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Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in den ... - Bayern

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Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung, Familie <strong>und</strong> FrauenStaats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik München<strong>Bildung</strong>, <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Betreuung</strong><strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstendrei LebensjahrenHandreichung zum Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>splan für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungenbis zur E<strong>in</strong>schulungverlag das netz


Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung, Familie <strong>und</strong> FrauenStaats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik München<strong>Bildung</strong>, <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Betreuung</strong> <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong><strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei LebensjahrenE<strong>in</strong>e Handreichung zum Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splanfür K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen bis zur E<strong>in</strong>schulung


Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isteriumfür Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung, Familie <strong>und</strong> FrauenStaats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik München<strong>Bildung</strong>, <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Betreuung</strong><strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong>ersten drei LebensjahrenE<strong>in</strong>e Handreichung zumBayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splanfür K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungenbis zur E<strong>in</strong>schulungverlag das netzWeimar · Berl<strong>in</strong>


HerausgeberBayerisches Staatsm<strong>in</strong>isteriumfür Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung, Familie <strong>und</strong> FrauenW<strong>in</strong>zererstraße 980797 MünchenStaats<strong>in</strong>stitut für FrühpädagogikEckbau NordW<strong>in</strong>zererstraße 980797 MünchenISBN 978-3-86892-040-6Alle Rechte vorbehalten© 2010 verlag das netz, Weimar · Berl<strong>in</strong>Das Werk <strong>und</strong> alle se<strong>in</strong>e Teile s<strong>in</strong>d urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertungaußerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlagesnicht zulässig <strong>und</strong> strafbar. Das gilt <strong>in</strong>sbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,Mikroverfilmungen <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>speicherung <strong>und</strong> Verarbeitung <strong>in</strong> elektronischenSystemen.Gestaltung: Jens Klennert, Tania MiguezFotos: Jochen Fiebig, Foto S. 146 Edeltraud ProkopDruck <strong>und</strong> B<strong>in</strong>dung: Druckhaus Gera GmbHPr<strong>in</strong>ted <strong>in</strong> GermanyWeitere Informationen f<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie unter www.verlagdasnetz.de


InhaltVorworte7E<strong>in</strong>führung10Teil 1: <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren im S<strong>in</strong>ne derPhilosophie des Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>splans (BayBEP)1.1 Alte Positionen überw<strong>in</strong><strong>den</strong> – Neue Erkenntnisse im Überblick1.2 Psychische Gr<strong>und</strong>bedürfnisse des K<strong>in</strong>des1.3 Das Bild vom K<strong>in</strong>d1.4 E<strong>in</strong> ko-konstruktives <strong>Bildung</strong>sverständnis1.5 Basiskompetenzen stärken als Leitziel <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>1.6 <strong>Bildung</strong> als Motor für Entwicklung1.7 Das Pr<strong>in</strong>zip der ganzheitlichen <strong>Bildung</strong>1.8 Pädagogik der Vielfalt (Diversität)1.9 Partnerschaft <strong>und</strong> Partizipation aller Beteiligten als durchgängiges Pr<strong>in</strong>zip13141719212427293134Teil 2: Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunkt2.1 K<strong>in</strong>der stärken – B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung als Voraussetzung für <strong>Bildung</strong>Bedeutung <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung unter der BayBEP-LupeEntwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>Umsetzung <strong>in</strong> die pädagogische Praxis2.2 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen stärkenBedeutung der emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen unter derBayBEP-LupeEntwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> – Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungUmsetzung <strong>in</strong> die pädagogische Praxis2.3 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenBedeutung der kommunikativen Kompetenzen unter der BayBEP-LupeEntwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> – Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungUmsetzung <strong>in</strong> die pädagogische Praxis37383839424646475155555663


Inhalt2.4 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärkenBedeutung der körperbezogenen Kompetenzen unter der BayBEP-LupeEntwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> – Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungUmsetzung <strong>in</strong> die pädagogische Praxis2.5 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen stärkenBedeutung der kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen unterder BayBEP-LupeEntwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> – Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungUmsetzung <strong>in</strong> die pädagogische Praxis2.6 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem positiven Selbstkonzept stärkenBedeutung des positiven Selbstkonzepts unter der BayBEP-LupeEntwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> – Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungUmsetzung <strong>in</strong> die pädagogische Praxis7474757890929396102102104106Teil 3: Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>3.1 <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft mit Eltern gestalten3.2 Übergänge moderieren <strong>und</strong> bewältigen3.3 Partizipation der K<strong>in</strong>der ermöglichen3.4 <strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren <strong>und</strong> moderieren3.5 Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse beobachten <strong>und</strong> dokumentieren111112117122128140AnhangProjektleitung, Autor<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> AutorenLiteratur1491501516


VorworteVorwort <strong>von</strong> Frau Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Christ<strong>in</strong>e HaderthauerPünktlich zum fünften Geburtstag des Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>splans enthält diese Handreichung e<strong>in</strong>e Vertiefung <strong>und</strong>Präzisierung des <strong>Bildung</strong>splans für die ersten drei Lebensjahre.Der Ausbau der Plätze für die <strong>Betreuung</strong> <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> unter dreiJahren läuft auf Hochtouren <strong>und</strong> die Diskussion darüber, was K<strong>in</strong>der<strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren brauchen <strong>und</strong> wie frühk<strong>in</strong>dliche<strong>Bildung</strong> gel<strong>in</strong>gen kann, wird so <strong>in</strong>tensiv wie lange nicht geführt.Die zunehmende außerfamiliäre <strong>Betreuung</strong> <strong>von</strong> unter Dreijährigen stellt die Fachkräftevor große <strong>und</strong> neue Herausforderungen; die pädagogische Arbeit mit dieserAltersgruppe <strong>in</strong> K<strong>in</strong>derkrippen <strong>und</strong> altersgeöffneten K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen unterscheidetsich deutlich <strong>von</strong> der Arbeit mit Drei- bis Sechsjährigen.Mir liegt besonders am Herzen, dass beim Ausbau der Krippenplätze die Qualität derfrühk<strong>in</strong>dlichen <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong> im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Gerade<strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren wer<strong>den</strong> entschei<strong>den</strong>de Weichen für die spätere Lern- <strong>und</strong><strong>Bildung</strong>sbiografie gestellt. Die Qualität der frühk<strong>in</strong>dlichen <strong>Bildung</strong> wirkt sich nachhaltigauf die <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Lernprozesse <strong>und</strong> damit auf die Zukunft unserer K<strong>in</strong>der aus.K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> bleiben e<strong>in</strong> familienergänzendes Angebot. Nochviel mehr <strong>in</strong> <strong>den</strong> Blick genommen wer<strong>den</strong> muss deshalb die elterliche <strong>Erziehung</strong>sleistung.Eltern s<strong>in</strong>d für die pädagogischen Kräfte <strong>in</strong> der Tagese<strong>in</strong>richtung <strong>Bildung</strong>s<strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>spartner.Den stärksten E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklungs- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>schancen des Menschen hatdie Familie. Elternverantwortung <strong>und</strong> Elternleistung s<strong>in</strong>d nicht austauschbar. Aus diesemGr<strong>und</strong> habe ich besonders darauf gedrängt, dass auch die Eltern <strong>und</strong> sonstige<strong>Erziehung</strong>sberechtigte aus der vorliegen<strong>den</strong> Handreichung Nutzen ziehen können.Christ<strong>in</strong>e HaderthauerBayerische Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>für Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung,Familie <strong>und</strong> Frauen7


VorworteVorwort <strong>von</strong> Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Wassilios Fthenakis <strong>und</strong>Priv.-Doz. Dr. Fabienne Becker-StollBis 2013 soll es b<strong>und</strong>esweit für jedes dritteK<strong>in</strong>d bis drei Jahre e<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tagese<strong>in</strong>richtungoder <strong>in</strong> Tagespflege geben, ab2013 tritt der Rechtsanspruch darauf für alleK<strong>in</strong>der mit Vollendung des ersten Lebensjahres<strong>in</strong> Kraft. Dieser aktuelle Ausbau des <strong>Bildung</strong>s-<strong>und</strong> <strong>Betreuung</strong>sangebots <strong>und</strong> die zunehmendeSensibilisierung der Gesellschaft für die Bedeutung früher Lernprozesse im<strong>Bildung</strong>sverlauf bieten die Chance, <strong>von</strong> Anfang an, e<strong>in</strong>e hohe <strong>Bildung</strong>squalität <strong>in</strong> allen<strong>Bildung</strong>sorten zu sichern. E<strong>in</strong>e geeignete Referenzgr<strong>und</strong>lage bietet der seit 2005 landesweite<strong>in</strong>geführte Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungenbis zur E<strong>in</strong>schulung (BayBEP), der bei Erstellung dieser Handreichungherangezogen wurde. Die Handreichung konkretisiert <strong>den</strong> BayBEP, um dem Anspruchauf frühe <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Jahren <strong>in</strong> hohem Maße gerecht zu wer<strong>den</strong>.Der Handreichung liegt, wie dem BayBEP, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teraktionistischer Ansatz zugr<strong>und</strong>e. Diesergeht da<strong>von</strong> aus, dass das K<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Anfang an <strong>in</strong> soziale Beziehungen e<strong>in</strong>gebettet<strong>und</strong> als aktives <strong>und</strong> kompetentes K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Entwicklung ko-konstruiert.<strong>Bildung</strong> vollzieht sich ab Geburt (wenn nicht sogar schon davor) <strong>in</strong> der B<strong>in</strong>dung zuse<strong>in</strong>en Eltern <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Interaktion, im Dialog mit Tagespflegepersonen, Fachkräften<strong>und</strong> anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> der Familie, aber auch <strong>in</strong> anderen <strong>Bildung</strong>sorten.Die Qualität der Interaktionen erweist sich als Schlüssel zur Weiterentwicklungfrüher <strong>Bildung</strong>squalität.Die Handreichung stellt das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>den</strong> Mittelpunkt <strong>und</strong> nicht die <strong>Bildung</strong>s<strong>in</strong>stitution.Sie zeigt Wege auf, <strong>Bildung</strong>sprozesse <strong>in</strong>dividuell <strong>und</strong> differenziert zu gestalten. DaK<strong>in</strong>der unterschiedlich s<strong>in</strong>d, wird e<strong>in</strong>e Pädagogik der Vielfalt befürwortet <strong>und</strong> alsBereicherung gesehen. Diese gilt es systematisch zu nutzen, um mehr <strong>in</strong>dividuelleGerechtigkeit <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>samen Lerngew<strong>in</strong>n zu erzielen.Die Kompetenzen des K<strong>in</strong>des s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Anfang an zu stärken, was am besten übere<strong>in</strong>e fachlich f<strong>und</strong>ierte Moderierung <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>sprozessen gel<strong>in</strong>gt. Die Handreichungbietet Orientierung <strong>und</strong> konkrete Anregungen für die Bewältigung dieser Aufgabe.Sie beschreibt die zentralen Kompetenzen des K<strong>in</strong>des <strong>und</strong> die Schlüsselprozesseguter <strong>Bildung</strong>, die mit Hilfe der pädagogisch-didaktischen Ansätze der Partizipation<strong>und</strong> Ko-Konstruktion zu gestalten <strong>und</strong> moderieren s<strong>in</strong>d. Schon junge K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>der Lage, ihre eigene <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Entwicklung mitzugestalten.Je jünger K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d, desto komplexer s<strong>in</strong>d <strong>Bildung</strong>sprozesse. Die <strong>Bildung</strong>squalitätwiederum übt nachhaltigen E<strong>in</strong>fluss auf die weitere Entwicklung des K<strong>in</strong>des aus – so8


Vorwortevor allem bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aus Familien mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> oder aus Familien,<strong>den</strong>en e<strong>in</strong> Zugang zu <strong>Bildung</strong>sangeboten vorenthalten bleibt. Die ersten drei Jahrebil<strong>den</strong> somit das F<strong>und</strong>ament der <strong>in</strong>dividuellen <strong>Bildung</strong>sbiographie, für dessen Stärkungdie Handreichung e<strong>in</strong>en Beitrag leistet.Die Handreichung richtet sich an Tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> Tagespflege <strong>und</strong> betontderen Aufgabe, auch die anderen <strong>Bildung</strong>sorte aktiv e<strong>in</strong>zubeziehen. Sie befürwortet,wie im BayBEP, e<strong>in</strong>e »<strong>Bildung</strong>spartnerschaft« vor allem mit dem <strong>Bildung</strong>sort Familiezu etablieren. Bei e<strong>in</strong>er <strong>Bildung</strong>spartnerschaft ist über die Grenzen der eigenen Institutionh<strong>in</strong>ausgehend e<strong>in</strong>e große Ko-Konstruktion zu organisieren. Fachkräfte, Eltern,das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> andere K<strong>in</strong>der gestalten geme<strong>in</strong>sam <strong>Bildung</strong>sprozesse <strong>in</strong> unterschiedlichen<strong>Bildung</strong>sorten, die mite<strong>in</strong>ander zu vernetzen s<strong>in</strong>d mit dem Ziel, die <strong>Bildung</strong>sbiographiedes K<strong>in</strong>des geme<strong>in</strong>sam zu optimieren.Diese Handreichung wurde im Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik entwickelt <strong>und</strong> bautauf der hessischen Handreichung auf. Hessen <strong>und</strong> <strong>Bayern</strong> haben seit 2004 e<strong>in</strong>e Kooperatione<strong>in</strong>geleitet, um geme<strong>in</strong>sam die Herausforderungen bei der Weiterentwicklungihrer <strong>Bildung</strong>ssysteme zu bewältigen. An der Handreichung haben viele mitgewirkt<strong>und</strong> diese <strong>in</strong> vollem S<strong>in</strong>ne des Wortes ko-konstruiert. Indem verschie<strong>den</strong>e Perspektiven<strong>und</strong> Expertisen e<strong>in</strong>bezogen wur<strong>den</strong>, hat sie an Qualität gewonnen.Unser Dank gilt der Bayerischen Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Christ<strong>in</strong>e Haderthauer für ihr Interesseam Entstehen dieser Handreichung <strong>und</strong> für Ihr Vertrauen. Den vielen Mitwirken<strong>den</strong> ander Handreichung, allen voran <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Hauptautor<strong>in</strong>nen Dr. Dagmar Berwanger <strong>und</strong>Anna Sp<strong>in</strong>dler. Der Abteilungsleiter<strong>in</strong> am IFP, Eva Reichert-Garschhammer, auch fürihre koord<strong>in</strong>ierende <strong>und</strong> redaktionelle Arbeit.Allen Fachkräften, Eltern <strong>und</strong> Vertretern anderer <strong>Bildung</strong>sorte wünschen wir e<strong>in</strong>eanregende Lektüre, <strong>und</strong> hoffen, dass sie nicht nur zu deren Professionalisierung beitragen,sondern sie auch motivieren wird, frühen k<strong>in</strong>dlichen <strong>Bildung</strong>sprozessen jenenStellenwert <strong>und</strong> jene Bedeutung beizumessen, die sie <strong>in</strong> der Tat verdienen.Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult.Wassilios E. FthenakisPriv.-Doz. Dr.Fabienne Becker-Stoll9


E<strong>in</strong>führungDiese Handreichung entstand im Rahmen des Kooperationsprojekts der Länder <strong>Bayern</strong><strong>und</strong> Hessen (»<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan für K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> 0 bis 10 Jahren <strong>in</strong> Hessen«unter der Projektleitung <strong>von</strong> Prof. Dr. Dr. Dr. W. E. Fthenakis).Von Seiten der Praxis wurde wiederholt der Wunsch geäußert, e<strong>in</strong>e Konkretisierungdes Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splans für die Altersgruppe <strong>von</strong> null bis dreiJahren vorzunehmen <strong>und</strong> zu verdeutlichen, welches Potenzial der Plan für diese K<strong>in</strong>derbieten kann:• Wie s<strong>in</strong>d die Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien des Plans bei der <strong>Bildung</strong> der Jüngsten zu verstehen?(siehe v.a. Teil 1 der Handreichung),• Welche Kompetenzen s<strong>in</strong>d es, die vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren <strong>von</strong> besondererBedeutung s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> wie lassen sich diese im S<strong>in</strong>ne der Philosophie desPlans stärken? (siehe v.a. Teil 2),• Wie lässt sich der entsprechende Rahmen für hohe <strong>Bildung</strong>squalität mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong><strong>den</strong> ersten Lebensjahren schaffen? (siehe v.a. Teil 3).Die Handreichung hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung des Bayerischen <strong>Bildung</strong>s<strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>splans für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren herauszustellen <strong>und</strong> alle»Ko-Konstrukteure« frühk<strong>in</strong>dlicher <strong>Bildung</strong> zu e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen <strong>Bildung</strong>sphilosophie<strong>von</strong> Anfang an e<strong>in</strong>zula<strong>den</strong>. Dazu zählen <strong>in</strong>sbesondere:• K<strong>in</strong>derkrippen,• K<strong>in</strong>dergärten, die sich für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren geöffnet haben,• Häuser für K<strong>in</strong>der (null bis sechs, null bis zehn Jahre etc.),• K<strong>in</strong>dertagespflege.Direkt ansprechen möchten wir alle Fachkräfte, E<strong>in</strong>richtungsleitungen <strong>und</strong> Träger <strong>von</strong>K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen, Tagespflegepersonen, aber auch die Eltern <strong>und</strong> sonstige<strong>Erziehung</strong>sberechtigte. Die Fachberatung sowie die Aus-, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung imBereich der Frühpädagogik <strong>und</strong> die neuen Studiengänge zur frühk<strong>in</strong>dlichen <strong>Bildung</strong>s<strong>in</strong>d ebenso Adressaten dieser Handreichung.Die Handreichung steht <strong>in</strong> engem Bezug zu <strong>den</strong> anderen Veröffentlichungen desStaats<strong>in</strong>stituts für Frühpädagogik (IFP), die ebenfalls K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren<strong>in</strong> <strong>den</strong> Blick nehmen:• Groß <strong>und</strong> stark wer<strong>den</strong> – Initiative K<strong>in</strong>derkrippen <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> (Vere<strong>in</strong>igung der BayerischenWirtschaft e.V. & Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung,Familie <strong>und</strong> Frauen, Hrsg., 2005).10


E<strong>in</strong>führung• Wach, neugierig, klug – K<strong>in</strong>der unter 3. E<strong>in</strong> Medienpaket für Kitas, Tagespflege <strong>und</strong>Spielgruppen (Niesel, R., Oberhuemer, P. & Irskens, B., 2006; Bertelsmann Stiftung& Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik, Hrsg.; Verlag: Bertelsmann Stiftung).• Die Erzieher<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>d-Beziehung. Zentrum <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong> (Becker-Stoll, F.& Textor, M., 2007; Verlag: Cornelsen Scriptor).• Wach, neugierig, klug – Filmszenen <strong>und</strong> Informationen zur Entwicklung <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>unter 3 (Niesel, R., 2008; Bertelsmann Stiftung & Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik,Hrsg.; Verlag: Bertelsmann Stiftung).• Wach, neugierig, klug – Kompetente Erwachsene für K<strong>in</strong>der unter 3. E<strong>in</strong> Handbuchfür die Fortbildung (Niesel, R. & Irskens, B., 2008; Bertelsmann Stiftung & Staats<strong>in</strong>stitutfür Frühpädagogik, Hrsg.; Verlag: Bertelsmann Stiftung).• K<strong>in</strong>der unter drei Jahren im K<strong>in</strong>dergarten. Die erweiterte Altersmischung als Qualitätsgew<strong>in</strong>nfür alle (Niesel, R. & Wertfe<strong>in</strong>, M., 2009; Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isteriumfür Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung, Familie <strong>und</strong> Frauen, Hrsg.).• Handbuch K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren – Theorie <strong>und</strong> Praxis der Tagesbetreuung(Becker-Stoll, F. Niesel, R. & Wertfe<strong>in</strong>, M., 2009; Verlag: Herder).• <strong>Bildung</strong>squalität für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren (Becker-Stoll, F., Kalicki,B. & Berkic, J., Hrsg., 2010; Verlag: Cornelsen Scriptor).Zur besseren Orientierung s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong> Kästen ausgezeichneten Textabschnitte mit <strong>den</strong>Signets i für weiterfuḧrende Informationen zum Thema <strong>und</strong> R für Anregungenzur Reflexionen der pädagogischen Haltung <strong>und</strong> Praxis gekennzeichnet.11


Teil 1:<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstendrei Lebensjahren im S<strong>in</strong>neder Philosophie des Bayerischen<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splans(BayBEP)


1.1 Alte Positionen überw<strong>in</strong><strong>den</strong> –neue Erkenntnisse im ÜberblickIn ke<strong>in</strong>er anderen Phase se<strong>in</strong>es Lebens lernt der Mensch so begierig <strong>und</strong> schnell wie<strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Jahren. Neue Forschungsbef<strong>und</strong>e unterschiedlicher Diszipl<strong>in</strong>en machendies deutlich <strong>und</strong> zeigen, dass die Entwicklung <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren nochbee<strong>in</strong>druckender verläuft als bislang vermutet. E<strong>in</strong> entschei<strong>den</strong>der Faktor für das Lernen<strong>in</strong> der frühen K<strong>in</strong>dheit ist, dass K<strong>in</strong>der vor allem <strong>in</strong> der sozialen Interaktion mitihren wichtigsten Bezugspersonen <strong>und</strong> durch emotionale Beziehung zu ihnen lernen(Ahnert 2010). Frühe <strong>Bildung</strong>sprozesse s<strong>in</strong>d also eng mit der Qualität der B<strong>in</strong>dungs<strong>und</strong>Beziehungserfahrungen des K<strong>in</strong>des verb<strong>und</strong>en.Der kompetente Säugl<strong>in</strong>g – soziale <strong>und</strong> kognitive Kompetenzen<strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei LebensjahrenAktuelle Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie werfen e<strong>in</strong> gänzlich neuesLicht auf die sozialen <strong>und</strong> kognitiven Fähigkeiten <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten dreiLebensjahren: Schon Säugl<strong>in</strong>ge verfügen über erstaunliche kognitive Fähigkeiten.Bereits ab dem Alter <strong>von</strong> drei Monaten zeigen Säugl<strong>in</strong>ge Objektpermanenz. Siewissen damit, dass e<strong>in</strong> Gegenstand oder e<strong>in</strong>e Person auch dann weiter existiert,wenn man ihn/sie nicht sieht. Schon im ersten Lebensjahr zeigen sie e<strong>in</strong> Verständnis<strong>von</strong> Schwerkraft oder e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>verständnis darüber, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungene<strong>in</strong> Objekt unterschiedlicher Form stabil auf e<strong>in</strong>em anderen Objekt liegenbleibt (Sodian & Thoermer 2006). Auch K<strong>in</strong>der im zweiten Lebensjahr verfügenbereits über weit entwickelte Fähigkeiten zur Kooperation – nicht nur gegenüberErwachsenen. Sie erkennen Ziele anderer <strong>und</strong> helfen ihnen spontan, diese zu erreichen(Tomasello 2009). Es gibt auch H<strong>in</strong>weise dafür, dass K<strong>in</strong>der zu Beg<strong>in</strong>n deszweiten Lebensjahres <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, die Perspektive e<strong>in</strong>es anderen e<strong>in</strong>zunehmen– e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Voraussetzung für lernmethodische Kompetenz (Schneider& Sodian 2007). Detaillierte Ausführungen zu diesen Erkenntnissen f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich <strong>in</strong>Kapitel 2.5.14


Alte Positionen überw<strong>in</strong><strong>den</strong> – neue Erkenntnisse im ÜberblickE<strong>in</strong>fluss früher Lernerfahrungen auf die Gehirnentwicklung –E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> soziale Beziehungen <strong>und</strong> InteraktionenE<strong>in</strong>e ergänzende Bestätigung erfahren diese Bef<strong>und</strong>e durch die aktuelle neurobiologischeForschung. Mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren wird der nachhaltigeE<strong>in</strong>fluss früher Lernerfahrungen auf die Entwicklung des Gehirns sichtbar. Lernen aufneurophysiologischer Ebene ist zu verstehen als die Entwicklung <strong>und</strong> Ausdifferenzierunghäufig benutzter Netzwerkverb<strong>in</strong>dungen <strong>von</strong> Nervenzellen <strong>und</strong> die Verkümmerungjener Verb<strong>in</strong>dungen, die nicht oder kaum benutzt wer<strong>den</strong> – ganz nach demPr<strong>in</strong>zip »Use it or lose it«. Differenzierte Lernerfahrungen <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahrentreiben die Entwicklung des K<strong>in</strong>des also weit deutlicher voran als vermutet.Von maßgeblicher Bedeutung dabei ist, dass dieses Lernen stets e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> emotionalbedeutsamen Beziehungen verläuft, wie <strong>in</strong> Bef<strong>und</strong>en der Hirnforschung betontwird (Hüther 2006; Braun, Helmeke & Bock 2009). Lernen funktioniert dann besondersgut, wenn gleichzeitig auch immer jenes Areal im Gehirn aktiviert ist, das fürdie Verarbeitung <strong>von</strong> Emotionen mitverantwortlich ist – das so genannte »limbischeSystem«. Die emotionale Sicherheit spielt also vor allem für das Lernen <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenLebensjahren e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle (Braun, Helmeke & Bock 2009). Wiebedeutend e<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e gute Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehung für hohe<strong>Bildung</strong>squalität s<strong>in</strong>d, geht vor allem aus <strong>den</strong> Arbeiten <strong>von</strong> Liselotte Ahnert (2007)hervor, auf die <strong>in</strong> Kapitel 2.1 noch e<strong>in</strong>gegangen wird.15


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei LebensjahrenDiese Erkenntnisse machen e<strong>in</strong>mal mehr deutlich, dass Entwicklung nicht e<strong>in</strong>fach dieEntfaltung angeborener Fähigkeiten ist, sondern <strong>in</strong> entschei<strong>den</strong>dem Maße vom Kontext<strong>und</strong> <strong>den</strong> Beziehungen zu anderen Menschen abhängt.• Lernen ist e<strong>in</strong> sozialer Prozess. Barbara Bowmann (2001) bezeichnet diesen Prozessals Tanz zwischen der angeborenen Veranlagung des K<strong>in</strong>des <strong>und</strong> dem Kontext,<strong>in</strong> dem sich das K<strong>in</strong>d entwickelt. Dabei geht es vor allem um die Beziehungen, diedas K<strong>in</strong>d zu anderen Menschen hat, <strong>und</strong> die Interaktionen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en es lernt. InternationaleForschungsberichte betonen, dass <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahrendem Lernen des K<strong>in</strong>des nur dann gerecht wird, wenn es als »effektives,engagiertes Lernen« gestaltet wird. Das heißt: Effektives <strong>und</strong> lustbetontes Lernenf<strong>in</strong>det dann statt, wenn K<strong>in</strong>der am Lernprozess aktiv beteiligt wer<strong>den</strong>, im geme<strong>in</strong>samenDialog mit anderen lernen <strong>und</strong> dabei die Möglichkeit erhalten, D<strong>in</strong>ge zuh<strong>in</strong>terfragen, zu reflektieren, eigene Erklärungsansätze <strong>und</strong> Hypothesen zu entwickeln,unterschiedliche Perspektiven kennen zu lernen <strong>und</strong> sich mit anderen darüberauszutauschen (Braun, Helmeke & Bock 2009).• E<strong>in</strong>e zusätzliche Perspektive, die <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren vermehrt <strong>von</strong> der Säugl<strong>in</strong>gs<strong>und</strong>K<strong>in</strong>dheitsforschung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Blick genommen wird, ist die Bedeutung der Beziehungzu Gleichaltrigen. Bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren steckt erstaunlich großes<strong>Bildung</strong>spotenzial <strong>in</strong> »Peer-Beziehungen«. K<strong>in</strong>der brauchen ihresgleichen, umgeme<strong>in</strong>sam Wissen zu konstruieren <strong>und</strong> Bedeutungen zu erforschen (Corsaro 1997;Youniss 1994; Liegle 2008).• Das Lernen <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Interaktion als Schlüssel für hohe <strong>Bildung</strong>squalitätwurde auch <strong>in</strong> frühpädagogischen Studien i<strong>den</strong>tifiziert (EPPE-Studie, REPEY-Studie).Dar<strong>in</strong> wird betont, dass Lernen dann am effektivsten ist, wenn die K<strong>in</strong>der aktiv <strong>in</strong>die Ko-Konstruktion <strong>von</strong> Bedeutung, also <strong>in</strong> die geme<strong>in</strong>same Bedeutungserschließung<strong>in</strong>volviert s<strong>in</strong>d, die <strong>in</strong> Diskussionen über Themen stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>, die für sie wichtigs<strong>in</strong>d (Siraj-Blatchford & Siraj-Blatchford 2007).Volkswirtschaftlicher Nutzen <strong>von</strong> Investitionen <strong>in</strong> die Qualitätfrühk<strong>in</strong>dlicher <strong>Bildung</strong>Ergänzend können an dieser Stelle noch Bef<strong>und</strong>e aus <strong>den</strong> Wirtschaftswissenschaftenerwähnt wer<strong>den</strong>. Verschie<strong>den</strong>e nationale <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationale Forschungsergebnissezeigen e<strong>in</strong>drücklich, dass Investitionen <strong>in</strong> die Qualität der frühk<strong>in</strong>dlichen <strong>Bildung</strong>e<strong>in</strong>en nachhaltigen volkswirtschaftlichen Nutzen haben. So betonen etwa FlavioCunha <strong>und</strong> James Heckman (2007), dass Investitionen <strong>den</strong> höchsten Ertrag <strong>in</strong><strong>den</strong> ersten fünf Jahren mit sich br<strong>in</strong>gen. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt auchdie <strong>von</strong> der Bertelsmann-Stiftung vorgelegte Studie zum Krippenbesuch (Fritschi &Oesch 2008). Frühe <strong>in</strong>stitutionelle <strong>Bildung</strong> wirkt sich nachhaltig auf <strong>den</strong> weiteren<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Lernweg des K<strong>in</strong>des aus. Dieser positive Nutzen entsteht allerd<strong>in</strong>gsnur bei hoher Qualität des pädagogischen Angebots (e<strong>in</strong>e Übersicht vgl. Reichert-Garschhammer 2003).16


1.2 Psychische Gr<strong>und</strong>bedürfnissedes K<strong>in</strong>desSeit <strong>den</strong> Untersuchungen <strong>von</strong> René Spitz (1945) zum Hospitalismus wissen wir, dassdie Befriedigung der physischen Gr<strong>und</strong>bedürfnisse (Hunger, Durst, körperliche Hygiene,Schutz vor Kälte oder Hitze) nicht ausreicht, um e<strong>in</strong>e ges<strong>und</strong>e Entwicklung <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>zu gewährleisten. Vielmehr ist e<strong>in</strong>e angemessene Befriedigung der psychischenGr<strong>und</strong>bedürfnisse die Voraussetzung für e<strong>in</strong>e ges<strong>und</strong>e Entwicklung. Neugeborene,Säugl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d auf die Befriedigung der Gr<strong>und</strong>bedürfnisse durch ihresoziale Umwelt angewiesen. Nach <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> amerikanischen MotivationsforschernRyan <strong>und</strong> Deci (2000) wer<strong>den</strong> die drei psychischen Gr<strong>und</strong>bedürfnisse soziale E<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>enheit,Kompetenz- <strong>und</strong> Autonomieerleben unterschie<strong>den</strong>:• Das Gr<strong>und</strong>bedürfnis nach sozialer E<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>enheit steht für das Bedürfnis, engezwischenmenschliche B<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> gute Beziehungen e<strong>in</strong>zugehen, sich anderenzugehörig <strong>und</strong> sicher geb<strong>und</strong>en zu fühlen <strong>und</strong> sich als liebesfähig <strong>und</strong> liebenswertzu erleben.• Autonomieerleben steht für das Gr<strong>und</strong>bedürfnis nach freier Bestimmung <strong>und</strong>Steuerung des eigenen Handelns <strong>und</strong> nach selbstbestimmter Interaktion mit derUmwelt.• Dem Gr<strong>und</strong>bedürfnis nach Kompetenzerleben liegt der Wunsch zugr<strong>und</strong>e, Aufgaben<strong>und</strong> Probleme aus eigener Kraft <strong>und</strong> durch e<strong>in</strong>e effektive Interaktion mit derUmwelt zu bewältigen, dadurch positive Ergebnisse zu erzielen <strong>und</strong> negative zuverh<strong>in</strong>dern (Ryan & Deci 2000).Der Mensch hat die angeborene motivationale Ten<strong>den</strong>z, sich mit anderen Personen<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er sozialen Umwelt verb<strong>und</strong>en zu fühlen, <strong>in</strong> dieser Umwelt effektiv zu handeln<strong>und</strong> sich dabei persönlich autonom <strong>und</strong> <strong>in</strong>itiativ zu erfahren – dies gilt für K<strong>in</strong>der<strong>und</strong> Erwachsene <strong>in</strong> gleichem Maße.In <strong>den</strong> ersten Lebensjahren s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der darauf angewiesen, dass auch ihre psychischenGr<strong>und</strong>bedürfnisse <strong>von</strong> ihrer unmittelbaren sozialen Umwelt befriedigt wer<strong>den</strong>:• Das Gr<strong>und</strong>bedürfnis nach sozialer E<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>enheit wird zunächst <strong>von</strong> <strong>den</strong> Elternbeantwortet. Elterliches Engagement steht für e<strong>in</strong>e Beziehung zum K<strong>in</strong>d, die <strong>von</strong>Freude <strong>und</strong> Interesse am K<strong>in</strong>d geprägt ist, <strong>in</strong> welcher Gefühle offen ausgedrücktwer<strong>den</strong> können <strong>und</strong> die Bezugsperson emotional <strong>und</strong> zeitlich verfügbar ist. Fehlendeselterliches Engagement reicht <strong>von</strong> mangelnder Fe<strong>in</strong>fühligkeit bis zu Vernachlässigung<strong>und</strong> Misshandlung.• Autonomieerleben unterstützendes Verhalten be<strong>in</strong>haltet die Gewährung <strong>von</strong> Freiheit<strong>und</strong> Wahlmöglichkeiten bei e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>imum an Regeln, so dass eigene Ziele17


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahrenerkannt <strong>und</strong> verfolgt wer<strong>den</strong> können. Autonomie wird auch als Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsschrittverstan<strong>den</strong>, als Übergang zu selbst reguliertem Verhalten, der jedochnicht unabhängig <strong>von</strong> der Umwelt geschehen kann <strong>und</strong> somit sehr bee<strong>in</strong>flussbar ist(Ryan, Kuhl & Deci 1997). Die Unterstützung <strong>von</strong> Autonomie ist demnach e<strong>in</strong> wichtigerPunkt im Verhalten <strong>von</strong> Bezugspersonen. Autonomiebestrebungen könnendurch übermäßige Kontrolle, Manipulation oder Strafen gehemmt wer<strong>den</strong>.• Struktur ist notwendig, um das Kompetenzerleben e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des zu stärken, sieumfasst an <strong>den</strong> Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsstand angepasste Herausforderungen, aberauch Hilfestellung beim Erwerb <strong>von</strong> neuen Strategien. Das Gegenteil <strong>von</strong> Struktur– Chaos – ist charakterisiert <strong>von</strong> Unvorhersagbarkeit, Über- oder Unterstimulation,e<strong>in</strong>em Mangel an Unterstützung <strong>und</strong> an Kontrolle beim Erreichen <strong>von</strong> Zielen (Sk<strong>in</strong>ner& Wellborn 1991).Wer<strong>den</strong> die psychischen Gr<strong>und</strong>bedürfnisse ausreichend befriedigt, kann das K<strong>in</strong>dsich aktiv mit se<strong>in</strong>er Umwelt ause<strong>in</strong>andersetzen – das ist die Gr<strong>und</strong>voraussetzungdes Lernens. Frühk<strong>in</strong>dliches Lernen f<strong>in</strong>det vor allem e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> vertrauten, emotionalbedeutsamen Beziehungen statt. K<strong>in</strong>der lernen <strong>von</strong> Menschen, <strong>in</strong> sozialenInteraktionen <strong>und</strong> durch emotionale Beziehung zu ihnen. In e<strong>in</strong>er solchen Beziehungkann das K<strong>in</strong>d sich als aktiv handelnde <strong>und</strong> selbstwirksame Person erleben. DieseEigenschaft wird – so die B<strong>in</strong>dungstheorie <strong>und</strong> -forschung – <strong>in</strong> sicheren B<strong>in</strong>dungsbeziehungenumgesetzt (siehe Kapitel 2.1). Ohne sichere B<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> gute Beziehungenbewerten K<strong>in</strong>der die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit eher als Misserfolg<strong>und</strong> erleben sich selbst als unfähig, was sich negativ auf das Selbstbild, das Selbstwirksamkeitserleben<strong>und</strong> die <strong>Bildung</strong>smotivation auswirkt (Ahnert 2010).18


1.3 Das Bild vom K<strong>in</strong>dWie die Interaktion mit dem K<strong>in</strong>d bzw. das pädagogische Handeln allgeme<strong>in</strong> gestaltetwird, hängt maßgeblich <strong>von</strong> <strong>den</strong> Vorstellungen der Erwachsenen ab: Über welcheKompetenzen <strong>und</strong> Kenntnisse verfügt e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d bereits? Welche Gestaltungsmöglichkeitenhat es? Und wie s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Äußerungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen zu <strong>in</strong>terpretieren?Dieses Interpretationsmuster wird als »Bild vom K<strong>in</strong>d« bezeichnet. Es bee<strong>in</strong>flusst,wie die Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse des K<strong>in</strong>des wahrgenommen <strong>und</strong> wie <strong>Bildung</strong>sprozessemoderiert wer<strong>den</strong>. Von besonderer Bedeutung ist es daher, sich mitdem eigenen <strong>in</strong>neren Bild vom K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> mit dem damit verb<strong>und</strong>enen Verständnis <strong>von</strong><strong>Bildung</strong> kritisch ause<strong>in</strong>anderzusetzen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e eigene Haltung im <strong>Bildung</strong>sgeschehenfortlaufend zu reflektieren.Die Pädagogik hat sich lange Zeit an e<strong>in</strong>em Bild vom K<strong>in</strong>d orientiert, das <strong>den</strong> Säugl<strong>in</strong>gals passiv, schwach <strong>und</strong> hilflos sowie vollkommen abhängig <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Bezugspersonwahrnahm. Individuelle Entwicklungsverläufe wur<strong>den</strong> außer Acht gelassen,vielmehr orientierte man sich an Durchschnittstabellen. »Entwicklung wurde als e<strong>in</strong>Prozess gesehen, bei dem das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dlichen Defizite immer mehr überw<strong>in</strong>det<strong>und</strong> durch die Hilfe des Erwachsenen, der dieses leere Gefäß füllt, schließlichebenfalls zu e<strong>in</strong>em kompetenten, autonomen <strong>und</strong> aktiven Erwachsenen heranreift«(W<strong>in</strong>ner 2007, S. 27).Die Säugl<strong>in</strong>gs- <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dforschung der letzten Jahrzehnte entwirft jedoch e<strong>in</strong> gänzlichanderes Bild der Entwicklung des K<strong>in</strong>des <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Fähigkeit zu lernen. K<strong>in</strong>ders<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Geburt an mit gr<strong>und</strong>legen<strong>den</strong> Kompetenzen sowie e<strong>in</strong>em reichhaltigenLern- <strong>und</strong> Entwicklungspotenzial ausgestattet. Die Entwicklung des K<strong>in</strong>des ist alsoke<strong>in</strong>eswegs nur e<strong>in</strong> körperlicher <strong>und</strong> mentaler Reifungs- <strong>und</strong> Wachstumsprozess. VonAnfang an treten Säugl<strong>in</strong>ge mit ihrer Umwelt <strong>in</strong> regen Austausch. Dieser Austauschgel<strong>in</strong>gt jedoch nur dann, wenn die physischen wie auch psychischen Gr<strong>und</strong>bedürfnissedes K<strong>in</strong>des <strong>von</strong> Anfang an befriedigt wer<strong>den</strong> (siehe Kapitel 1.2). Gerade <strong>in</strong> <strong>den</strong>ersten drei Lebensjahren s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der gleichzeitig auch sehr verletzbar <strong>und</strong> völlig <strong>von</strong>der liebevollen, beständigen Pflege <strong>und</strong> Versorgung durch vertraute Bezugspersonenabhängig.Das Bild vom K<strong>in</strong>d als aktives <strong>und</strong> kompetentes K<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Anfang an führt zu e<strong>in</strong>erNeubewertung des pädagogischen Handelns. Die ersten Lebensjahre wer<strong>den</strong> nichtmehr nur unter e<strong>in</strong>er <strong>Betreuung</strong>s-, sondern vielmehr auch unter e<strong>in</strong>er <strong>Bildung</strong>sperspektivegesehen <strong>und</strong> als F<strong>und</strong>ament im <strong>Bildung</strong>ssystem wahrgenommen. Der19


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren20Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan fordert e<strong>in</strong>e hohe <strong>Bildung</strong>squalität <strong>von</strong>Anfang an für alle K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen <strong>Bildung</strong>sorten e<strong>in</strong>. Der frühen <strong>Bildung</strong> kommte<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung im weiteren <strong>Bildung</strong>sverlauf zu.Die kritische Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem eigenen Bild vom K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> dem damitverb<strong>und</strong>enen Verständnis <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong> hat sich sowohl im Zuge der Erprobung alsauch der bisherigen Implementierung des Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splansals zentrales Element auf dem Weg zur Verständigung auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>samePhilosophie aller <strong>Bildung</strong>sorte <strong>und</strong> damit zur Überw<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> unterschiedlichen <strong>Bildung</strong>sphilosophien<strong>und</strong> Lernkulturen erwiesen. Entschei<strong>den</strong>d ist e<strong>in</strong>e kompetenz<strong>und</strong>dialogorientierte Haltung, mit der Erwachsene <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> heute als <strong>Bildung</strong>spartnerbegegnen (siehe Kapitel 1.9).


