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Empirische Forschungsarbeit

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Vorlesung „Einführung in die Bildungswissenschaft“ (WS 2012/13)Dr. Hans-Peter Gerstner / Markus Popp(23.01.2013)Schwerpunkt 10: <strong>Empirische</strong> <strong>Forschungsarbeit</strong>• Begrüßung – Organisatorisches - Rückfragen• Vortrag: <strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und<strong>Forschungsarbeit</strong>• Vortrag: Interpretation einer Unterrichtssequenz• Filmausschnitt: „Research Methods Quantitative vs.Qualitative“• Arbeitsphase – Aussprache – Diskussion


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Forschung in der Bildungs- und Erziehungswissenschaft• Alle Arbeitsfelder der Bildungs- und Erziehungswissenschaft stützensich auf theoriegeleitete empirische Erkenntnisse• Ohne einen Forschungshabitus und ohne Forschungskompetenzlassen sich Probleme von Bildung und Erziehung nicht lösen• Ein forschender Zugang auf Fragen der Bildung und Erziehung istdaher unerlässlich• Dabei ist eine generelle Methodenkompetenz allein nicht ausreichend,sondern lediglich eine Verbindung von thematischer und forschungsmethodischerKompetenz


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Forschung in der Bildungs- und Erziehungswissenschaft• Der Stellenwert von Forschung für das pädagogische Handeln bestehtdarin, dass die Praxis bewusster und die in der Praxis gemachteErfahrung überprüfbar wird.• Dazu sind wissenschaftliche Aussagen durch die Methoden und Resultateempirischer Forschung zu stützen und diese theoretisch zureflektieren• Forschungsmethodisch lassen sich zwei Varianten erkennen:empirisch analytische Konzepte und empirisch interpretative,hermeneutische Konzepte


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Forschung in der Bildungs- und Erziehungswissenschaft• Am unterschiedlichen Bezug auf entweder das Kausalitätsmodelloder das Hermeneutikmodell hat sich ein Dissens zwischenquantitativ messenden und qualitativ verstehenden Methodenentwickelt• Dieser Dissens lässt sich allerdings nicht auf der Ebene der Methodenauflösen, sondern kann nur auf der Ebene der wissenschaftstheoretischenPositionen geklärt werden und hängt von der Gegenstandsangemessenheitder Methode ab• Der Methodenstreit führt also in die Irre und quantitative und qualitativeMethoden stehen eher in einem Ergänzungsverhältnis• Allerdings geht es in diesem Streit vor allem auch um wissenschaftlicheReputation und finanzielle Ressourcen


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Forschung in der Bildungs- und ErziehungswissenschaftDer Deutsche Bildungsrat schreibt schon 1974 in seinen Empfehlungenzu „Aspekten für die Planung der Bildungsforschung“:„Man kann Bildungsforschung in einem weiteren und engeren Sinn auslegen.Im weiteren Sinn kann sie sich auf das gesamte Bildungswesen undseine Reform im Kontext von Staat und Gesellschaft beziehen, einschließlichder außerschulischen Bildungsprozesse. Wie weit oder engaber auch die Grenzen gezogen werden, es sollte nur dann von Bildungsforschunggesprochen werden, wenn die zu lösende Aufgabe, die Gegenstandder Forschung ist, theoretisch oder empirisch auf Bildungsprozesse(Lehr-, Sozialisations- und Erziehungsprozesse), deren organisatorischeund ökonomische Voraussetzungen oder Reform bezogen ist.“


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Forschung in der Bildungs- und Erziehungswissenschaft• Manfred Prenzel geht davon aus, dass empirische Bildungsforschung„theoriegeleitet empirisch“ arbeiten müsse mit der Aufgabe die„Bildungswirklichkeit zu verstehen und zu verbessern“• Prenzel unterscheidet dazu zwei Arten von Fragen: Warum-Fragen,mit denen Erklärungen für Ursache- und Wirkungszusammenhängegefunden werden können, und Was-Tun-Fragen, die darauf zielen,Veränderungs- und Gestaltungsmöglichkeiten pädagogischenHandelns zu eröffnen• Um eine Engführung auf das Kausalitätsmodell zu vermeiden, solltenaber die Warum-Fragen durch Weshalb-Fragen, die Frage nach demVerstehen pädagogischer Zusammenhänge, ergänzt werden


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Forschung in der Bildungs- und Erziehungswissenschaft• Da keine wissenschaftliche Forschung ohne konstruktives undinterpretatives Handeln auskommt, können eindimensionaleForschungskonzepte begründet zurückgewiesen werden• Nach langer Zeit deskriptiver und historisch theoretischer Analysensind gegenwärtig theoretisch fundierte empirische Untersuchungen inder Bildungs- und Erziehungswissenschaft auf dem Vormarsch• Zugleich kann aber die Methodenvielfalt der Bildungs- undErziehungswissenschaft als enormer Vorteil betrachtet werden


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Methodische Vorgehensweisen• Untersuchungsanlage (Querschnittstudien, Längsschnittstudien,Interventionsstudien)• Datenerhebung (Befragung, Beobachtung, Inhaltsanalysen,Feldexperimente)• Datenauswertung (deskriptive statistische Verfahren wieVerteilungsbeschreibungen (Häufigkeiten, Mittelwerte Streuungen),schließende statistische Verfahren (Wahrscheinlichkeitsaussagen,Korrelationen, multivariate Analysen u.a.), interpretative Verfahren(Hermeneutik, Ethnomethodologie u.a.)


