssiebtes von zehn Kindern geboren. Die Eltern ließenihn auf den Namen Romuald taufen. SeinVater Philipp <strong>Etter</strong>, gebürtig aus Menzingen, warRegierungsrat und Ständerat des Kantons Zug.Seine Mutter Maria Hegglin stammte ebenfallsaus Menzingen. Na<strong>ch</strong> der Wahl des Vaters in denBundesrat zog die Familie na<strong>ch</strong> Bern, wo Romualddie Primars<strong>ch</strong>ule und das Progymnasium besu<strong>ch</strong>te.Im Herbst 1943 trat er in die dritte Klasse derStiftss<strong>ch</strong>ule Einsiedeln ein. Im Sommer 1948 absolvierteer die Rekrutens<strong>ch</strong>ule in Luzern und tratna<strong>ch</strong> der Matura 1949 ins Kloster Einsiedeln ein.Am 8. September 1950 legte er seine einfa<strong>ch</strong>e Professab und erhielt den Namen Johannes <strong>Kassian</strong>.Drei Jahre später feierte er die feierli<strong>ch</strong>e Profess.Am 12. Juni 1954 wurde er dur<strong>ch</strong> Nuntius Testazum Priester geweiht.1955 begann <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> das Studium der Physikan der ETH Züri<strong>ch</strong>, das er im Frühjahr 1962mit dem Diplom abs<strong>ch</strong>loss. Bereits im Sommer1960 begann er seine Lehrtätigkeit mit einem kleinenPensum an der Stiftss<strong>ch</strong>ule. Er unterri<strong>ch</strong>teteMathematik, ab 1963 Physik und öfters au<strong>ch</strong> Religion.<strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> war ein Lehrer mit eigenemStil. Das zeigte si<strong>ch</strong> in den vielen Anekdoten sowiepersönli<strong>ch</strong>en Erinnerungen, die er in den S<strong>ch</strong>ulstoffeinfließen ließ; aber au<strong>ch</strong> in den man<strong>ch</strong>malgewagten Experimenten und unbere<strong>ch</strong>enbarenpersönli<strong>ch</strong>en Reaktionen, mit denen er die S<strong>ch</strong>ülerers<strong>ch</strong>recken konnte. Eine feste Freunds<strong>ch</strong>aft verbandihn während dieser Jahre mit <strong>Pater</strong> AdalbertZüllig. Mit ihm lernte er um die Wette Resultatesportli<strong>ch</strong>er Wettkämpfe auswendig. Dieses Wissenkam <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> in späteren Jahren bei Fernsehauftrittenzugute. Ein weiteres Talent hatte ermit <strong>Pater</strong> Adalbert gemeinsam: Seine hervorragendeTenorstimme, die er viele Jahre in denChören des Klosters einsetzte. Aus seiner Zeit alsLehrer verbanden ihn bis zuletzt vers<strong>ch</strong>iedene guteKontakte mit ehemaligen S<strong>ch</strong>ülerinnen undS<strong>ch</strong>ülern.Von 1962 bis 1972 war <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> Kantonalpräsidentder S<strong>ch</strong>wyzer Pfadfinder und ab 1965 bis1972 Präses der Einsiedler Pfadfinderabteilung St.Meinrad, für die er viele Jahre die Texte für denUnterhaltungsabend s<strong>ch</strong>rieb. Von 1964 an war er39 Jahre lang Redaktor der «Meinradsraben», bisdiese 2003 mit «Maria Einsiedeln» zur neuenZeits<strong>ch</strong>rift «Kloster Einsiedeln» zusammenges<strong>ch</strong>lossenwurde. Er s<strong>ch</strong>rieb au<strong>ch</strong> fortan Leitartikel,den Silvanus-Brief und sammelte die Informa-