1.4 E<strong>in</strong> ko-konstruktives<strong>Bildung</strong>sverständnisDas Bild vom K<strong>in</strong>d als aktiver Mitgestalter se<strong>in</strong>er eigenen <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Entwicklungwurde <strong>in</strong> besonderer Weise <strong>von</strong> dem Schweizer Psychologen Jean Piaget geprägt. Inse<strong>in</strong>em Werk »Das Erwachen der Intelligenz beim K<strong>in</strong>de« (1936) konzentrierte sichPiaget schon frühzeitig auf die Frage, wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Welt erkennt <strong>und</strong> begreift.Se<strong>in</strong>e Antwort darauf war, dass K<strong>in</strong>der nur <strong>in</strong> der aktiven Ause<strong>in</strong>andersetzung mitihrer Umwelt lernen <strong>und</strong> ihr Wissen somit aktiv konstruieren. Dieser Auffassung zufolgeist der E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> außen auf <strong>den</strong> k<strong>in</strong>dlichen Lernprozess ger<strong>in</strong>g <strong>und</strong> beschränktsich lediglich auf die Bereitstellung e<strong>in</strong>er geeigneten Lernumgebung – das K<strong>in</strong>d bildetsich selbst.Dem konstruktivistischen Gedanken <strong>von</strong> Piaget wurde <strong>von</strong> Lew Wygotski e<strong>in</strong>e zentraleKomponente h<strong>in</strong>zugefügt: Der wesentliche Faktor für die Konstruktion <strong>von</strong> Wissenliegt demnach <strong>in</strong> der sozialen Interaktion mit anderen. Nach diesem ko-konstruktivenVerständnis lernen K<strong>in</strong>der die Welt zu verstehen, <strong>in</strong>dem sie sich mit anderenaustauschen <strong>und</strong> Bedeutungen untere<strong>in</strong>ander aushandeln. Dies be<strong>in</strong>haltet, dassdie geistige, sprachliche <strong>und</strong> soziale Entwicklung durch die soziale Interaktion mitanderen gestärkt wird, während nach der Selbstbildungstheorie alle<strong>in</strong> die Eigenaktivitätdes K<strong>in</strong>des betont wird oder nach der Vermittlungstheorie Wissen <strong>von</strong> außenvermittelt wird, das das K<strong>in</strong>d während der »Lehrsituation« passiv aufnimmt.Der Ansatz der Ko-Konstruktion h<strong>in</strong>gegen betont, dass das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Umweltzugleich aktiv s<strong>in</strong>d, wie Abbildung 1 veranschaulicht. Für die Gestaltung <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>sprozessen<strong>von</strong> hoher Qualität bietet dieser Ansatz die beste Gr<strong>und</strong>lage.Das K<strong>in</strong>d ist aktivDas K<strong>in</strong>d ist passivDie Umwelt ist aktivInteraktionistische Theorien,die auf dem Sozialkonstruktivismusaufbauen:Ansatz der Ko-KonstruktionExogenistische Theorien:(Kooperativer) VermittlungsansatzDie Umwelt ist passivSelbstgestaltungstheorien, dieauf der klassischen Theoriedes Konstruktivismus aufbauen:SelbstbildungsansatzEndogenistische Theorien:SelbstentfaltungsansatzAbbildung 1: Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Umwelt – E<strong>in</strong>teilung nach Montada, L. (2008, S. 3-53)21


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei LebensjahrenDas zentrale Element der Ko-Konstruktion ist der Diskurs, das heißt der Prozess, <strong>in</strong>dem mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> über die Bedeutung gesprochen wird. »Bedeutungen wer<strong>den</strong> ausgedrückt,geteilt <strong>und</strong> mit anderen ausgehandelt. Dabei versuchen die Beteiligten, dieGestaltungen <strong>und</strong> Dokumentationen der anderen zu begreifen. Fachkräfte solltendabei auf die Theorien der K<strong>in</strong>der, ihre Vermutungen, Widersprüche <strong>und</strong> Missverständnisseachten <strong>und</strong> diese diskutieren. Dadurch können sie sicherstellen, dass siedie K<strong>in</strong>der bei der Erforschung <strong>von</strong> Bedeutungen unterstützen <strong>und</strong> nicht die bloßeVermittlung <strong>von</strong> Fakten fördern« (Fthenakis 2009, S. 9).Ko-Konstruktion als pädagogisches Pr<strong>in</strong>zip lässt sich – trotz häufig geäußerter Skepsis<strong>in</strong> der Praxis – auch sehr gut mit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> umsetzen. In der Praxis bedeutetdies, dass K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der sozialen Beziehung zu anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>und</strong> Erwachsenenlernen <strong>und</strong> stärker die geme<strong>in</strong>same Erforschung <strong>von</strong> Bedeutungen als der Erwerb <strong>von</strong>Fakten im Mittelpunkt steht. Für <strong>den</strong> Erwerb <strong>von</strong> Fakten müssen K<strong>in</strong>der vor allembeobachten, zuhören <strong>und</strong> sich etwas merken. Die Erforschung <strong>von</strong> Bedeutung dagegenme<strong>in</strong>t, sich geme<strong>in</strong>sam mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> oder mit Erwachsenen auszutauschensowie D<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Geschehnissen e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n zu geben. Bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten dreiLebensjahren erfolgt dieser Austausch meist nonverbal; sensorische Erfahrungen –Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen <strong>und</strong> Tasten – stehen im Vordergr<strong>und</strong>.22


E<strong>in</strong> ko-konstruktives <strong>Bildung</strong>sverständnisKo-Konstruktion versteht <strong>Bildung</strong> als sozialen Prozess, <strong>in</strong> <strong>den</strong> alle Beteiligten gleichermaßen<strong>in</strong>volviert s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> der auf Gleichrangigkeit – nicht auf Gleichheit – basiert.Diese Klarstellung begegnet e<strong>in</strong>em häufig geäußerten Missverständnis, welches alsArgument gegen Ko-Konstruktion bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren herangezogenwird. Gleichrangigkeit bedeutet nicht, dass die Verantwortung der Erwachsenenfür die Befriedigung der Gr<strong>und</strong>bedürfnisse, für Sicherheit <strong>und</strong> Verlässlichkeit anBedeutung verliert – Aspekte, die vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren besonderesGewicht haben. Auch tragen die Erwachsenen weiterh<strong>in</strong> die Hauptverantwortung fürdie Steuerung <strong>und</strong> Moderation <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>sprozessen. Gleichrangigkeit heißt, dassdie Beiträge aller beteiligten Akteure zur Ko-Konstruktion ernst genommen wer<strong>den</strong><strong>und</strong> gleich viel zählen.Bei e<strong>in</strong>em ko-konstruktiven <strong>Bildung</strong>sverständnis kommt Erwachsenen nicht mehr dieRolle der alle<strong>in</strong>igen Experten zu, die dem K<strong>in</strong>d »besserwissend« <strong>und</strong> »belehrend«begegnen. Vielmehr gew<strong>in</strong>nen Interaktion <strong>und</strong> Zusammenarbeit der K<strong>in</strong>der mit Erwachsenen,aber auch der K<strong>in</strong>der untere<strong>in</strong>ander an zentraler Bedeutung – <strong>und</strong> damitdie lernende Geme<strong>in</strong>schaft. K<strong>in</strong>der wie auch Erwachsene br<strong>in</strong>gen ihre <strong>in</strong>dividuellenSichtweisen auf die Lern<strong>in</strong>halte e<strong>in</strong>. Vor allem <strong>in</strong> Gruppen mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mit unterschiedlichenKompetenzen, Interessen <strong>und</strong> Stärken kann Ko-Konstruktion zu e<strong>in</strong>embereichern<strong>den</strong> Prozess wer<strong>den</strong>. Vielfalt als Chance zu sehen ist e<strong>in</strong> entschei<strong>den</strong>desGr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zip des Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splans (siehe Kapitel 1.8). ImUmgang mit <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Sichtweisen <strong>und</strong> Ideen wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong> demokratischerUmgangs- <strong>und</strong> Diskussionsstil sowie Offenheit <strong>und</strong> Flexibilität praktiziert. Dies stärktdie Fähigkeit zur Perspektivenübernahme <strong>und</strong> legt <strong>den</strong> Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> für soziale Beziehungen.Bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren f<strong>in</strong>det Ko-Konstruktion sehr häufig unter <strong>den</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> statt: Sie lernen besonders gern <strong>von</strong> anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. Vor allem <strong>in</strong> Beziehungenzu Gleichaltrigen steckt e<strong>in</strong> hohes <strong>Bildung</strong>spotenzial. Sie bieten die Chance,dass Überlegungen altersgemäß mitgeteilt wer<strong>den</strong> <strong>und</strong> Erfahrungen im ko-konstruktivenProzess mit »Gleichges<strong>in</strong>nten« ausgetauscht wer<strong>den</strong> können. Dieser Aspektwird vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> Arbeiten <strong>von</strong> James Youniss (1994) hervorgehoben. BereitsZweijährige erproben soziale Regeln <strong>in</strong> der Gruppe, handeln sie mit anderen aus <strong>und</strong>ko-konstruieren <strong>in</strong> der Interaktion mit Gleichaltrigen e<strong>in</strong> Verständnis <strong>von</strong> Gerechtigkeitoder Fre<strong>und</strong>schaft.23


1.5 Basiskompetenzen stärken alsLeitziel <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>In se<strong>in</strong>en Inhalten <strong>und</strong> Zielen beruht der Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splanauf e<strong>in</strong>em weiten, ganzheitlichen <strong>Bildung</strong>sverständnis. Als Leitziel <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong> def<strong>in</strong>ierter nicht die Aneignung <strong>von</strong> Faktenwissen, sondern die Weiterentwicklung <strong>von</strong>Kompetenzen.Wie sich Wissen im Übergang zur Wissensgesellschaft entwickeln <strong>und</strong> diese Entwicklungwiederum die Gesellschaft bee<strong>in</strong>flussen <strong>und</strong> das <strong>Bildung</strong>swesen verändern wird– dazu wur<strong>den</strong> im Auftrag des B<strong>und</strong>esbildungsm<strong>in</strong>isteriums 1996 <strong>und</strong> 1998 mehr als1.000 Wissenschaftler <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sexperten im Rahmen <strong>von</strong> zwei Delphi-Studienbefragt (Prognos AG & Infratest Burke Sozialforschung 1998). E<strong>in</strong>es der wichtigenErgebnisse war die Neudef<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Allgeme<strong>in</strong>bildung, die die Entwicklung <strong>von</strong>gr<strong>und</strong>legen<strong>den</strong> Kompetenzen, e<strong>in</strong>schließlich Werthaltungen, <strong>in</strong> <strong>den</strong> Mittelpunkt stellt<strong>und</strong> diese mit dem Erwerb <strong>von</strong> <strong>in</strong>haltlichem Basiswissen verknüpft (vgl. Prognos AG &Infratest Burke Sozialforschung 1998, S. 42). Dieser kompetenzorientierte <strong>Bildung</strong>sansatzberuht auf der Erkenntnis, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er globalisierten <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividualisiertenWissensgesellschaft Kompetenzen wichtiger wer<strong>den</strong> als das sich rasch veränderndeFach- <strong>und</strong> Spezialwissen. Junge Menschen stehen heute vor der Herausforderung,sich ständig weiterzuentwickeln <strong>und</strong> kont<strong>in</strong>uierlich neues Wissen zu verarbeiten.Kommunikationsfähigkeit, lebenslange Lernfähigkeit <strong>und</strong> der kompetente Umgangmit Veränderungen wer<strong>den</strong> daher immer wichtiger.Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser Ergebnisse stellt der Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splanjene Basiskompetenzen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vordergr<strong>und</strong>, die <strong>von</strong> Geburt an über <strong>den</strong> gesamtenLebenslauf Bedeutung haben. K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren Basiskompetenzen zu stärken zieltauf ihre Entwicklung zu e<strong>in</strong>er eigenverantwortlichen <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>schaftsfähigen Persönlichkeit<strong>und</strong> steht deshalb im Mittelpunkt aller <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>sprozesse.Es s<strong>in</strong>d immer dieselben Kompetenzen, die auf unterschiedlichen Entwicklungsniveaus<strong>und</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen <strong>Bildung</strong>sorten zur Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong> wer<strong>den</strong>.Der Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan stellt die Stärkung <strong>von</strong> <strong>in</strong>sgesamt vierKompetenzbereichen heraus:• Personale Kompetenzen• Selbstwahrnehmung (Selbstwertgefühl, positives Selbstkonzept)• Motivationale Kompetenzen (zum Beispiel Autonomie- <strong>und</strong> Kompetenzerleben,Selbstregulation, Neugier, Interessen)24


Basiskompetenzen stärken als Leitziel <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>• Kognitive Kompetenzen (zum Beispiel differenzierte Wahrnehmung, Denk- <strong>und</strong>Problemlösefähigkeit, Fantasie <strong>und</strong> Kreativität)• Physische Kompetenzen (zum Beispiel Verantwortungsübernahme für Ges<strong>und</strong>heit<strong>und</strong> Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong>, motorische Kompetenzen, Stressbewältigung)• Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext• Soziale Kompetenzen (zum Beispiel gute Beziehungen aufbauen <strong>und</strong> pflegen,Empathie, Kommunikations- <strong>und</strong> Kooperationsfähigkeit)• Entwicklung <strong>von</strong> Werte- <strong>und</strong> Orientierungskompetenz (zum Beispiel Werthaltungen,Sensibilität für <strong>und</strong> Achtung <strong>von</strong> Andersartigkeit <strong>und</strong> Andersse<strong>in</strong>)• Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme (für das eigene Handeln,anderen Menschen gegenüber, für Umwelt <strong>und</strong> Natur)• Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft zur demokratischen Teilhabe (zum Beispiel E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<strong>und</strong> Über<strong>den</strong>ken des eigenen Standpunkts)• Lernmethodische Kompetenz (Lernen lernen)• Kompetenter Umgang mit Veränderungen <strong>und</strong> Belastungen (Resilienz).25


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei LebensjahrenWelchen Stellenwert die e<strong>in</strong>zelnen personalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen für <strong>den</strong>Altersbereich der ersten drei Jahre haben, wird im Teil 2 bei <strong>den</strong> Ausführungen zu<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Kompetenzbereichen durchgängig betont. Auch für <strong>den</strong> Erwerb <strong>von</strong>lernmethodischer Kompetenz <strong>und</strong> Resilienz, die mit fortschreitender Entwicklung anBedeutung gew<strong>in</strong>nen, s<strong>in</strong>d sie Voraussetzung.E<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> für die eigenen Lernprozesse <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en die Fähigkeit,gezielt <strong>und</strong> bewusst über das eigene Denken <strong>und</strong> Lernen nach<strong>den</strong>ken zu können,erwerben K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Regel nicht vor dem vierten Lebensjahr. E<strong>in</strong>ige für die lernmethodischeKompetenz bedeutsame Gr<strong>und</strong>fähigkeiten entwickeln sie jedoch schonwesentlich früher, wie aus aktuellen Forschungsbef<strong>und</strong>en hervorgeht (siehe Kapitel2.5). Diese haben e<strong>in</strong> neues Licht auf das Lernen im K<strong>in</strong>desalter geworfen <strong>und</strong>machen deutlich, dass bisherige Annahmen zur kognitiven Entwicklung die Lern- <strong>und</strong>Denkfähigkeit <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren deutlich unterschätzten. Prozesse des Verstehens,die zu lernmethodischer Kompetenz führen, können daher schon viel frühergestärkt wer<strong>den</strong>, <strong>in</strong>dem man sich geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf <strong>den</strong> Weg macht,Neues zu erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zu erforschen.Resilienz bezieht sich auf die Fähigkeit, se<strong>in</strong>e eigenen Kompetenzen <strong>und</strong> sozialenRessourcen zu nutzen, um Veränderungen <strong>und</strong> Belastungen <strong>in</strong> positiver Weise bewältigenzu können. Der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> für diese Kompetenz wird schon <strong>in</strong> frühen Jahrengelegt. Die wichtigsten Schutzfaktoren dafür s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>nerhalb derFamilie, aber auch verlässliche Beziehungen zu fe<strong>in</strong>fühligen Tagespflegepersonen<strong>und</strong> Fachkräften. Verlässliche Beziehungen stärken die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrer Widerstandsfähigkeit.Vor allem für K<strong>in</strong>der, die <strong>in</strong> ihrer Familie <strong>in</strong> schwierigen Lebensumstän<strong>den</strong>aufwachsen, wird die K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung oder Tagespflege zu e<strong>in</strong>em Ort, an demdas K<strong>in</strong>d emotionale Wärme <strong>und</strong> Zuwendung erfährt <strong>und</strong> sich selbst als wertgeschätzt<strong>und</strong> kompetent erleben kann. Resilienz baut maßgeblich auf <strong>den</strong> sozialen<strong>und</strong> emotionalen Kompetenzen sowie e<strong>in</strong>em positiven Selbstkonzept auf (siehe dazuKapitel 2.2 <strong>und</strong> 2.6).Kompetenzen lassen sich nicht vermitteln. Vielmehr s<strong>in</strong>d <strong>Bildung</strong>sprozesse so zugestalten, dass K<strong>in</strong>der eigenaktiv <strong>und</strong> selbsttätig ihre bereits vorhan<strong>den</strong>en Kompetenzene<strong>in</strong>setzen <strong>und</strong> weiterentwickeln <strong>und</strong> zugleich neue Kompetenzen erwerbenkönnen. K<strong>in</strong>der entwickeln ihre Kompetenzen nicht isoliert, sondern stets im Kontext<strong>von</strong> aktuellen Situationen, sozialem Austausch <strong>und</strong> behandelten Themen, die sie<strong>in</strong>teressieren. Kompetenzentwicklung <strong>und</strong> Wissenserwerb gehen daher Hand <strong>in</strong>Hand.26


1.6 <strong>Bildung</strong> als Motor für Entwicklung<strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Entwicklung wer<strong>den</strong> im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan nichtals zwei unabhängig <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander ablaufende Prozesse verstan<strong>den</strong>, sondern vielmehrwer<strong>den</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Lernen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Dienst k<strong>in</strong>dlicher Entwicklung gestellt. Dies bedeutet,dass man nicht mehr abwartet, bis das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> bestimmtes Entwicklungsniveau<strong>und</strong> Alter erreicht hat, um bestimmte Lernaufgaben zu bewältigen, <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>der Entwicklung damit stets h<strong>in</strong>terher h<strong>in</strong>kt. Vielmehr wird Entwicklung als e<strong>in</strong>Resultat <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong> gesehen, das heißt, die Entwicklung des K<strong>in</strong>des kann durch vielfältige<strong>und</strong> anspruchsvolle Lernerfahrungen weitaus deutlicher bee<strong>in</strong>flusst <strong>und</strong> gestärktwer<strong>den</strong> als dies bislang häufig angenommen wurde. Entschei<strong>den</strong>d dabei ist,dass die Herausforderungen, die <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> angeboten wer<strong>den</strong>, <strong>in</strong> der so genannten»Zone der nächsten Entwicklung« (Wygotski 1978) liegen.27


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei LebensjahreniDie Zone der nächsten Entwicklung nach WygotskiWygotski bestärkte die Auffassung, dass die kognitive Entwicklung des Menschennur <strong>in</strong> Interaktion mit anderen stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> kann; Lernen f<strong>in</strong>det demnach nur im sozialenKontext statt. Dabei betonte er, dass Herausforderungen, die <strong>in</strong> der Zone dernächsten Entwicklung liegen, die Entwicklung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des am meisten voranbr<strong>in</strong>gen.Dies bedeutet, sich nicht nur am aktuellen Entwicklungsstand, sondern am potentiellenEntwicklungsverlauf des K<strong>in</strong>des zu orientieren. Es geht also darum, daraufzu achten, was e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d bereits alles alle<strong>in</strong>e kann, weiß <strong>und</strong> versteht <strong>und</strong> ihmbasierend auf dem bereits vorhan<strong>den</strong>en Wissen die Möglichkeit zu geben, im Austauschmit anderen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lernen<strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>schaft Herausforderungen zu bewältigen,die über se<strong>in</strong>em aktuellen Entwicklungsniveau liegen.»Wenn wir also untersuchen, wozu das K<strong>in</strong>d selbstständig fähig ist, untersuchenwir <strong>den</strong> gestrigen Tag. Erk<strong>und</strong>en wir jedoch, was das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Zusammenarbeit zuleisten vermag, dann ermitteln wir dadurch die morgige Entwicklung.« (Wygotski1987, S. 83)Die Unterstützung durch Erwachsene geht der Entwicklung des K<strong>in</strong>des also immere<strong>in</strong> wenig voraus – ohne dabei das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Fähigkeiten weder zu unter- nochzu überfordern. Bei sehr kle<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ist es im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Scaffold<strong>in</strong>g (sieheKapitel 3.4) s<strong>in</strong>nvoll, e<strong>in</strong>e Aufgabe zu strukturieren <strong>und</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelteile zu zerlegen,damit das K<strong>in</strong>d sie Schritt für Schritt als aktiver Lerner selbst bewältigen kann. DieHandlung des K<strong>in</strong>des kann verbal begleitet oder das Nach<strong>den</strong>ken über etwas durchgezieltes Fragen <strong>und</strong> Nachfragen aktiviert wer<strong>den</strong>. Begleitendes Feedback darüber,wie nah das K<strong>in</strong>d am gewünschten Ziel bereits ist, gibt Orientierung <strong>und</strong> motiviertzum weiteren Experimentieren – ebenso wie Wertschätzung, Lob <strong>und</strong> Ermutigung.Die Besonderheit bei allen Lernprozessen <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bis zu drei Jahren ist derenE<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Beziehung zur Bezugsperson.28


1.7 Das Pr<strong>in</strong>zip derganzheitlichen <strong>Bildung</strong>Das lernende K<strong>in</strong>d als aktiven <strong>und</strong> kompetenten Mitgestalter se<strong>in</strong>er <strong>Bildung</strong>sprozesse<strong>in</strong> <strong>den</strong> Mittelpunkt zu stellen hat zur Konsequenz, die Organisation <strong>und</strong> Begleitung<strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>sprozessen alle<strong>in</strong> am K<strong>in</strong>d zu orientieren, das heißt, an se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellenLernbedürfnissen <strong>und</strong> vor allem auch an der Art <strong>und</strong> Weise, wie K<strong>in</strong>der nachhaltiglernen.Mit Blick auf die aktuellen Bef<strong>und</strong>e der Lernforschung hält der Bayerische <strong>Bildung</strong>s<strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>splan am frühpädagogischen Pr<strong>in</strong>zip der ganzheitlichen <strong>Bildung</strong> fest –im <strong>Bildung</strong>ssett<strong>in</strong>g K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung primär e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> <strong>den</strong> pädagogischenAlltag. Se<strong>in</strong> Verständnis <strong>von</strong> ganzheitlicher <strong>Bildung</strong> ist jedoch nicht mehr auf das Lernender K<strong>in</strong>der mit allen S<strong>in</strong>nen begrenzt.Wenn kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der lernen, dann lernt immer das »ganze K<strong>in</strong>d«. Neben <strong>den</strong> S<strong>in</strong>nenspielen dabei auch die Emotionen, geistigen Fähigkeiten <strong>und</strong> Ausdrucksweisen e<strong>in</strong>eebenso wichtige wie zentrale Rolle. K<strong>in</strong>der lernen nachhaltig, was sie aktuell <strong>in</strong>teressiert<strong>und</strong> emotional bewegt. Dabei br<strong>in</strong>gen sie <strong>von</strong> Anfang an vielfältige Kompetenzen<strong>und</strong> Ausdrucksformen e<strong>in</strong>. Zum Tragen kommen aber auch das komplexe Wissen<strong>und</strong> die <strong>in</strong>tuitiven Theorien, über die bereits Säugl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>stk<strong>in</strong>der <strong>in</strong> mehrerenWissensbereichen verfügen (e<strong>in</strong>e Forschungsübersicht vgl. Gisbert 2004).Auf dieser forschungsbasierten Gr<strong>und</strong>lage wer<strong>den</strong> im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splandie vier Kompetenzbereiche <strong>und</strong> im Weiteren elf themenbezogene <strong>Bildung</strong>sbereicheformuliert. Das heißt, <strong>Bildung</strong> ist <strong>von</strong> Geburt an breit angelegt <strong>und</strong> nicht aufwenige Inhalte beschränkt. K<strong>in</strong>der lernen <strong>und</strong> <strong>den</strong>ken jedoch nicht <strong>in</strong> Fächern. Vielmehrs<strong>in</strong>d ihre emotionalen, sozialen, kognitiven <strong>und</strong> motorischen Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesseauf das engste mite<strong>in</strong>ander verknüpft. Dieses vernetzte Lernen imK<strong>in</strong>desalter greift der Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan auf. Herausgestelltwird, dass die im Plan beschriebenen Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereiche sowie weitereInhalte <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifen <strong>und</strong> es bei deren Umsetzung <strong>in</strong> die Praxis nicht ume<strong>in</strong> isoliertes »Abarbeiten« der e<strong>in</strong>zelnen Inhalte geht. Um Mut zu machen, <strong>Bildung</strong>saktivitätenbereichsübergreifend <strong>und</strong> damit ganzheitlich zu gestalten, zeigt er dievielfältigen Querverb<strong>in</strong>dungen zwischen <strong>den</strong> Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereichensowie <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Bildung</strong>sbereiche exemplarisch auf.Ausgangspunkt e<strong>in</strong>er ganzheitlichen <strong>Bildung</strong>spraxis s<strong>in</strong>d aktuelle Situationen <strong>und</strong>Themen, die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>teressieren. Darauf aufbauend s<strong>in</strong>d <strong>Bildung</strong>sprozesse so zu29


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahrengestalten, dass zugleich möglichst alle Kompetenzen der K<strong>in</strong>der gestärkt <strong>und</strong> möglichstviele <strong>Bildung</strong>sbereiche angesprochen wer<strong>den</strong> sowie <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> viel Mitsprache<strong>und</strong> Mitgestaltung ermöglicht wird. Dies lässt sich am besten realisieren, wenn spielerischesLernen überwiegend <strong>in</strong> Alltagssituationen <strong>und</strong> Projekten geschieht (sieheKapitel 3.4). Bereits sehr kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der können <strong>und</strong> wollen sich mit der Komplexitätdieser Welt ause<strong>in</strong>andersetzen. Authentische, das heißt lebensechte <strong>und</strong> wissenschaftsähnlicheAufgaben, die an ihren Interessen <strong>und</strong> Fragen anknüpfen, treiben dasLernen der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> besonderer Weise voran. Wenn solche Aufgaben zugleichbereichsübergreifend <strong>und</strong> projektbezogen gestaltet <strong>und</strong> <strong>in</strong> größere Zusammenhängee<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d, lernen K<strong>in</strong>der, ihr Wissen auf andere Situationen zu übertragen <strong>und</strong>vernetzt zu <strong>den</strong>ken. Je vielfältiger <strong>und</strong> ganzheitlicher sich K<strong>in</strong>der mit e<strong>in</strong>em Themaimmer wieder befassen, umso besser lernen sie.K<strong>in</strong>der entwickeln Kompetenzen, Werthaltungen <strong>und</strong> Wissen an vielen Orten, dasheißt <strong>in</strong> der Familie ebenso wie <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung oder K<strong>in</strong>dertagespflege.Im S<strong>in</strong>ne ganzheitlicher <strong>Bildung</strong> betont der Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splandie Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung aller <strong>Bildung</strong>sorte <strong>und</strong> die aktive E<strong>in</strong>beziehung<strong>von</strong> Müttern <strong>und</strong> Vätern <strong>in</strong> das <strong>Bildung</strong>sgeschehen <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<strong>und</strong> K<strong>in</strong>dertagespflege.30


1.8 Pädagogik der Vielfalt(Diversität)Der Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan geht mit besonderer Sensibilität aufUnterschiede zwischen <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>. Vielfalt im H<strong>in</strong>blick auf Temperament, Lern<strong>und</strong>Entwicklungstempo, spezifische Lern- <strong>und</strong> besondere Unterstützungsbedürfnisseoder kulturellen oder sozioökonomischen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> wer<strong>den</strong> nicht mehr als störend<strong>und</strong> belastend <strong>in</strong>terpretiert. Vielmehr wird Vielfalt als Chance gesehen, der esmit hoher Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Wertschätzung zu begegnen gilt. Sie wird ausdrücklichbejaht <strong>und</strong> gezielt genutzt, um <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vielfältige Lernerfahrungen zu ermöglichen<strong>und</strong> neue Horizonte zu eröffnen. Von <strong>den</strong> unterschiedlichen Kompetenzen,Stärken, Sichtweisen <strong>und</strong> Interessen, die K<strong>in</strong>der, Familien <strong>und</strong> Fachkräfte jeweils e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen,profitieren alle Beteiligten <strong>und</strong> <strong>in</strong> besonderer Weise die K<strong>in</strong>der.Wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d lernt, se<strong>in</strong>e eigenen Stärken <strong>und</strong> Schwächen sowie die der anderenwahrzunehmen <strong>und</strong> damit umzugehen, <strong>und</strong> <strong>in</strong>wieweit es Unterschie<strong>den</strong> <strong>in</strong> Sprache,Kultur oder Herkunft mit Neugierde, Anerkennung <strong>und</strong> Wertschätzung begegnenkann, wird entschei<strong>den</strong>d da<strong>von</strong> bee<strong>in</strong>flusst, wie Geme<strong>in</strong>samkeiten bzw. Unterschiededer eigenen Person zu anderen Menschen <strong>von</strong> der Außenwelt beurteilt wer<strong>den</strong>.Die UN-Konvention für Menschen mit Beh<strong>in</strong>derungen ist seit März 2009 auch fürDeutschland verb<strong>in</strong>dlich. Sie führt als Weiterentwicklung <strong>von</strong> Integration <strong>den</strong> Begriff»Inklusion« e<strong>in</strong>. Gr<strong>und</strong>legend hierfür ist die »Erkenntnis, dass sich das Verständnis<strong>von</strong> Beh<strong>in</strong>derung ständig weiterentwickelt <strong>und</strong> dass Beh<strong>in</strong>derungen aus der Wechselwirkungzwischen Menschen mit Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>stellungs- <strong>und</strong> umweltbed<strong>in</strong>gtenBarrieren entstehen, die sie an der vollen, wirksamen <strong>und</strong> gleichberechtigtenTeilhabe an der Gesellschaft h<strong>in</strong>dern« (UN-Konvention, Präambel, Satz e). Dasmoderne Konzept der Inklusion hat jedoch nicht nur die K<strong>in</strong>der mit Beh<strong>in</strong>derung imBlick. Vielmehr sieht es vor, dass alle K<strong>in</strong>der, das heißt Mädchen <strong>und</strong> Jungen verschie<strong>den</strong>enAlters, deutsche K<strong>in</strong>der, K<strong>in</strong>der mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, K<strong>in</strong>der mitBeh<strong>in</strong>derung, K<strong>in</strong>der mit erhöhten Entwicklungsrisiken <strong>und</strong> K<strong>in</strong>der mit besonderenBegabungen nach Möglichkeit dieselbe <strong>Bildung</strong>se<strong>in</strong>richtung besuchen <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>samesLeben <strong>und</strong> Lernen erfahren.Inklusion setzt damit zugleich kulturelle Offenheit voraus, das heißt e<strong>in</strong>e <strong>Bildung</strong>spraxis,<strong>in</strong> der Mehrsprachigkeit (siehe Kapitel 2.3) <strong>und</strong> <strong>in</strong>terkultureller Austausch alsSelbstverständlichkeit betrachtet <strong>und</strong> gelebt wer<strong>den</strong>. Im Zuge der EU-Erweiterung,der Globalisierung der Wirtschaft <strong>und</strong> des Anstiegs <strong>in</strong>ternationaler Mobilität benötigenK<strong>in</strong>der heute – neben ihrer sozialen <strong>und</strong> kulturellen E<strong>in</strong>bettung – auch <strong>in</strong>terkulturel-31


