Displaced Persons-Lager in Babenhausen und Dieburg 1946-1950
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Weichhart leitet aus der sozialwissenschaftlichen Identitätsforschung unter-<br />
schiedliche Möglichkeiten der Identifikation mit Raumausschnitten her, die sich<br />
von e<strong>in</strong>ander trennen lassen, sich aber an vielen Stellen gegenseitig bee<strong>in</strong>flus-<br />
sen. 84 Die so entwickelten Formen ‘raumbezogener Identität’ werden <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Studie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt auf die Ebenen personaler Systeme e<strong>in</strong>erseits<br />
sowie sozialer Systeme andererseits bezogen. Dabei ergeben sich Überschnei-<br />
dungen, die sich <strong>in</strong> vielfältigen Beziehungen <strong>und</strong> Abhängigkeiten äußern. Für<br />
die <strong>in</strong> dieser Arbeit folgende Untersuchung ist die ‘raumbezogene Identität’ auf<br />
der Ebene sozialer Systeme von größerer Bedeutung, weshalb auf die Darstel-<br />
lung ihres E<strong>in</strong>flusses auf der Ebene personaler Systeme verzichtet werden<br />
muss. 85 Es sei lediglich erwähnt, dass bei allen Varianten der <strong>in</strong>dividuellen<br />
raumbezogenen Identifikation die Wohnung <strong>und</strong> das nahe Umfeld im Zentrum<br />
jener Raumausschnitte stehen, die der Identitätsbildung zugänglich s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>funktion ‘raumbezogener Identität’ auf der Ebene sozialer Systeme<br />
besteht <strong>in</strong> der Erstellung e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en Bezugsrahmens für das ‘Erfassen<br />
von Welt’ 86 . Die Bezugsobjekte ‘raumbezogener Identität’ formieren Rahmen-<br />
bed<strong>in</strong>gungen sozialer Kommunikation, über deren Eigenschaften sich die jewei-<br />
ligen Interaktionspartner weitestgehend e<strong>in</strong>ig s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Leistung ‘raumbezoge-<br />
ner Identität’ lässt sich also als Kontextualisierung sozialer Prozesse verstehen:<br />
Alltägliche Kommunikation bezieht sich - neben unzähligen anderen Inhalten -<br />
auch auf Gegenstände der physisch-räumlichen Umwelt. 87 Die Übere<strong>in</strong>stim-<br />
mung bezüglich der verschiedenen Aspekte der räumlichen Identität bildet ei-<br />
nen Kontext (ähnlich wie e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same kulturelle oder weltanschauliche<br />
Bezugsbasis), <strong>in</strong> dessen Rahmen Verhaltenssicherheit <strong>und</strong> die Erfüllung ge-<br />
genseitiger Erwartungshaltungen wahrsche<strong>in</strong>licher ist, als wenn diese geme<strong>in</strong>-<br />
same Bezugsgröße fehlt. Der weitgehende soziale Konsens über bestimmte<br />
Raumausschnitte, der sich mit anderen Worten als das - für alle <strong>in</strong> das sozial-<br />
räumliche System Integrierte - zur Verfügung stehende Wissen um das ‘typi-<br />
sche Leben hier’ beschreiben ließe, erleichtert selbst Interaktionen, die ke<strong>in</strong>en<br />
direkten Bezug zu physisch-räumlichen Gegebenheiten aufweisen. Es handelt<br />
84 Weichhart, Peter: Raumbezogene Identität, S. 18ff.<br />
85 Vgl. dazu Weichhart, Peter: Raumbezogene Identität, S. 30-45.<br />
86 Weichhart, Peter: Raumbezogene Identität, S. 46.<br />
87 Weichhart, Peter: Raumbezogene Identität, S. 47.<br />
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