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Untersuchungsanlage• Bestimmung der Untersuchungseinheit (sample) im Spektrum vonFallstudien über repräsentative Gruppierungen bis zur Totalerhebung• Bestimmung der Zeitpunkte der Untersuchung im Bereich vonQuerschnittstudie als einmalige Erhebung zu einem Zeitpunkt oderLängsschnittstudie, die als Trendstudie (gleiche Forschungsfrage)oder Panelstudie (gleiche Untersuchungseinheit) über einen längerenZeitraum Entwicklungsprozesse untersucht, oder Interventionsstudien,die untersuchen, ob eine Intervention - etwa ein Trainingsprogramm –die gewünschten Veränderung bei den Lernenden hervorbringt


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Datenerhebung und Datenauswertung• Empirisch quantitative Forschung: hypothesengeleitete Messungvon Ereignissen, Abläufen und Zusammenhängen der pädagogischenWirklichkeit• Empirisch qualitative Forschung: gegenstandsnahe, situativeFassung der kontextuellen Eigenschaften pädagogischer Arbeitsfelder


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Schwierigkeiten• Die zu überprüfenden Hypothesen werden vorweg aus einemTheoriezusammenhang abgeleitet und konstruiert, der Operationalisierungund Messbarkeit überhaupt erst ermöglicht, damit wird dieSichtweise kanalisiert und es werden Erhebungsverfahrenstandardisiert• Angesichts von Konstruktions- und Interpretationsproblemen könnendie Gütekriterien Validität, Reliabilität und Objektivität nicht immerdurchgehalten werden• In der Darstellung der Forschungsergebnisse werden die theoretischenund methodischen Vorannahmen nicht immer klar unddeutlich expliziert


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Qualitative Methoden• Wegen der unumgänglichen Selektivität des wissenschaftlichenZugriffs auf die pädagogische Wirklichkeit wurden rekonstruktiveMethodologien entwickelt, die Empirie als Feld reflektierter Praxisauffassen, um theoretische Vorannahmen und Konstrukte zu irritieren• Dadurch erweitern sich die Gütekriterien empirischer Bildungsforschungum Gegenstandsangemessenheit (Erweiterung vonObjektivität), transparente Nachvollziehbarkeit (Erweiterung vonReliabilität), begründbare Plausibilität (Erweiterung von Validität)und die Berücksichtigung der Subjektivität der Forschenden wie derErforschten• Diese Erweiterungen gelten letztlich auch für quantitative Methoden,weil der Satz gilt, dass Quantitäten qualitative Merkmale derRealität sind.


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Folgerungen• Der Methodenstreit lässt sich (teilweise) durch eine reflexiveMethodologie beheben, welche die Stärken und Grenzen derjeweiligen Methode mitdenkt• Die Betrachtung eines Forschungsgegenstandes unter verschiedenenAspekten kann dem Erklären und Verstehen eines pädagogischenSachverhalts aufhelfen: Triangulation von Erhebungs- undAuswertungsverfahren• Forschung „ist eine viel zu ernste und viel zu schwierige Angelegenheit,als dass man sich erlauben könnte, Wissenschaftlichkeit mitRigidität zu verwechseln, die das Gegenteil von Klugheit undkreativem Denken ist“. (Bourdieu, Pierre & Wacquant, Loic (1996), S.261


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Forschen heißt Fragen generieren• Welche Forschungsfrage habe ich?• Welches Erkenntnisinteresse habe ich?• Welche Untersuchungseinheit wird betrachtet?• Welche theoretischen Vorannahmen habe ich?• Welche Daten sollen erhoben werden?• Welche Verfahren der Erhebung sind der Gegenstandskonstitutionangemessen?• Welches Vorgehen bei der Auswertung soll verfolgt werden?• Wie lassen sich empirische Ergebnisse theoriebezogen interpretieren?