<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahrenle Kompetenz <strong>und</strong> Fremdsprachenkompetenz. Zur <strong>in</strong>terkulturellen <strong>Bildung</strong> trägt diePräsenz anderer Sprachen, <strong>in</strong>sbesondere der Familiensprachen der K<strong>in</strong>der, <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungbei. Geme<strong>in</strong>same Lernaktivitäten, bei <strong>den</strong>en sich K<strong>in</strong>der mit verschie<strong>den</strong>emkulturellen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> begegnen, wecken bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> die Neugier aufandere Kulturen <strong>und</strong> Sprachen; sie lernen zugleich Andersartigkeit zu achten.Der <strong>Bildung</strong>sansatz der Ko-Konstruktion bietet e<strong>in</strong>en optimalen Rahmen, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>klusivePädagogik <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e Pädagogik der Vielfalt mit Leben zu füllen. InGruppen mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mit unterschiedlichen Interessen, Stärken <strong>und</strong> Sichtweisenkann Ko-Konstruktion zu e<strong>in</strong>em für alle bereichern<strong>den</strong> <strong>und</strong> gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gen<strong>den</strong> Lernprozesswer<strong>den</strong>. Zugleich erkennen die K<strong>in</strong>der, dass sie zusammen mehr erreichenals jeder für sich alle<strong>in</strong>.E<strong>in</strong>e <strong>Bildung</strong>sphilosophie, die das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>den</strong> Mittelpunkt stellt, verlangt zugleiche<strong>in</strong> hohes Maß an Individualisierung. <strong>Bildung</strong>sprozesse wer<strong>den</strong> daher stets vor demH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> des <strong>in</strong>dividuellen Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsverlaufs des K<strong>in</strong>des, se<strong>in</strong>er persönlichenStärken <strong>und</strong> Ressourcen sowie auch se<strong>in</strong>es kulturellen <strong>und</strong> sozialen Kontextesgestaltet <strong>und</strong> reflektiert. Die <strong>in</strong>dividuelle <strong>Bildung</strong>sbegleitung e<strong>in</strong>es je<strong>den</strong> K<strong>in</strong>-32


Pädagogik der Vielfalt (Diversität)des setzt die regelmäßige Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation se<strong>in</strong>er Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozessevoraus (siehe Kapitel 3.5). Auf die <strong>in</strong>dividuellen Unterschiede sodanngezielt e<strong>in</strong>zugehen <strong>und</strong> jedes e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>d, auch bei geme<strong>in</strong>samen Lernaktivitäten,bestmöglich zu begleiten <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuell zu stärken – dies ermöglicht dasPr<strong>in</strong>zip der <strong>in</strong>neren Differenzierung. Differenzierung bedeutet e<strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>ander <strong>von</strong>altersgemischten <strong>Bildung</strong>saktivitäten (zum Beispiel Morgenkreis, Projekte) <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>saktivitätenfür bestimmte Alters- bzw. Zielgruppen (zum Beispiel Angebote fürdie jüngeren <strong>und</strong> älteren K<strong>in</strong>der). Mit Blick auf die Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereicheempfiehlt sich e<strong>in</strong>e pädagogische Praxis, <strong>in</strong> der bereichsübergreifendes Lernen<strong>in</strong> Alltagssituationen <strong>und</strong> Projekten überwiegt (siehe Kapitel 3.4) <strong>und</strong> sich geplanteLernaktivitäten <strong>und</strong> Freispiel abwechseln. Innere Differenzierung erfordert sorgfältigePlanung <strong>und</strong> Organisation <strong>und</strong> ist bestmöglich <strong>in</strong> offener, das heißt gruppenübergreifenderKle<strong>in</strong>gruppenarbeit zu realisieren.RFragen zur ReflexionE<strong>in</strong>e Pädagogik der Vielfalt beg<strong>in</strong>nt im Team der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung zum Beispielmit folgen<strong>den</strong> Reflexionsfragen (vgl. Herm 2008, S. 14):• Wie offen <strong>und</strong> selbstverständlich gehen wir mit unseren eigenen Verschie<strong>den</strong>heitenum?• Inwieweit betrachten wir unsere unterschiedlichen Fähigkeiten <strong>und</strong> Lebensbiografienals Bereicherung für Diskussion <strong>und</strong> pädagogisches Handeln?• Wie nehmen wir die Unterschiede zwischen <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wahr? Sehen wir dar<strong>in</strong>Chancen für geme<strong>in</strong>sames Spielen <strong>und</strong> Lernen oder betrachten wir Unterschiedeals Probleme, die es zu überw<strong>in</strong><strong>den</strong> gilt?• Wie gehen wir mit der Verschie<strong>den</strong>heit der Eltern um?33


1.9 Partnerschaft <strong>und</strong> Partizipation allerBeteiligten als durchgängiges Pr<strong>in</strong>zipDer Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan basiert auf dem Demokratiepr<strong>in</strong>zip <strong>und</strong>damit auf Partnerschaft <strong>und</strong> Partizipation aller Beteiligten: K<strong>in</strong>der, Eltern, Fachkräfte,Träger <strong>und</strong> Kooperationspartner der E<strong>in</strong>richtung.Partnerschaft bedeutet, sich auf Augenhöhe mit Wertschätzung zu begegnen <strong>und</strong>partnerschaftlich zusammenzuwirken. Sie beruht auf e<strong>in</strong>er kompetenz- <strong>und</strong> dialogorientiertenGr<strong>und</strong>haltung der beteiligten Erwachsenen.<strong>Bildung</strong> ist im Verständnis des Plans e<strong>in</strong> auf Dialog ausgerichtetes Geschehen, <strong>in</strong>dem sich K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Erwachsene als Partner begegnen <strong>und</strong> beide »Lehrende wie Lernende«se<strong>in</strong> können. Dies setzt voraus, sich an <strong>den</strong> Aktivitäten des K<strong>in</strong>des zu beteiligen<strong>und</strong> durch diese Anteilnahme <strong>und</strong> geteilte Aufmerksamkeit die Welt auch mit<strong>den</strong> Augen des K<strong>in</strong>des zu sehen. Bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bis drei Jahre heißt das, verstärkte Aufmerksamkeitauf ihre nonverbale Kommunikation zu richten. Auch sehr junge K<strong>in</strong>derzeigen deutlich, was sie wollen <strong>und</strong> möchten. Es ist wichtig, ihnen zu signalisieren,dass ihre Me<strong>in</strong>ung gefragt <strong>und</strong> wichtig ist.Familie <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtung bzw. Tagespflege s<strong>in</strong>d Partner <strong>in</strong> ihrer geme<strong>in</strong>samen Verantwortungfür das K<strong>in</strong>d. Je jünger die K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d, desto bedeutender ist e<strong>in</strong>e enge partnerschaftlicheKooperation zwischen diesen <strong>Bildung</strong>sorten (siehe Kapitel 3.1). E<strong>in</strong> offener,<strong>in</strong>tensiver <strong>und</strong> regelmäßiger Dialog <strong>von</strong> Anfang an bereitet <strong>den</strong> Weg, dass diesePartnerschaft gel<strong>in</strong>gen kann. Durch e<strong>in</strong>e hohe Transparenz der <strong>Bildung</strong>spraxis <strong>und</strong> dieBereitschaft, Eltern aktiv <strong>in</strong> die <strong>Bildung</strong>saktivitäten der E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>zubeziehen, wer<strong>den</strong><strong>Bildung</strong>sprozesse des K<strong>in</strong>des beiderseits gezielter <strong>und</strong> konsequenter unterstützt.Bei Übergängen des K<strong>in</strong>des im <strong>Bildung</strong>sverlauf treten andere K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<strong>und</strong> später die Schule als weitere <strong>Bildung</strong>spartner h<strong>in</strong>zu (siehe Kapitel 3.2).Im Rahmen der Öffnung <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung <strong>und</strong> K<strong>in</strong>dertagespflege zum örtlichenGeme<strong>in</strong>wesen vergrößert sich der Kreis der Kooperations- <strong>und</strong> Netzwerkpartner(zum Beispiel Kulture<strong>in</strong>richtungen, Musik-, Kunst- <strong>und</strong> Medienschaffende, Handwerksbetriebe,Unternehmen, soziale E<strong>in</strong>richtungen, Kirchen, Gebetshäuser, Feuerwehr,Polizei, Arztpraxen, Krankenhäuser).Partizipation bedeutet Beteiligung an Entscheidungen, die das eigene Leben <strong>und</strong> dasder Geme<strong>in</strong>schaft betreffen, <strong>und</strong> damit Mitwirkung, Mitgestaltung, Mitbestimmung34


Partnerschaft <strong>und</strong> Partizipation aller Beteiligten als durchgängiges Pr<strong>in</strong>zip<strong>und</strong> Mitverantwortung ebenso wie das Ermöglichen <strong>von</strong> Selbstbestimmung <strong>und</strong>Eigenverantwortung. Beschwerde- <strong>und</strong> Streitkultur sowie e<strong>in</strong>e Kultur der Konfliktlösungs<strong>in</strong>d weitere Aspekte <strong>von</strong> Partizipation.Jedes K<strong>in</strong>d hat nach der UN-K<strong>in</strong>derrechtskonvention das Recht, an allen es betreffen<strong>den</strong>Entscheidungen entsprechend se<strong>in</strong>em Entwicklungsstand beteiligt zu wer<strong>den</strong>.Dieser Freiwilligkeit des K<strong>in</strong>des steht die Verpflichtung der Erwachsenen gegenüber,jedem K<strong>in</strong>d Beteiligung zu ermöglichen <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Interesse für Beteiligung zu erhalten<strong>und</strong> zu wecken, <strong>den</strong>n K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Geburt an auf Selbstbestimmung h<strong>in</strong> angelegt.Partizipation stellt das Handeln mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> statt für sie heraus <strong>und</strong> ist <strong>von</strong>Geburt an möglich. Den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong> selbstbestimmtes Handeln im Lebensalltag zuermöglichen gehört ebenso dazu, wie sie an der Gestaltung der Lernumgebung (zumBeispiel Raumgestaltung, Materialanschaffung), des Zusammenlebens (zum BeispielRegeln aufstellen) <strong>und</strong> der <strong>Bildung</strong>sprozesse (zum Beispiel <strong>Bildung</strong>sthemen, Lern<strong>in</strong>halte,Planung <strong>und</strong> Durchführung <strong>von</strong> Projekten) <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung oder Tagespflegezu beteiligen (siehe Kapitel 3.3).Partizipation der K<strong>in</strong>der erfordert zugleich Partizipation der Eltern <strong>und</strong> Partizipationim Team, aber auch Partizipation des E<strong>in</strong>richtungsträgers. Die Erwachsenen, dasheißt Träger, Team bzw. Tagespflegeperson <strong>und</strong> Eltern, s<strong>in</strong>d stets Vorbild <strong>und</strong> Anregungfür die K<strong>in</strong>der. Damit Partizipation bei kle<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gel<strong>in</strong>gen kann, s<strong>in</strong>d auchdie Erwachsenen gefordert, sich kompetent <strong>und</strong> aktiv zu beteiligen.35


36Kopf l<strong>in</strong>ks


Kopf rechtsTeil 2:Das K<strong>in</strong>d<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzenim Mittelpunkt37


2.1 K<strong>in</strong>der stärken – B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong>Beziehung als Voraussetzungfür <strong>Bildung</strong>»K<strong>in</strong>der brauchen für ihr Gedeihen <strong>und</strong> ihre Entwicklung die körperliche Nähe <strong>und</strong>gefühlvolle Zuwendung der Eltern <strong>und</strong> anderer Bezugspersonen« (Largo 2007).E<strong>in</strong>e der wichtigsten Ressourcen für die Stärkung k<strong>in</strong>dlicher Kompetenzen im sozialen<strong>und</strong> emotionalen Bereich ist die Qualität der Interaktion zwischen dem K<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong>enEltern <strong>und</strong> weiteren Bezugspersonen (wie zum Beispiel Tagespflegepersonen, pädagogischenFachkräften, Großeltern). Wenn die Interaktionen beständig <strong>und</strong> vorhersehbar<strong>von</strong> emotionaler Sicherheit <strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>fühligkeit gekennzeichnet s<strong>in</strong>d, könnenK<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Arbeitsmodell <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dung entwickeln, das <strong>von</strong> Sicherheit geprägtist. So können K<strong>in</strong>der ohne Angst die Umwelt erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> vertrauensvoll auf andereMenschen zugehen – <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dheit <strong>und</strong> auch später als Erwachsene.Bedeutung <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung unter der BayBEP-LupeDie Philosophie, die dem Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan zugr<strong>und</strong>e liegt,betont, wie wichtig sichere B<strong>in</strong>dungen zu se<strong>in</strong>en primären Bezugspersonen für dasK<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>d (Kapitel 5.10. Widerstandsfähigkeit (Resilienz)).Entwicklungsstärkende <strong>Bildung</strong>sprozesse <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagespflege <strong>und</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungenkönnen nur gel<strong>in</strong>gen, wenn die K<strong>in</strong>der sich sicher, geborgen <strong>und</strong> gute<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en fühlen. Das trifft auf K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren ganzbesonders zu. Sichere B<strong>in</strong>dungsbeziehungen zu <strong>den</strong> primären Bezugspersonen erfüllenmehrere wichtige Aufgaben für die Entwicklung des K<strong>in</strong>des:• Durch die fe<strong>in</strong>fühlige Reaktion auf se<strong>in</strong>e Signale, die das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sicherenB<strong>in</strong>dungsbeziehung vom Erwachsenen erfährt, kann es sich <strong>von</strong> Anfang an alsaktiv <strong>und</strong> selbstwirksam erleben <strong>und</strong> entwickelt diese Selbstwirksamkeit weiter.• Sichere B<strong>in</strong>dungsbeziehungen erleichtern dem K<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong>e Umwelt aktiv zu erk<strong>und</strong>en.Sie bil<strong>den</strong> für das K<strong>in</strong>d <strong>den</strong> sicheren Hafen, <strong>von</strong> dem aus es die Welt erk<strong>und</strong>et<strong>und</strong> zu dem es zurückkehrt, wenn es an se<strong>in</strong>e Grenzen stößt, um Sicherheit zu tanken<strong>und</strong> wieder erk<strong>und</strong>en zu können.• Durch die Erfahrungen <strong>in</strong> sicheren B<strong>in</strong>dungsbeziehungen entwickelt das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>positives Selbstbild <strong>und</strong> positive Erwartungen gegenüber anderen erwachsenenBezugspersonen.• In sicheren B<strong>in</strong>dungsbeziehungen erfährt das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>fühlige externe Regulationse<strong>in</strong>er Emotionen. Hier kann es zunächst im Körperkontakt Beruhigung,38


K<strong>in</strong>der stärken – B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung als Voraussetzung für <strong>Bildung</strong>Trost aber auch Ermutigung erleben, die ihm helfen, sich allmählich selbst zu regulieren.• In sicheren B<strong>in</strong>dungsbeziehungen entwickeln K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> Geburt an ihre Kommunikationskompetenz.Fe<strong>in</strong>fühlige Zuwendung <strong>und</strong> Reaktion auf die Signale des K<strong>in</strong>desbil<strong>den</strong> die Gr<strong>und</strong>lage se<strong>in</strong>er Kommunikationsfähigkeit.Entwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>Wie entsteht B<strong>in</strong>dung?Zu Lebensbeg<strong>in</strong>n entsteht zwischen K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> primärer Bezugsperson (meist die Mutter)e<strong>in</strong>e enge Beziehung, deren Ziel es ist, die Nähe zwischen bei<strong>den</strong> aufrechtzuerhalten,um damit dem K<strong>in</strong>d möglichst hohen Schutz zu geben. K<strong>in</strong>der verfügen <strong>von</strong>Geburt an über e<strong>in</strong> Verhaltenssystem, das es ihnen ermöglicht, B<strong>in</strong>dungsverhaltengegenüber e<strong>in</strong>er oder e<strong>in</strong>igen wenigen Personen zu zeigen. Dabei ist das K<strong>in</strong>d aktiv<strong>und</strong> hat die Initiative bei der <strong>Bildung</strong> <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dung. Es b<strong>in</strong>det sich nicht nur an dieprimäre Bezugsperson, die es füttert <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e physischen <strong>und</strong> psychischen Gr<strong>und</strong>bedürfnissebefriedigt, sondern auch an andere Personen, die e<strong>in</strong>fach mit ihm spielen<strong>und</strong> <strong>in</strong>teragieren (A<strong>in</strong>sworth 1978/2003), also zum Beispiel auch an die pädagogischeFachkraft <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung.Von Geburt an sendet das K<strong>in</strong>d bestimmte Signale aus, die nicht nur dazu dienen,versorgt zu wer<strong>den</strong>, sondern auch um Nähe zu e<strong>in</strong>er Person (oder e<strong>in</strong>igen Personen)herzustellen <strong>und</strong> Schutz zu erhalten. So zeigt schon e<strong>in</strong> Neugeborenes durch se<strong>in</strong>We<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Schreien, dass es sich unwohl fühlt, vielleicht weil es Hunger oder Angst<strong>und</strong>/oder das Bedürfnis nach Nähe <strong>und</strong> Körperkontakt hat. Diese Signale des K<strong>in</strong>desveranlassen die Bezugsperson, <strong>in</strong> Interaktion mit dem Baby zu treten <strong>und</strong> es bei derRegulation se<strong>in</strong>er Emotionen zu unterstützen. Die Qualität dieser Interaktion bietetdie Gr<strong>und</strong>lage für die Entwicklung sicherer B<strong>in</strong>dungsqualität.Mit der Zeit entwickelt das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> immer komplexeres B<strong>in</strong>dungsverhalten, das spezifischauf die B<strong>in</strong>dungsperson ausgerichtet <strong>und</strong> Ausdruck für die B<strong>in</strong>dung an diesePerson ist (zum Beispiel gerichtetes We<strong>in</strong>en, Arme hochstrecken, Anlächeln, H<strong>in</strong>krabbeln,Festklammern, Anschmiegen). Die B<strong>in</strong>dungsperson lernt wiederum, die Signaledes K<strong>in</strong>des zu erkennen <strong>und</strong> darauf entsprechend e<strong>in</strong>zugehen – zum Beispiele<strong>in</strong> ängstliches K<strong>in</strong>d durch Körperkontakt <strong>und</strong> sanftes Sprechen zu beruhigen. Entschei<strong>den</strong>dfür die B<strong>in</strong>dungsqualität ist dabei das Maß der Fe<strong>in</strong>fühligkeit, mit dem dieB<strong>in</strong>dungsperson die Bedürfnisse des K<strong>in</strong>des wahrnehmen kann, se<strong>in</strong>e Signale erkennt,richtig <strong>in</strong>terpretiert <strong>und</strong> umgehend darauf reagiert.Die meisten K<strong>in</strong>der entwickeln <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten neun Lebensmonaten B<strong>in</strong>dungen gegenüberPersonen, die sich dauerhaft um sie kümmern. Auch wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zu mehreren39


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktPersonen B<strong>in</strong>dungsbeziehungen entwickelt, s<strong>in</strong>d diese e<strong>in</strong>deutig hierarchisch geordnet,das heißt, das K<strong>in</strong>d bevorzugt e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>dungsperson vor <strong>den</strong> anderen. Hat e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>er bestimmten Person aufgebaut, so kann diese nicht ausgetauschtwer<strong>den</strong>. Längere Trennungen über mehrere Wochen oder gar der Verlustdieser B<strong>in</strong>dungsfigur führen zu schweren Trauerreaktionen <strong>und</strong> großem seelischenLeid (Grossmann & Grossmann 2004). Kurzfristige Trennungen <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en primärenBezugspersonen – wie zum Beispiel der Besuch e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung – verursachenzwar Stress für das K<strong>in</strong>d, können jedoch bei e<strong>in</strong>er sensibel gestaltetenÜbergangsphase gut bewältigt wer<strong>den</strong> (vgl. Kapitel 3.2).Die unterschiedlichen <strong>und</strong> immer wieder auftauchen<strong>den</strong> Interaktionserlebnisse (zumBeispiel Wickeln, Füttern, Trösten, Spielen) mit se<strong>in</strong>er jeweiligen B<strong>in</strong>dungsperson verarbeitetdas K<strong>in</strong>d schließlich zum »<strong>in</strong>neren Arbeitsmodell <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dung«. Mary A<strong>in</strong>sworth(1978) konnte <strong>in</strong> ihren Studien zeigen, dass K<strong>in</strong>der schon im Alter <strong>von</strong> e<strong>in</strong>emJahr ganz unterschiedliche <strong>in</strong>nere Arbeitsmodelle <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dung haben, die sich im Verhaltender K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Trennungssituation zeigten.B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> ExplorationDer Begründer der B<strong>in</strong>dungstheorie, John Bowlby (1969), hat als erster erkannt, dassK<strong>in</strong>der <strong>von</strong> Geburt an sowohl mit e<strong>in</strong>em B<strong>in</strong>dungsverhaltenssystem als auch mite<strong>in</strong>em Explorationsverhaltenssystem ausgestattet s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> dass diese bei<strong>den</strong> phylogenetischangelegten Verhaltenssysteme <strong>von</strong> Anfang an das Verhalten des K<strong>in</strong>desbestimmen <strong>und</strong> damit se<strong>in</strong> Überleben <strong>und</strong> das Überleben der Art sichern. Währenddas B<strong>in</strong>dungsverhalten dazu dient, die Nähe zur B<strong>in</strong>dungsperson aufrecht zu erhaltenoder wiederzugew<strong>in</strong>nen, um dort Schutz zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>, ermöglicht das Explorationsverhaltendie Erk<strong>und</strong>ung der Umwelt <strong>und</strong> ist damit die Gr<strong>und</strong>lage allen Lernens. Bowlby(1969; 1987/2003) hat darüber h<strong>in</strong>aus beschrieben, dass diese bei<strong>den</strong> Verhaltenssystemekomplementär s<strong>in</strong>d, das heißt, dass das Explorationsverhaltenssystem nurdann aktiviert wer<strong>den</strong> kann, wenn das B<strong>in</strong>dungsverhaltenssystem deaktiviert ist <strong>und</strong>umgekehrt. K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d also <strong>von</strong> Geburt an »geborene Lerner«, sie s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Geburtan – genau genommen schon vorgeburtlich – verhaltensbiologisch dafür ausgestattetzu erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zu lernen. Die Bereitschaft zur Exploration, also zur Ause<strong>in</strong>andersetzungmit der Umwelt, ist jedoch nur dann gegeben, wenn das B<strong>in</strong>dungsverhaltenssystemberuhigt ist. Das B<strong>in</strong>dungsverhaltenssystem wird durch je<strong>den</strong> Zustand<strong>von</strong> Unwohlse<strong>in</strong> aktiviert. Dazu gehören Hunger, Durst, Müdigkeit genauso wie Angst,Fremdheit <strong>und</strong> Überreizung. Zunächst versucht der Säugl<strong>in</strong>g durch We<strong>in</strong>en die Nähezur B<strong>in</strong>dungsperson wiederherzustellen, später durch Arme ausstrecken, Hochziehen,Nachfolgen usw. Durch <strong>den</strong> Körperkontakt zur primären B<strong>in</strong>dungsperson (meist dieMutter) wird das B<strong>in</strong>dungsverhaltenssystem wieder beruhigt <strong>und</strong> das Explorationssystemkann wieder aktiviert wer<strong>den</strong>. Mit Vollendung des ersten Lebensjahres kannman beobachten, wie Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der ihre B<strong>in</strong>dungsperson als »sichere Basis« nutzen,40


K<strong>in</strong>der stärken – B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung als Voraussetzung für <strong>Bildung</strong>um <strong>von</strong> ihr aus die Umwelt zu erk<strong>und</strong>en. Bei Unsicherheit oder Unwohlse<strong>in</strong> kehren siezur B<strong>in</strong>dungsperson zurück, »tanken« im Körperkontakt zu ihr wieder Sicherheit auf,um weiter erk<strong>und</strong>en zu können (A<strong>in</strong>sworth u.a. 1978; Grossmann & Grossmann 2004).Das B<strong>in</strong>dungsverhaltenssystem dient aber auch selber dem Lernen, da es die Nähedes K<strong>in</strong>des zur B<strong>in</strong>dungsperson aufrecht erhält <strong>und</strong> das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Interaktion mitse<strong>in</strong>er B<strong>in</strong>dungsperson am meisten <strong>von</strong> ihr lernen kann (zum Beispiel durch Beobachtung<strong>und</strong> Nachahmung). Frühk<strong>in</strong>dliche <strong>Bildung</strong>sprozesse s<strong>in</strong>d also nicht unabhängig<strong>von</strong> der Entwicklung <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dungsbeziehungen zu sehen <strong>und</strong> diese gel<strong>in</strong>genauch im Kontext sicherer B<strong>in</strong>dungsbeziehungen am besten (Ahnert 2007). SichereB<strong>in</strong>dungsbeziehungen s<strong>in</strong>d damit die Gr<strong>und</strong>lage für e<strong>in</strong>e ges<strong>und</strong>e Entwicklung <strong>und</strong>für lebenslanges Lernen.Fe<strong>in</strong>fühligkeitB<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Exploration s<strong>in</strong>d jedoch nicht nur verhaltensbiologische Gr<strong>und</strong>lagenfrühk<strong>in</strong>dlicher <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Entwicklung, sondern auch psychische Gr<strong>und</strong>bedürfnisse,deren Befriedigung durch die soziale Umwelt die Voraussetzung für e<strong>in</strong>e gel<strong>in</strong>gende<strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Entwicklung bildet.• Wie Mütter auf die B<strong>in</strong>dungs- <strong>und</strong> Explorationsbedürfnisse ihres K<strong>in</strong>des reagieren,ist sehr unterschiedlich <strong>und</strong> hängt weitgehend mit ihren eigenen K<strong>in</strong>dheitserfahrungenzusammen. Mary A<strong>in</strong>sworth hat dieses mütterliche Antwortverhalten alsFe<strong>in</strong>fühligkeit beschrieben (A<strong>in</strong>sworth 1978/2003). Fe<strong>in</strong>fühligkeit <strong>von</strong> B<strong>in</strong>dungspersonengegenüber <strong>den</strong> Signalen des K<strong>in</strong>des bedeutet, sich <strong>in</strong> die Lage des K<strong>in</strong>desversetzen zu können <strong>und</strong> es als eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen<strong>und</strong> Absichten anzuerkennen. Fe<strong>in</strong>fühliges Verhalten gegenüber e<strong>in</strong>em Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d istdie Voraussetzung für <strong>den</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er emotional vertrauensvollen <strong>und</strong> tragfähigenBeziehung <strong>und</strong> be<strong>in</strong>haltet, die Signale des K<strong>in</strong>des wahrzunehmen, richtig zu<strong>in</strong>terpretieren sowie prompt <strong>und</strong> angemessen darauf zu reagieren.• Neuere Untersuchungen zur Rolle des Vaters <strong>und</strong> zur väterlichen Fe<strong>in</strong>fühligkeitlegen nahe, dass diese für e<strong>in</strong>e sichere Exploration für das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e ebensobedeutende Rolle spielt wie die mütterliche Fe<strong>in</strong>fühligkeit für e<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dungsorganisation(K<strong>in</strong>dler & Grossmann 2008). Das Konzept der »fe<strong>in</strong>fühligenHerausforderung im Spiel« geht da<strong>von</strong> aus, dass der erwachsene Spielpartner <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er Interaktion mit dem K<strong>in</strong>d nicht nur fe<strong>in</strong>fühlig auf die B<strong>in</strong>dungsbedürfnissedes K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>geht, sondern ebenso die Neugier, die Exploration <strong>und</strong> das Engagementdes K<strong>in</strong>des unterstützt <strong>und</strong> fördert. Bei fe<strong>in</strong>fühliger Herausforderung lässtdas K<strong>in</strong>d <strong>den</strong> Beobachter deutlich erkennen, dass es das Werk selbst gemacht <strong>und</strong>so gewollt hat. Untersuchungen (K<strong>in</strong>dler & Grossmann 2008) zeigen, dass fe<strong>in</strong>fühligeUnterstützung k<strong>in</strong>dlicher Exploration der Bereich ist, <strong>von</strong> dem aus sich41


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunktväterliche E<strong>in</strong>flüsse auf zentrale Aspekte der sozial-emotionalen Entwicklung überZeiträume bis zum Erwachsenenalter entfalten.Die Fe<strong>in</strong>fühligkeit der Eltern hat neben <strong>den</strong> Temperamentseigenschaften des K<strong>in</strong>desE<strong>in</strong>fluss auf die B<strong>in</strong>dungsqualität zwischen K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Elternteil. Fe<strong>in</strong>fühliges Verhaltenkann mit relativ ger<strong>in</strong>gem Aufwand tra<strong>in</strong>iert wer<strong>den</strong> – sogar gegenüber <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>mit sehr schwierigem Temperament. E<strong>in</strong>e der e<strong>in</strong>drücklichsten Untersuchungen dazuhat die Forscher<strong>in</strong> Dymphna van <strong>den</strong> Boom (1994) durchgeführt, <strong>in</strong> der sie zeigenkonnte, dass sich die Fe<strong>in</strong>fühligkeit <strong>von</strong> Müttern <strong>von</strong> sehr irritierbaren Säugl<strong>in</strong>gendurch gezieltes Interventionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nachhaltig verbessern lässt.Umsetzung <strong>in</strong> die pädagogische PraxisK<strong>in</strong>der profitieren <strong>von</strong> zusätzlichen sicheren B<strong>in</strong>dungserfahrungenFest steht: Neben ihren für sie signifikanten B<strong>in</strong>dungsbeziehungen zu ihren Eltern könnenK<strong>in</strong>der noch weitere B<strong>in</strong>dungen aufbauen; dies ist e<strong>in</strong>e wichtige Entwicklungsaufgabeim Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter (A<strong>in</strong>sworth 1964/2003; Ahnert 2007, 2010). Solche weiterenB<strong>in</strong>dungspersonen können Großeltern <strong>und</strong> andere Verwandte se<strong>in</strong>, aber auch Tagespflegepersonenoder pädagogische Fachkräfte <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen. 1 Entschei<strong>den</strong>dfür das K<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>d die Stabilität der Beziehungen <strong>und</strong> die Fe<strong>in</strong>fühligkeit der e<strong>in</strong>zelnenBezugspersonen gegenüber se<strong>in</strong>en Signalen (Becker-Stoll 2007).E<strong>in</strong>e weitere Voraussetzung dafür, dass das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Beziehung odersogar e<strong>in</strong>e weitere B<strong>in</strong>dungsbeziehung zur Tagespflegeperson oder zu se<strong>in</strong>er Bezugserzieher<strong>in</strong>aufbaut, ist e<strong>in</strong>e primär am K<strong>in</strong>d orientierte, geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Elterngeplante <strong>und</strong> durchgeführte Übergangsphase des K<strong>in</strong>des. Im Kapitel 3.2 s<strong>in</strong>d hierzuweitere H<strong>in</strong>tergründe <strong>und</strong> H<strong>in</strong>weise für die praktische Gestaltung des Übergangs zuf<strong>in</strong><strong>den</strong>. E<strong>in</strong> zentrales Ziel des elternbegleiteten Übergangs ist es, dass das K<strong>in</strong>d imBeise<strong>in</strong> <strong>und</strong> mit Unterstützung der Mutter oder des Vaters e<strong>in</strong>e gute Beziehung zuse<strong>in</strong>er neuen Bezugsperson aufbauen <strong>und</strong> Vertrauen <strong>in</strong> die neue Umgebung gew<strong>in</strong>nenkann.K<strong>in</strong>der können <strong>von</strong> zusätzlichen sicheren B<strong>in</strong>dungserfahrungen sehr profitieren: Siestellen e<strong>in</strong>e große Ressource dar <strong>und</strong> können unter Umstän<strong>den</strong> sogar kompensatorischeWirkung für diejenigen K<strong>in</strong>der entfalten, die ke<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dung zu ihrenEltern entwickeln konnten (vgl. Ahnert 2010). Die Resilienzforschung (vgl. Wustmann2004) konnte zeigen, dass K<strong>in</strong>der ohne sichere B<strong>in</strong>dung zu ihren primären Bezugs-1 Die Behauptung, dass K<strong>in</strong>der, die gute Beziehungen oder gar B<strong>in</strong>dungen zu Fachkräften entwickeln, <strong>in</strong> ihren B<strong>in</strong>dungen<strong>und</strong> Beziehungen zu ihren eigenen Eltern verunsichert wür<strong>den</strong>, ist wissenschaftlich nicht haltbar: Ergebnisse e<strong>in</strong>ergroßen amerikanischen Längsschnittstudie (NICHD 2006) zeigen, dass die Eltern-K<strong>in</strong>d-B<strong>in</strong>dung nicht <strong>von</strong> der Quantitätder außerfamiliären <strong>Betreuung</strong> bee<strong>in</strong>flusst wird.42


K<strong>in</strong>der stärken – B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung als Voraussetzung für <strong>Bildung</strong>personen enge <strong>und</strong> sichere B<strong>in</strong>dungen an andere Bezugspersonen entwickeln können<strong>und</strong> dadurch <strong>in</strong> ihrer Resilienz gestärkt wer<strong>den</strong>. In solchen Beziehungen könnensie dann fe<strong>in</strong>fühlige Interaktionserfahrungen sammeln <strong>und</strong> Zuwendung <strong>und</strong> Sicherheiterleben.iWas kennzeichnet e<strong>in</strong>e gute Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehung?Die besondere B<strong>in</strong>dung zwischen Eltern <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ist nicht e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s übertragbarauf die Beziehung zwischen Fachkräften <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. Forschungsergebnisseweisen aber darauf h<strong>in</strong>, dass die Beziehung zwischen Fachkräften <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>anhand <strong>von</strong> fünf Merkmalen beschrieben wer<strong>den</strong> kann (Ahnert 2007):Emotionale ZuwendungDieses Merkmal bezieht sich darauf, wie sich die Fachkraft dem K<strong>in</strong>d zuwendet.E<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>fühlige <strong>und</strong> liebevolle Kommunikation der Fachkraft mit dem K<strong>in</strong>d unterstützt<strong>den</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er guten Beziehung.SicherheitE<strong>in</strong>e gute Beziehung wird auch dadurch gekennzeichnet, dass die Fachkraft demK<strong>in</strong>d die Sicherheit vermittelt, <strong>in</strong> Angst erzeugen<strong>den</strong> oder stressvollen Situationenfür das K<strong>in</strong>d verfügbar zu se<strong>in</strong>.StressreduktionWenn K<strong>in</strong>der sich wehtun, negative Emotionen haben oder starken Stress empf<strong>in</strong><strong>den</strong>,können Fachkräfte dem K<strong>in</strong>d dabei helfen, se<strong>in</strong>e Emotionen oder se<strong>in</strong>en Stresszu regulieren <strong>und</strong> wieder »<strong>in</strong>s Gleichgewicht« zu kommen.ExplorationsunterstützungDies bedeutet, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zu ermutigen, se<strong>in</strong>e Umgebung zu erk<strong>und</strong>en, <strong>in</strong> Interaktionmit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu treten, zu spielen <strong>und</strong> zu lernen.AssistenzK<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren brauchen bei vielen Aufgaben noch die Unterstützungder Fachkraft. Wichtig ist hierbei, dem K<strong>in</strong>d genügend Platz zur Entwicklungse<strong>in</strong>er Selbstständigkeit zu lassen, es aber bei zu schwierigen Aufgaben entwicklungsangemessenzu unterstützen. Hierbei empfiehlt sich e<strong>in</strong> möglichst ko-konstruktivesVorgehen.Wenn Sie feststellen, dass Sie im Beziehungsaufbau mit (bestimmten) <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Schwierigkeiten haben, können Sie sich Unterstützung durch das Team holen oder anSupervisionssitzungen teilnehmen. Eigene B<strong>in</strong>dungserfahrungen können großen E<strong>in</strong>flussdarauf haben, wie man später Beziehungen zu <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gestaltet (Stern 2009).43


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktiFe<strong>in</strong>fühliges Verhalten <strong>in</strong> der Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehung:Was bedeutet das?Ähnlich wie bei Müttern <strong>und</strong> Vätern bildet fe<strong>in</strong>fühliges Reagieren auf k<strong>in</strong>dlicheBedürfnisse <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>e gute Voraussetzung für die Entwicklung e<strong>in</strong>erstabilen <strong>und</strong> Sicherheit geben<strong>den</strong> Beziehung. Fe<strong>in</strong>fühliges Verhalten bedeutet:• die Signale des K<strong>in</strong>des wahrzunehmen (Also immer wieder auf die verbalen, aberauch nonverbalen Signale des K<strong>in</strong>des zu achten: We<strong>in</strong>t es plötzlich? Wirkt es verkrampftoder gelöst? Wie wirkt se<strong>in</strong> Gesichtsausdruck ... se<strong>in</strong>e Atmung? usw.)• die Signale des K<strong>in</strong>des (richtig) zu <strong>in</strong>terpretieren (Dafür ist es sehr wichtig, dasK<strong>in</strong>d gut zu kennen <strong>und</strong> sensibel zu beobachten, <strong>den</strong>n hier kommen große <strong>in</strong>dividuelleUnterschiede zum Tragen. Es gibt H<strong>in</strong>weise darauf, dass Eltern schonbald lernen, an der Tonlage des We<strong>in</strong>ens ihres Säugl<strong>in</strong>gs zu erkennen, ob er geradeHunger hat, Schmerzen o.Ä.) sowie• prompt <strong>und</strong> angemessen auf diese Signale zu reagieren. (Wie schnell <strong>und</strong> passenddie Reaktion der Bezugsperson ist, ist enorm wichtig für die Beziehung <strong>und</strong>B<strong>in</strong>dung. Natürlich können Fachkräfte oder Tagespflegepersonen nicht immer sofort»alles stehen <strong>und</strong> liegen lassen«, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d we<strong>in</strong>t. Man sollte jedochimmer versuchen, <strong>den</strong> emotionalen Bedürfnissen jedes K<strong>in</strong>des genug Raum <strong>und</strong>Zeit zu geben.)Situationen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en es die Möglichkeit zu <strong>in</strong>tensiven E<strong>in</strong>s-zu-E<strong>in</strong>s-Kontakten gibt,eignen sich dazu sehr gut. Dazu gehören zum Beispiel Pflegesituationen (Wickeln,Anziehen, Körperpflege <strong>und</strong> Hygiene), das Füttern (bei Säugl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> sehr jungenKle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern), Trösten <strong>und</strong> Spielen.Solche Situationen können genutzt wer<strong>den</strong>, um die Aufmerksamkeit möglichstungeteilt dem K<strong>in</strong>d zuzuwen<strong>den</strong>, se<strong>in</strong>e Bedürfnisse herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, darauf zu reagieren<strong>und</strong> liebevoll mit ihm zu kommunizieren. Genauso wichtig ist es auch, dasBedürfnis des K<strong>in</strong>des nach körperlicher Zuwendung zu erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> darauf zu reagieren.Säugl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>(st)k<strong>in</strong>der haben häufig e<strong>in</strong> hohes Bedürfnis nach körperlicherZuwendung <strong>und</strong> Körperkontakt.Mädchen <strong>und</strong> Jungen <strong>und</strong> die Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehung –e<strong>in</strong>e geschlechtersensible SichtweiseLiselotte Ahnert (2006) hat herausgef<strong>und</strong>en, dass es deutliche Unterschiede <strong>in</strong> <strong>den</strong>Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehungen zwischen Mädchen <strong>und</strong> Jungen gibt: Obwohl Erzieher<strong>in</strong>nen(diese Studie wurde mit weiblichen Fachkräften durchgeführt) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Selbste<strong>in</strong>schätzungke<strong>in</strong>e Unterschiede <strong>in</strong> ihrer Beziehung zwischen Mädchen <strong>und</strong> Jungenmachten, war dies im pädagogischen Alltag ganz anders: Bei der Beobachtung derInteraktionen zeigte sich, dass die Beziehungen zwischen Fachkräften <strong>und</strong> Mädchendurchwegs besser waren als die zwischen Fachkräften <strong>und</strong> Jungen!44