tionen für die Personalna<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten der Stiftss<strong>ch</strong>ule.Von 1972 bis 1992 war <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> Präfekt desInternates und damit verantwortli<strong>ch</strong> für oft weitüber hundert Jugendli<strong>ch</strong>e. Dies war für <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong>eine herausfordernde Aufgabe und für vieleS<strong>ch</strong>üler eine prägende, für man<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> eines<strong>ch</strong>wierige Zeit. 1999 wurde er als Lehrer pensioniert.2002 übernahm er die Betreuung des «GoldenenOhrs», der Internet-Seelsorgestelle desKlosters. Die Gesprä<strong>ch</strong>e und Begegnungen mit <strong>Pater</strong><strong>Kassian</strong> öffneten vielen innerhalb oder au<strong>ch</strong>am Rand der Kir<strong>ch</strong>e neue Perspektiven.Im Jahr 2000 spielte er den Calderon im Welttheatervon Thomas Hürlimann. In der Folge war <strong>Pater</strong><strong>Kassian</strong> öfters als S<strong>ch</strong>auspieler auf vers<strong>ch</strong>iedenenBühnen in Einsiedeln und auswärts im Einsatz.Im Welttheater 2007 übernahm er die Rolleder «Frau Welt», die er glänzend spielte, die ihnaber au<strong>ch</strong> an den Rand seiner Kräfte bra<strong>ch</strong>te.Dieser Auftritt vers<strong>ch</strong>affte ihm große Publizität,was viele Referate, Teilnahmen an Podiumsdiskussionenund Fernsehauftritte na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> zog. <strong>Pater</strong><strong>Kassian</strong> zeigte si<strong>ch</strong> hier von einer Seite, die vielevon einem Mön<strong>ch</strong> und Priester ni<strong>ch</strong>t erwarteten.Besonders seine Begeisterung für Sport undsein Wissen darüber standen in den vergangenenMonaten im Vordergrund des öffentli<strong>ch</strong>en Interesses.Daneben nahm er seine Aufgaben alsMön<strong>ch</strong> ernst und war au<strong>ch</strong> für die kleinen Dienstein unserer Gemeins<strong>ch</strong>aft zu gewinnen, zum Beispielfür die Na<strong>ch</strong>twa<strong>ch</strong>e bei unseren betagten undkranken Mitbrüdern in der Pflegeabteilung.Am Morgen des 2. April erlitt <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> eineHerzs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e, von der er si<strong>ch</strong> im Spital Einsiedelnaber s<strong>ch</strong>nell erholte. Um künftigen S<strong>ch</strong>wierigkeitenvorzubeugen, wurde <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> in dasUniversitätsspital na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong> gebra<strong>ch</strong>t, wo seinHerz während einer Untersu<strong>ch</strong>ung zu s<strong>ch</strong>lagenaufhörte. Wir danken <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> für seinenEinsatz für die vielen Mens<strong>ch</strong>en, denen er in denJahren seines Lebens begegnen durfte, und denvielfältigen Einsatz für unsere Klostergemeins<strong>ch</strong>aft.In diesen Tagen vor Ostern denken wir an dasLeiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi.In einem Interview antwortete <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong>auf die Frage, warum er ins Kloster gegangen sei,wie folgt: «Es fällt mir ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t. eine Antwortzu geben. I<strong>ch</strong> kenne die Antwort selber ni<strong>ch</strong>tgenau. Aber eines weiß i<strong>ch</strong>: Keine kleine Rollespielte dabei die liturgis<strong>ch</strong>e Feier der Karwo<strong>ch</strong>e,wie i<strong>ch</strong> sie als junger Stiftss<strong>ch</strong>üler vor mehr als