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Bedeutung von Forschung für das Studium• Forschen schafft eine Distanz mit der als unmittelbar gegebenbetrachteten Wirklichkeit• Das Studium der Bildungs- und Erziehungswissenschaft kann daherauch als Prozess des Forschens betrachtet werden, in dem Sieimmer tiefer in die Arbeitsfelder von Bildung und Erziehung eintauchenund so ein präziseres Verständnis darüber gewinnen• Das Ziel des Studiums kann dann sein, einen Forschungshabitusaufzubauen, der Theoriefeindlichkeit ebenso wie Praxisverachtungvermeidet


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>PhasenArbeitsformen1 Orientierung Thema suchen & eingrenzen, Diskutieren,Zeitplan, Schreibproben2 Recherche Literatur suchen & exzerpieren3 Strukturierung Fragen formulieren, Mind-Map erstellen, Materialzusammentragen4 Festlegung der U-Einheit5 Datenerhebung6 Datenauswertung7 Gliederung Standardgliederung, logischer Aufbau8 Formulierung Rohfassung schreiben, Begriffe klären,Argumentationsgang festlegen, Zitate einbauen,roter Faden9 Edieren Umarbeiten, Abfolge prüfen, streichen, Überleitungeneinfügen, Zitate prüfen, einheitlicheQuellenangaben, Literaturverzeichnis10 Redigieren Lesen lassen, Tippfehler, Layout, Endfassung


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Gute Wissenschaftliche Praxis nach dem Gemeinsamen Positionspapier des AllgemeinenFakultätentags (AFT), der Fakultätentage und des Deutschen Hochschulverbands (DHV)vom 9. Juli 2012„Wissenschaft ist die Suche nach Wahrheit. Der redliche Umgang mit Daten, Fakten undgeistigem Eigentum macht die Wissenschaft erst zur Wissenschaft. Die Redlichkeit in derSuche nach Wahrheit und in der Weitergabe von wissenschaftlicher Erkenntnis bildet dasFundament wissenschaftlichen Arbeitens. …Jedes wissenschaftliche Fehlverhalten verletzt das Selbstverständnis und die Glaubwürdigkeitvon Wissenschaft. Wissenschaftliches Fehlverhalten beschädigt nicht nur den Ruf des Täters,sondern auch den der Universitäten und der Wissenschaft insgesamt. Die Unkultur des,Wegsehens’ ist selbst ein wissenschaftliches Fehlverhalten. …Die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens sind in allen Wissenschaftsdisziplinen gleich.Oberstes Prinzip ist die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen.“Und zwar hinsichtlich:Originalität und Eigenständigkeit; Recherche und Zitation; Einflüsse; Zuschreibung von Aussagen;Übersetzungen; Fachspezifisches Allgemeinwissen; Plagiate und Datenmanipulation;Eigene Arbeiten und Texte; ,Ghostwriting’; Mehrere Autoren; Doppelte Verantwortunghttp://www.verkult.uni-heidelberg.de/sicherung-guter-wissenschaftlicher-praxis.htmlhttp://www.uni-heidelberg.de/universitaet/profil/wissenschaftliche_praxis/http://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Service/Satzung/Ethikkodex_2010.pdfhttp://www.hochschulverband.de/cms1/uploads/media/Gute_wiss._Praxis_Fakultaetentage_01.pdfhttp://www.dfg.de/foerderung/rechtliche_rahmenbedingungen/gwp/index.html


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Exemplarische Sequenzanalyse (das Beispiel finden Sie in: Andreas Wernet:Pädagogische Permissivität. Opladen 20031/L: Lies bitte Deine Hausaufgabe vor.1/S: Ich habe sie nicht gemacht.2/L: Darf ich fragen, warum nicht?2/S: Ich sehe nicht ein, wozu ich Dinge tun soll, die absolutwirklichkeitsfern sind und sowieso nie wieder gebraucht werden.3/L: Dies ist keine Entschuldigung für die Nichterledigung derHausaufgaben. Ich erwarte, sie in der nächsten Stunde zu sehen3/S: Aber ich kann mit dem Zeugs in meinem Leben nie wieder wasanfangen.4/L: Merkst Du nicht, dass diese Thematik nicht in den Unterricht passt?Wenn Du möchtest, können wir uns gerne nach der Stunde darüberunterhalten. Die Hausaufgaben holst Du bitte nach.


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>Film: Research Methods Quantitative vs QualitativeArbeitsfragen:Wie wird das Zusammenwirken der beiden Methodenformen dargestelltund begründet?Wo sehen Sie Probleme im Zusammenwirken?


<strong>Empirische</strong> Forschungskonzepte und <strong>Forschungsarbeit</strong>LiteraturBourdieu, Pierre & Wacquant, Loic (1996): Reflexive Anthropologie. Frankfurt a.M.Feyerabend, Paul (1975): Wider den Methodenzwang. Frankfurt a.M.Deutscher Bildungsrat (1974): Aspekte für die Planung der Bildungs-forschung.Empfehlungen der Bildungskommission. BonnKlieme, Eckhard, Artelt, Cordula, Hartig, Johannes, Jude, Nina, Köller, Olaf,Prenzel, Manfred, Schneider, Wolfgang & Stanat, Petra (Hg.) (2010): PISA2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt. MünsterPrenzel, Manfred (2005): Zur Situation der <strong>Empirische</strong>n Bildungsforschung. In:Mandl, Heinz & Kopp, Brigitta (Hg.) (2004): Deutsche Forschungsgemeinschaft– Impulse für die Bildungsforschung. Berlin, S. 7-21Andreas Wernet: Pädagogische Permissivität. Schulische Sozialisation undpädagogisches Handeln jenseits der Professionalisierungsfrage. Opladen 2003

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