K<strong>in</strong>der stärken – B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung als Voraussetzung für <strong>Bildung</strong>Für die pädagogische Praxis heißt dieses Ergebnis, dass dem Thema Geschlecht beider Gestaltung <strong>und</strong> Reflexion des Beziehungsaufbaus besondere Aufmerksamkeitgewidmet wer<strong>den</strong> sollte.Hilfreich kann hier e<strong>in</strong>e regelmäßige kollegiale Beobachtung <strong>und</strong> Reflexion unter demGesichtspunkt e<strong>in</strong>er geschlechtersensiblen Sichtweise se<strong>in</strong>. Wie hat sich der Beziehungsaufbauzu e<strong>in</strong>em bestimmten K<strong>in</strong>d gestaltet? Wie »nahe« ist mir jetzt das K<strong>in</strong>d?Wie häufig wendet sich das K<strong>in</strong>d an mich <strong>und</strong> wie häufig gehe ich aktiv auf das K<strong>in</strong>dzu? S<strong>in</strong>nvoll ist es auch, hierbei das Thema »Interkulturalität« immer mit zu berücksichtigen,<strong>den</strong>n möglicherweise wird der Beziehungsaufbau auch durch <strong>den</strong> kulturellenH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> des K<strong>in</strong>des bee<strong>in</strong>flusst.Im Fokus: K<strong>in</strong>der ohne sichere B<strong>in</strong>dungDer Beziehungsaufbau zu <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die ke<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dung zu ihren primärenBezugspersonen entwickeln konnten, gestaltet sich häufig schwieriger. Da sie bisherwenig fe<strong>in</strong>fühlige Zuwendung <strong>und</strong> Unterstützung erleben konnten, erwarten die K<strong>in</strong>derdies auch nicht <strong>in</strong> neuen Beziehungen. Beispielsweise suchen die K<strong>in</strong>der dannweniger aktiv <strong>den</strong> Kontakt <strong>und</strong> die Interaktion mit der »neuen« Bezugsperson oderzeigen auch ihre Emotionen nicht so offen wie andere K<strong>in</strong>der (siehe zum BeispielSroufe 1983).In der Übergangssituation sollte deshalb auch e<strong>in</strong> besonderes Augenmerk auf <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>liegen, die eher wenige Emotionen zeigen <strong>und</strong> kaum Kontakt zur neuen Bezugspersonsuchen oder diesen Kontakt vermei<strong>den</strong> (siehe auch Kapitel 3.2). In der Praxiswer<strong>den</strong> solche K<strong>in</strong>der manchmal zu wenig wahrgenommen oder können sogar als»unkompliziert« gelten. Dies bedeutet aber nicht, dass diese K<strong>in</strong>der weniger Stressdurch die Trennung <strong>von</strong> ihren Eltern empf<strong>in</strong><strong>den</strong> – manchmal empf<strong>in</strong><strong>den</strong> unsichergeb<strong>und</strong>ene K<strong>in</strong>der sogar e<strong>in</strong>en deutlich höheren Stresslevel, sie zeigen es eben nurnicht nach außen (vgl. Spangler & Grossmann 1993).Gerade diese K<strong>in</strong>der brauchen umso fe<strong>in</strong>fühligere <strong>und</strong> zugewandtere Interaktionserlebnisse,um langsam Vertrauen zu der neuen Bezugsperson aufbauen zu können.Dann können sie täglich erleben, dass konstant <strong>und</strong> fe<strong>in</strong>fühlig auf ihre Bedürfnissee<strong>in</strong>gegangen wird, können dies <strong>in</strong> ihr Selbstkonzept <strong>in</strong>tegrieren <strong>und</strong> später auf dieseRessource zurückgreifen. Es kann durchaus se<strong>in</strong>, dass der Beziehungsaufbau dannlänger dauert <strong>und</strong> wesentlich herausfordernder für die Fachkraft oder Tagespflegepersonist, für das K<strong>in</strong>d ist dies jedoch <strong>von</strong> sehr großer Bedeutung.45


2.2 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren emotionalen <strong>und</strong>sozialen Kompetenzen stärkenK<strong>in</strong>der entwickeln <strong>in</strong> <strong>den</strong> unterschiedlichen <strong>Bildung</strong>sorten nicht nur kognitive Kompetenzenweiter, sondern auch ihre emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen. Dies giltfür alle <strong>Bildung</strong>sorte <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bis zur E<strong>in</strong>schulung <strong>und</strong> bleibt <strong>in</strong> <strong>den</strong> weiteren Jahrenwichtig: Auch bei Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen stellt die Weiterentwicklung dersozial-emotionalen Kompetenzen e<strong>in</strong> wichtiges Ziel <strong>in</strong> schulischen, außerschulischen<strong>und</strong> beruflichen Lernumgebungen dar.Forschungsergebnisse zeigen, dass die sozialen <strong>und</strong> emotionalen Fähigkeiten auchmit besseren schulischen Leistungen zusammenhängen. Sie bestimmen stark mit,wie wir uns als Erwachsene im Beruf bewähren <strong>und</strong> sie haben großen E<strong>in</strong>fluss aufdie Gestaltung <strong>von</strong> Beziehungen mit Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Familie. Außerdem spielendie emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen e<strong>in</strong>e sehr wichtige Rolle, wie wir <strong>Bildung</strong>sprozessegestalten <strong>und</strong> da<strong>von</strong> profitieren können. Dies untermauert die Tatsache,wie wichtig es ist, diese Kompetenzen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Blick zu nehmen <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen Altersgruppen<strong>und</strong> <strong>in</strong> allen <strong>Bildung</strong>sorten zu stärken.Bedeutung der emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzenunter der BayBEP-LupeIm Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan wird e<strong>in</strong> großes Gewicht auf die Stärkungder k<strong>in</strong>dlichen Kompetenzen im sozialen <strong>und</strong> emotionalen Bereich gelegt. Lernenwird nicht als re<strong>in</strong> kognitiver Prozess betrachtet, sondern – wie es die Forschung <strong>in</strong><strong>den</strong> letzten Jahren immer wieder bestätigt hat – entschie<strong>den</strong> <strong>von</strong> sozialen <strong>und</strong> emotionalenProzessen bee<strong>in</strong>flusst <strong>und</strong> moduliert. Das Verständnis <strong>von</strong> <strong>Bildung</strong> als kokonstruktiverProzess betont die Wichtigkeit der sozialen Kompetenzen <strong>und</strong> bietetgleichzeitig viele Möglichkeiten, sie immer wieder zu stärken.Emotionale <strong>und</strong> soziale Kompetenzen wer<strong>den</strong> im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splanbei <strong>den</strong> personalen Kompetenzen <strong>und</strong> auch bei <strong>den</strong> Kompetenzen zumHandeln im sozialen Kontext beschrieben. Emotionale <strong>und</strong> soziale Kompetenzenspielen e<strong>in</strong>e große Rolle, wenn es um Resilienz geht, <strong>und</strong> weisen enge Verknüpfungenzu Lernen <strong>und</strong> lernmethodischer Kompetenz auf.K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren lernen <strong>in</strong> engen dyadischen Beziehungen mit ihrenwichtigsten Bezugspersonen. Gerade die Entwicklung der emotionalen <strong>und</strong> sozialen46


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen stärkenKompetenzen hängt sehr stark <strong>von</strong> frühen Interaktionserfahrungen ab – e<strong>in</strong>e sichereB<strong>in</strong>dung des K<strong>in</strong>des an se<strong>in</strong>e primären Bezugspersonen stärkt also die sozialen <strong>und</strong>emotionalen Kompetenzen des K<strong>in</strong>des. Soziale <strong>und</strong> emotionale Kompetenzen können<strong>in</strong> allen <strong>Bildung</strong>sbereichen gestärkt wer<strong>den</strong>: Sei es nun durch Projektarbeit mitjungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, bei der geme<strong>in</strong>samen Bilderbuchbetrachtung oder <strong>in</strong> Alltagssituationenwie dem Wickeln oder dem Vorbereiten auf <strong>den</strong> Mittagsschlaf.Entwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> –Meilenste<strong>in</strong>e der Entwicklung 2Die sozialen <strong>und</strong> emotionalen Fähigkeiten der K<strong>in</strong>der entwickeln sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstendrei Lebensjahren rasant: Schon Neugeborene s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Tagen sozial ansprechbar<strong>und</strong> reagieren auf soziale Reize. Sie haben e<strong>in</strong>e (angeborene) Vorliebe fürmenschliche Gesichter <strong>und</strong> können sogar bereits mimische Gesten nachahmen. Neugeborenekönnen Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong> oder Unwohlse<strong>in</strong> signalisieren <strong>und</strong> treten so <strong>in</strong> Interaktionmit ihrer Bezugsperson: Mit diesem Verhalten zeigen sie, dass sie auf derenliebevolle Unterstützung angewiesen s<strong>in</strong>d.Säugl<strong>in</strong>ge ab circa sechs bis acht Wochen reagieren auf menschliche Gesichter mitdem so genannten »sozialen Lächeln« <strong>und</strong> rufen damit bei ihren Bezugspersonen <strong>in</strong> derRegel große Freude hervor. Bei der Regulation <strong>von</strong> negativen Gefühlen s<strong>in</strong>d Säugl<strong>in</strong>gesehr stark auf die Unterstützung durch die Bezugspersonen angewiesen, übernehmenjedoch schon e<strong>in</strong>en aktiven Part im Dialog (Holodynski & Oerter 2008): E<strong>in</strong>Neugeborenes appelliert bei großer Erregung, Schmerz oder Unwohlse<strong>in</strong> zunächstungerichtet, <strong>in</strong>dem es schreit. Die Bezugsperson handelt daraufh<strong>in</strong> explorativ, versuchtherauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, wie sie dem K<strong>in</strong>d helfen kann. So versucht die Mutter e<strong>in</strong>esNeugeborenen vielleicht zunächst das K<strong>in</strong>d zu stillen, ihm <strong>den</strong> Bauch zu massierenoder es auf ihrem Arm herumzutragen. Säugl<strong>in</strong>ge dagegen appellieren wesentlichgerichteter an ihre Bezugspersonen, die ebenfalls schon wesentlich gerichteter reagieren.So kann die Bezugsperson, die bereits vielfältige Interaktionserfahrungen mitdem Säugl<strong>in</strong>g gemacht hat, je nach Stimmlage des Babys unterschei<strong>den</strong>, ob es nunHunger, Schmerzen oder vielleicht auch Langeweile hat.Ab dem Alter <strong>von</strong> r<strong>und</strong> sechs Monaten zeigen Säugl<strong>in</strong>ge Basisemotionen wie Angst,Ärger <strong>und</strong> Freude <strong>und</strong> äußern sie über ihre Mimik, aber auch über ihre Stimme oderKörperhaltung. Sie ermöglichen so e<strong>in</strong>e immer <strong>in</strong>tensivere soziale Interaktion mitihren Bezugspersonen, aber auch mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>.2 E<strong>in</strong>en guten Überblick über die emotionale Entwicklung f<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie bei Siegler, DeLoache & Eisenberg (2005),Petermann & Wie<strong>den</strong>busch (2008) <strong>und</strong> Holodyynski & Oerter (2008); wichtige Erkenntnisse zur Entwicklung derPeer-Beziehungen bei Ahnert (2008 ff.); Gr<strong>und</strong>lagenforschungsarbeiten zum Beispiel bei Tomasello (2009).47


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktAb e<strong>in</strong>em Alter <strong>von</strong> r<strong>und</strong> neun Monaten verändern sich die Interaktionen wesentlich:Säugl<strong>in</strong>ge können zunehmend e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Aufmerksamkeitsfokus mit ihremInteraktionspartner ausbil<strong>den</strong> (jo<strong>in</strong>t attention), zum Beispiel e<strong>in</strong> Objekt geme<strong>in</strong>sambeobachten. Die K<strong>in</strong>der sehen die gleichen D<strong>in</strong>ge an, verfolgen aufmerksam dasBlickverhalten der Bezugsperson oder der anderen K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> schaffen es auch, dieAufmerksamkeit des anderen für Objekte herzustellen, die sie selbst <strong>in</strong>teressieren.Die soziale Rückversicherung – Säugl<strong>in</strong>ge orientieren sich bei Ängstlichkeit oderUnsicherheit am Gesichtsausdruck ihrer Bezugsperson – ist e<strong>in</strong>e weitere Ausprägungdieser jo<strong>in</strong>t attention <strong>und</strong> zeigt, dass die K<strong>in</strong>der schon <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, Emotionen<strong>in</strong> <strong>den</strong> Gesichtern ihrer Bezugspersonen zu »lesen«. So krabbelt zum Beispiel e<strong>in</strong>Baby, dessen Mutter mit e<strong>in</strong>em sorgenvollen Blick reagiert, nicht über e<strong>in</strong>en Abgr<strong>und</strong>(der zum Beispiel mit e<strong>in</strong>er Glasplatte bedeckt ist), während e<strong>in</strong> Säugl<strong>in</strong>g, dessenMutter das K<strong>in</strong>d ermunternd ansieht, ohne Zögern weiterkrabbelt (Sorce, Emde &Kl<strong>in</strong>nert 1985).In diesem Alter tritt bei <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auch das – kulturübergreifend beobachtbare –»Fremdeln« (auch Acht-Monats-Angst genannt) auf. K<strong>in</strong>der reagieren mit Angst oderstarker Anspannung auf e<strong>in</strong>e fremde, unbekannte Person. Sie vermei<strong>den</strong> <strong>den</strong> Blickkontakt,wen<strong>den</strong> sich ab <strong>und</strong> suchen die Nähe der Bezugsperson. Die Reaktion variiert<strong>von</strong> lautem Schreien bis zu leichten Zeichen <strong>von</strong> Anspannung. Für dieses Phänomengibt es unterschiedliche Erklärungen: E<strong>in</strong>e da<strong>von</strong> besagt, dass das Phänomen diewachsende B<strong>in</strong>dung an die Hauptbezugspersonen widerspiegelt (vgl. Siegler, DeLoache& Eisenberg 2005). Übere<strong>in</strong>stimmung herrscht dabei, dass »Fremdeln« Ausdruck <strong>von</strong>gel<strong>in</strong>gen<strong>den</strong> Entwicklungsprozessen ist. Wie stark sich das Fremdeln äußert, sche<strong>in</strong>tu.a. vom Temperament des K<strong>in</strong>des abhängig zu se<strong>in</strong>. Im Laufe des zweiten Lebensjahresschwächt sich die Angstreaktion immer mehr ab.Im zweiten Lebensjahr erfolgt e<strong>in</strong> »Quantensprung« <strong>in</strong> der kognitiven Entwicklung:Das K<strong>in</strong>d erkennt sich selbst im Spiegel <strong>und</strong> realisiert, dass es e<strong>in</strong>e eigene Personist <strong>und</strong> auch eigene Ziele <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en eigenen Willen besitzt (vgl. Kapitel 2.6). Dieshat sehr weit reichende Konsequenzen für die sozialen <strong>und</strong> emotionalen Kompetenzen:In dieser Zeit, die auch Autonomie- oder Trotzphase genannt wird, kommt eshäufig schnell zu Konflikten zwischen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die ihren »eigenen Willen« durchsetzenwollen, <strong>und</strong> die Frustrationstoleranz der K<strong>in</strong>der sche<strong>in</strong>t relativ niedrig zu se<strong>in</strong>.Gleichzeitig beg<strong>in</strong>nen die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> diesem Alter immer stärker, die Perspektiven <strong>von</strong>sich selbst <strong>und</strong> anderen zu unterschei<strong>den</strong> <strong>und</strong> gew<strong>in</strong>nen im Laufe der nächsten Jahreerstaunliche Fähigkeiten, psychische Zustände <strong>von</strong> anderen zu erkennen, zu <strong>in</strong>terpretieren<strong>und</strong> Schlussfolgerungen daraus zu ziehen (Sodian & Thoermer 2006).Ab e<strong>in</strong>em Alter <strong>von</strong> circa zwei Jahren beg<strong>in</strong>nen K<strong>in</strong>der über ihre Emotionen zu sprechen– zunächst nur über ihre Basisemotionen <strong>und</strong> ihre Reaktionen: »Emma we<strong>in</strong>t,Emma traurig.« Im Laufe des dritten Lebensjahrs differenzieren die K<strong>in</strong>der diese48


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen stärkenFähigkeit weiter aus. So kann e<strong>in</strong> Dreijähriger bereits manchmal sagen, weshalb ere<strong>in</strong> bestimmtes Gefühl hat (Petermann, Petermann & Kogl<strong>in</strong> 2008).In dieser Phase nimmt auch die Fähigkeit zur Regulation <strong>von</strong> Gefühlen zu. Manchmals<strong>in</strong>d die K<strong>in</strong>der schon <strong>in</strong> der Lage, eigene Regulationsstrategien anzuwen<strong>den</strong> – zumBeispiel das Kuscheltier ganz fest halten, sich das Schmusetuch über <strong>den</strong> Kopf ziehen.Trotzdem s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der bei der Emotionsregulation <strong>in</strong> diesem Alter immer noch aufdie sensible Interaktion mit ihren Bezugspersonen angewiesen (Holodynski & Oerter2008).Frühk<strong>in</strong>dliche »Aggressionen« können auch Ausdruck <strong>von</strong> natürlichen spielerischenKontaktaufnahmen se<strong>in</strong>. Gerade im ersten Lebensjahr haben K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> noch nichtso ausgeprägtes Wissen über Personen. Sie müssen erst herausf<strong>in</strong><strong>den</strong>, wie sie mitGleichaltrigen, jüngeren <strong>und</strong> älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sowie natürlich auch mit Erwachsenenumgehen können. Da kann manchmal e<strong>in</strong> etwas gröberer Umgang zwischen <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>ganz normal se<strong>in</strong>, wenn zum Beispiel e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d über das andere krabbelt. Entschei<strong>den</strong>dist, dass K<strong>in</strong>der auch <strong>in</strong> Konflikten sehr viel lernen <strong>und</strong> ihre sozialen Kompetenzenausbauen können.49


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktFre<strong>und</strong>schaften <strong>und</strong> Beziehungen zwischen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> 3Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der, die zusammen mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagespflege, <strong>in</strong> Spielgruppenoder <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen spielen <strong>und</strong> lernen, entwickeln ihre sozialen<strong>und</strong> emotionalen Kompetenzen <strong>in</strong> der Interaktion mit <strong>den</strong> anderen ständig weiter.Sie schließen Fre<strong>und</strong>schaften, sie erleben Nähe, aber auch Rivalität <strong>und</strong> erprobenKonfliktlösungsstrategien. Beziehungen zu anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> spielen schon <strong>von</strong> Beg<strong>in</strong>nan e<strong>in</strong>e sehr wichtige Rolle, wenn die K<strong>in</strong>der geme<strong>in</strong>sam <strong>und</strong> <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander lernenkönnen, <strong>und</strong> stellen auch e<strong>in</strong>e ganz wesentliche Quelle für das k<strong>in</strong>dliche Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong><strong>und</strong> Glück dar.Bereits Babys <strong>in</strong>teressieren sich sehr für andere K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> nehmen gerne Kontaktmit ihnen auf. Sie lächeln sich an, lautieren, nähern sich e<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> berühren sich.Erste Interaktionen können zum Beispiel dar<strong>in</strong> bestehen, Spielzeuge auszutauschen,sich gegenseitig nachzuahmen oder e<strong>in</strong>fache Spiele zu spielen wie Bälle h<strong>in</strong>- <strong>und</strong>herzurollen. Die gegenseitige Imitation wird häufig als wichtigstes Mittel der Kommunikatione<strong>in</strong>gesetzt.3 E<strong>in</strong>en Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Peer-Interaktion f<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie zum Beispiel bei Ahnert(2003, 2005), Howes (2000) <strong>und</strong> Viernickel (2000).50


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen stärkenIm zweiten Lebensjahr wer<strong>den</strong> die Interaktionen mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> komplexer, diedyadische Interaktionskompetenz nimmt zu. Das bedeutet: K<strong>in</strong>der, die eng mite<strong>in</strong>andervertraut s<strong>in</strong>d, spielen neben Parallelspielen auch schon erste soziale Interaktionsspielewie Fangen oder Kochen <strong>in</strong> der Puppenküche. K<strong>in</strong>der benützen häufigSpielgegenstände, die sie <strong>den</strong> anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> überreichen, als Kontaktstrategie.Zunehmend lassen sich auch Konflikte zwischen <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> beobachten, <strong>in</strong> <strong>den</strong>enes zum Beispiel um bestimmte Spielgegenstände oder auch Vorrechte (Wer darf aufwelchem Stuhl sitzen?) geht. Die geme<strong>in</strong>same Sprache wird vielfältiger, wobei dieKommunikation noch sehr stark über Imitation, nonverbale Signale <strong>und</strong> Gesten organisiertwird. Bemerkenswert ist, dass schon K<strong>in</strong>der im zweiten Lebensjahr bestimmteGleichaltrige als Spielpartner bevorzugen <strong>und</strong> erstes prosoziales Verhalten zeigen.So br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>em anderen we<strong>in</strong>en<strong>den</strong> K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong> Kuscheltier oder se<strong>in</strong>enSchnuller (vgl. zum Beispiel Vaish, Carpenter & Tomasello 2009).Im dritten Lebensjahr wird Sprache als Kommunikationsmittel zwischen <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>immer wichtiger. Gerade eng vertraute K<strong>in</strong>der – die sich dann auch als Fre<strong>und</strong>ebezeichnen – spielen vermehrt komplexere Interaktionsspiele <strong>und</strong> Vorformen <strong>von</strong>Rollenspielen. Auch bei der Lösung <strong>von</strong> Konflikten greifen K<strong>in</strong>der dann bereits aufSprache zurück.Umsetzung <strong>in</strong> die pädagogische PraxisWelchen E<strong>in</strong>fluss haben die Bezugspersonen – Eltern, Großeltern, Fachkräfte – aufdie emotionale Entwicklung der K<strong>in</strong>der? Welche Bedeutung haben die eigenen emotionalenErfahrungen, wenn es um pädagogisches Handeln geht?Reflexion der eigenen Haltung – das Konzept der »Meta-Emotion«Hier kommt e<strong>in</strong> Konzept <strong>in</strong>s Spiel, das diesen Zusammenhang sehr gut erklärenkann <strong>und</strong> viele Anregungen für die Reflexion der eigenen pädagogischen Haltung<strong>und</strong> des eigenen pädagogischen Handelns mit sich br<strong>in</strong>gt: das Konzept der Meta-Emotion (Gottman 1997). Alle Erwachsenen haben im Laufe ihres Lebens vielfältigeErfahrungen mit eigenen Emotionen <strong>und</strong> <strong>den</strong>en anderer gemacht. Diese Erfahrungenwer<strong>den</strong> als Meta-Emotion – als Wissen über Emotionen – gespeichert. JohnGottman <strong>und</strong> Lynn Katz (1997) erforschten <strong>in</strong> mehreren Untersuchungen, wie diemetaemotionalen Konzepte der Eltern mit dem jeweiligen <strong>Erziehung</strong>sverhaltenzusammenhängen. Dabei wurde deutlich, dass erwachsene Bezugspersonen, dieEmotionen bei sich selbst <strong>und</strong> anderen akzeptieren <strong>und</strong> offen mit ihnen umgehen,dies auch <strong>in</strong> der Beziehung mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> tun. Sie behandeln auch Emotionen der K<strong>in</strong>derals Anlass zu Interaktion <strong>und</strong> Kommunikation. Dies führt zu e<strong>in</strong>er Stärkung deremotionalen Kompetenzen beim K<strong>in</strong>d. K<strong>in</strong>der, deren Emotionen akzeptiert wer<strong>den</strong>51


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunkt<strong>und</strong> die Unterstützung bei der Regulation erfahren, können besser mit diesenGefühlen umgehen.Erwachsene Bezugspersonen, die dagegen Emotionen eher als störend wahrnehmenoder ihnen kaum Aufmerksamkeit widmen, tendieren dazu, diese Haltung auch beiGefühlen des K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>zunehmen. Vor allem negative Emotionen wer<strong>den</strong> dannbagatellisiert, Ablenkungsstrategien angewendet oder diese Gefühle zum Teil auchbestraft. K<strong>in</strong>der können <strong>in</strong> solchen Interaktionen wenig lernen. Sie <strong>in</strong>tegrieren höchstensdas Konzept, dass es wenig s<strong>in</strong>nvoll ist, Emotionen zu zeigen. Die wichtigeemotionale Kompetenz – die Fähigkeit, se<strong>in</strong>e Emotionen s<strong>in</strong>nvoll zu regulieren – wirdnicht gestärkt.E<strong>in</strong> Beispiel: »E<strong>in</strong> Indianer kennt ke<strong>in</strong>en Schmerz«E<strong>in</strong> Vater erlebte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit <strong>und</strong> Jugend, dass es häufig negativ oder als»unmännlich« bewertet wurde, wenn er Emotionen zeigte: »E<strong>in</strong> Indianer kennt ke<strong>in</strong>enSchmerz.« »Du bist ja e<strong>in</strong>e Heulsuse.« Diese Erfahrungen speicherte er als Wissenüber Emotionen ab. Und dieses metaemotionale Wissen bee<strong>in</strong>flusst ihn nunselbst sehr stark <strong>in</strong> der Interaktion mit se<strong>in</strong>en bei<strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. Wenn se<strong>in</strong> Sohnängstlich ist, versucht der Vater das Problem – <strong>und</strong> damit auch die Emotion – zubagatellisieren: »Das ist doch nicht so schlimm, davor brauchst du doch wirklichke<strong>in</strong>e Angst zu haben.« Se<strong>in</strong>e Tochter dagegen ermuntert er manchmal sogar, überihre Ängste zu sprechen. Hier wird deutlich, wie die eigenen Konzepte über Emotionene<strong>in</strong>en starken E<strong>in</strong>fluss auf die Interaktion mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nehmen können.Für die pädagogische Arbeit mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ist es hilfreich, für sich oder auch zusammenim Team <strong>den</strong> Umgang mit Emotionen bei sich selbst <strong>und</strong> <strong>in</strong> Bezug auf die K<strong>in</strong>derzu reflektieren.RFragen zur Reflexion• Wie gehe ich selbst mit me<strong>in</strong>en Emotionen um?• Welche Emotionen erlaube ich mir zu zeigen?• Welche Strategien habe ich selbst entwickelt, um Emotionen zu regulieren?• Gibt es für mich Emotionen, die man zeigen darf <strong>und</strong> solche, die man besser versteckensollte?• Mache ich e<strong>in</strong>en Unterschied zwischen Mädchen <strong>und</strong> Jungen, wenn es darumgeht, Emotionen zu äußern <strong>und</strong> mit ihnen umzugehen?• Gehe ich offen auf K<strong>in</strong>der zu, die Emotionen zeigen? Oder versuche ich möglichstschnell abzulenken, zu bagatellisieren, reagiere vielleicht mit Nichtbeachtung?52


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren emotionalen <strong>und</strong> sozialen Kompetenzen stärkenEmotionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g – emotionale Kompetenzen im Dialog stärkenE<strong>in</strong>e sehr gute Möglichkeit, die soziale <strong>und</strong> emotionale Entwicklung des K<strong>in</strong>des zuunterstützen, bietet das »Emotionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g« für Eltern (Gottman 1997; Graf 2005). ImEmotionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wer<strong>den</strong> die k<strong>in</strong>dlichen Gefühlsäußerungen genutzt, um im Dialogentwicklungsangemessen die emotionalen Kompetenzen <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu stärken.Das Emotionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wird <strong>in</strong> Elternbildungsmaßnahmen (zum Beispiel »Familienteam«,Graf 2005) mit großem Erfolg angewendet. Es geht dabei darum,• sich der Gefühle der K<strong>in</strong>der bewusst zu wer<strong>den</strong>,• die Gefühlsäußerungen der K<strong>in</strong>der als Gelegenheit zu begreifen,• ihnen nahe zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> etwas zu vermitteln,• mitfühlend zuzuhören <strong>und</strong> die k<strong>in</strong>dlichen Gefühle zu bestätigen,• dem K<strong>in</strong>d zu helfen, se<strong>in</strong>e Gefühle <strong>in</strong> Worte zu fassen, sowie• Grenzen zu setzen, dem K<strong>in</strong>d aber gleichzeitig dabei zu helfen, das akute Problemzu lösen (vgl. Gottmann 1997, S. 101).Bei jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wird der Erwachsene se<strong>in</strong>e Kommunikation ganz besonders aufdas K<strong>in</strong>d abstimmen. Denn: E<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> verbale Kommunikation ist für das junge K<strong>in</strong>doder <strong>den</strong> Säugl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> vielen Fällen nicht das richtige Mittel. Ergänzend sollten Mimik,Gestik <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e entsprechende Lautierung (»Babytalk«) e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>, <strong>in</strong>demman zum Beispiel <strong>den</strong> Gesichtsausdruck des K<strong>in</strong>des spiegelt <strong>und</strong> dazu spricht. Aberauch Körperkontakt <strong>und</strong> sanfte Berührungen spielen e<strong>in</strong>e große Rolle im emotionalenDialog mit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, zum Beispiel e<strong>in</strong> Baby zu tragen oder es leicht zuschaukeln. Gute Beispiele für diese emotionalen Dialoge f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich bei Daniel Stern(2006, 2009).Sich fe<strong>in</strong>fühlig auf die Emotionen der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>zulassen <strong>und</strong> sie aktiv bei derenRegulation zu unterstützen kann sehr anstrengend <strong>und</strong> herausfordernd se<strong>in</strong> <strong>und</strong>berührt oft auch eigene Erfahrungen. Zögern Sie nicht, sich dann Unterstützung zuholen oder dies <strong>in</strong> der kollegialen Beratung oder Supervision anzusprechen.Fre<strong>und</strong>schaften <strong>und</strong> Beziehungen zwischen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> stärkenSoziale Beziehungen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaften zwischen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> stellen e<strong>in</strong>e große Ressourcefür das K<strong>in</strong>d dar. E<strong>in</strong> ko-konstruktives <strong>Bildung</strong>sverständnis als Maßstabheranzuziehen hilft auch hierbei weiter: Alle am <strong>Bildung</strong>sprozess beteiligten Personen<strong>und</strong> K<strong>in</strong>der nehmen e<strong>in</strong>e aktive Rolle e<strong>in</strong> <strong>und</strong> betrachten sich auf gleicher Augenhöhe.Zur aktiven Rolle der pädagogischen Fachkraft gehört es, die Interaktionen derK<strong>in</strong>der zu beobachten <strong>und</strong> auch an sie rückzumel<strong>den</strong>. Wenn zum Beispiel zwei K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>en Konflikt um e<strong>in</strong> bestimmtes Spielzeug alle<strong>in</strong>e gelöst haben, kann die Fachkraftdarauf e<strong>in</strong>gehen, die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem Verhalten bestärken <strong>und</strong> deren Lösungverbalisieren: »Sumeia <strong>und</strong> Peter, ich habe euch gerade zugeschaut. Gerade habt ihr53


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunkteuch noch gestritten, jeder <strong>von</strong> euch wollte <strong>den</strong> Bären haben. Vor lauter Wut habtihr sogar beide angefangen zu we<strong>in</strong>en. Aber dann habt ihr euch wieder beruhigt.Peter ist zu <strong>den</strong> Autos gegangen <strong>und</strong> Sumeia hat erst e<strong>in</strong>mal lange aus dem Fenstergeschaut. Und jetzt spielt ihr wieder mite<strong>in</strong>ander.« Mit diesem Vorgehen kannman dazu beitragen, dass die K<strong>in</strong>der ihre Konfliktlösung nicht als Zufallsproduktsehen. Auf diese Weise wer<strong>den</strong> ihr Selbstvertrauen, ihre Selbstwirksamkeit gestärkt<strong>und</strong> es kann erreicht wer<strong>den</strong>, dass die K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> Selbstbild als sozial kompetentePersonen entwickeln.Zur aktiven Rolle der Fachkraft gehört es auch, <strong>in</strong> Situationen, die die sozialen <strong>und</strong>emotionalen Fähigkeiten der beteiligten K<strong>in</strong>der überfordern, e<strong>in</strong>zugreifen.E<strong>in</strong> Beispiel: Konflikte zwischen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>L<strong>in</strong>a <strong>und</strong> David, beide zweie<strong>in</strong>halb Jahre alt, besuchen schon lange dieselbe K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung.Sie s<strong>in</strong>d eng mite<strong>in</strong>ander vertraut <strong>und</strong> spielen sehr häufig mite<strong>in</strong>ander.Die bei<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d schon gut <strong>in</strong> der Lage, kle<strong>in</strong>ere Konflikte selbstständig zulösen <strong>und</strong> haben schon e<strong>in</strong>ige Regeln, die für ihre Interaktion gelten, aufgestellt. Solassen sie nun – nach mehreren lauten <strong>und</strong> tränenreichen Konflikten – das jeweiligeKuscheltier des anderen <strong>in</strong> Ruhe <strong>und</strong> genießen sichtlich ihre Nähe. Heute geraten siejedoch <strong>in</strong> Streit, weil sie beide gleichzeitig zuerst auf das neu angeschaffte Trampol<strong>in</strong>wollen. Zunächst bleibt der Konflikt auf e<strong>in</strong>er verbalen Ebene, aber dann greiftL<strong>in</strong>a zu e<strong>in</strong>er drastischen Lösung <strong>und</strong> beißt David <strong>in</strong> <strong>den</strong> Arm. Hier ist das schnelle<strong>und</strong> energische E<strong>in</strong>greifen der Fachkraft erforderlich. Sie trennt die bei<strong>den</strong>, tröstetDavid <strong>und</strong> spricht anschließend <strong>den</strong> Konflikt mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Ruhe durch. Dabeiverbalisiert sie die Emotionen der K<strong>in</strong>der: »Ihr wolltet beide unbed<strong>in</strong>gt zuerst aufdas Trampol<strong>in</strong> <strong>und</strong> dann wurdet ihr richtig wütend aufe<strong>in</strong>ander, stimmt das?« L<strong>in</strong>anickt. »Und dann hast du (L<strong>in</strong>a) nicht mehr gewusst, was du machen solltest. Dannhast du David <strong>in</strong> <strong>den</strong> Arm gebissen.« L<strong>in</strong>a nickt <strong>und</strong> fängt selbst an zu we<strong>in</strong>en. »Duweißt aber, dass K<strong>in</strong>der andere K<strong>in</strong>der nicht beißen dürfen? Schau, David we<strong>in</strong>timmer noch. Es hat ihm sehr weh getan.« Möglicherweise wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> diesem Dialogneue Regeln aufgestellt (zum Beispiel, dass nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges K<strong>in</strong>d auf das Trampol<strong>in</strong>darf <strong>und</strong> die K<strong>in</strong>der sich »anstellen« müssen) oder bereits bestehende Regeln (ke<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d darf e<strong>in</strong> anderes K<strong>in</strong>d beißen/schlagen) noch e<strong>in</strong>mal durchgesprochen. Geme<strong>in</strong>sammit <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wird schließlich e<strong>in</strong>e Lösung vere<strong>in</strong>bart (zum Beispiel:L<strong>in</strong>a lässt David zuerst aufs Trampol<strong>in</strong>).54