se<strong>ch</strong>zig Jahren im Kloster Einsiedeln erlebt habe.In diesen Tagen versu<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> heute, unter dieOberflä<strong>ch</strong>e des Lebens zu tau<strong>ch</strong>en, um das Wesentli<strong>ch</strong>ezu spüren und zu erfahren. Mit demKopf s<strong>ch</strong>affe i<strong>ch</strong> dies nie, viellei<strong>ch</strong>t in einem gewissenGrad mit dem Herzen. Und wenn i<strong>ch</strong> es einbiss<strong>ch</strong>en spüre und fühle, weiß i<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t, warumi<strong>ch</strong> ins Kloster gegangen bin.»<strong>Pater</strong> Basil HöfligerNZZ am Sonntag12. April 2009Ein Mön<strong>ch</strong> im Welttheater<strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong> <strong>Etter</strong>, der zum Bühnenstar inEinsiedeln wurde, ist 79-jährig gestorbenDie Welt ist ein Theater, in dem jeder seine Rollespielt, Gott gefällig oder weniger. Als <strong>Pater</strong> <strong>Kassian</strong>auf die Theaterbühne trat, wurde das au<strong>ch</strong> zurAuseinandersetzung mit dem wirkli<strong>ch</strong>en Leben.Über die Popularität, die er gewann, sagt er: «I<strong>ch</strong>müsste lügen, wenn i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t eine gewisse Freudeverspüren würde.» Die Sünde der Eitelkeit warihm ni<strong>ch</strong>t fremd.Als Romuald <strong>Etter</strong> wurde er 1929 in Zug geboren.Man war ni<strong>ch</strong>t rei<strong>ch</strong> – «Wir zehn Kinder teiltenuns zwei Paar Holzski» –, aber als er 5-jährig war,wurde der Vater in den Bundes rat gewählt – einKatholis<strong>ch</strong>-Konservativer. Er sollte eine umstritteneRolle spielen, war als Innenminister im Kriegbeteiligt an den Zensurmaßnahmen gegen diePresse und half na<strong>ch</strong> dem Krieg, die AHV einzuführen.Romuald hatte 1936 am Radio begeistert dieOlympis<strong>ch</strong>en Spiele in Berlin verfolgt. Er betriebselber Lei<strong>ch</strong>tathletik und wurde an der S<strong>ch</strong>weizerJuniorenmeisters<strong>ch</strong>aft Zweiter im Kugelstoßen.«Natürli<strong>ch</strong> träumte i<strong>ch</strong> davon, Olympiasieger zuwerden.» Ein S<strong>ch</strong>ädelbru<strong>ch</strong> sollte die Träumebeenden.Na<strong>ch</strong> seiner Berner Jugendzeit war der Sohn indie Stiftss<strong>ch</strong>ule Einsiedeln ges<strong>ch</strong>ickt worden. Woer si<strong>ch</strong> als rebellis<strong>ch</strong> erwies angesi<strong>ch</strong>ts der Reglementierungendes Alltags. «I<strong>ch</strong> gründete gar einekommunistis<strong>ch</strong>e Partei, um die Mön<strong>ch</strong>e zu provozieren.»Do<strong>ch</strong> dann – hatte er ein mystis<strong>ch</strong>es Erlebnis?Die Rede ist von zwei Heiligen, die ihnüberzeugten – ents<strong>ch</strong>ied si<strong>ch</strong> Romuald zu allerÜberras<strong>ch</strong>ung, Mön<strong>ch</strong> zu werden. «Es war wie mitder Liebe, plötzli<strong>ch</strong> ist sie da.» .Na<strong>ch</strong> der Priesterweihe studierte er Physik an derETH Züri<strong>ch</strong> und begann, als Lehrer an der Stiftss<strong>ch</strong>ulezu wirken. Dabei blieb dieser <strong>Pater</strong> einlebensfreudiger Mens<strong>ch</strong>, ein Sportler, der gern Ski


fuhr und wanderte, alle Sportwettkämpfe verfolgteund alle Resultate kannte. Und der viellei<strong>ch</strong>t mittenin der Na<strong>ch</strong>t aufbra<strong>ch</strong> und allein auf den Rigimars<strong>ch</strong>ierte!Und da er daneben au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> Kantonalpräsidentder S<strong>ch</strong>wyzer Pfadfinder war, hatte er Unterhaltungsabendezu organisieren, für die er Stückes<strong>ch</strong>rieb und selber Rollen übernahm, gern au<strong>ch</strong>Frauenrollen. Frauen, fand er ohnehin, seien au<strong>ch</strong>für einen Mön<strong>ch</strong> eine unerlässli<strong>ch</strong>e Berei<strong>ch</strong>erungdes Lebens.Nun unterzieht er si<strong>ch</strong> also den