Eva Witzel Die Konstitution der Dinge ... - transcript Verlag
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14 | DIE KONSTITUTION DER DINGE<br />
So beschreibt <strong>der</strong> Künstler selbst jenes bildnerische Konzept, das es<br />
ihm offenbar erlaubt, von <strong>der</strong> visuellen Erscheinung, d.h. von <strong>der</strong> abbildenden<br />
Eigenschaft <strong>der</strong> Fotografie, zu abstrahieren. Es steht also eine<br />
durch Formalisierungsprozesse und Strukturbildung hervorgerufene<br />
‚Abstraktion‘ zur Debatte, die es nun vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Fotografie-<br />
und Kunstgeschichte werkimmanent zu analysieren gilt.<br />
Der Gedanke, fotografische Subbereiche mit <strong>der</strong> Abstraktion in<br />
Verbindung zu bringen, ist nicht neu, innerhalb ganzheitlich wissenschaftlicher<br />
und historischer Untersuchungen aber noch von jungem<br />
Erkenntnisinteresse. <strong>Die</strong> eigentliche Geburtsstunde <strong>der</strong> fotografischen<br />
Abstraktion wird in New York und in London mit den Jahren 1916<br />
und 1917 in Verbindung gebracht. So ist Paul Strand (1890-1976) aus<br />
Amerika <strong>der</strong> erste Lichtbildner gewesen, <strong>der</strong> 1916 den Titeln seiner<br />
Stillleben – Tassen und Schalen als ein Konstrukt aus Kreisen in<br />
Schwarz, Grau und Weiß – die Bezeichnung ‚Abstraktion‘ beigibt. 2<br />
Strands Landsmann Alvin Langdon Coburn (1882-1966) sprach sich<br />
im selben Jahr in London in seinem Aufsatz zur ‚Zukunft <strong>der</strong> bildmäßigen<br />
Fotografie‘ für eine Ausstellung mit dem Titel ‚Abstrakte Fotografie‘<br />
3 aus, zu <strong>der</strong> es zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht kam, <strong>der</strong>en<br />
Sachverhalt jedoch ausdrücklich und richtungweisend ins Leben gerufen<br />
wurde. 4 So for<strong>der</strong>t Coburn:<br />
„In den Zulassungsbestimmungen soll deutlich festgelegt werden, daß keine<br />
Arbeit angenommen wird, in <strong>der</strong> das Interesse am Bildgegenstand das Gefühl<br />
für außergewöhnliche Aspekte übersteigt. Ein Gefühl für Form und Struktur ist<br />
Art, Edinburgh; Castello di Rivoli, Museo d’Arte Contemporanea, Torino;<br />
Centro Cultural de Belém, Lisboa. Ostfil<strong>der</strong>n 1998, S. 3-10, hier S. 5.<br />
2 Vgl. Kellein, Thomas: <strong>Die</strong> Erfindung abstrakter Fotografie 1916 in New<br />
York. In: Kellein, Thomas; Lampe, Angela (Hrsg.): Abstrakte Fotografie.<br />
Ostfil<strong>der</strong>n-Ruit 2000, S. 33-56, hier S. 33, S. 40.<br />
3 Coburn, Alvin Langdon: „<strong>Die</strong> Zukunft <strong>der</strong> bildmäßigen Fotografie<br />
(1916).“ In: Kemp, Wolfgang: Theorie <strong>der</strong> Fotografie II. 1912-1945. München<br />
1999, S. 55-57, hier S. 57. Neudruck <strong>der</strong> Ausgabe München 1979.<br />
4 Vgl. Kellein 2000a, S. 39. Vgl. auch Jäger, Gottfried: <strong>Die</strong> Kunst <strong>der</strong> Abstrakten<br />
Fotografie. In: <strong>der</strong>s. (Hrsg.): <strong>Die</strong> Kunst <strong>der</strong> Abstrakten Fotografie.<br />
Stuttgart 2002, S. 11-72, hier S. 16f.