2.3 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativenKompetenzen stärkenKommunikative Kompetenzen wer<strong>den</strong> als Schlüsselqualifikationen def<strong>in</strong>iert. Sie s<strong>in</strong>dgr<strong>und</strong>legende Voraussetzung für die emotionale <strong>und</strong> kognitive Entwicklung <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong><strong>und</strong> wesentlicher Bestandteil aller anderen Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereiche.Die Bedeutung der kommunikativen Kompetenzen <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren, derenEntwicklungsprozess sowie deren Stärkung im pädagogischen Alltag im Überblick darzustellenist nicht möglich, ohne – wie <strong>in</strong> diesem Kapitel – e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> Teilbereichenzu thematisieren. Denn die kommunikative Kompetenz gibt es nicht, vielmehrbe<strong>in</strong>haltet sie e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> sprachlichen sowie nicht-sprachlichen Fähigkeiten.Für die Entwicklung <strong>von</strong> kommunikativen Kompetenzen s<strong>in</strong>d sichere B<strong>in</strong>dungsbeziehungen<strong>und</strong> die Erfahrung <strong>von</strong> vielen positiven Interaktionen mit <strong>den</strong> primärenBezugspersonen <strong>von</strong> sehr hoher Bedeutung.Bedeutung der kommunikativen Kompetenzen unter der BayBEP-LupeKommunikative Kompetenzen s<strong>in</strong>d Voraussetzung für die Schul- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>schancen<strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>und</strong> ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. »Sprach- <strong>und</strong> medienkompetenteK<strong>in</strong>der« lautet daher e<strong>in</strong>e der fünf <strong>Bildung</strong>svisionen des Bayerischen <strong>Bildung</strong>s-<strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splans.Jedes K<strong>in</strong>d hat entsprechend se<strong>in</strong>en Bedürfnissen, Interessen <strong>und</strong> Möglichkeitense<strong>in</strong>e eigene, ganz persönliche Sprache – auch geprägt <strong>von</strong> se<strong>in</strong>em jeweiligen kulturellen<strong>und</strong> sozialen Kontext. Den Reichtum der sprachlichen Fähigkeiten jedes e<strong>in</strong>zelnenK<strong>in</strong>des gilt es zu entdecken <strong>und</strong> zu verstehen <strong>und</strong> sich wertschätzend daraufe<strong>in</strong>zulassen. »Kommunikation wird so gestaltet, dass sich alle ausdrücken können<strong>und</strong> alle verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>« (Heimlich & Behr 2007, S. 58).Die Stärkung der kommunikativen Kompetenzen des K<strong>in</strong>des geschieht nicht isoliert,sondern stellt e<strong>in</strong> durchgängiges Pr<strong>in</strong>zip im pädagogischen Alltag dar. K<strong>in</strong>der erwerbendiese Kompetenzen <strong>in</strong> täglichen Interaktionen mit Erwachsenen <strong>und</strong> anderen<strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. Sie lernen Kommunikation im Kontext <strong>von</strong> s<strong>in</strong>nvollen Handlungen <strong>und</strong> Themen,die sie <strong>in</strong>teressieren. K<strong>in</strong>der brauchen daher täglich vielfältige Anregungen <strong>und</strong>Gelegenheiten, mit Sprache <strong>und</strong> Kommunikation kreativ umzugehen, sowie e<strong>in</strong>e dialogorientierte<strong>Bildung</strong>spraxis, die ihnen sprachliche Lernprozesse im Rahmen aller<strong>Bildung</strong>saktivitäten <strong>und</strong> -bereiche fortwährend ermöglicht.55


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktSprache entwickelt sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren <strong>in</strong> vielfältigen Sett<strong>in</strong>gs, vor allem<strong>in</strong> der Familie. Gerade bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren ist es daher wichtig,e<strong>in</strong>e enge, vertrauensvolle <strong>und</strong> partnerschaftliche Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Elternzu pflegen, sie als Mitgestalter der <strong>Bildung</strong> ihres K<strong>in</strong>des mit e<strong>in</strong>zubeziehen <strong>und</strong>Sprachgewohnheiten der Familie des K<strong>in</strong>des mit Wertschätzung zu begegnen. Dies giltsowohl mit Blick auf deutschsprachig wie auch mehrsprachig aufwachsende K<strong>in</strong>der.Mehrsprachiges Aufwachsen wird im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan nichtals Risiko, sondern vielmehr als Chance begriffen <strong>und</strong> nimmt e<strong>in</strong>en selbstverständlichenPlatz im Alltag der E<strong>in</strong>richtung sowie <strong>in</strong> der Tagespflege e<strong>in</strong>. Die Familiensprachender K<strong>in</strong>der (auch Dialekte) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>den</strong> E<strong>in</strong>richtungen nicht nur <strong>in</strong>formell unter<strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> präsent, sondern erleben e<strong>in</strong>e besondere Wertschätzung: Das geschiehtdurch aktive E<strong>in</strong>beziehung <strong>von</strong> Eltern <strong>und</strong> Familienangehörigen, mehrsprachigen oderorig<strong>in</strong>alsprachlichen Materialien <strong>in</strong> <strong>den</strong> Familiensprachen (zum Beispiel <strong>in</strong> Form <strong>von</strong>Liedern <strong>und</strong> Theaterstücken) bis h<strong>in</strong> zu der Beschäftigung <strong>von</strong> zweisprachigen Fachkräften.Für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren bedeutet dies vorrangig, sie <strong>von</strong> Anfang an <strong>in</strong>der Entwicklung ihrer <strong>in</strong>dividuellen Sprachkompetenzen zu stärken, ihnen zu e<strong>in</strong>emsprachlichen Selbstbewusstse<strong>in</strong> zu verhelfen <strong>und</strong> ihre Neugierde für die eigene Sprachesowie für die Sprache anderer zu wecken. Dies geschieht auf Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> entwicklungspsychologischenKenntnissen über <strong>den</strong> Erst- <strong>und</strong> Zweitspracherwerb <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>sowie die spezifischen Bedürfnisse <strong>von</strong> mehrsprachig aufwachsen<strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>.Entwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> –Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungDer Spracherwerb vollzieht sich nicht isoliert, sondern ist e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> die Gesamtentwicklungdes K<strong>in</strong>des. Er ist untrennbar verb<strong>und</strong>en mit der S<strong>in</strong>nesentwicklungsowie der motorischen, kognitiven <strong>und</strong> der sozial-emotionalen Entwicklung (guterÜberblick zur Sprachentwicklung des K<strong>in</strong>des zum Beispiel bei We<strong>in</strong>ert & Grimm 2008).Sprache <strong>und</strong> SprachentwicklungIn <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren wer<strong>den</strong> entschei<strong>den</strong>de Weichen für die weitereSprachentwicklung gestellt. Von Geburt an s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der mit <strong>den</strong> wichtigsten Voraussetzungenausgestattet, Sprache zu erwerben. Schon <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensmonatenbzw. bereits vor der Geburt haben sie Kenntnisse über das Laut- <strong>und</strong> Sprachsystemihrer Erstsprache(n).Bestimmte Stufen der Sprachentwicklung – so genannte Meilenste<strong>in</strong>e – wer<strong>den</strong> <strong>von</strong>fast allen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> der gleichen Reihenfolge durchlaufen. Je<strong>den</strong> dieser Meilenste<strong>in</strong>e56


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenerreichen e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der jedoch viel früher <strong>und</strong> manche deutlich später. Jedes K<strong>in</strong>derwirbt Sprache <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em eigenen Tempo <strong>und</strong> verfolgt e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen Weg beise<strong>in</strong>em Spracherwerb. Diese Variabilität <strong>in</strong> <strong>den</strong> sprachlichen Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozessenist <strong>in</strong> allen Sprachen relativ ähnlich <strong>und</strong> macht es gerade <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenLebensjahren schwer, allgeme<strong>in</strong>gültige Altersangaben <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Durchschnittswertenzu machen. Stattdessen orientiert man sich daher gerade <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahrenmeist an Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsspannen, <strong>in</strong>nerhalb <strong>den</strong>en die Mehrzahl derK<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e bestimmte Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsetappe durchläuft. Diese Angabenkönnen – verb<strong>und</strong>en mit e<strong>in</strong>er prozessorientierten systematischen Beobachtung <strong>und</strong>Dokumentation der <strong>in</strong>dividuellen Entwicklung im Bereich »Sprache <strong>und</strong> Literacy« –als Orientierungsrahmen sehr hilfreich se<strong>in</strong>.Sprache umfasst sowohl das Sprachverständnis (rezeptive Sprache) als auch die Sprachproduktion(expressive Sprache). Mit »rezeptiver Sprache« ist geme<strong>in</strong>t zu verstehen,was andere sagen, schreiben oder gebär<strong>den</strong>sprachlich mitteilen; »expressive Sprache«bedeutet das eigene Sprechen, Schreiben oder gebär<strong>den</strong>sprachliche Mitteilen.Sprachverstehen geht der Sprachproduktion voraus. Schon im Mutterleib kann dasK<strong>in</strong>d die Stimme se<strong>in</strong>er Mutter <strong>von</strong> anderen Stimmen unterschei<strong>den</strong> <strong>und</strong> entwickeltbereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Monaten e<strong>in</strong>e Sensibilität für Rhythmus, Betonung <strong>und</strong> Melodiese<strong>in</strong>er Erstsprache(n).Die erste lautliche Äußerung des K<strong>in</strong>des ist das Schreien. Das K<strong>in</strong>d signalisiert aktivse<strong>in</strong>e Bedürfnisse <strong>und</strong> die Bezugsperson reagiert entsprechend darauf, <strong>in</strong>dem sie <strong>den</strong>Säugl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Regel auf <strong>den</strong> Arm nimmt, Blickkontakt aufnimmt <strong>und</strong> mit ihmspricht. So entwickelt sich der erste stimmliche Dialog. Auch wenn das K<strong>in</strong>d selbstnoch nicht spricht, hat es große Freude daran, durch Mimik, Gestik <strong>und</strong> Körpere<strong>in</strong>satze<strong>in</strong>en lebhaften Austausch mit se<strong>in</strong>er Bezugsperson zu haben. »So entwickelnMutter <strong>und</strong> Säugl<strong>in</strong>g ihre erste stimmliche Kommunikation, mit der sich ihre zwischenmenschlicheBeziehung weiter entwickelt« (Wendlandt 1992, S. 11).Mit der Zeit kann das K<strong>in</strong>d sich die Bedeutung häufig gehörter Wörter erschließen.Das erfolgt nicht nur durch Hören, sondern mit allen S<strong>in</strong>nen – auch durch Sehen,Fühlen, Riechen <strong>und</strong> Schmecken. Nach der so genannten »Lallphase«, <strong>in</strong> der Lautverb<strong>in</strong>dungenwie zum Beispiel »dada« oder »baba« produziert wer<strong>den</strong>, beg<strong>in</strong>nenK<strong>in</strong>der etwa um <strong>den</strong> ersten Geburtstag herum allmählich e<strong>in</strong>ige Wörter, die sie verstehen,selbst zu sagen. Mit etwa 18 Monaten verfügen die meisten K<strong>in</strong>der bereitsüber e<strong>in</strong>en Wortschatz <strong>von</strong> etwa 50 Wörtern. Dieser Schwelle wird <strong>in</strong> der Entwicklungspsychologiebesondere Bedeutung beigemessen, <strong>den</strong>n <strong>von</strong> da an nimmt derWortschatz rasant zu. Grimm (2003) spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er»Wortschatzexplosion«. Mehrere Forschungsbef<strong>und</strong>e weisen darauf h<strong>in</strong>, dieser 50-Wort-Schwelle hohe Aufmerksamkeit zu widmen, da sie e<strong>in</strong> bedeutsamer H<strong>in</strong>weis fürspätere Auffälligkeiten se<strong>in</strong> kann. So hat sich gezeigt, dass bei e<strong>in</strong>em Teil der K<strong>in</strong>-57


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunktder, die im Alter <strong>von</strong> zwei Jahren noch über e<strong>in</strong>en deutlich ger<strong>in</strong>geren Wortschatz verfügen,auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Jahren Sprachentwicklungsauffälligkeiten bis h<strong>in</strong> zuspäteren Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb zu beobachten s<strong>in</strong>d.Aus E<strong>in</strong>wortsätzen (»Ball!«) wer<strong>den</strong> Zwei- <strong>und</strong> Dreiwortsätze (»Anna Schoß«; »Katr<strong>in</strong>mehr haben«). Der Satzbau wird immer anspruchsvoller <strong>und</strong> zwischen dem dritten<strong>und</strong> vierten Lebensjahr hat das K<strong>in</strong>d schließlich die Gr<strong>und</strong>struktur der Erstsprachever<strong>in</strong>nerlicht <strong>und</strong> kann sich <strong>in</strong> zusammenhängen<strong>den</strong> Sätzen ausdrücken. Dass derSpracherwerb nicht über bloße Nachahmung funktioniert, sondern sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emkomplexen, konstruktiven Prozess <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Umwelt vollzieht,zeigt sich <strong>in</strong> diesem Alter auch an <strong>den</strong> kreativen Wortneuschöpfungen des K<strong>in</strong>des(zum Beispiel »leitern«, »Männers«, »Kopfbürste«).Die Fähigkeit, Fragen zu stellen, eröffnet dem K<strong>in</strong>d nun noch mehr Möglichkeiten, <strong>in</strong>sprachlicher Form se<strong>in</strong>em Forscherdrang nachzukommen. Der ko-konstruktive Prozessdes Dialogs <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Fragen <strong>und</strong> Antworten erweitert fortlaufend die sprachlicheAusdrucksfähigkeit des K<strong>in</strong>des.58


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenNonverbale KommunikationDie Sprachentwicklung beg<strong>in</strong>nt schon sehr früh <strong>und</strong> lange vor der Produktion ersterWörter. In <strong>den</strong> ersten Lebensjahren spielt dabei die nonverbale Kommunikatione<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle. Von Anfang an tritt das K<strong>in</strong>d aktiv mit se<strong>in</strong>er Umwelt <strong>in</strong>soziale Interaktion <strong>und</strong> ist auf vielfältige Weise bemüht, mit anderen Menschen zukommunizieren – durch Mimik, Gestik, Körpersprache, Blickkontakt <strong>und</strong> Laute. Wer<strong>den</strong>se<strong>in</strong>e Signale wahrgenommen <strong>und</strong> wird entsprechend darauf reagiert, so fühltsich das K<strong>in</strong>d verstan<strong>den</strong> <strong>und</strong> entwickelt Freude <strong>und</strong> Interesse an diesem wechselseitigenAustausch. Der Säugl<strong>in</strong>g macht so die entschei<strong>den</strong>de Erfahrung, dass erse<strong>in</strong>e Bedürfnisse verständlich kommunizieren kann <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e entsprechendeReaktion bewirkt. Wichtig dabei ist, dass diese Reaktionen der Bezugsperson verlässlich<strong>und</strong> wiederholt stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Nur so gew<strong>in</strong>nt der Säugl<strong>in</strong>g Vertrauen <strong>in</strong> dieeigene Wirksamkeit. Diese Erfahrung ist für die weitere emotionale <strong>und</strong> soziale Entwicklungentschei<strong>den</strong>d.E<strong>in</strong>e weitere entschei<strong>den</strong>de Voraussetzung für die Entwicklung <strong>von</strong> Sprache ist dieFähigkeit zur geteilten Aufmerksamkeit seitens des K<strong>in</strong>des. E<strong>in</strong> Säugl<strong>in</strong>g ist nochsehr stark ablenkbar <strong>und</strong> es fällt ihm schwer, H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>geräusche auszublen<strong>den</strong><strong>und</strong> sich gezielt auf se<strong>in</strong>en Dialogpartner zu konzentrieren. Indem die Bezugspersondie geteilte Aufmerksamkeit des Säugl<strong>in</strong>gs zum Beispiel durch Blickkontakt,deutliche Mimik oder betonten Tonfall sicherstellt, unterstützt sie maßgeblich dasSprachenlernen des K<strong>in</strong>des (vgl. Wirts <strong>in</strong> Druck).Zwei- <strong>und</strong> MehrsprachigkeitE<strong>in</strong> großer Teil der K<strong>in</strong>der wächst nicht nur mit e<strong>in</strong>er Sprache, sondern zwei- odermehrsprachig auf. Manche K<strong>in</strong>der lernen <strong>von</strong> Geburt an zwei oder sogar mehrereSprachen, da ihre Eltern unterschiedliche Sprachen sprechen (primärer Bil<strong>in</strong>gualismus)oder erwerben zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt e<strong>in</strong>e oder mehrere Sprachen zusätzlichzu ihrer Erstsprache (Zweitspracherwerb). In <strong>den</strong> ersten Lebensjahren kommt es dabeihäufig zu e<strong>in</strong>er Vermischung der Sprachen. Das ändert sich meist spätestens abdem vierten Lebensjahr <strong>von</strong> selbst, <strong>den</strong>n das K<strong>in</strong>d erkennt dann, dass verschie<strong>den</strong>ePersonen unterschiedliche Sprachen sprechen, <strong>und</strong> es lernt, <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Sprache aufdie anderen umzuschalten (code-switch<strong>in</strong>g).Die Sprachentwicklung <strong>in</strong> der zweiten Sprache verläuft auf ähnliche Weise wie dieEntwicklung der Erstsprache. Dem Produzieren eigener Wörter <strong>in</strong> der für das K<strong>in</strong>dneuen Sprache geht zum Beispiel die Entwicklung des Sprachverständnisses voraus.Mehrsprachig aufwachsende K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d jedoch ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Gruppe, sondernhaben sehr viele unterschiedliche Biografien <strong>und</strong> Erfahrungen damit, wie die Mehrsprachigkeit<strong>in</strong> der Familie praktiziert wird.59


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktE<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d hat zu se<strong>in</strong>er Erstsprache e<strong>in</strong>en besonderen emotionalen Bezug. Mit derSprache der Eltern oder e<strong>in</strong>es Elternteils wird auch immer e<strong>in</strong> Teil der eigenen I<strong>den</strong>titätverb<strong>und</strong>en (bei unterschiedlichen Kulturen spricht man auch <strong>von</strong> »bikulturellerI<strong>den</strong>tität«). Erfahren K<strong>in</strong>der die Ablehnung oder Abwertung ihrer Familienkultur <strong>und</strong>-sprache, so kann dies <strong>den</strong> Zweitspracherwerb Deutsch erheblich erschweren, da dasK<strong>in</strong>d sich nicht als une<strong>in</strong>geschränkt zugehörig erlebt.Es ist wichtig, dass das K<strong>in</strong>d auf se<strong>in</strong>e bereits vorhan<strong>den</strong>en Kompetenzen <strong>in</strong> derErstsprache zurückgreifen kann <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Erstsprache sowie auch der kulturelle Kontextdes K<strong>in</strong>des wertgeschätzt wer<strong>den</strong>. Dies gilt auch für <strong>den</strong> Dialekt e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des.Auffälligkeiten <strong>in</strong> der SprachentwicklungDer Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan stellt das kompetente K<strong>in</strong>d mit se<strong>in</strong>enStärken <strong>und</strong> Ressourcen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Mittelpunkt. Pädagogisches Handeln setzt nicht an <strong>den</strong>Defiziten <strong>und</strong> Schwächen an, sondern vielmehr daran, was das K<strong>in</strong>d schon alleskann, weiß <strong>und</strong> versteht. Dabei wird berücksichtigt, dass jedes K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuellesLern- <strong>und</strong> Entwicklungstempo hat, <strong>und</strong> dass sich Lernen <strong>und</strong> Entwicklung <strong>in</strong>unterschiedlichen Bereichen bei e<strong>in</strong> <strong>und</strong> demselben K<strong>in</strong>d auch deutlich unterschei<strong>den</strong>können. Dies darf aber nicht dazu verleiten, erhebliche Auffälligkeiten <strong>in</strong> derSprachentwicklung zu ignorieren.Zu <strong>den</strong> häufigsten Entwicklungsstörungen zählen Auffälligkeiten <strong>in</strong> der Sprachentwicklung.Wer<strong>den</strong> diese nicht möglichst frühzeitig erkannt <strong>und</strong> im Rahmen spezifischerSprachförderung begleitet, kann dies weit reichende Auswirkungen nicht nurauf die Sprachentwicklung, sondern auch auf andere Entwicklungsbereiche sowie vorallem auch auf das Selbstbild des K<strong>in</strong>des haben. Gerade <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahrenist es jedoch aufgr<strong>und</strong> der sehr unterschiedlichen Entwicklungsverläufe nichtganz e<strong>in</strong>fach, e<strong>in</strong>e sichere Diagnose zu stellen. Mehrere Forschungsbef<strong>und</strong>e widmen<strong>in</strong> diesem Zusammenhang der bereits weiter oben beschriebenen 50-Wort-Schwellebesonderes Augenmerk, da sie e<strong>in</strong> bedeutsamer H<strong>in</strong>weis für spätere Auffälligkeitense<strong>in</strong> kann. Zur E<strong>in</strong>schätzung, ob der aktive Wortschatz e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des mit zwei Jahrenweniger als 50 Wörter beträgt, s<strong>in</strong>d gezielte Elternfragebögen sehr hilfreich, die ausentsprechen<strong>den</strong> Wortlisten sowie Fragen zur sonstigen Sprachentwicklung des K<strong>in</strong>desbestehen (zum Beispiel Grimm & Doil 2006; Sachse & <strong>von</strong> Suchodoletz 2009).Literacy <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten LebensjahrenEs fällt schwer, e<strong>in</strong>e passende deutsche Übersetzung zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>, die die umfassendeBedeutung des Begriffs »Literacy« widerspiegelt. »Lese- <strong>und</strong> Schreibkompetenz« oder»Literalität« verleiten zu der Annahme, Literacy beziehe sich lediglich auf Lesen <strong>und</strong>60


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenSchreiben bzw. auf bestimmte Gr<strong>und</strong>fertigkeiten, die zu lernen s<strong>in</strong>d, bevor das K<strong>in</strong>dmit dem »richtigen« Lesen <strong>und</strong> Schreiben beg<strong>in</strong>nt. Es gibt aber ke<strong>in</strong>e »Vorstufen« <strong>von</strong>Literacy. Vielmehr ist Literacy e<strong>in</strong> lebenslanger Prozess, der sehr früh beg<strong>in</strong>nt <strong>und</strong> <strong>in</strong><strong>den</strong> ersten Lebensjahren vor allem vielfältige Erfahrungen r<strong>und</strong> um Buch-, Erzähl-,Reim- <strong>und</strong> Schriftkultur sowie Medien be<strong>in</strong>haltet (e<strong>in</strong>e Übersicht vgl. Whitehead2007). Diese Erfahrungen können zum Beispiel dar<strong>in</strong> bestehen, geme<strong>in</strong>sam Bilderbücherzu betrachten, Geschichten vorgelesen oder erzählt zu bekommen <strong>und</strong> auchselbst Geschichten zu erzählen. Literacy be<strong>in</strong>haltet auch das Entdecken <strong>von</strong> Symbolen,Zeichen, Buchstaben <strong>und</strong> Zahlen oder auch die Erfahrung, selbst Spuren zu h<strong>in</strong>terlassen– sei es durch eigenes Kritzeln <strong>und</strong> Malen oder e<strong>in</strong>fach, <strong>in</strong>dem das K<strong>in</strong>dmit dem F<strong>in</strong>ger im Sand malt <strong>und</strong> so Zeichen <strong>und</strong> Symbole erzeugt. K<strong>in</strong>der beg<strong>in</strong>nenauch schon sehr früh mit ersten Schreibversuchen, <strong>in</strong>dem sie zum Beispiel ihrerMama e<strong>in</strong>en Kritzelbrief »schreiben« oder ihre Zeichnung »unterschreiben«. Dabeitun sie so, als ob sie Schrift bereits beherrschen, <strong>und</strong> entwickeln auf diese Weisee<strong>in</strong>e Vorstellung über Gebrauch <strong>und</strong> Funktion <strong>von</strong> Symbolen.All dies s<strong>in</strong>d wichtige Lernerfahrungen, die sich positiv auf die Sprachentwicklungauswirken <strong>und</strong> schon sehr früh <strong>den</strong> Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>stellung zumSchreiben <strong>und</strong> Lesen, zu Büchern <strong>und</strong> zum Umgang mit Medien legen. Untersuchungenhaben gezeigt, dass Literacy-Erfahrungen <strong>in</strong> der frühen K<strong>in</strong>dheit nachweislich<strong>den</strong> Schulerfolg <strong>und</strong> die <strong>Bildung</strong>slaufbahn bee<strong>in</strong>flussen. Im S<strong>in</strong>ne der Chancengleichheitist es daher umso wichtiger – <strong>in</strong>sbesondere für K<strong>in</strong>der aus »lesefernen«Familien – Literacy als festen Bestandteil des Konzepts sprachlicher <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> allenK<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen zu <strong>in</strong>tegrieren.E<strong>in</strong> Teilaspekt <strong>von</strong> Literacy bezieht sich auf das Wahrnehmen <strong>und</strong> Analysieren derLautstruktur gesprochener Sprache. Dieses Bewusstse<strong>in</strong> für Sprachrhythmus <strong>und</strong> fürdie lautliche Gestalt <strong>von</strong> Sprache bezeichnet man als »phonologische Bewusstheit«.Ihr wird <strong>in</strong> der Forschung besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da e<strong>in</strong> deutlicherZusammenhang zum späteren Schriftspracherwerb nachgewiesen wer<strong>den</strong> konnte. Zurphonologischen Bewusstheit im weiteren S<strong>in</strong>n zählt zum Beispiel das Wahrnehmen<strong>von</strong> Silben- <strong>und</strong> Wortgrenzen sowie <strong>von</strong> Reimen. Bei F<strong>in</strong>gerspielen, Reimen <strong>und</strong> Liedernhat das bereits auch für Krippenk<strong>in</strong>der große Bedeutung.Frühe MedienkompetenzVon Anfang an bil<strong>den</strong> Medien heute e<strong>in</strong>en Teil der Lebenswelt der meisten K<strong>in</strong>der,die darauf mit großer Neugier <strong>und</strong> Interesse reagieren. K<strong>in</strong>der machen bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong>ersten Lebensjahren vielfältige mediale Erfahrungen, sei es mit Bilderbüchern, MusikoderHörspiel-CDs, Telefon, Handy, Fernsehen oder Radio. Die K<strong>in</strong>dheit wie auch dasgesamte weitere Leben ist <strong>von</strong> Medien geprägt. Umso wichtiger ist es, K<strong>in</strong>der schonsehr früh entwicklungsangemessen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verantwortungsvollen Umgang mit61


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktMedien zu stärken <strong>und</strong> sie dabei zu unterstützen, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er komplexen Medienweltzurechtzuf<strong>in</strong><strong>den</strong>.E<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>voraussetzung für das Verständnis <strong>von</strong> Medien, das so genannte »Symbolverständnis«,entwickelt sich bereits sehr früh. In der Interaktion mit e<strong>in</strong>er engenBezugsperson entwickelt das K<strong>in</strong>d circa zum Ende des ersten Lebensjahres dieFähigkeit, sich etwas zeigen zu lassen <strong>und</strong> anderen etwas zu zeigen (vgl. Fthenakisu.a. 2009, S. 67).Um die Handlung e<strong>in</strong>er Medienfigur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hörspiel oder e<strong>in</strong>er Fernsehsendungnachvollziehen zu können, muss das K<strong>in</strong>d neben dem gr<strong>und</strong>legen<strong>den</strong> Symbolverständnise<strong>in</strong>ige entschei<strong>den</strong>de kognitive Fähigkeiten entwickelt haben. So ist e<strong>in</strong>gr<strong>und</strong>legendes Bewusstse<strong>in</strong> dafür notwendig, was andere Menschen fühlen, <strong>den</strong>kenoder wissen können. Diese Fähigkeit bezeichnet man als »Theory of M<strong>in</strong>d« (vgl. dazuKapitel 2.5). E<strong>in</strong>e weitere wesentliche Voraussetzung stellt die Fähigkeit dar, Realität<strong>und</strong> Fiktion unterschei<strong>den</strong> zu können. Dazu s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der zwar pr<strong>in</strong>zipiell bereitsab etwa zwei Jahren <strong>in</strong> der Lage, was sich an ihrer großen Freude an »Als-ob-Spielen« besonders deutlich zeigt (vgl. Kapitel 2.5). Diese Fähigkeit jedoch auch aufmediale Inhalte anzuwen<strong>den</strong> ist für K<strong>in</strong>der, je nach Art <strong>und</strong> Darstellung, noch sehrschwierig <strong>und</strong> bedarf e<strong>in</strong>er stetigen Reflexion geme<strong>in</strong>sam mit Erwachsenen.Andererseits eröffnen sich durch Medien vielfältige Lernchancen, die sich bei der Gestaltung<strong>von</strong> ko-konstruktiven <strong>Bildung</strong>sprozessen optimal nutzen lassen. Dazu gehörenzum Beispiel die Dokumentation der Lernprozesse der K<strong>in</strong>der durch Videoaufzeichnungenoder die Möglichkeit für die K<strong>in</strong>der selbst, ihre Ideen zum Ausdruck zubr<strong>in</strong>gen oder um Emotionen zu verarbeiten. Selbst Computernutzung kann unterguten Bed<strong>in</strong>gungen Interaktionen anregen <strong>und</strong> metakognitive Lernprozesse <strong>in</strong> Gangsetzen (Bowman, Donovan & Burns 2001). Voraussetzung ist es dabei, geeigneteInhalte auszuwählen <strong>und</strong> das Medium <strong>in</strong> Interaktion mit e<strong>in</strong>er Bezugsperson zu nutzen.Auch der Umgang mit technischen Medien – zum Beispiel <strong>den</strong> CD-Player oderKassettenrecorder selbstständig zu bedienen – kann schon im frühen Alter unterstütztwer<strong>den</strong>.Medien s<strong>in</strong>d sowohl Gegenstand als auch Mittel des Lernens <strong>und</strong> lassen sich auf vielfältigeWeise mit anderen <strong>Bildung</strong>sbereichen verknüpfen. Entsprechend dem ko-konstruktiven<strong>Bildung</strong>sverständnis, das dem Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splanzugr<strong>und</strong>e liegt, versteht sich die Stärkung <strong>von</strong> Medienkompetenz als sozialer Prozess,der sich <strong>in</strong> Interaktion mit Erwachsenen <strong>und</strong> anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vollzieht. K<strong>in</strong>derentwickeln e<strong>in</strong> nachhaltiges S<strong>in</strong>nverständnis <strong>von</strong> Medien nur dann, wenn e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzungim Dialog <strong>und</strong> Austausch mit anderen passiert.62


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenUmsetzung <strong>in</strong> die pädagogische PraxisQualität der sprachlichen Interaktion mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Sprache entwickelt sich nur <strong>in</strong> Interaktion, also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ko-konstruktiven Prozess,der auf die geme<strong>in</strong>same Erforschung <strong>von</strong> Inhalten <strong>und</strong> Bedeutungen ausgelegt ist.Noch bevor das K<strong>in</strong>d zu sprechen beg<strong>in</strong>nt, wird im spielerischen Austausch mite<strong>in</strong>er Bezugsperson der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> für die spätere kommunikative Kompetenzgelegt. Die Art <strong>und</strong> Weise, wie man sich <strong>in</strong> sozialen Interaktionen verhält <strong>und</strong> mitanderen Menschen kommuniziert, kann schon <strong>in</strong> frühen Jahren durch Spiele wieetwa »Guck-guck-da« oder »Nimm-<strong>und</strong>-gib« bee<strong>in</strong>flusst wer<strong>den</strong>. Diese Spiele zeichnensich dadurch aus, dass das K<strong>in</strong>d zwischen aktiver <strong>und</strong> passiver Rolle h<strong>in</strong> <strong>und</strong>her wechselt, vergleichbar mit dem Wechsel zwischen Sprecher <strong>und</strong> Zuhörer <strong>in</strong>Gesprächssituationen (vgl. W<strong>in</strong>ner 2007).E<strong>in</strong> Beispiel: Guck-guck-da-SpieleIm Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter s<strong>in</strong>d Guck-guck-da-Spiele e<strong>in</strong>e hervorragende Möglichkeit, dieSprache der K<strong>in</strong>der auf spielerische <strong>und</strong> lustbetonte Weise zu stärken. Dabei wer<strong>den</strong>Gegenstände oder Körperteile – häufig Gesichter – versteckt: »Wo ist <strong>den</strong>n dieAnna? Oh, die Anna ist verschw<strong>und</strong>en … Da ist ja die Anna!« Vor allem Wickelsituationeneignen sich besonders gut dafür: »Jetzt ziehen wir wieder de<strong>in</strong>e Hose an …Ja, wo ist <strong>den</strong>n jetzt der kle<strong>in</strong>e Fuß vom David? Jetzt ist er verschw<strong>und</strong>en! Ich kannihn gar nicht mehr sehen. Wo ist er <strong>den</strong>n nur? Jetzt sehe ich ihn! Ja, da ist der kle<strong>in</strong>eFuß vom David!« Je älter das K<strong>in</strong>d wird, umso mehr wird es selbst zum Akteur<strong>und</strong> steuert das Spiel. Guck-guck-da-Spiele bieten die Möglichkeit, <strong>in</strong> unzähligenWiederholungen mit Stimme <strong>und</strong> Sprache zu experimentieren <strong>und</strong> dabei die Erfahrungzu machen, dass die eigene Sprache etwas bewirkt. Die sprachlichen Inhaltestehen dabei nicht im Vordergr<strong>und</strong>, sondern s<strong>in</strong>d der Spielstruktur untergeordnet.Guck-guck-da-Spiele schaffen Geborgenheit <strong>und</strong> Sicherheit. K<strong>in</strong>der genießen diekörperliche Nähe, die damit verb<strong>und</strong>en ist.Das Gesprächsverhalten der jeweiligen Bezugsperson des K<strong>in</strong>des spielt e<strong>in</strong>e besondereRolle im Prozess der Sprach- <strong>und</strong> Literacyentwicklung. In <strong>den</strong> ersten Lebensmonatens<strong>in</strong>d dies meist vorrangig die Eltern. Mit zunehmendem Alter des K<strong>in</strong>deshaben Fachkräfte <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen, Tagespflegepersonen <strong>und</strong> späterGr<strong>und</strong>schullehrkräfte entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Anteil an der Sprach- <strong>und</strong> Literacyentwicklung.Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Eltern <strong>in</strong> ihrem Sprachstil <strong>in</strong>tuitiv meisterstaunlich genau dem sprachlichen Entwicklungsniveau ihres K<strong>in</strong>des anpassen. HanneloreGrimm spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er »optimalen Passung« zwischen<strong>den</strong> Fähigkeiten des Säugl<strong>in</strong>gs <strong>und</strong> der Begleitung durch die Umwelt (Grimm2003, S. 50). Mit sehr kle<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> spricht man meist automatisch <strong>und</strong> wie selbst-63


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunktverständlich überbetont <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er höheren Tonlage, langsamer <strong>und</strong> deutlicher, machtmehrere Pausen <strong>und</strong> begleitet die eigene Sprache mit ausgeprägter Mimik. Erwachseneverwen<strong>den</strong> im Kontakt mit sehr kle<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>e so genannte »gerichteteSprache« – auch als »Ammensprache« oder »Baby Talk« bezeichnet –, <strong>in</strong>dem sieBlickkontakt herstellen <strong>und</strong> die Sprache direkt <strong>und</strong> betont an das K<strong>in</strong>d richten. Mitfortschreitender Entwicklung des K<strong>in</strong>des wird zunehmend <strong>in</strong> Dialog- bzw. Gesprächsformkommuniziert. Die Sprache ist nun auf die Erweiterung des Wortschatzes ausgerichtet.Diese, <strong>in</strong> der Fachliteratur häufig als »stützende Sprache« bezeichnet, gehtbei älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e »lehrende Sprache« über (motherese), die <strong>von</strong> vielen Fragenoder korrigieren<strong>den</strong> Wiederholungen geprägt ist. Damit ist nicht geme<strong>in</strong>t, dasK<strong>in</strong>d bei Fehlern zu belehren oder explizit auf <strong>den</strong> Fehler aufmerksam zu machen,sondern vielmehr das Wort oder <strong>den</strong> Satz aufzugreifen <strong>und</strong> <strong>in</strong> richtiger oder vollständigerForm zu wiederholen <strong>und</strong> zum Beispiel durch e<strong>in</strong>e Frage zu erweitern.K<strong>in</strong>der können nur dann lernen, wenn sie Fehler machen dürfen. Fehler s<strong>in</strong>d oft e<strong>in</strong>Zeichen dafür, dass die K<strong>in</strong>der sich <strong>in</strong>tensiv mit e<strong>in</strong>er Sache ause<strong>in</strong>andersetzen <strong>und</strong>auf dem richtigen Weg s<strong>in</strong>d. K<strong>in</strong>der auf e<strong>in</strong>en Fehler explizit h<strong>in</strong>zuweisen nimmtihnen die Lust am Experimentieren mit der Sprache. Wird h<strong>in</strong>gegen das Gesagterichtig wiederholt <strong>und</strong> das K<strong>in</strong>d mit e<strong>in</strong>er zusätzlichen Frage e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Dialogfortzusetzen, drückt das die Wertschätzung der Äußerungen des K<strong>in</strong>des aus <strong>und</strong>regt es dazu an, <strong>den</strong> Fehler selbstständig zu erkennen <strong>und</strong> beim nächsten Mal zuvermei<strong>den</strong>.E<strong>in</strong> Sprachstil, der <strong>von</strong> Angeboten geprägt ist, die nicht nur an dem jeweiligen Entwicklungsniveaudes K<strong>in</strong>des, sondern immer an e<strong>in</strong>em Entwicklungsbereich darüber –an der so genannten »Zone der nächsten Entwicklung« (Wygotski 1987; siehe Kapitel1.6) – orientiert ist, motiviert K<strong>in</strong>der zur aktiven sprachlichen Teilnahme <strong>und</strong> eignet sichbesonders zur Stärkung ihrer Sprachkompetenz. Dies bedeutet, sich im Austausch mit<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sensitiv an das schon Gekonnte anzupassen <strong>und</strong> das Noch-nicht-Gekonntee<strong>in</strong>zuführen. Fragen, Äußerungen oder Aufforderungen, die direkt an das K<strong>in</strong>d gerichtets<strong>in</strong>d oder se<strong>in</strong>e Äußerungen freudig aufzugreifen, geben ihm das Gefühl, dass se<strong>in</strong>Gegenüber an se<strong>in</strong>en Erlebnissen <strong>und</strong> Gedanken <strong>in</strong>teressiert ist <strong>und</strong> daran teilhabenmöchte. Besonders gut eignen sich dafür geme<strong>in</strong>same Bilderbuchbetrachtungen, bei<strong>den</strong>en sich ganz spielerisch <strong>und</strong> lustbetont e<strong>in</strong> wechselseitiger Dialog entfaltet.Stärkung <strong>von</strong> Literacy <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten LebensjahrenZu <strong>den</strong> wirksamsten Formen der Stärkung der Sprachentwicklung <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenLebensjahren zählen nachweislich das Vorlesen sowie die geme<strong>in</strong>same Bilderbuchbetrachtung.Das gilt vor allem dann, wenn das Ganze als Dialog gestaltet wird <strong>und</strong>dem K<strong>in</strong>d die Möglichkeit bietet, sich selbst e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, D<strong>in</strong>ge zu benennen, Fragenzu stellen, selbst zu erzählen <strong>und</strong> zu phantasieren.64