Riten, steht inHerrgottsfrühe auf und nimmt tägli<strong>ch</strong> an dengemeinsamen fünf Gebeten teil. Es muss ihmni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t gefallen sein, ihm, der nahezu einFreigeist war, hätte ihn ni<strong>ch</strong>t der Glaube gehalten.Dessen Lieblingss<strong>ch</strong>riftsteller der ketzeris<strong>ch</strong>eHeinri<strong>ch</strong> Heine war. Und der in man<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>enfragender Obrigkeit widerspra<strong>ch</strong>. Sarkastis<strong>ch</strong>konnte er im Alter etwa sagen: «Eine Papstmessemit 500'000 Leuten und ein Fußballspiel mit100'000 Zus<strong>ch</strong>auern sind si<strong>ch</strong> ähnli<strong>ch</strong>; sol<strong>ch</strong>eHysterien bergen Gefahren.» Und dass «ein 80-jähriger zölibatärer Mön<strong>ch</strong>» den Eheleuten predigenmüsse, «wie sie si<strong>ch</strong> im Bett zu verhaltenhaben», fand er «grotesk».Im Kloster war er Internatsleiter geworden undblieb jahrzehntelang ein Lehrer, der unzähligeS<strong>ch</strong>üler begeisterte wenn er etwa s<strong>ch</strong>iefe Ebenenam Beispiel der Skipisten abhandelte. Und der sievor den Kopf stieß mit seiner emotionalen Art.«Ein Exzentriker», sagt ein ehemaliger S<strong>ch</strong>üler,«aber glaubwürdig».Mit Vergnügen verfolgte <strong>Kassian</strong>, wie seine S<strong>ch</strong>ülerflügge wurden und wie einer von ihnen zumS<strong>ch</strong>riftsteller heranwu<strong>ch</strong>s, au<strong>ch</strong> er Sohn einesBundesrates: Thomas Hürlimann. Als dieser eineneue Fassung des «Welttheaters» s<strong>ch</strong>rieb, das aufdem Einsiedler Klosterplatz alle paar Jahre gegebenwird, fragte er seinen einstigen Lehrer umMitwirkung an. So sorgte <strong>Kassian</strong> als Mentor, dassdas Stück übers Leben hienieden ni<strong>ch</strong>t ganz sohoffnungslos herauskam, wie es von den Theaterma<strong>ch</strong>erngeplant war. Und übernahm 2000 als70-Jähriger darin no<strong>ch</strong> eine Rolle.«Von unglaubli<strong>ch</strong>er Spielfreude war er», sagtRegisseur Volker Hesse, und so engagierte er den<strong>Pater</strong> au<strong>ch</strong> für die Neuinszenierung 2007, wo<strong>Kassian</strong> die wi<strong>ch</strong>tige Figur der alten «Frau Welt»spielen sollte, die ges<strong>ch</strong>unden dem Ende entgegensieht.Und <strong>Kassian</strong>, dessen Körper selber gebre<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>geworden ist, gequält von Krankheitenund S<strong>ch</strong>merz, ma<strong>ch</strong>t wieder mit. Gibt in Kälte und


Regen die Frau Erde, die über den Klosterplatztorkelt. Er jammert und s<strong>ch</strong>reit, wie der Text esvor gibt: «Myni Huut verghyt i tusig Falte. Houhou hou», hält si<strong>ch</strong> wacklig auf einer S<strong>ch</strong>eren-Hebebühne, die ihn ho<strong>ch</strong>hievt vor den Klostertürmen.Es ist ni<strong>ch</strong>t mehr ein Spiel. Es ist Ernst.Im Welttheater stellte er si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> einmal denletzten Fragen des Lebens. «Es wird mer himmelbang,es git mi nümme lang. Hou hou hou.»Regisseur Hesse: «Und wie er sterbend im S<strong>ch</strong>ossder Frau S<strong>ch</strong>önheit lag, war es, als ob er si<strong>ch</strong> daranklammere, no<strong>ch</strong> einmal ein Stück Sinnli<strong>ch</strong>keit zufassen.» Und packend spra<strong>ch</strong> der Mön<strong>ch</strong> auf derBühne die letzten Worte: «Bald s<strong>ch</strong>wygs<strong>ch</strong> au du.Hou hou hou.»Willi Wottreng

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