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenK<strong>in</strong>der genießen die Zuwendung <strong>und</strong> Nähe <strong>in</strong> Vorlesesituationen. Dies erleichtert esgerade schüchternen <strong>und</strong> zurückhalten<strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, e<strong>in</strong>e gute Beziehung zur Fachkraftaufzubauen bzw. zu festigen. Beim dialogischen Vorlesen erfährt die Fachkraftviel über das Denken <strong>und</strong> Fühlen der K<strong>in</strong>der. Und <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> fällt es <strong>in</strong> dieser entspanntenAtmosphäre leichter, das auszusprechen, was sie bewegt. So können sieihre Gedanken <strong>und</strong> Gefühle ordnen <strong>und</strong> vertiefen.Bei der Auswahl der Bücher für sehr kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der ist es wichtig, dass alle S<strong>in</strong>ne mite<strong>in</strong>bezogen wer<strong>den</strong>. Dem K<strong>in</strong>d wird die Möglichkeit gegeben, das Buch selbst <strong>in</strong> dieHand zu nehmen, zu tasten, zu fühlen, zu schmecken <strong>und</strong> zu riechen. Mit zunehmendemAlter ist es wichtig, sich immer mehr an <strong>den</strong> jeweiligen Interessen <strong>und</strong>Bedürfnissen der K<strong>in</strong>der zu orientieren. Christiane Benth<strong>in</strong> (2007) hat e<strong>in</strong>ige Kriterienzusammengestellt, die dabei hilfreich se<strong>in</strong> können:iKriterien zur Auswahl <strong>von</strong> Bilderbüchern• Geht das Buch <strong>von</strong> der sozialen Erfahrungswelt des K<strong>in</strong>des aus? Wer<strong>den</strong> dieauthentischen Begebenheiten des K<strong>in</strong>deralltags <strong>in</strong>haltlich <strong>und</strong> bildnerisch umgesetzt?• Schildert das Buch <strong>den</strong> K<strong>in</strong>deralltag als Idylle oder beleuchtet es ihn kritisch?Wer<strong>den</strong> auch Situationen dargestellt, die vielleicht nicht so e<strong>in</strong>fach zu lösen s<strong>in</strong>d?Wer<strong>den</strong> Klischees <strong>in</strong> Frage gestellt <strong>und</strong> Alternativen dazu entwickelt?• Bezieht das Bilderbuch die Gefühlswelt des K<strong>in</strong>des mit e<strong>in</strong>? Wer<strong>den</strong> Gefühle desK<strong>in</strong>des (zum Beispiel Ängste, Wut, Traurigse<strong>in</strong>) aufgegriffen <strong>und</strong> ernsthaft – nichtk<strong>in</strong>disch oder lächerlich – behandelt? Das Buch kann dann helfen, zum BeispielÄngste zu überw<strong>in</strong><strong>den</strong>, weil es sie nacherlebbar wer<strong>den</strong> lässt <strong>und</strong> das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er Resilienz stärkt.• Trägt das Bilderbuch der Weltsicht des K<strong>in</strong>des Rechnung <strong>und</strong> bietet es Lösungenaus der Perspektive des K<strong>in</strong>des an? Erfolgen modellhafte, am Beispiel aufgezeigteVere<strong>in</strong>fachungen der Zusammenhänge, die am Erfahrungshorizont des K<strong>in</strong>desansetzen?• Welche Rolle kommt der Fantasie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em realitätsbezogenen Bilderbuch zu?Wird die Wirklichkeit zum Beispiel <strong>in</strong> spielerischer Form auf <strong>den</strong> Kopf gestellt <strong>und</strong>ersche<strong>in</strong>t dadurch umso deutlicher? Gerade Schilderungen <strong>von</strong> Gefühlen wieAngst oder Trauer können durch Fantasiefiguren oder Fantasiewelten sehr »realistisch«wer<strong>den</strong>.Literacy be<strong>in</strong>haltet ebenfalls alle Aktivitäten r<strong>und</strong> ums Buch. Dazu gehören auch e<strong>in</strong>eLeseecke oder gar e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Bibliothek, <strong>in</strong> der Bücher für K<strong>in</strong>der jederzeit verfügbars<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gestaltet wer<strong>den</strong> kann. K<strong>in</strong>der könnenihre Bücher <strong>von</strong> zu Hause mitbr<strong>in</strong>gen sowie Bücher nach Hause ausleihen.65


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktGespräche über Bücher schaffen Möglichkeiten der Intensivierung der <strong>Bildung</strong>spartnerschaftmit Eltern <strong>und</strong> ebnen Wege, diese stärker <strong>in</strong> die <strong>Bildung</strong>saktivitäten <strong>in</strong> derE<strong>in</strong>richtung bzw. <strong>in</strong> der Tagespflege e<strong>in</strong>zubeziehen. E<strong>in</strong> wichtiger Kooperationspartnerim Bereich Literacy s<strong>in</strong>d Bibliotheken, welche eventuell auch mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>enGruppe <strong>von</strong> Krippenk<strong>in</strong>dern besucht wer<strong>den</strong> können.E<strong>in</strong> weiterer Teilaspekt <strong>von</strong> Literacy ist die so genannte <strong>und</strong> weiter oben bereitsbeschriebene »phonologische Bewusstheit«. K<strong>in</strong>der haben großes Interesse an Laut<strong>und</strong>Sprachspielen, Rhythmus, Reimen, Flüster- oder Klatschspielen sowie auch anLiedern – e<strong>in</strong>e ideale Voraussetzung für das spätere Lesen- <strong>und</strong> Schreibenlernen. Vorallem jüngere K<strong>in</strong>der haben besondere Freude an Lausch-Spielen. Dabei erzeugt dieFachkraft zum Beispiel e<strong>in</strong> künstliches Geräusch, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>en Schlüssel fallenlässt, mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Glocke kl<strong>in</strong>gelt, <strong>in</strong> die Hände klatscht oder e<strong>in</strong> Papier zerknüllt.Die K<strong>in</strong>der lauschen mit geschlossenen Augen <strong>und</strong> raten dann, womit dasGeräusch erzeugt wurde.66


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenZwei- <strong>und</strong> Mehrsprachigkeit <strong>von</strong> Anfang an stärkenSich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Erstsprache, aber auch im Dialekt ausdrücken zu dürfen gibt dem K<strong>in</strong>dSicherheit, stärkt se<strong>in</strong> Selbstbewusstse<strong>in</strong> <strong>und</strong> ist untrennbar mit se<strong>in</strong>er I<strong>den</strong>titätsentwicklungverknüpft. Umso zentraler ist es, auch der Erstsprache besondere Aufmerksamkeit<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung zu widmen <strong>und</strong> dem K<strong>in</strong>d nicht das Gefühl zu geben,dass die Erstsprache unerwünscht oder gar störend ist. Eltern aus unterschiedlichemkulturellen Kontext wer<strong>den</strong> als Mitgestalter der sprachlichen <strong>Bildung</strong> fortlaufend e<strong>in</strong>bezogen<strong>und</strong> e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>, sich zu beteiligen. So können sich Eltern, Fachkräfte <strong>und</strong>Tagespflegepersonen gegenseitig bereichern <strong>und</strong> ergänzen. Dies be<strong>in</strong>haltet die Chancee<strong>in</strong>er kulturellen <strong>und</strong> sprachlichen Vielfalt <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung.Spiele, Gedichte, Tänze, Reime <strong>und</strong> Märchen <strong>in</strong> der Erstsprache geben dem K<strong>in</strong>d dasGefühl <strong>von</strong> Geborgenheit <strong>und</strong> Anerkennung <strong>und</strong> wecken bei <strong>den</strong> anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Neugierde auf fremde Sprachen <strong>und</strong> Kulturen. Für Migrantenk<strong>in</strong>der ist die Begegnungmit erstsprachlichen Materialien ebenso wichtig wie für deutsche K<strong>in</strong>der.K<strong>in</strong>der mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> kommen häufig erst zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunktdurch Kontakte außerhalb der Familie mit e<strong>in</strong>er weiteren Sprache als ihrer Erstsprache<strong>in</strong> Kontakt. Wird die zweite Sprache <strong>in</strong> vorgegebenen <strong>und</strong> vorstrukturierten Lernsituationenerworben, wie dies etwa im Fremdsprachunterricht der Fall ist, so sprichtman <strong>von</strong> »gesteuertem« Zweitspracherwerb. K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen haben h<strong>in</strong>gegendie große Chance, die zweite Sprache auf e<strong>in</strong>e »ungesteuerte« Weise anzubieten,<strong>in</strong>dem diese auf natürliche Art <strong>in</strong> Alltagssituationen oder e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> Spielhandlungengelernt wird. K<strong>in</strong>der mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> haben <strong>von</strong> sich aus dasBedürfnis Deutsch zu lernen, weil sie mitspielen, sich austauschen <strong>und</strong> dazugehörenwollen. Diesem Bedürfnis gilt es besonders sensibel zu begegnen <strong>und</strong> dem K<strong>in</strong>d vielfältigeMöglichkeiten anzubieten, sich auszuleben.E<strong>in</strong> Beispiel: »Die Mikrowelle hat gedolmetscht«Zwischen der Erzieher<strong>in</strong> <strong>und</strong> Esra entwickelt sich am frühen Morgen e<strong>in</strong> Ritual: Siebereiten geme<strong>in</strong>sam das Frühstück für die anderen K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Küche vor. Esra istfasz<strong>in</strong>iert <strong>von</strong> der Mikrowelle, <strong>in</strong> der Sojamilch für Allergikerk<strong>in</strong>der aufgewärmt wird.Gespannt beobachtet sie die Erzieher<strong>in</strong>, wie diese <strong>den</strong> kle<strong>in</strong>en Topf <strong>in</strong> die Mikrowellestellt, die Tür zumacht, auf <strong>den</strong> E<strong>in</strong>schaltknopf drückt <strong>und</strong> das Gerät dann wenigeSek<strong>und</strong>en später mit e<strong>in</strong>em Klack <strong>und</strong> zweimal »Piep« meldet, dass die Milch jetztwarm ist. Esra ahmt das Geräusch der Mikrowelle nach: »Piep, piep« – <strong>und</strong> die Erzieher<strong>in</strong>antwortet ebenfalls mit e<strong>in</strong>em »Piep, piep.« Beide lachen, jetzt haben sie e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>sames Wort. Die Mikrowelle hat gedolmetscht. Die Erzieher<strong>in</strong> öffnet die Tür,<strong>und</strong> da die Milch sehr heiß ist, warnt sie Esra: »Heiß! Vorsicht Esra, heiß!« Esra blicktzur Erzieher<strong>in</strong>, sieht auf die Milch <strong>und</strong> sagt: »Heiß!« Heiß wird Esras erstes deutschesWort (W<strong>in</strong>ner 2007, S. 137).67


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktMusik <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten LebensjahrenE<strong>in</strong>e gerade für sehr junge K<strong>in</strong>der gut geeignete Möglichkeit, kommunikative Kompetenzenzu stärken, ist die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Musik. »Musik drückt das aus, wasnicht gesagt wer<strong>den</strong> kann <strong>und</strong> worüber zu schweigen unmöglich ist« (Victor Hugo).»K<strong>in</strong>der handeln <strong>von</strong> Geburt an musikalisch. Mit Neugier <strong>und</strong> Fasz<strong>in</strong>ation begegnensie der Welt der Musik. Sie haben Freude daran, <strong>den</strong> Geräuschen, Tönen <strong>und</strong> Klängen<strong>in</strong> ihrer Umgebung zu lauschen, diese selbst zu produzieren sowie die Klangeigenschaften<strong>von</strong> Materialien aktiv zu erforschen. In frühen Jahren vermögen K<strong>in</strong>derMusik frei <strong>und</strong> mühelos zu lernen – wie e<strong>in</strong>e Sprache. Schon im Mutterleib könnensie Töne hören, <strong>den</strong>n das Ohr ist früh ausgebildet. Säugl<strong>in</strong>ge leben <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenMonaten überwiegend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Klangwelt, nehmen akustische Reize viel stärker wahrals optische« (BayBEP 2007, S. 335).Die Vielfalt der S<strong>in</strong>neswahrnehmungen durch das »Spiel mit Musik« bietet geradeauch <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren gr<strong>und</strong>legende Anregungen. Der aktive Umgang mitMusik stärkt das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er gesamten Persönlichkeit. Musik ist e<strong>in</strong> ideales Mediumfür K<strong>in</strong>der, sich mitzuteilen, Gefühle <strong>und</strong> Gedanken zu äußern, aber auch emotionaleBelastungen abzureagieren. Musik regt Fantasie <strong>und</strong> Kreativität an <strong>und</strong> ermöglicht,eigene musikalische Ideen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> zu gestalten. Dabei entstehen Verb<strong>in</strong>dungenzu anderen Ausdrucksformen wie bildnerische oder tänzerische Gestaltung.Musik <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere das S<strong>in</strong>gen stärken die sprachlichen Kompetenzen der K<strong>in</strong>der.Manche K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>gen, bevor sie zu sprechen beg<strong>in</strong>nen. Oft können sich K<strong>in</strong>derdurch Musik <strong>und</strong> Bewegung leichter mitteilen als durch Sprache (vgl. BayBEP 2007,S. 335ff.; Altenhövel u.a. 2008).In der Arbeit mit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> können alle im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splansbeschriebenen Aktivitäten e<strong>in</strong>bezogen wer<strong>den</strong>:S<strong>in</strong>gen: Die Stimme ist das elementare <strong>und</strong> persönliche Musik<strong>in</strong>strument, auf demK<strong>in</strong>der sich <strong>von</strong> Geburt an <strong>in</strong> die Welt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>spielen. S<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Sprechen – für Säugl<strong>in</strong>gebesteht dar<strong>in</strong> noch ke<strong>in</strong> Unterschied, erst mit dem Spracherwerb <strong>und</strong> im Rahmendes verfügbaren Wortschatzes beg<strong>in</strong>nen sie erste Sprechgesänge zu produzieren.Dichte Vernetzungen zwischen Klang- <strong>und</strong> Wortsprache ergeben sich vor allem beimSpiel mit Stimmklängen <strong>und</strong> bei K<strong>in</strong>derliedern <strong>und</strong> -versen. Summen, Spielen mitTönen sowie Vors<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sames S<strong>in</strong>gen regen bereits Kle<strong>in</strong>stk<strong>in</strong>der an, dieMöglichkeiten ihrer Stimme zu erproben (zum Beispiel durch spielerisches Nachahmen)<strong>und</strong> mit <strong>den</strong> Bezugspersonen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Dialog zu treten. Mit der Stimme lässtsich erf<strong>in</strong>derisch umgehen (zum Beispiel Spiele mit Vokalen <strong>und</strong> Konsonanten, Atem<strong>und</strong>M<strong>und</strong>geräusche, unterschiedliche Sprech- <strong>und</strong> S<strong>in</strong>garten, Imitation <strong>von</strong> Tierstimmen<strong>und</strong> Instrumenten) <strong>und</strong> man kann mit ihr vielfältig improvisieren (zum BeispielTöne suchen, hören, f<strong>in</strong><strong>den</strong>, s<strong>in</strong>gen). Lieder regen zum Sprechen an, ihre Texte s<strong>in</strong>d68


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenAnlässe für sprachliches Kommunizieren, Austauschen <strong>von</strong> Erlebnissen <strong>und</strong> Ideen <strong>in</strong>der Gruppe. Sprachspielereien, F<strong>in</strong>gerspiele, Handmärchen, Zungenbrecher <strong>und</strong> rhythmischeKlatschspiele mit Wortklängen können die eigenen stimmlichen Ausdrucksmöglichkeitenentwickeln <strong>und</strong> fördern. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, <strong>von</strong> der Sprachezum S<strong>in</strong>gen zu wechseln (zum Beispiel Rufe, Sprechgesänge, Abzähl- <strong>und</strong> Schnellsprechverse,Reime, witzige Gedichte; vgl. BayBEP 2007, S. 344f.).Musizieren: Um das Interesse an Musik<strong>in</strong>strumenten <strong>und</strong> am Instrumentalspiel zuwecken, sollte <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> durch e<strong>in</strong>e musikanregende Lernumgebung <strong>und</strong> begleitendeUnterstützung regelmäßig Gelegenheit gegeben wer<strong>den</strong>, ihre Klang- <strong>und</strong> Spielmöglichkeitenselbsttätig zu erk<strong>und</strong>en. Bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren ist dasErk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> selbstständige Experimentieren mit Klang<strong>in</strong>strumenten <strong>in</strong> vielfältigerWeise möglich (zum Beispiel Klangschalen, Schellen, Holzblocktrommel, Xylophon:Wie fühlt sich das Instrument an? Wie sieht es aus? Wie funktioniert es? Was kannman damit alles machen? Wie fühlen sich erzeugte Klänge an?). Für K<strong>in</strong>der ist esoptimal, möglichst viele Musik<strong>in</strong>strumente kennen zu lernen <strong>und</strong> dabei ihre sachgerechteSpielweise durch kompetente Partner zu erfahren <strong>und</strong> sie selbst zu erproben(vgl. BayBEP 2007, S. 344). Genauso erf<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>und</strong> gestalten K<strong>in</strong>der aber auch ihreeigenen Musik<strong>in</strong>strumente (zum Beispiel wenn aus Töpfen Trommeln wer<strong>den</strong> oderaus Besen Rhythmus<strong>in</strong>strumente).Musik hören: Junge K<strong>in</strong>der lieben es, Musik oder Lieder zu hören. Wichtig dabei istnatürlich e<strong>in</strong>e Atmosphäre herzustellen, <strong>in</strong> der sich K<strong>in</strong>der auf die Musik konzentrieren<strong>und</strong> auch auf sie reagieren können. Man kann mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> alle Arten <strong>von</strong> Musik (zumBeispiel klassische Musik, Oper, Entspannungsmusik, aber auch Pop-/Rockmusik oderspezielle K<strong>in</strong>derlieder) hören. Genau so gut kann man Lieder aus <strong>den</strong> Kulturen <strong>und</strong>Erstsprachen der K<strong>in</strong>der hören <strong>und</strong> möglicherweise später auch s<strong>in</strong>gen. Es dient sehrder Stärkung der kulturellen I<strong>den</strong>tität <strong>und</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Kompetenz, wenn alle K<strong>in</strong>derMusik <strong>und</strong> Lieder aus »ihrer« Kultur mitbr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sam anhören können.Musik <strong>und</strong> Bewegung: Gerade sehr junge K<strong>in</strong>der können vielleicht noch nicht mits<strong>in</strong>gen– aber sie können sich zur Musik oder zum Lied bewegen: zum Beispiel Klatschen,festgelegte Bewegungsabfolgen zu Liedern, Tanzen oder auch F<strong>in</strong>gerspieles<strong>in</strong>d Möglichkeiten, sich auszudrücken. Obwohl K<strong>in</strong>der festgelegte oder ritualisierteAbläufe <strong>von</strong> Bewegungen sehr mögen, sollte immer auch Spielraum für eigene Ideen<strong>und</strong> eigene »Improvisationen« bleiben.Das folgende Beispiel aus der pädagogischen Praxis zeigt, wie auch Eltern <strong>in</strong> musikalische<strong>Bildung</strong>sprozesse aktiv e<strong>in</strong>bezogen wer<strong>den</strong> können:E<strong>in</strong> Beispiel: Musik für K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Eltern (aus Altenhövel u.a. 2008)Heute f<strong>in</strong>det sich die Eltern-K<strong>in</strong>d-Gruppe zum geme<strong>in</strong>samen Musizieren <strong>und</strong> Spielene<strong>in</strong>. Das Angebot des Spielkreises richtet sich an Eltern <strong>und</strong> ihre K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> 15 Mona-69


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunktten bis drei Jahren <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Woche für jeweils zwei St<strong>und</strong>en statt.Die <strong>den</strong> Spielkreis leitende Fachkraft hat e<strong>in</strong>en Tisch mit verschie<strong>den</strong>en Alltagsmaterialienvorbereitet. Jedes K<strong>in</strong>d darf sich nun se<strong>in</strong> »Instrument« aussuchen: Kaffeedose,Toilettenpapierrolle, Plastikschüssel, Pappröhren, Plastikflaschen (gefüllt mitMais, Reis, Sand, usw.), Schellenbänder, Trommel.Zunächst lässt die Fachkraft K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Eltern experimentieren <strong>und</strong> alle überlegengeme<strong>in</strong>sam, welche Geräusche mit <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Materialien erzeugt wer<strong>den</strong><strong>und</strong> wie daraus Instrumente entstehen können:• Wie hört sich der Reis <strong>in</strong> der Trommel an?• Wie der Mais auf dem Tisch?• Wie hört es sich an, wenn e<strong>in</strong> Maiskorn <strong>in</strong> die Tasse fällt?• Wenn die ganze Tasse umgefüllt wird?• Wie kann e<strong>in</strong>e Flasche gefüllt wer<strong>den</strong>?Die Fachkraft berücksichtigt <strong>in</strong> ihrer Planung die Interessen <strong>und</strong> Kompetenzen dere<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong>der sowie ihren jeweiligen Entwicklungsstand. Die Eltern br<strong>in</strong>gen ebenfallsihre Ideen mit e<strong>in</strong>. Durch die Unterstützung der Fachkraft oder der Gruppenmitglieder<strong>in</strong> der Eltern-K<strong>in</strong>d-Gruppe können Eltern wieder neuen Zugang zu Musik <strong>und</strong>Tanz f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Sie lernen geme<strong>in</strong>sam mit ihren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> neue Spiele, Lieder <strong>und</strong> Materialienkennen. Alte, schon vergessen geglaubte K<strong>in</strong>derlieder, Reime <strong>und</strong> Tänze wer<strong>den</strong>aufgefrischt <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sam erprobt. Darüber h<strong>in</strong>aus geben die regelmäßigenTreffen <strong>den</strong> Eltern die Möglichkeit zum Austausch mit <strong>den</strong> anderen Eltern <strong>und</strong> auchder Fachkraft.Medienkompetenz <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten LebensjahrenVoraussetzung zur Stärkung der Medienkompetenz ist e<strong>in</strong> Wissen darüber, welcheMedien im Alltag der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e Rolle spielen, wie sie Medien <strong>in</strong> ihr Spiel <strong>in</strong>tegrieren<strong>und</strong> über welche Erfahrungen mit unterschiedlichen Medienarten K<strong>in</strong>der bereitsverfügen. K<strong>in</strong>der probieren Medien zuerst aus, <strong>in</strong>dem sie zum Beispiel Geräte e<strong>in</strong>- <strong>und</strong>ausschalten. Das K<strong>in</strong>d drückt auf die Knöpfe <strong>und</strong> wartet gespannt darauf, was passiert.E<strong>in</strong> Zugang <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren erfolgt sehr häufig auch über Hörmedien– Musik- oder Hörspiel-CDs. Dabei kann vor dem Hören bereits e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzungmit der Technik erfolgen. Geme<strong>in</strong>sam wird herausgef<strong>und</strong>en, an welchem Knopfgedreht wer<strong>den</strong> muss, wie man die CD e<strong>in</strong>legt, wie die Lautstärke reguliert wird etc.Entschei<strong>den</strong>d dabei ist, <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>e aktive Rolle beim Erk<strong>und</strong>en der Medien e<strong>in</strong>zuräumen<strong>und</strong> ihnen zu ermöglichen, diese im ko-konstruktiven Austausch mit anderenzu erschließen. Die Fachkraft lässt sich – wie bei allen anderen <strong>Bildung</strong>sbereichenauch – darauf e<strong>in</strong>, Bedeutungen geme<strong>in</strong>sam mit dem K<strong>in</strong>d zu entdecken, anstatt e<strong>in</strong>fachnur zu erklären, wie bestimmte Medien oder technische Geräte funktionieren.70


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenK<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d Medien nicht passiv ausgeliefert, sondern <strong>in</strong>terpretieren das medialeAngebot entsprechend ihren eigenen Wünschen, Interessen <strong>und</strong> Bedürfnissen. Sosetzen sie sich zum Beispiel durch die gehörten Geschichten mit eigenen Themenause<strong>in</strong>ander, die der Erwachsene im Dialog mit dem K<strong>in</strong>d aufgreifen kann.Medien eignen sich auch besonders gut, um die Diversität der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Bezug auf<strong>den</strong> kulturellen oder familiären H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> auf wertschätzende Weise sichtbar zumachen <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> pädagogischen Alltag e<strong>in</strong>zubeziehen: So können zum BeispielFotos unterschiedlicher Herkunftsländer oder der Familien der K<strong>in</strong>der die E<strong>in</strong>richtungschmücken. CDs mit Liedern <strong>und</strong> Geschichten aus verschie<strong>den</strong>en Ländern gebene<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> verschie<strong>den</strong>e Kulturen.Fachkräfte s<strong>in</strong>d Dialogpartner <strong>und</strong> SprachvorbilderNeben <strong>den</strong> Eltern s<strong>in</strong>d die Fachkräfte <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> Tagespflegepersonenwichtige Dialogpartner <strong>und</strong> zugleich Sprachvorbilder des K<strong>in</strong>des. DasSprachverhalten der pädagogischen Fachkraft bzw. Tagespflegeperson hat e<strong>in</strong>enbesonderen Modellcharakter. Ihr eigenes Sprachverhalten, die Freude an der Sprache<strong>und</strong> ihre E<strong>in</strong>stellung zu anderen Sprachen <strong>und</strong> Dialekten wirken sich maßgeblich aufdie Sprachentwicklung des K<strong>in</strong>des aus. Dabei ist nicht nur bedeutend, wie die jeweiligeBezugsperson mit dem K<strong>in</strong>d kommuniziert, sondern auch, wie der Dialog <strong>von</strong>Erwachsenen untere<strong>in</strong>ander gestaltet wird – zum Beispiel zwischen Fachkräften <strong>und</strong>Eltern.Die <strong>in</strong>dividuelle Kommunikations- <strong>und</strong> Sprachentwicklung des K<strong>in</strong>des zu stärkensetzt e<strong>in</strong>e reflektierende Haltung der pädagogischen Fachkraft bzw. Tagespflegepersonvoraus. Manche E<strong>in</strong>richtungen vere<strong>in</strong>baren zur kritischen Überprüfung des eigenen,auch nonverbalen Sprachverhaltens (zum Beispiel Körpersprache, Mimik, Blickkontakt)gegenseitige kollegiale Beobachtungen oder verwen<strong>den</strong> unterstützend <strong>in</strong>regelmäßigen Abstän<strong>den</strong> Video- oder Tonbandaufzeichnungen, um sie dann im Teamgeme<strong>in</strong>sam zu reflektieren.RFragen zur Reflexion• Nehme ich K<strong>in</strong>der als Gesprächspartner ernst (aktives Zuhören, neugierig se<strong>in</strong> aufdie Mitteilung des K<strong>in</strong>des, offene Fragen stellen)? Oder: Sehe ich K<strong>in</strong>der vor allemals lernbedürftige Wesen, die Zuhören <strong>und</strong> Sprache erst lernen müssen (belehren,verbessern, geschlossene Fragen, »abfragen«)?• Was s<strong>in</strong>d die Themen der K<strong>in</strong>der? Wie f<strong>in</strong>de ich sie heraus? Was s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e Themen,Positionen <strong>und</strong> Ziele? Welche möchte ich <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vorstellen <strong>und</strong> wiekann ich ihr Interesse daran wecken?71


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunkt• Gel<strong>in</strong>gt es mir, mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Gespräche zu entwickeln, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en es um ihre Interessen<strong>und</strong> ihre Bedürfnisse geht?• Kann ich aktiv zuhören? Lasse ich die K<strong>in</strong>der ausre<strong>den</strong>, auch wenn sie sche<strong>in</strong>barabschweifen? Halte ich Blickkontakt? Nehme ich die Äußerungen der K<strong>in</strong>der wahr?Inwieweit berücksichtige ich auch die nonverbalen Ausdrucksweisen der K<strong>in</strong>der?• Greife ich die Äußerungen der K<strong>in</strong>der auf <strong>und</strong> wiederhole ich sie <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Worten?Schaffe ich es, die k<strong>in</strong>dlichen Äußerungen e<strong>in</strong>fühlsam zu erweitern?E<strong>in</strong> Beispiel für das Pr<strong>in</strong>zip der e<strong>in</strong>fühlsamen Erweiterung: »Ball spielen!« –»Magst du mit dem Ball spielen?« – »Magst du mit dem gelben oder dem grünenBall spielen?«• Wie reagiere ich auf nicht korrekte Formulierungen <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>?E<strong>in</strong> Beispiel: »Mag die Auto!« – »Magst du das Auto?« – »Magst du das kle<strong>in</strong>eAuto oder das große Auto?« – »Welches Auto gefällt dir besser?«• Wie viel Zeit lasse ich mir, die K<strong>in</strong>der zu verstehen? Wie vergewissere ich mich,ob ich die K<strong>in</strong>der richtig verstan<strong>den</strong> habe? Habe ich die nötige Geduld, me<strong>in</strong>enWissensvorsprung zurück <strong>und</strong> eigene Bewertungen <strong>in</strong> der Schwebe zu halten?Kann ich me<strong>in</strong> Vorwissen <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ohne Besserwissen bereitstellen?• Kann ich eigene Unsicherheiten <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gegenüber offen e<strong>in</strong>gestehen? (»Dasweiß ich nicht, aber wir können geme<strong>in</strong>sam versuchen, es herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>.«)• Lasse ich dem K<strong>in</strong>d ausreichend Zeit, zu antworten, <strong>und</strong> zeige ich damit e<strong>in</strong> echtesInteresse an se<strong>in</strong>en Äußerungen?• B<strong>in</strong> ich e<strong>in</strong> »Sprachvorbild« für die K<strong>in</strong>der?• Wie spreche ich selbst? Spreche ich authentisch <strong>und</strong> natürlich? Spreche ich <strong>in</strong> Sätzen,die verständlich s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> gleichzeitig aber auch grammatikalisch korrekt?• Macht mir Sprache <strong>und</strong> das Spiel mit der Sprache selbst Spaß?• Wie sprechen wir mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung <strong>und</strong> wie fühle ich mich damit?Was s<strong>in</strong>d Auffälligkeiten <strong>in</strong> der Sprachentwicklung?Die Sprachentwicklung mancher K<strong>in</strong>der kann deutlich <strong>von</strong> der Mehrheit der Gleichaltrigenabweichen. Fachkräfte <strong>und</strong> Tagespflegepersonen, aber vor allem auch Elterns<strong>in</strong>d mit der Frage konfrontiert, ob diese Unterschiede dem <strong>in</strong>dividuellen Entwicklungstempodes K<strong>in</strong>des zuzuordnen oder vielmehr e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf Sprachentwicklungsverzögerungens<strong>in</strong>d.K<strong>in</strong>der mit e<strong>in</strong>er »Sprachstörung« benötigen über das pädagogische Angebot <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungenh<strong>in</strong>aus gezielte logopädische oder sprachtherapeutische Begleitung.Für Fachkräfte bedeutet dies, klar die Grenze zwischen ihrem möglichen Teilder Unterstützung <strong>und</strong> Stärkung im Spracherwerbsprozess <strong>und</strong> der Aufgabe <strong>von</strong>Fachdiensten zu ziehen. Bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mit Verdacht auf Sprachstörung oder Verzögerungder Sprachentwicklung ist e<strong>in</strong>e enge Absprache zwischen Eltern, Fachkräften,K<strong>in</strong>derärzten <strong>und</strong> Therapeuten notwendig. Die diagnostische Abklärung sowie gezielte72


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kommunikativen Kompetenzen stärkenTherapie gehören nicht <strong>in</strong> <strong>den</strong> Aufgabenbereich <strong>von</strong> pädagogischen Fachkräften. ImVorfeld e<strong>in</strong>er f<strong>und</strong>ierten diagnostischen Abklärung müssen Gespräche zwischen <strong>den</strong>Fachkräften <strong>und</strong> Eltern stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Dar<strong>in</strong> wer<strong>den</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen meist gebeten, dieNotwendigkeit e<strong>in</strong>er Sprachtherapie bzw. e<strong>in</strong>er fachlichen Abklärung e<strong>in</strong>zuschätzen.Das geschieht, weil die Fachkräfte die K<strong>in</strong>der über e<strong>in</strong>en großen Teil des Tages erleben<strong>und</strong> das Sprach- <strong>und</strong> Kommunikationsverhalten meist regelmäßig beobachten <strong>und</strong>dokumentieren. Hilfreich ist es, sich mit <strong>den</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen im Team auszutauschen.RFragen zur Reflexion• Besteht der E<strong>in</strong>druck, dass das K<strong>in</strong>d nicht gut hört?• Reagiert das K<strong>in</strong>d nicht auf sprachliche Äußerungen?• Gibt es H<strong>in</strong>weise für Auffälligkeiten <strong>in</strong> anderen Entwicklungsbereichen (zum Beispielmotorische Auffälligkeiten, ke<strong>in</strong> Blickkontakt, ke<strong>in</strong>e Kontaktaufnahmen)?• Kommuniziert das K<strong>in</strong>d nur ungern mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> oder Erwachsenen <strong>und</strong>hat wenig Freude daran, sich mit anderen auszutauschen?• Ist das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung schlecht <strong>in</strong>tegriert? Hat es kaum e<strong>in</strong>e Beziehungzu anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> oder zu e<strong>in</strong>er pädagogischen Fachkraft aufgebaut?• Versteht das K<strong>in</strong>d (ab etwa anderthalb Jahren) häufig sprachliche Mitteilungennicht oder nur durch nonverbale H<strong>in</strong>weise wie Gestik, Mimik oder Zeigen?• Versteht das K<strong>in</strong>d auffällig wenige Worte? Spricht das K<strong>in</strong>d mit zwei Jahren wenigerals 50 Wörter?• Stellt das K<strong>in</strong>d ab etwa e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahren noch immer kaum oder ke<strong>in</strong>e Fragen –auch nicht <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> E<strong>in</strong>- oder Zweiwortsätzen?73


2.4 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenenKompetenzen stärkenDas gesamte Lebensumfeld wie Eltern, Geschwister, pädagogische Fachkräfte, Tagespflegepersonen,Großeltern, Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte ist oft überrascht, <strong>in</strong> welch rasantemTempo die körperliche <strong>und</strong> motorische Entwicklung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des vor sich geht.K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren bewegen sich gerne <strong>und</strong> nützen alle S<strong>in</strong>ne,um ihre Umwelt zu erk<strong>und</strong>en. Durch Bewegen, Tasten, Hören, Schmecken, Sehen <strong>und</strong>Riechen macht das Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e ersten Erfahrungen <strong>und</strong> gew<strong>in</strong>nt E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong><strong>und</strong> über »se<strong>in</strong>e« Welt. Auch andere körperliche Bedürfnisse wie Schlafen <strong>und</strong>Ruhen, Essen <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>ken oder Pflege stehen <strong>in</strong> diesem Altersbereich im Mittelpunktdes pädagogischen Alltagsgeschehens.Bedeutung der körperbezogenen Kompetenzen unter der BayBEP-LupeZur Stärkung körperbezogener Kompetenzen gehören:• Bewegungsbedürfnisse erkennen <strong>und</strong> Bewegungserfahrungen sammeln,• Fertigkeiten zur Pflege des eigenen Körpers erwerben,• e<strong>in</strong> Gespür dafür entwickeln, was Körper <strong>und</strong> Geist gut tut <strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heitförderlich ist,• Essen als Genuss mit allen S<strong>in</strong>nen erleben.K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> Anfang an dabei zu unterstützen bzw. sie zu sensibilisieren, Spaß <strong>und</strong>Freude an Bewegung zu entwickeln, <strong>und</strong> Verantwortung für das eigene Wohlergehen<strong>und</strong> für die Ges<strong>und</strong>heit 4 zu übernehmen, stellt dabei e<strong>in</strong> übergeordnetes <strong>Bildung</strong>s-<strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>sziel dar (<strong>Bildung</strong>svision »Starke K<strong>in</strong>der«).Körperliche Aktivitäten leisten e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Krankheitsvorbeugung,zum k<strong>in</strong>dlichen Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>und</strong> zur Entwicklung e<strong>in</strong>es positiven Selbstbildes(»I move, therefore I am« 5 , Synofzik, Vosgerau & Newen 2008). Das Erleben <strong>von</strong>Selbstwirksamkeit wird durch <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz körperbezogener Kompetenzen, zum Beispiel<strong>in</strong>dem e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d es alle<strong>in</strong> schafft, auf e<strong>in</strong> Podest hochzusteigen, gestärkt.Vertreter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Vertreter aus der Hirnforschung <strong>und</strong> aus der Entwicklungspsychologie(u.a. Hannaford 2004; Gopnik 2003; Eliot 2002) betonen die Bedeutung der744 Ges<strong>und</strong>heit wird dabei nicht nur durch die Abwesenheit <strong>von</strong> Krankheit, sondern laut Def<strong>in</strong>ition der WHO (Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation)als Zustand körperlichen, seelischen <strong>und</strong> sozialen Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong>s angesehen.5 Übersetzt etwa: Ich bewege mich, also b<strong>in</strong> ich.


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärkenersten drei Lebensjahre für die kognitive Entwicklung (vgl. Kapitel 2.5) <strong>und</strong> verweisenauf <strong>den</strong> engen Bezug zwischen Bewegung <strong>und</strong> Lernen. »Jede Berührung, jedeBewegung, jede s<strong>in</strong>nliche Wahrnehmung wird <strong>in</strong> elektrische <strong>und</strong> chemische Aktivitätenübersetzt, die zur <strong>Bildung</strong> neuer Verb<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> somit zu e<strong>in</strong>er Differenzierungdes Gehirns beitragen« (Zimmer 2004, S. 43).Auch <strong>in</strong> der Sprachentwicklung nimmt Bewegung e<strong>in</strong>en zentralen Stellenwert e<strong>in</strong>. Vorallem K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren können ihre Gefühle <strong>und</strong> Empf<strong>in</strong>dungen,ihre Wünsche, Ängste <strong>und</strong> Besorgnisse noch nicht umfassend mit Worten ausdrücken<strong>und</strong> bedienen sich oft der Körpersprache. Bei Freude klatschen sie <strong>in</strong> dieHände oder lassen bei Kummer <strong>den</strong> Kopf <strong>und</strong> die Schultern hängen. Bewegung istimmer auch e<strong>in</strong>e Form sprachlichen Ausdrucks, <strong>in</strong>dem sie als Interaktions- <strong>und</strong> Kommunikationsformerlebt <strong>und</strong> (un-)bewusst e<strong>in</strong>gesetzt wird. »Lange bevor das K<strong>in</strong>ddie verbale Sprache nutzt, teilt es sich bereits mit Gesten, Mimik <strong>und</strong> Gebär<strong>den</strong> –über se<strong>in</strong>en Körper – mit« (Zimmer 2009, S. 13).Durch geme<strong>in</strong>sames Bewegen, wie auch im Spiel, wer<strong>den</strong> darüber h<strong>in</strong>aus soziale <strong>und</strong>emotionale Kompetenzen gestärkt. So wer<strong>den</strong> Teamgeist <strong>und</strong> Kooperation bei geme<strong>in</strong>samenAufgaben entwickelt. Sport <strong>und</strong> Bewegung helfen, Rücksichtnahme <strong>und</strong>Fairness e<strong>in</strong>zuüben.Ebenso wie sprachliche <strong>Bildung</strong> erweist sich ges<strong>und</strong>heitliche <strong>Bildung</strong> als durchgängigesPr<strong>in</strong>zip im pädagogischen Alltag. Ihre Ziele <strong>und</strong> Inhalte wie Bewegung, Ernährung,Körperpflege <strong>und</strong> Entspannung lassen sich <strong>in</strong> Alltagsrituale bewusst <strong>in</strong>tegrieren sowiedie vielfältigen Querverb<strong>in</strong>dungen zu <strong>den</strong> anderen Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereichengezielt nutzen. Die meisten Lernprozesse f<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>in</strong> diesem <strong>Bildung</strong>sbereich <strong>in</strong> Alltagssituationenstatt, die sich zugleich für bereichsübergreifende Lernerfahrungen eignen(Beispiele dazu siehe Kapitel 3.5). Psychomotorik, Rhythmik <strong>und</strong> Tanz s<strong>in</strong>d bewegungspädagogischeAnsätze, bei <strong>den</strong>en Bewegung, Sprache, Musik <strong>und</strong> Wahrnehmungzu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit verschmelzen. Projektarbeit zu Ges<strong>und</strong>heitsthemen wie zum Beispiel»Me<strong>in</strong> Körper« (siehe Kapitel 3.5), die viele weitere <strong>Bildung</strong>sbereiche ansprechen <strong>und</strong><strong>in</strong>tegrieren, ist gerade für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren e<strong>in</strong> guter Weg, sich mitdem Basisthema Ges<strong>und</strong>heit über längere Zeit ganzheitlich ause<strong>in</strong>anderzusetzen.Entwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> –Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungDie ersten Bewegungen e<strong>in</strong>es Neugeborenen s<strong>in</strong>d nicht bewusst gesteuert, sondern vielmehrauf reflexhafte Reaktionen (zum Beispiel Saugreflex, Greifreflex) zurückzuführen.Im Laufe des ersten Lebensjahres schreitet die motorische Entwicklung immer weitervoran, was sich u.a. an dem zunehmen<strong>den</strong> Bewegungsbedürfnis des K<strong>in</strong>des ablesen75


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunktlässt (Zimmer 2004). Vom vierten bis zum zwölften Lebensmonat entwickelt das K<strong>in</strong>de<strong>in</strong>e Vielzahl neuer motorischer <strong>und</strong> körperlicher Fähigkeiten. Dazu gehören das Sitzen<strong>und</strong> Aufsetzen, Drehen um die Körperachse, Krabbeln, Stehen <strong>und</strong> Aufstellen,zielsicheres, beidhändiges Greifen, Verfolgen e<strong>in</strong>es bewegten Objektes mit <strong>den</strong>Augen. Auch wer<strong>den</strong> erste, sehr e<strong>in</strong>fallsreiche Formen der Fortbewegung gef<strong>und</strong>enwie seitliches Rollen, Robben, Rutschen, Kriechen <strong>und</strong> Krabbeln.Gegen Ende des ersten Lebensjahres – mit e<strong>in</strong>er Spannbreite <strong>von</strong> mehreren Monaten– machen die meisten K<strong>in</strong>der ihre ersten Gehversuche. Diese ersten freien Schrittes<strong>in</strong>d oftmals noch sehr wackelig. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wer<strong>den</strong> K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> diesem Alterauch »Toddler« (engl. to toddle = tapsen, watscheln, unsicher gehen) genannt. Dasaus Neuseeland stammende frühpädagogische Curriculum »Te Whariki« (1996)beschreibt, dass »Toddler« voller Energie <strong>und</strong> immer <strong>in</strong> Bewegung s<strong>in</strong>d, die Interaktionmit anderen suchen <strong>und</strong> mit dem ganzen Körper <strong>und</strong> vor allem durch selbsttätigesHandeln lernen.Die großen <strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dividuellen Unterschiede <strong>in</strong> Zeitpunkt <strong>und</strong> Art der Fortbewegung s<strong>in</strong>dvor allem <strong>von</strong> der Kraft des K<strong>in</strong>des, se<strong>in</strong>en bisherigen motorischen Erfahrungen, <strong>den</strong>kulturellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Motivation zur Fortbewegungabhängig. Wie neurobiologische Forschungen belegen, ist die Fähigkeit, laufen zulernen, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf biologische Reifungsprozesse im Gehirn zurückzuführen.Deshalb kann der Zeitpunkt des ersten Laufens auch nicht durch Übung beschleunigtwer<strong>den</strong> (Oerter & Montada 2008). Hier gilt der Gr<strong>und</strong>satz »<strong>Bildung</strong> als Motor fürEntwicklung« also nur bed<strong>in</strong>gt.Doch nicht nur die grobmotorischen Leistungen verändern sich. Auch die fe<strong>in</strong>motorischenKompetenzen entwickeln sich <strong>in</strong> diesem Altersabschnitt rasant. So kann e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d mit circa sieben Monaten <strong>in</strong> der Regel mit bei<strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> gleichzeitig <strong>und</strong> zielsichergreifen <strong>und</strong> regt durch die aktive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Gegenstän<strong>den</strong> dieWeiterentwicklung se<strong>in</strong>er kognitiven Kompetenzen an. Geplante Handlungen könnennun erfolgreich motorisch umgesetzt wer<strong>den</strong>.Neben <strong>den</strong> grob- <strong>und</strong> fe<strong>in</strong>motorischen Leistungen schärfen sich auch die S<strong>in</strong>ne imersten Lebensjahr. So entsprechen zum Beispiel die Sehschärfe <strong>und</strong> das Entfernungssehennun schon fast der Sehfähigkeit Erwachsener. Bereits jetzt verfügt dasK<strong>in</strong>d über die Fähigkeit, verschie<strong>den</strong>e Helligkeitsstufen <strong>und</strong> Farben zu differenzieren(Kasten 2005).Die durchschnittliche Schlafdauer im ersten Lebenshalbjahr beträgt circa 16 bis 17St<strong>und</strong>en pro Tag. Im Verlauf der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres s<strong>in</strong>kt dieSchlafdauer dann auf durchschnittlich 13 bis 14 St<strong>und</strong>en. E<strong>in</strong> wesentlicher Entwicklungsschrittbei E<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Zweijährigen ist die Entwicklung e<strong>in</strong>es Tages- <strong>und</strong> Nachtschlafes.So schlafen E<strong>in</strong>jährige tagsüber im Durchschnitt r<strong>und</strong> 2,5 St<strong>und</strong>en, Zwei-76


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärkenjährige meist nur noch durchschnittlich 1,75 St<strong>und</strong>en. Manche K<strong>in</strong>der verzichten bereitsganz auf e<strong>in</strong>en Mittagsschlaf (Ostermayer 2007).Im zweiten Lebensjahr lernen die K<strong>in</strong>der, frei zu stehen, zu gehen <strong>und</strong> können bereitsTreppen steigen. Die Veränderungen, die zwischen dem zweiten <strong>und</strong> drittenLebensjahr stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>, s<strong>in</strong>d beträchtlich. Hartmut Kasten (2005) bezeichnet diesenEntwicklungsabschnitt als Phase der »Konsolidierung«, des »Ausbaus« <strong>und</strong> der »Verfe<strong>in</strong>erung«<strong>von</strong> Geburt an vorhan<strong>den</strong>er <strong>und</strong> später erworbener Kompetenzen.Die Beherrschung jedes e<strong>in</strong>zelnen Meilenste<strong>in</strong>s – vom eigenständigen Sitzen, zumStehen bis h<strong>in</strong> zum selbstständigen Laufen – trägt zur zunehmen<strong>den</strong> Selbstständigkeit<strong>und</strong> zum wachsen<strong>den</strong> Umwelt<strong>in</strong>teresse des K<strong>in</strong>des bei. Im Sitzen gibt es mehr zusehen als im Liegen, im Laufen mehr zu erk<strong>und</strong>en als im Sitzen (Siegler, DeLoache& Eisenberg 2005).Auch die fe<strong>in</strong>motorische Entwicklung im zweiten <strong>und</strong> dritten Lebensjahr schreitetweiter voran. Die K<strong>in</strong>der lernen selbstständig zu essen <strong>und</strong> sich anzuziehen. Ihresensorische Integration entwickelt sich weiter. »Dieser Prozess bedeutet, fähig zuse<strong>in</strong>, auf S<strong>in</strong>nesreize mit erwünschten Handlungen zu reagieren« (van Dieken 2008,S. 130), zum Beispiel e<strong>in</strong>en vor sich her rollen<strong>den</strong> Ball aufzuheben.Daneben vollziehen sich wesentliche körperliche Reifungsprozesse. Das K<strong>in</strong>d erlerntdie Kontrolle über Darm <strong>und</strong> Blase <strong>und</strong> wird »trocken«. Zu betonen ist, dass sich die77


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktDarm- <strong>und</strong> Blasenkontrolle durch Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nicht beschleunigen lässt, da sie sich vollständigerst zwischen dem zweiten <strong>und</strong> dritten Lebensjahr entwickelt.All die aufgezeigten Entwicklungsschritte stehen für e<strong>in</strong>e zunehmende Autonomie,Selbstständigkeit <strong>und</strong> Kontrolle des K<strong>in</strong>des über sich selbst <strong>und</strong> über se<strong>in</strong>e Umwelt.Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Meilenste<strong>in</strong>e der Entwicklung für e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>derdurch körperliche oder geistige Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong>dividuell anders verlaufenkönnen. Um <strong>den</strong> betroffenen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> trotzdem e<strong>in</strong> Höchstmaß an Eigenaktivität <strong>und</strong>Autonomie zu ermöglichen, bedarf es deshalb gezielter Unterstützungsmaßnahmen<strong>und</strong> Hilfsmittel (vgl. das Praxisbeispiel auf S. 33f.).Bei der Herausforderung, die »Zone der nächsten Entwicklung« für e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zu erfassen(siehe Kapitel 1.6), s<strong>in</strong>d oft viele verschie<strong>den</strong>e Wege zu erproben. Bezugspunktdabei ist die Kooperation <strong>und</strong> Motivation des K<strong>in</strong>des (Herm 2008).Umsetzung <strong>in</strong> die pädagogische PraxisBewegung, Ernährung, Entspannung <strong>und</strong> Körperpflege s<strong>in</strong>d die vier Säulen der ges<strong>und</strong>heitlichen<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt: Unabhängig <strong>von</strong><strong>den</strong> jeweiligen Entwicklungsvoraussetzungen <strong>und</strong> Bedürfnissen hat jedes K<strong>in</strong>d <strong>den</strong>gleichen Anspruch <strong>und</strong> das Recht darauf, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er motorischen <strong>und</strong> körperlichen Entwicklungangemessen unterstützt <strong>und</strong> gestärkt zu wer<strong>den</strong>. K<strong>in</strong>der mit besonderemUnterstützungsbedarf (K<strong>in</strong>der mit Beh<strong>in</strong>derung oder <strong>von</strong> Beh<strong>in</strong>derung bedrohte K<strong>in</strong>der;K<strong>in</strong>der mit Entwicklungsbee<strong>in</strong>trächtigung <strong>und</strong> Teilleistungsschwäche) erlebendurch die Stärkung körperbezogener Kompetenzen Vertrauen <strong>in</strong> die eigenen Kräfte,was zu mehr Eigen<strong>in</strong>itiative <strong>und</strong> Autonomieerleben führt.Insgesamt lassen sich vier Gr<strong>und</strong>sätze charakterisieren, die zur Stärkung körperbezogenerKompetenzen – gerade bei jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> – beitragen:1. Die Lernumgebung des K<strong>in</strong>des wird so gestaltet, dass sie sich bewegungsanregend,schlaf- <strong>und</strong> ruhefördernd auswirkt <strong>und</strong> Mahlzeiten <strong>in</strong> angenehmer Atmosphäre<strong>und</strong> mit Genuss e<strong>in</strong>genommen wer<strong>den</strong>.2. Das K<strong>in</strong>d wirkt aktiv bei der Gestaltung <strong>und</strong> Nutzung dieser Lernumgebung mit.3. Es liegt e<strong>in</strong>e positive Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Interaktion vor.4. Es f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e partnerschaftliche Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Eltern <strong>und</strong> anderenKooperationspartnern statt.Dabei durchdr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> bed<strong>in</strong>gen sich die Gr<strong>und</strong>sätze wechselseitig. So kann zumBeispiel <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er lernanregen<strong>den</strong> Umwelt erst dann gesprochen wer<strong>den</strong>, wenn dieK<strong>in</strong>der aktiv an deren Gestaltung beteiligt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e positive Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehung gel<strong>in</strong>gt nur, wenn die Eltern aktiv mite<strong>in</strong>bezogen <strong>und</strong> als <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>spartner wertgeschätzt wer<strong>den</strong> (vgl. Kapitel 3.1).78


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärkenBewegungK<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren brauchen ke<strong>in</strong>e Anleitung, um sich zu bewegen.Alle<strong>in</strong> der k<strong>in</strong>dliche Forscher- <strong>und</strong> Entdeckungsdrang führt dazu, dass kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derimmer <strong>in</strong> Bewegung s<strong>in</strong>d. Gerade für junge K<strong>in</strong>der ist daher e<strong>in</strong>e entwicklungsangemesseneRaum- <strong>und</strong> Sachausstattung notwendig, die zum Bewegen, Entdecken <strong>und</strong>Erforschen e<strong>in</strong>lädt. K<strong>in</strong>der sammeln durch bewegungsanregende Räume zahlreicheErfahrungen, wie:• Wo ist oben <strong>und</strong> unten?• Wo ist vorne <strong>und</strong> h<strong>in</strong>ten?• Was ist nah <strong>und</strong> fern?• Was ist warm <strong>und</strong> kalt?• Was ist weit <strong>und</strong> eng?• Was ist hell <strong>und</strong> dunkel?Wie e<strong>in</strong> Raum <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung beschaffen <strong>und</strong> ausgestattet ist, hat fürdie Ausübung des k<strong>in</strong>dlichen Bewegungsdrangs elementare Bedeutung. Räume <strong>und</strong>Sachausstattung können zum Entdecken, Erk<strong>und</strong>en, Spielen <strong>und</strong> Bewegen anregen,aber auch das Bewegungsverhalten hemmen <strong>und</strong> im schlimmsten Fall sogar zu Verletzungen<strong>und</strong>/oder Unfällen führen.K<strong>in</strong>der bewegen sich, wenn sie sich wohl fühlen <strong>und</strong> wenn ihr Explorationssystemaktiviert ist – auch hier wird wieder klar, wie wichtig e<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dung an diewichtigsten Bezugspersonen des K<strong>in</strong>des ist. Ab ca. acht Monaten beg<strong>in</strong>nen Säugl<strong>in</strong>geauch, bei Anforderungen, die ihnen gefährlich ersche<strong>in</strong>en (wie zum Beispielüber e<strong>in</strong>en mit e<strong>in</strong>er Glasplatte bedeckten Abgr<strong>und</strong> zu krabbeln), <strong>den</strong> Gesichtsausdruckder Mutter als Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage h<strong>in</strong>zuzuziehen, dieses Phänomen wird»Soziales Referenzieren« genannt (Sorce, Emde & Kl<strong>in</strong>nert 1985).Die Aufgabe der Bezugsperson ist es dann, dafür zu sorgen, dass das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>emBewegungs- <strong>und</strong> Explorationsdrang nachgehen kann, aber dadurch nicht gefährdetwird. Dabei ist es sehr wichtig, das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong>tensiv zu beobachten <strong>und</strong> herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>,ob das K<strong>in</strong>d bestimmte Gefährdungen schon erkennt <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Lage ist, dieseGefahren zu umgehen. Besonders sensibel s<strong>in</strong>d solche Phasen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en K<strong>in</strong>dermotorische Entwicklungsschritte gemacht haben (zum Beispiel gerade gelernt haben,zu krabbeln, zu laufen, Treppen zu steigen), aber die damit verb<strong>und</strong>enen neuen»Gefahrenpunkte« sowohl vom K<strong>in</strong>d selbst als auch <strong>von</strong> <strong>den</strong> Bezugspersonen nochnicht erkannt wer<strong>den</strong>.79


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktBeispiele für e<strong>in</strong>e bewegungsanregende Gestaltung der LernumgebungAufgabe ist es, Bewegungsräume zu konstruieren, die K<strong>in</strong>der zum Toben, Klettern,Spielen <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>en anregen. Es hat sich gezeigt, dass bereits junge K<strong>in</strong>der sehrkompetent s<strong>in</strong>d, was die Gestaltung ihrer Bewegungsräume betrifft. K<strong>in</strong>der könnengemäß ihrer Entwicklung an der Gestaltung <strong>von</strong> Bewegungsräumen beteiligt wer<strong>den</strong>,<strong>in</strong>dem sie zum Beispiel Wandfarben <strong>und</strong> Spielmaterial (mit-)aussuchen <strong>und</strong> sich überdie Unterteilung der Räume Gedanken machen.Treppen <strong>und</strong> Podeste unterstützen die K<strong>in</strong>der besonders bei ihren grobmotorischenLern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozessen – vom Krabbeln <strong>und</strong> Rutschen zum Gehen <strong>und</strong> Laufen.E<strong>in</strong> niedriger Tisch lädt zum Herunterspr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Durchkrabbeln e<strong>in</strong>. Rollbretter,Kriechrohre, Bälle, e<strong>in</strong> Trampol<strong>in</strong>, Taue, Strickleitern, Matratzen, Rutschen <strong>und</strong>Kletterhäuser regen das k<strong>in</strong>dliche Bewegungsverhalten an. Wichtig ist, <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> freieBewegungsräume anzubieten, die nicht »festbetoniert«, sondern frei verstellbar s<strong>in</strong>d,damit sie sich ihre eigenen Bewegungsräume selbst gestalten können. ZahlreicheAnregungen speziell für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren wie Parcours, die unterschiedlicheS<strong>in</strong>ne <strong>und</strong> Bewegungsformen ansprechen, Wasserspiele im Freien oderBewegungsspiele mit Stühlen stärken darüber h<strong>in</strong>aus die k<strong>in</strong>dliche Bewegungsfreude.Nicht nur die Innenräume sollten zum Bewegen anregen. Auch an das Außengeländestellen junge K<strong>in</strong>der besondere Anforderungen. S<strong>in</strong>d auch ältere K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung,bietet es sich an, e<strong>in</strong>en geschützten Raum für die Kle<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zurichten, umUnfällen <strong>und</strong> Verletzungen vorzubeugen. Kle<strong>in</strong>ere <strong>und</strong> niedrigere Schaukeln <strong>und</strong> Rutschenim Außengelände regen die Bewegungsfreude an. Auch zahlreiche Naturmaterialien(zum Beispiel Sand, Erde, Äste, Holz) eignen sich, um mit <strong>den</strong> Kle<strong>in</strong>en zuexperimentieren <strong>und</strong> <strong>in</strong> Dialog zu treten.Bewegungsanregende Spiele für K<strong>in</strong>der bis drei Jahren(Praxisbeispiele aus dem BayBEP 2007, S. 367f.)Spielanregungen im Gruppenbereich• Taststraße aus unterschiedlichen Bo<strong>den</strong>belägen: Kork, Holz, Fliesen, Teppichbo<strong>den</strong>zur Unterstützung der taktilen Wahrnehmung.• Kartons <strong>in</strong> unterschiedlichen Größen: zum H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kriechen, sich Verstecken, Tunnelbauen,Häuserbauen.• H<strong>in</strong>dernisse mit dem Rollbrett umfahren: Matte – bremsen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sackgasse,Tisch – durch e<strong>in</strong>en Tunnel fahren, zwischen zwei Matten h<strong>in</strong>durch fahren – Straßenverengung.• Papierspiele: rascheln, zerreißen <strong>und</strong> Schnipsel anschließend wie Schneeflocken fliegenlassen. Knüllen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Schneeballschlacht veranstalten. Sich <strong>in</strong> Toilettenpapiere<strong>in</strong>wickeln <strong>und</strong> wieder befreien. In e<strong>in</strong>en Papierberg kriechen, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gen usw.80


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärken• Mit bunten Luftballons spielen: zum Beispiel Luftballons mit Handrücken, Handfläche,F<strong>in</strong>gerspitzen, Fuß hochspielen, sie durch <strong>den</strong> Raum pusten, <strong>von</strong> e<strong>in</strong>emzum anderen spielen, sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Tor oder über e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis werfen. Krabbelk<strong>in</strong>derkönnen beim Strampeln mit Hän<strong>den</strong> <strong>und</strong> Füßen gegen Luftballons kicken, diean e<strong>in</strong>er Schnur befestigt <strong>und</strong> zwischen zwei Stühlen aufgehängt s<strong>in</strong>d.• Bewegungsspiele mit Stühlen, zum Beispiel »Omnibusfahrt«: K<strong>in</strong>der sitzen h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>anderauf <strong>den</strong> Stühlen, der »Busfahrer« lenkt scharf um die Kurven, die K<strong>in</strong>derlegen sich <strong>in</strong> die Kurven <strong>und</strong> rufen dabei: »rechts«.• Fußübungen: zum Beispiel Servietten mit <strong>den</strong> Füßen zerreißen, Fußmalen: mite<strong>in</strong>em dicken Filzstift auf Tapete malen; »Ch<strong>in</strong>esische Mauer«: verschie<strong>den</strong>eGegenstände mit <strong>den</strong> Füßen über e<strong>in</strong>e gespannte Schnur werfen.• »Kellnerspiele«: zum Beispiel auf e<strong>in</strong>em Tablett e<strong>in</strong>en Gegenstand balancieren, dasTablett vorsichtig an die anderen K<strong>in</strong>der weitergeben.• »Inselspr<strong>in</strong>gen«: Teppichfliesen <strong>in</strong> <strong>den</strong> vier Gr<strong>und</strong>farben als Inseln im Raum (See) verteilen.Beim Überqueren des Sees nur die Inseln mit der eigenen Farbe betreten.• Fliegerspiele: Das K<strong>in</strong>d mit der Brust auf <strong>den</strong> Unterarm legen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Arm mitder Hand umfassen. Die andere Hand fasst durch die Be<strong>in</strong>e <strong>und</strong> hält <strong>den</strong> Bauchdes K<strong>in</strong>des. Das K<strong>in</strong>d zum Beispiel zu e<strong>in</strong>em selbst erdachten Vers oder Lied auf<strong>und</strong>abschweben lassen. Das K<strong>in</strong>d unter <strong>den</strong> Achselhöhlen halten <strong>und</strong> es zwischen<strong>den</strong> gegrätschten Be<strong>in</strong>en vor- <strong>und</strong> zurückschw<strong>in</strong>gen, zum Beispiel zum Lied:»Große Uhren gehen tick, tack«.• Kniereiterspiele.• Hopse- <strong>und</strong> Tobespiele: Erwachsene setzen sich so h<strong>in</strong>, dass die K<strong>in</strong>der über ihrenausgestreckten Be<strong>in</strong>en federn können; zum Beispiel zum Lied: »Was tun wir <strong>den</strong>nso gerne hier im Kreis« spr<strong>in</strong>gen, hopsen, federn, strampeln, w<strong>in</strong>ken oder wiegensich die K<strong>in</strong>der.• Spielerische Babygymnastik: zur Unterstützung des Sitzen-, Stehen- <strong>und</strong> Laufenlernens.Spielanregungen im Freien• Unterschiedliche Bewegungsangebote zum Krabbeln, Kriechen, Gehen, Laufen,Steigen, Balancieren, Ziehen, Schieben, Werfen, Fangen, Hängen, Schw<strong>in</strong>gen, Klettern,Spr<strong>in</strong>gen.• Bereitstellen <strong>von</strong> mobilen Materialien wie Autoreifen <strong>und</strong> -schläuchen.• Bereitstellen <strong>von</strong> Fahrgeräten: Rutschautos, Dreiräder, Trecker.• Umgang mit Naturmaterialien: zum Beispiel mit Herbstlaub spielen, durch das Laublaufen (barfuss besonders kitzelig), große Blätter als Fähnchen <strong>und</strong> Fächer verwen<strong>den</strong>,Blätter hochwerfen, pusten, im Wasser als Schiffchen schwimmen lassen.• Experimentieren: zum Beispiel mit bei<strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> oder Füßen auf Spiegelfolie mitgefärbtem (Lebensmittelfarbe) Rasierschaum malen.• Wasserspiele im Planschbecken: Patschen, Wellen durch Pusten erzeugen, mit demSchneebesen e<strong>in</strong>en Schaumberg schlagen, Papierschiffchen fahren <strong>und</strong> aufweichenlassen.81


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunkt• Liegend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tonne gewälzt wer<strong>den</strong>.• Spiele mit dem Schwungtuch.ErnährungUm <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> möglichst früh e<strong>in</strong>en verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenenKörper <strong>und</strong> mit der eigenen Ges<strong>und</strong>heit nahe zu br<strong>in</strong>gen, ist e<strong>in</strong>e klare Abgrenzungdes Essens zum normalen pädagogischen Alltag unverzichtbar. Von großer Bedeutungist es, dass Essen <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>und</strong> pädagogischen Fachkräften als Genuss mitallen S<strong>in</strong>nen wahrgenommen, erlebt <strong>und</strong> gelebt wird. Durch die E<strong>in</strong>nahme geme<strong>in</strong>samerMahlzeiten wer<strong>den</strong> darüber h<strong>in</strong>aus auch die sozialen <strong>und</strong> (<strong>in</strong>ter-)kulturellenBeziehungen <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung gestärkt.E<strong>in</strong>e altersgemäße Ausstattung für die Kle<strong>in</strong>en im Essensraum erleichtert die E<strong>in</strong>nahmegeme<strong>in</strong>samer Mahlzeiten. Für das Essen mit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> empfehlen sichniedrige Tische (ca. 42 cm mit maximal vier bis sechs <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>) <strong>und</strong> Hocker (ke<strong>in</strong>eStühle). Die K<strong>in</strong>der entschei<strong>den</strong> mit, mit wem sie sich an e<strong>in</strong>en Tisch setzen möchten.Auch haben K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren spezifische Anforderungen, wasEssens- <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>kwerkzeuge (zum Beispiel e<strong>in</strong>en tiefen Tellerrand) anbelangt.Kle<strong>in</strong>(st)k<strong>in</strong>der lernen mit Hilfe der pädagogischen Fachkraft oder der Tagespflegepersonnach <strong>und</strong> nach, ihre Flasche selbst zu halten. K<strong>in</strong>der unter e<strong>in</strong>em Jahr s<strong>in</strong>dauf die Hilfe (zum Beispiel Füttern) durch die Bezugsperson angewiesen <strong>und</strong> habene<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuelleren Rhythmus im Ess- <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>kverhalten (Brei <strong>und</strong> Milch) als K<strong>in</strong>derim Alter <strong>von</strong> über e<strong>in</strong>em Jahr. Pädagogische Fachkräfte <strong>und</strong> Tagespflegepersonenkönnen die Füttersituation sehr gut nutzen, um <strong>den</strong> Beziehungsaufbau zum K<strong>in</strong>d weiterzu stärken, <strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong>dividuell <strong>und</strong> fe<strong>in</strong>fühlig auf dessen Bedürfnisse e<strong>in</strong>gehen.Um <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach <strong>und</strong> nach dabei zu helfen, ihr Hunger- <strong>und</strong> Sättigungsgefühl selbstwahrnehmen <strong>und</strong> regulieren zu lernen, bieten sich gleitende Mahlzeiten <strong>und</strong> Selbstbedienungenals Ergänzung zu e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Mahlzeit (zum Beispiel Mittagessen)an. Mahlzeiten wer<strong>den</strong> so organisiert, dass K<strong>in</strong>der möglichst viel Gelegenheitzum selbstständigen <strong>und</strong> experimentierfreudigen Essen haben – ob mit F<strong>in</strong>gern,Gabel oder Löffel. K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren essen häufiger als ältereK<strong>in</strong>der. Kle<strong>in</strong>ere Snacks (zum Beispiel Obst, Joghurt, Vollkornprodukte), die <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>neben dem Frühstück <strong>und</strong> dem Mittagessen zur Verfügung gestellt wer<strong>den</strong>, könnendiesem Bedürfnis gerecht wer<strong>den</strong>.Bei der Auswahl der Lebensmittel, Speisen <strong>und</strong> Getränke wird darauf geachtet, dassdiese abwechslungsreich, ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> ausgewogen s<strong>in</strong>d. Für K<strong>in</strong>der ist es wichtig, zuessen, wenn sie hungrig s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> zu probieren, was sie wirklich möchten (vgl. Largo2007). An der Auswahl, dem E<strong>in</strong>kauf <strong>und</strong> der Zubereitung der Speisen können K<strong>in</strong>der82


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärkenauch beteiligt wer<strong>den</strong>. Es empfiehlt sich, auf Nahrungsmittelzusätze, Geschmacksverstärker<strong>und</strong> Süßstoffe weitestgehend zu verzichten, da kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der darauf besondersempf<strong>in</strong>dlich reagieren. Auch bietet es sich an, naturbelassene Lebensmittel e<strong>in</strong>zusetzen<strong>und</strong> auf Fertigprodukte gänzlich zu verzichten.Um <strong>den</strong> Wasserhaushalt der K<strong>in</strong>der auszugleichen, stehen ges<strong>und</strong>e Getränke (Wasser,Tee) jederzeit für die K<strong>in</strong>der bereit. Bei der Auswahl <strong>von</strong> Lebensmitteln tun sich unterUmstän<strong>den</strong> Widersprüche zwischen <strong>den</strong> Wünschen der K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> <strong>den</strong> Anforderungene<strong>in</strong>er ges<strong>und</strong>en <strong>und</strong> verantwortlichen Ernährung auf. E<strong>in</strong> Kompromiss könnte hier soaussehen, dass neben ges<strong>und</strong>en, abwechslungsreichen Speisen nur e<strong>in</strong> bestimmtesKont<strong>in</strong>gent <strong>von</strong> »Wunschlebensmitteln« für die K<strong>in</strong>der zur Verfügung steht. K<strong>in</strong>der<strong>in</strong>teressieren sich zudem für Speisen aus anderen Ländern. Kul<strong>in</strong>arische Wochen(auch zusammen mit Eltern unterschiedlicher kultureller Herkunft), <strong>in</strong> <strong>den</strong>en landestypischeSpeisen ausgewählt, zubereitet <strong>und</strong> anschließend verzehrt wer<strong>den</strong>, s<strong>in</strong>d besondersbei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren e<strong>in</strong> großer Erfolg.Beim Umgang mit Essen <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>ken bietet sich schon für kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der die Chance,etwas über Herkunft <strong>und</strong> Zubereitung <strong>von</strong> Lebensmitteln zu lernen. Nach <strong>und</strong> nachkönnen K<strong>in</strong>der erfahren, welche Verarbeitungsschritte (zum Beispiel waschen, schnei<strong>den</strong>oder schälen) erforderlich s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Garten kann genutzt wer<strong>den</strong>, um dort auchKräuter, Obst oder Gemüse mit <strong>den</strong> kle<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> anzubauen. »Wenn K<strong>in</strong>der <strong>von</strong>Anfang an lernen können, was ihnen gut tut <strong>und</strong> was ihnen schmeckt, ist das diebeste Gr<strong>und</strong>lage für e<strong>in</strong> ungestörtes, lustvolles <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>es Essverhalten – ohneProbleme mit Übergewicht – für das ganze zukünftige Leben« (van Dieken 2008, S. 105).83


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktEntspannung <strong>und</strong> ErholungGerade für Säugl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> junge K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d Entspannung <strong>und</strong> Erholung wichtigeVoraussetzungen für das k<strong>in</strong>dliche Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit. Im Alltag <strong>von</strong>K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der häufig e<strong>in</strong>em hohen Stresspegel ausgesetzt –<strong>und</strong> reagieren darauf mit e<strong>in</strong>er erhöhten Stresshormonausschüttung (S<strong>und</strong>erland2006). Junge K<strong>in</strong>der brauchen hier zum e<strong>in</strong>en Unterstützung bei der Stressregulation<strong>in</strong> der Interaktion mit der Bezugsperson (siehe Kapitel 2.1) <strong>und</strong> natürlich zum anderenauch Phasen der Ruhe <strong>und</strong> Entspannung im Alltag <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen,K<strong>in</strong>dertagespflege oder auch <strong>in</strong> der Familie.Wie kann man solche »Entspannungs<strong>in</strong>seln« für K<strong>in</strong>der herstellen? Im ganz normalenAlltag gibt es viele Möglichkeiten dazu, vor dem E<strong>in</strong>schlafen, nach dem Aufwachenoder beim An- oder Ausziehen beispielsweise. Aber auch junge K<strong>in</strong>der können schongezielte Entspannungs- oder Meditationsübungen kennen lernen <strong>und</strong> so ihre Kompetenz,<strong>den</strong> eigenen Körper wahrzunehmen, Stress zu bewältigen <strong>und</strong> auch negativeEmotionen zu regulieren, ausbauen (Salbert 2006).E<strong>in</strong> Beispiel: »Wir kommen zur Stille« – Meditation mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>von</strong> null bis drei Jahren(aus BayBEP 2007, S. 386f. – entwickelt <strong>in</strong> der Städtischen K<strong>in</strong>derkrippe Felicitas-Füss-Straße <strong>in</strong> München)»… Auch heute f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich wieder viele K<strong>in</strong>der im »Traumraum« der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtunge<strong>in</strong>. Sie haben sich am Morgen dafür entschie<strong>den</strong>, an <strong>den</strong> regelmäßig stattf<strong>in</strong><strong>den</strong><strong>den</strong>Entspannungsübungen teilzunehmen. E<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der wissen schon »was84


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärkenauf sie zukommt«, andere h<strong>in</strong>gegen betreten neugierig <strong>den</strong> »Traumraum«. Staunendbetreten sie das abgedunkelte Zimmer. Es ist mit Decken ausgelegt <strong>und</strong> duftet wohlignach Orange. Kerzen schaffen e<strong>in</strong>e warme Atmosphäre <strong>und</strong> leise Musik lädt die K<strong>in</strong>derdazu e<strong>in</strong>, sich wohl zu fühlen <strong>und</strong> auf die Situation e<strong>in</strong>zulassen.Jedes K<strong>in</strong>d sucht sich se<strong>in</strong>e Decke <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Platz, an dem es gerne sitzen möchte,selbst aus.In der praktischen Umsetzung orientieren wir uns am Alter <strong>und</strong> an <strong>den</strong> Bedürfnissender K<strong>in</strong>der. Heute handelt es sich um e<strong>in</strong>e altersgemischte Gruppe (K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halbbis drei Jahren), die Erzieher<strong>in</strong> wird die Länge des Angebots abhängig <strong>von</strong>der Ausdauer <strong>und</strong> der Motivation der K<strong>in</strong>der machen.Zunächst betrachten wir geme<strong>in</strong>sam die Kerze <strong>in</strong> der Mitte <strong>und</strong> beobachten die sichbewegende Flamme. Wir bewegen uns mit der Flamme, ahmen ihre Bewegungennach, erst im Sitzen <strong>und</strong> dann auch im Stehen. Wir bewegen <strong>den</strong> Oberkörper vor <strong>und</strong>zurück, strecken uns wie die Flamme zur Decke <strong>und</strong> tanzen schließlich mit Rhythmiktüchernim ganzen Raum herum.Wir kommen wieder langsam zur Ruhe, legen uns entspannt auf die Decken, konzentrierenuns auf unsere Atmung <strong>und</strong> atmen ganz bewusst. Wir legen die Hände auf<strong>den</strong> Bauch, um diese rhythmische Bewegung zu spüren. Es folgt e<strong>in</strong> Gespräch: DieFlamme kann sich bewegen, die Kerze nur, wenn man sie trägt. Wir können unsbewegen, laufen. Was brauchen wir dafür? Die Füße. Wir nehmen nun ganz bewusstunsere Füße wahr: Wie fühlen sich die verschie<strong>den</strong>en Strukturen des Bo<strong>den</strong>s an? –Hart, weich, kalt, warm ... Die K<strong>in</strong>der erforschen ihre Füße <strong>und</strong> ihre Funktionen. DieFüße wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gecremt <strong>und</strong> verwöhnt, damit sie weiterh<strong>in</strong> viel Kraft haben, uns zutragen. Die K<strong>in</strong>der tun dies ausgiebig <strong>und</strong> konzentriert.Gerade jüngere K<strong>in</strong>der können sich besonders <strong>in</strong>tensiv <strong>und</strong> offen auf die Übungene<strong>in</strong>lassen. Das natürliche Bedürfnis, <strong>den</strong> eigenen Körper zu entdecken, kennen zulernen <strong>und</strong> zu berühren, ist für sie (wenn der Erwachsene es zulässt) e<strong>in</strong> entspannenderGenuss…«Beispiele für e<strong>in</strong>e schlaf- <strong>und</strong> ruhefördernde LernumgebungFür Säugl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der ist das Ausruhen <strong>und</strong> Schlafen ebenso wichtig wie dieNahrungsaufnahme. Indem sie Ruhe- oder Entspannungsräume <strong>und</strong> verschie<strong>den</strong>steSchlafmöglichkeiten (zum Beispiel Matratzen, Schlafhöhlen, Körbe, Gitterbetten)bereitstellen, gehen pädagogische Fachkräfte bzw. Tagespflegepersonen optimal aufdie Schlaf- <strong>und</strong> Rückzugsbedürfnisse der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>. Neben festen Schlafenszeitenist es wichtig, dass jedes K<strong>in</strong>d zu jedem Zeitpunkt se<strong>in</strong>em Schlaf- oder Entspannungsbedürfnisnachgehen kann.85


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktE<strong>in</strong> entspannter Schlaf, e<strong>in</strong>e Auszeit können nur gel<strong>in</strong>gen, wenn das K<strong>in</strong>d sich geborgenfühlt <strong>und</strong> Vertrauen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Umgebung <strong>und</strong> vor allem zu se<strong>in</strong>er (Bezugs-)Fachkraft hat. Die unmittelbare Nähe <strong>und</strong> der Kontakt zu ihr oder zu anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong><strong>und</strong> wieder erkennbare Schlaf- <strong>und</strong> Ruheutensilien (zum Beispiel eigene Bettwäscheoder Kuschelkissen, e<strong>in</strong> Foto <strong>von</strong> sich am Schlafplatz, e<strong>in</strong> eigener Schnuller<strong>und</strong> e<strong>in</strong> Kuscheltier) erleichtern das E<strong>in</strong>schlafen <strong>und</strong> la<strong>den</strong> zum Ausruhen oder Entspannene<strong>in</strong>. Zudem geben wiederkehrende E<strong>in</strong>schlafrituale wie das Abdunkeln desRaumes oder e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>schlaflied dem K<strong>in</strong>d Sicherheit <strong>und</strong> Orientierung im pädagogischenAlltag. Auch das körperliche Beise<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vertrauten Person erleichtert <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>oft das E<strong>in</strong>schlafen <strong>und</strong> das »Sichfallenlassen« <strong>in</strong> die Welt der Träume. Um <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>e<strong>in</strong>en möglichst großen Erholungswert bieten zu können, ist es wichtig, darauf zuachten, dass der Geräuschpegel <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung nicht allzu hoch ist.Erfahrungen zeigen, dass die E<strong>in</strong>richtung <strong>von</strong> Funktionsräumen hilft, <strong>den</strong> Geräuschpegel<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong>sgesamt zu senken.Die Fachkraft-K<strong>in</strong>d-InteraktionBei der Umsetzung des ko-konstruktiven Ansatzes wird darauf geachtet, Bewegungsspielegeme<strong>in</strong>sam mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu konstruieren <strong>und</strong> auszuhandeln. Wichtig ist,dass pädagogische Fachkräfte bzw. Tagespflegepersonen das Interesse am Themamit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> teilen. Die Bedürfnisse, Fragen <strong>und</strong> Interessen der K<strong>in</strong>der stehen imMittelpunkt der pädagogischen Arbeit. K<strong>in</strong>der haben auch das Recht, angeboteneSpiele abzulehnen.Über Körperkontakt <strong>und</strong> <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Mimik <strong>und</strong> Gesten erfahren pädagogischeFachkräfte bzw. Tagespflegepersonen, welche körperlichen Bedürfnisse (zum Beispieldie Auswahl des Essens, der Wunsch nach e<strong>in</strong>er Ruhepause, nach Gewickeltwer<strong>den</strong>) die jungen K<strong>in</strong>der, die sich oftmals noch im vorsprachlichen Stadium bef<strong>in</strong><strong>den</strong>,haben. Die Interaktion mit kle<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gel<strong>in</strong>gt <strong>den</strong> meisten Erwachsenenoft <strong>in</strong>tuitiv <strong>und</strong> problemlos (zum Beispiel durch das Sprechen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er höherenStimmlage; durch langsameres <strong>und</strong> artikulierteres Sprechen; durch <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong>Mimik <strong>und</strong> Gesten), weshalb man <strong>in</strong> diesem Zusammenhang durchaus <strong>von</strong> dem»kompetenten Erwachsenen« sprechen kann.Will man körperbezogene Kompetenzen (zum Beispiel e<strong>in</strong> sicheres Körpergefühl <strong>und</strong>-bewusstse<strong>in</strong> entwickeln, Fertigkeiten zur Pflege des eigenen Körpers erwerben) stärken,ist zu beachten, dass dem k<strong>in</strong>dlichen Bedürfnis nach »Selbertunwollen« ausreichendAufmerksamkeit geschenkt wird.Im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e positive Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehung s<strong>in</strong>d die Ansätze <strong>von</strong> EmmiPikler heute immer noch sehr aktuell <strong>und</strong> liefern darüber h<strong>in</strong>aus wertvolles Wissen –gerade für die Arbeit mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren. Emmi Pikler gründete86


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärken1946 <strong>in</strong> Budapest das Lóczy-Institut. Unter ihrer Leitung <strong>und</strong> durch die Ergebnissezur Verhütung des Hospitalismus sowie durch die Herausgabe <strong>von</strong> Fachbüchern <strong>und</strong>wissenschaftlichen Veröffentlichungen wurde das Säugl<strong>in</strong>gsheim zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalbekannten methodologischen Institut, das heute <strong>von</strong> der K<strong>in</strong>derpsycholog<strong>in</strong>Anna Tardos geleitet wird. Piklers Aussagen nach macht das Baby oder das Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>ddie wichtigsten sozialen Erfahrungen, während es gefüttert, gewickelt oderangezogen wird (siehe zum Beispiel Pikler 2001). Sie erkannte, dass die Art <strong>und</strong>Weise, wie Eltern, Tagespflegepersonen <strong>und</strong> pädagogische Fachkräfte mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>umgehen, zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt, was sie wirklich für das K<strong>in</strong>d empf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Ausdiesem Gr<strong>und</strong> hat Pikler der Pflege e<strong>in</strong>en so hohen Stellenwert für die Fachkraft-K<strong>in</strong>d-Beziehung e<strong>in</strong>geräumt. K<strong>in</strong>der sehen die Pflege als Gelegenheit, <strong>in</strong> der sie <strong>von</strong>ihrer Bezugsperson absolute Aufmerksamkeit erhalten. Das K<strong>in</strong>d mit se<strong>in</strong>en Bedürfnissensteht dabei immer im Vordergr<strong>und</strong>.Hierzu e<strong>in</strong> Beispiel: Wenn das K<strong>in</strong>d während des Wickelns nach e<strong>in</strong>em bestimmtenGegenstand greifen möchte, lässt die Fachkraft dies zu, beobachtet es <strong>in</strong>teressiert<strong>und</strong> begleitet <strong>den</strong> Vorgang sprachlich: »Ich sehe, du möchtest nach dem Mobile greifen.«Durch dieses Vorgehen entwickeln das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Bezugsperson nach <strong>und</strong>nach e<strong>in</strong>e Kooperation, die auf Vertrauen <strong>und</strong> Wertschätzung basiert. Von Piklerstammt auch die Idee, dass K<strong>in</strong>der selbst entschei<strong>den</strong> dürfen, ob sie lieber im Liegenoder im Stehen gewickelt wer<strong>den</strong> möchten.E<strong>in</strong> Beispiel: Kle<strong>in</strong>e WickelgeschichteTomi, neun Monate alt, vergnügt lächelnd, aber e<strong>in</strong> wenig träge, wird <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Pfleger<strong>in</strong>gewickelt. Sie zieht ihm se<strong>in</strong>e Strampelhose aus, doch ihre Hand hält währendder Bewegung <strong>in</strong>ne. »Ziehst du bitte de<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> heraus?« – Tomi lächelt, die Pfleger<strong>in</strong>bittet ihn noch e<strong>in</strong>mal <strong>und</strong> wartet – Tomi zieht se<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> heraus. Während sie dieW<strong>in</strong>del entfernt, ergreift Tomi se<strong>in</strong>en Fuß <strong>und</strong> betrachtet ihn – wendet dann aber se<strong>in</strong>enKopf ab <strong>und</strong> lutscht am F<strong>in</strong>ger. Die Pfleger<strong>in</strong> beugt sich zu ihm. »Achtest du garnicht auf mich?«, fragt sie lachend. Das K<strong>in</strong>d zieht ebenfalls lachend se<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>geraus dem M<strong>und</strong> <strong>und</strong> greift nach ihrem Kleid. Inzwischen hat sie die Strampelhose <strong>in</strong>die Hand genommen, um sie ihm anzuziehen. Tomi schaut weg, sie hält das Kleidungsstück<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Blickrichtung vor se<strong>in</strong>e Augen: »Schau mal, hier ist de<strong>in</strong>eStrampelhose.« Als das K<strong>in</strong>d darauf achtet, bittet sie um se<strong>in</strong> Be<strong>in</strong>. Tomi trommeltmit se<strong>in</strong>en Füßen auf <strong>den</strong> Wickeltisch. Die Pfleger<strong>in</strong> zieht ihm, sich e<strong>in</strong> wenig demTempo des Trommelns anpassend, die Hose an: zunächst das erste, dann auch daszweite Be<strong>in</strong>. Sie tut dies mit leichten, ununterbrochenen Bewegungen <strong>und</strong> bemerktlächelnd: »Du sagst, ich soll de<strong>in</strong>en Fuß halten?« Sie knöpft die Strampelhose zu<strong>und</strong> holt die Hausschuhe. Tomi hebt beide Be<strong>in</strong>e hoch, die Pfleger<strong>in</strong> zieht ihm e<strong>in</strong>enSchuh an <strong>und</strong> sagt es ihm auch. Mit dem anderen Schuh <strong>in</strong> der Hand hält sie <strong>in</strong>ne,bittet um se<strong>in</strong>en Fuß <strong>und</strong> wartet – diesmal reicht Tomi ihn gerne (Pikler & Tardos1997, S. 62).87


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktIn dieser kle<strong>in</strong>en Geschichte bemüht sich die pädagogische Fachkraft konsequentdarum, <strong>den</strong> Säugl<strong>in</strong>g an der Wickelsituation zu beteiligen, <strong>in</strong>dem sie se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeitfortwährend auf ihre Tätigkeiten lenkt. Durch die Unterstützung <strong>von</strong> Seitender pädagogischen Fachkräfte lernen die K<strong>in</strong>der Schritt für Schritt Pflegetätigkeitenselbstständig <strong>und</strong> autonom auszuführen (zum Beispiel Händewaschen vor <strong>und</strong> nachdem Essen, selbstständiges An- <strong>und</strong> Ausziehen). Der Entwicklungsschritt vom »Versorgtwer<strong>den</strong>«h<strong>in</strong> zum »Sich-selbst-versorgen-können« <strong>und</strong> »Sich-selbst-versorgenwollen«ist für die Ausbildung e<strong>in</strong>es positiven Selbstkonzepts nicht zu unterschätzen(vgl. Kapitel 2.6).Auch zur motorischen Lern- <strong>und</strong> Entwicklungstheorie hat Emmi Pikler (2001) bedeutsameEntdeckungen gemacht. Da sich die k<strong>in</strong>dlichen Bewegungsformen wie Krabbelnoder Laufen selbstständig, nach biologischen <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuellen Reifungsprozessen,entwickeln, brauchen K<strong>in</strong>der hier nicht die Hilfe der pädagogischen Fachkraftoder der Tagespflegeperson (zum Beispiel <strong>den</strong> Säugl<strong>in</strong>g zum Stehen aufzurichten).Vielmehr geht es darum, optimale Möglichkeiten wie geeignete Spiel- <strong>und</strong> Materialausstattungbereitzustellen, die das k<strong>in</strong>dliche Bewegungsverhalten anregen.Oberste Zielsetzung ist es daher, dem K<strong>in</strong>d genügend Zeit zu lassen <strong>und</strong> es nicht zudrängen, <strong>den</strong> nächsten Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsschritt selbst zu machen. Wenn Eltern,Tagespflegepersonen oder die pädagogischen Fachkräfte bemerken, dass das K<strong>in</strong>d<strong>den</strong> nächsten Entwicklungsschritt beg<strong>in</strong>nt – zum Beispiel sich an Möbeln hochzuziehen,am Geländer entlang zu hangeln – kann dieses Thema aufgegriffen wer<strong>den</strong>. DieErwachsene kann hier zum Beispiel das K<strong>in</strong>d an ihrer Hand balancieren lassen.88


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren körperbezogenen Kompetenzen stärkenRFragen zur Reflexion• Haben die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> unserer E<strong>in</strong>richtung genügend Mitspracherecht, was dieGestaltung <strong>von</strong> Räumlichkeiten (zum Toben, Bewegen aber auch Schlafen <strong>und</strong>Ausruhen) anbelangt?• Gehe ich selbst als pädagogische Bezugsfachkraft oder Tagespflegeperson genügendauf das k<strong>in</strong>dliche Bedürfnis nach Bewegung, Schlaf, Erholung <strong>und</strong> Entspannunge<strong>in</strong>? Achte ich zum Beispiel auf Müdigkeitssignale <strong>von</strong> Säugl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong>Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern?• Bereite ich Mahlzeiten so zu bzw. ist das Essen so vorbereitet, dass es e<strong>in</strong> Genussfür die K<strong>in</strong>der ist?• Unterstütze ich die K<strong>in</strong>der dabei, selbstständig zu essen?• Gebe ich <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> genügend Raum, um mit Essen experimentieren zu können?• Inwieweit b<strong>in</strong> ich für die K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> Vorbild, was Ess- <strong>und</strong> Ernährungsgewohnheitenangeht?• Wie aufgeschlossen b<strong>in</strong> ich selbst gegenüber frem<strong>den</strong> Speisen oder Getränken?• Gehe ich beim Essensangebot auch genügend auf K<strong>in</strong>der mit anderem kulturellenH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>?• Ist me<strong>in</strong> Pflegeverhalten (Wickeln, Füttern, Hilfe beim Toilettengang) auf zunehmendek<strong>in</strong>dliche Selbstständigkeit ausgerichtet?• Inwieweit gehe ich bei der Stärkung körperbezogener Kompetenzen genügendauf K<strong>in</strong>der mit Beh<strong>in</strong>derungen e<strong>in</strong>?In Anlehnung an die Karte »Ges<strong>und</strong>e K<strong>in</strong>der« <strong>in</strong> »Wach, neugierig, klug – K<strong>in</strong>der unter3« (Niesel, Oberhuemer & Irskens 2006)89


2.5 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong>lernmethodischen KompetenzenstärkenE<strong>in</strong> Säugl<strong>in</strong>g, der e<strong>in</strong> Stöckchen untersucht, es ansieht, es dreht, <strong>in</strong> <strong>den</strong> M<strong>und</strong>nimmt, e<strong>in</strong>mal mit <strong>den</strong> Füßen berührt, dann wieder <strong>in</strong> die Hände nimmt <strong>und</strong> fallenlässt – <strong>und</strong> dies mit Ausdauer <strong>und</strong> Motivation schon zum zehnten Mal wiederholt –,erwirbt Wissen über physikalische Zusammenhänge, über die Beschaffenheit <strong>von</strong>Objekten, Oberflächen <strong>und</strong> vieles mehr.Die ersten drei Lebensjahre s<strong>in</strong>d das Alter, <strong>in</strong> dem K<strong>in</strong>der so viel <strong>und</strong> so schnell lernenwie sonst kaum mehr. Säugl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d aktive Forscher <strong>und</strong> Entdecker– e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>hellige Erkenntnis, die aus dem neuro- <strong>und</strong> entwicklungspsychologischenDiskurs der letzen Jahr(zehnt)e erwachsen ist. Sie s<strong>in</strong>d sehr <strong>in</strong>teressiert <strong>und</strong> motiviert,sich neues Wissen anzueignen, über Objekte, über Zusammenhänge oder über<strong>den</strong> Menschen.Die Entwicklung <strong>und</strong> Stärkung kognitiver <strong>und</strong> lernmethodischer Kompetenzen spielene<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> der frühk<strong>in</strong>dlichen <strong>Bildung</strong>. Wenn K<strong>in</strong>der schon <strong>in</strong> frühenJahren erfahren, dass es nicht nur Spaß macht, zu lernen, sondern dass sie selbstviel E<strong>in</strong>fluss darauf haben, wie sie am besten lernen, s<strong>in</strong>d wichtige Gr<strong>und</strong>lagen fürdas lebenslange Lernen gelegt.Kognitive Kompetenzen umfassen e<strong>in</strong> breites Spektrum an sehr unterschiedlichenFähigkeiten:• Differenzierte Wahrnehmung setzt schon bei Neugeborenen e<strong>in</strong> <strong>und</strong> befähigt sie,ihre Welt zu erobern: Wie schmeckt das? Wie fühlt es sich an <strong>und</strong> wie riecht es?• Problemlösekompetenz – auch später spielt die Fähigkeit, die Umwelt differenziertwahrzunehmen, e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, zum Beispiel beim Lösen <strong>von</strong> Problemen.Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der lernen, viele Probleme zu lösen: Wie kann ich diese Flasche wiederzuschrauben? Wie schaffe ich es, <strong>den</strong> passen<strong>den</strong> Schuh an <strong>den</strong> richtigen Fuß zubekommen?• Gedächtnis <strong>und</strong> Aufmerksamkeit s<strong>in</strong>d weitere Fähigkeiten, die zu <strong>den</strong> kognitivenKompetenzen zählen <strong>und</strong> sich bei jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sehr stark weiterentwickeln.• Zur Denkfähigkeit gehören die Fähigkeiten, Begriffe zu bil<strong>den</strong>, Zusammenhänge zuerkennen, logisch zu <strong>den</strong>ken, aus Fehlern zu lernen etc.• Dass auch Kreativität e<strong>in</strong>e kognitive Kompetenz ist, überrascht zunächst. BeimLösen <strong>von</strong> Problemen unkonventionelle neue Wege zu gehen, aber auch schöneBilder zu schaffen erfordert viel Kreativität, macht Spaß <strong>und</strong> entspannt zugleich.90


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen stärkeniDie Theory of M<strong>in</strong>dDie Theory of M<strong>in</strong>d (e<strong>in</strong> guter Überblick vgl. Sodian & Thoermer 2006) wirft e<strong>in</strong>verändertes Licht auf das Lernen des K<strong>in</strong>des <strong>und</strong> macht deutlich, dass bisherigeAnnahmen zur kognitiven Entwicklung die Lern- <strong>und</strong> Denkfähigkeit <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenLebensjahren deutlich unterschätzt haben.Die Theory of M<strong>in</strong>d beschreibt die Fähigkeit, sich <strong>in</strong> andere Menschen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzenzu können <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> dafür zu entwickeln, was andere Menschenfühlen, <strong>den</strong>ken oder wissen könnten.K<strong>in</strong>der haben <strong>von</strong> Anfang an e<strong>in</strong> großes Interesse für andere Menschen <strong>und</strong> beobachtendiese sorgfältig. Bereits mit e<strong>in</strong>em Jahr <strong>den</strong>ken K<strong>in</strong>der über andere Menschennach <strong>und</strong> lernen, sich auf e<strong>in</strong>e bestimmte Weise zu verhalten, um e<strong>in</strong> gewolltesVerhalten herbeizuführen. Mit der Zeit lernen sie, die Intention e<strong>in</strong>er Handlungzu verstehen, also e<strong>in</strong>e Handlung e<strong>in</strong>es anderen mit e<strong>in</strong>er möglichen Absicht, welchedieser damit verfolgt, zu verknüpfen. K<strong>in</strong>der entwickeln zunehmend e<strong>in</strong> Verständnisdarüber, wie andere Personen <strong>von</strong> ihren jeweiligen Vorstellungen, ihremWissen <strong>und</strong> ihren Wünschen bee<strong>in</strong>flusst s<strong>in</strong>d. In Untersuchungen wurde deutlich,dass bereits zweijährige K<strong>in</strong>der dazu <strong>in</strong> der Lage waren, die Handlungen anderer Personenmit deren Wünschen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu br<strong>in</strong>gen, auch wenn sie selbst andereVorstellungen <strong>und</strong> Wünsche hatten. Wenn also zum Beispiel das K<strong>in</strong>d selbst liebermit e<strong>in</strong>em Ball als mit Bauklötzen spielt, man ihm aber gleichzeitig erzählt, dass derJunge auf dem präsentierten Bild Bauklötze bevorzugt, so kann es vorhersagen,dass sich der Junge für die Bauklötze entschei<strong>den</strong> wird. Schwieriger ist es für e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d zu diesem Zeitpunkt noch, die Handlung e<strong>in</strong>er Person auf der Basis <strong>von</strong> derenÜberzeugung <strong>und</strong> deren Wissen vorherzusagen, obgleich es selbst e<strong>in</strong>e andere Überzeugunghat bzw. über mehr Wissen h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er bestimmten Sache verfügt.Wie erwerben K<strong>in</strong>der diese Kompetenzen? Die s<strong>in</strong>nliche Wahrnehmung <strong>und</strong> das »Tun«,das Experimentieren <strong>und</strong> Ausprobieren s<strong>in</strong>d für junge K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> wesentlicherZugangsweg (Exploration). Des Weiteren lernen auch Babys schon über Konsequenzen;sie erleben zum Beispiel, dass e<strong>in</strong>e Melodie ertönt, wenn sie an Ihrem Schlaftierziehen <strong>und</strong> wiederholen <strong>den</strong> Vorgang (operantes Konditionieren). Junge K<strong>in</strong>der lernenaußerdem viel durch Beobachten, <strong>in</strong>dem sie anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>und</strong> Erwachsenen zusehen<strong>und</strong> zuhören. Und junge K<strong>in</strong>der lernen bei ihrer liebsten <strong>und</strong> vorherrschen<strong>den</strong>Aktivität – nämlich im Spiel (e<strong>in</strong> Überblick vgl. Siegler, De-Loache & Eisenberg 2005).Lernmethodische Kompetenz stellt als eigene Basiskompetenz die Gr<strong>und</strong>lage fürlebenslanges Lernen dar. Dazu gehören die Fähigkeiten, neues Wissen bewusst <strong>und</strong>selbstgesteuert zu erwerben, das neue Wissen anzuwen<strong>den</strong> <strong>und</strong> zu übertragen, aberauch die Fähigkeit, das eigene Lernverhalten zu beobachten <strong>und</strong> aktiv zu regulieren.91


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktDiese lernmethodischen Kompetenzen erwerben K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Regel erst mit vier Jahren.Vorläuferformen können jedoch sehr gut bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahrengestärkt wer<strong>den</strong>: K<strong>in</strong>der können schon früh e<strong>in</strong> positives Selbstbild als aktiv lernendesK<strong>in</strong>d entwickeln. Sie können Freude empf<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>und</strong> stolz se<strong>in</strong> auf das, wassie gelernt haben <strong>und</strong> wie sie es gelernt haben, <strong>und</strong> weiterh<strong>in</strong> mit hoher Motivation<strong>und</strong> Interesse an neue Phänomene herangehen. Gleichzeitig kann es gel<strong>in</strong>gen, durch<strong>in</strong>dividuelle »metakognitive« Gespräche, mit <strong>den</strong>en der Lernprozess der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong><strong>den</strong> Blick genommen wird, das Bewusstse<strong>in</strong> der K<strong>in</strong>der für das Lernen zu stärken<strong>und</strong> auch die beg<strong>in</strong>nende Perspektivenübernahme, die e<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzungfür lernmethodische Kompetenz ist, zu unterstützen.Bedeutung der kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzenunter der BayBEP-LupeKognitive <strong>und</strong> lernmethodische Kompetenzen beschreibt der Bayerische <strong>Bildung</strong>s<strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>splan als zentrale Basiskompetenzen. Wie wichtig dieser Bereich ist,zeigen die engen Verb<strong>in</strong>dungen zu allen anderen Basiskompetenzen. Für viele derBasiskompetenzen s<strong>in</strong>d die kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen sogargr<strong>und</strong>legend. Solche Zusammenhänge existieren zum Beispiel mit dem Spracherwerb,aber auch bei der Entwicklung des Selbstkonzepts <strong>und</strong> der sozialen <strong>und</strong> emotionalenKompetenzen.Kognitive <strong>und</strong> lernmethodische Kompetenzen spielen e<strong>in</strong>e zentrale Rolle bei <strong>den</strong><strong>Bildung</strong>svisionen »fragende <strong>und</strong> forschende K<strong>in</strong>der«. Aber genauso wichtig s<strong>in</strong>d sieauch für die Visionen »künstlerische aktive K<strong>in</strong>der« <strong>und</strong> »sprach- <strong>und</strong> medien-92


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen stärkenkompetente K<strong>in</strong>der«. Wie auch bei <strong>den</strong> anderen Kompetenzbereichen gilt: KognitiveKompetenzen können im Kontext aller <strong>Bildung</strong>sbereiche gestärkt wer<strong>den</strong>, wobeidas Lernen <strong>in</strong> Alltagssituationen <strong>und</strong> Projekten im Mittelpunkt steht. So bietet essich an, mit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> naturwissenschaftliche Phänomene aufzugreifen <strong>und</strong>zu erforschen – e<strong>in</strong> Thema, das wohl <strong>von</strong> fast allen jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> geliebt wird,ist Wasser. Genauso kann beim Musikhören die differenzierte Wahrnehmunggestärkt wer<strong>den</strong> <strong>und</strong> beim Turnen erforschen die K<strong>in</strong>der, wie man e<strong>in</strong>e Wippebauen kann.Entwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> –Meilenste<strong>in</strong>e der EntwicklungK<strong>in</strong>der entdecken die Welt mit allen S<strong>in</strong>nen, lernen durch ExplorationSäugl<strong>in</strong>ge erk<strong>und</strong>en ihre Umwelt stark über die s<strong>in</strong>nliche Wahrnehmung (vgl. zumBeispiel Rauh 2008): Schon Neugeborene s<strong>in</strong>d mit e<strong>in</strong>em umfassen<strong>den</strong> S<strong>in</strong>nesrepertoireausgestattet <strong>und</strong> damit <strong>in</strong> der Lage, aktiv mit der Umwelt <strong>und</strong> ihren Bezugspersonen<strong>in</strong> Kontakt zu treten. Säugl<strong>in</strong>ge blicken schon kurz nach der Geburt umsich <strong>und</strong> betrachten die Objekte, die <strong>in</strong> ihrem Blickfeld auftauchen. Sie haben e<strong>in</strong>ePräferenz für menschliche Gesichter <strong>und</strong> können auf e<strong>in</strong>er kurzen Distanz (ca. e<strong>in</strong>erArmlänge) schon relativ scharf sehen. Die Sehschärfe beträgt anfangs nur 25 Prozente<strong>in</strong>es Erwachsenen, entwickelt sich aber <strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong> acht Monaten fast voll aus.Schon früher können Farben, Helligkeit <strong>und</strong> Tiefe, also unterschiedliche Entfernungen,wahrgenommen wer<strong>den</strong>.Das Gehör ist bei Neugeborenen schon vor der Geburt relativ weit entwickelt, bildetsich <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Jahren aber noch weiter aus. Für menschliche Sprache <strong>und</strong> Musikhaben Neugeborene e<strong>in</strong>e sehr hoch ausgeprägte Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Unterscheidungsfähigkeit– sie erkennen schon nach der Geburt die Stimme ihrer Mutter. DieNahs<strong>in</strong>ne – Geruchss<strong>in</strong>n, Tasts<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Geschmackss<strong>in</strong>n – des Neugeborenen s<strong>in</strong>debenfalls schon weit entwickelt. So können Babys bereits zwei Wochen nach derGeburt <strong>den</strong> Geruch ihrer Mutter <strong>von</strong> dem e<strong>in</strong>er anderen Person unterschei<strong>den</strong>. Wennman die S<strong>in</strong>nesausstattung des Neugeborenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zusammenhang stellt, zeigtsich, wie stark sie auf die Interaktion <strong>und</strong> <strong>den</strong> Kontakt mit Ihren Bezugspersonenausgerichtet ist <strong>und</strong> wie wichtig dies für das Lernen des K<strong>in</strong>des ist.In <strong>den</strong> nächsten Monaten nimmt die sensorische Exploration stark zu. Da die motorischenFertigkeiten e<strong>in</strong>es Neugeborenen noch sehr e<strong>in</strong>geschränkt s<strong>in</strong>d, setzt es <strong>in</strong><strong>den</strong> ersten vier Monaten vor allem <strong>den</strong> M<strong>und</strong> als Mittel e<strong>in</strong>, um sich selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong>eUmwelt zu erk<strong>und</strong>en, also zu ertasten <strong>und</strong> zu erschmecken. Erst danach gew<strong>in</strong>ntdie Exploration mit <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> Priorität. Die K<strong>in</strong>der untersuchen Objekte, <strong>in</strong>dem siesie betasten, beklopfen, schieben <strong>und</strong> heben (vgl. Kasten 2008).93


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktWenn man K<strong>in</strong>der bei der vielfältigen Exploration ihres Körpers <strong>und</strong> ihrer Umweltbeobachtet, stellt sich unmittelbar die Frage nach der kognitiven Kompetenz: Was<strong>den</strong>ken K<strong>in</strong>der bei all dem, was sie machen? Zunächst sche<strong>in</strong>t gr<strong>und</strong>legend zu se<strong>in</strong>,ob Säugl<strong>in</strong>ge Objekte, die sie als solche wahrnehmen, auch mental repräsentieren,oder ob sie für sie nur im »Hier <strong>und</strong> Jetzt« der Wahrnehmung <strong>und</strong> des Umgangs damitbestehen. Dafür wurde der Begriff der »Objektpermanenz« geprägt. Piaget untersuchtediese Fähigkeit mit Hilfe <strong>von</strong> Suchexperimenten. Er versteckte zunächst Objekte,die sich im Sichtfeld der Säugl<strong>in</strong>ge befan<strong>den</strong> <strong>und</strong> nahm das Suchverhalten derkle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>der als Indikator dafür, ob sie die Objekte auch ohne unmittelbare Wahrnehmungweiter als existent ansahen oder nicht. So entdeckte er, dass Säugl<strong>in</strong>ge erstab dem Alter <strong>von</strong> acht Monaten e<strong>in</strong>e solche Permanenz zeigten. Doch Piagets Erklärungdieses Phänomens gilt mittlerweile als widerlegt: Mit anderen Versuchsanordnungenkonnte gezeigt wer<strong>den</strong>, dass K<strong>in</strong>der bereits im Alter <strong>von</strong> dreie<strong>in</strong>halb bis fünfe<strong>in</strong>halbMonaten nicht nur über e<strong>in</strong>fache Objektpermanenz verfügen, sondern sogarunterschiedliche Merkmale <strong>von</strong> Objekten, wie zum Beispiel Größe, mental repräsentieren(Pauen 2003; Siegler, DeLoache & Eisenberg 2005).Intuitive Theorien <strong>und</strong> erste KategorienIm Lauf des ersten Lebensjahres erwerben Säugl<strong>in</strong>ge auch e<strong>in</strong> immer differenzierteresWissen über physikalische Zusammenhänge. Sie s<strong>in</strong>d überrascht, wenn e<strong>in</strong> Ball,der <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er schiefen Ebene herabrollt, langsamer <strong>und</strong> nicht schneller wird oderjemand e<strong>in</strong>en Gegenstand, <strong>den</strong> er zuvor festgehalten hat, loslässt, <strong>und</strong> dieser imRaum schwebend stehen bleibt. Damit zeigen die K<strong>in</strong>der ihr Wissen über Schwerkraft.Im Alter <strong>von</strong> fünf bis sieben Monaten bil<strong>den</strong> K<strong>in</strong>der Kategorien wie »Lebewesen« <strong>und</strong>»Nicht-Lebewesen« aus, die im Verlaufe dieses Lebensjahres immer differenzierterwer<strong>den</strong>. Mit circa e<strong>in</strong>em Jahr kennen K<strong>in</strong>der »Basiskategorien« wie etwa Autos,Tische, Stühle, Katzen. Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der repräsentieren Objekte dann schon symbolhafter:D<strong>in</strong>ge, die real gesehen wur<strong>den</strong>, wer<strong>den</strong> jetzt auch <strong>in</strong> Bilderbüchern wiedererkannt.Außerdem können die K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>fache Zusammenhänge <strong>in</strong>nerlich repräsentieren <strong>und</strong>behalten: Wenn me<strong>in</strong>e Mama <strong>den</strong> Tisch deckt, bekomme ich bald etwas zu essen.Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der stellen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (etwas bewegt sich, wennman zieht) fest <strong>und</strong> wiederholen diese Handlungen <strong>und</strong> variieren sie. Abweichungen<strong>von</strong> diesen Reihenfolgen rufen oft große Unruhe <strong>und</strong> Protest hervor.K<strong>in</strong>der können aus Beobachtungen lernenNeun bis 15 Monate alte Säugl<strong>in</strong>ge können zunehmend e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Aufmerksamkeitsfokus(Siegler, DeLoache & Eisenberg 2005) mit ihrem Interaktionspartnerausbil<strong>den</strong> (jo<strong>in</strong>t attention). Die K<strong>in</strong>der sehen die gleichen D<strong>in</strong>ge an, verfolgenaufmerksam das Blickverhalten der Bezugsperson oder der anderen K<strong>in</strong>der <strong>und</strong>94


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen stärkenschaffen es auch, die Aufmerksamkeit des anderen für Objekte herzustellen, die sieselbst <strong>in</strong>teressieren. Auch hier zeigt sich wieder, wie zentral die Interaktion für dasLernen ist – für e<strong>in</strong> ganzheitliches <strong>und</strong> bedeutungsvolles Lernen, das <strong>von</strong> positivenEmotionen begleitet wird.K<strong>in</strong>der erkennen kausale Zusammenhänge <strong>und</strong> AbfolgenIm zweiten Lebensjahr beg<strong>in</strong>nen Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der zu laufen <strong>und</strong> auch die ersten Wortezu sprechen. Mit diesen neuen Handlungsspielräumen können sie weitere Erfahrungenüber die Welt erwerben <strong>und</strong> ihre kognitiven Kompetenzen weiter ausbauen.Die Exploration wird <strong>in</strong>tensiver: Die K<strong>in</strong>der erwerben Wissen über räumliche Zusammenhänge(zum Beispiel e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Schachtel passt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e große) <strong>und</strong> zeitlicheAbfolgen (zum Beispiel zuerst wache ich auf, dann bekomme ich e<strong>in</strong>e Flasche,danach wickelt mich me<strong>in</strong> Vater) <strong>und</strong> können dieses Wissen auch über längere Zeiträumebehalten.K<strong>in</strong>der können Begriffe bil<strong>den</strong>Der Erwerb der Sprache ist e<strong>in</strong>e zentrale Entwicklungsaufgabe im zweiten <strong>und</strong> drittenLebensjahr. Wenn K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> Objekt oder e<strong>in</strong>e Person mit e<strong>in</strong>em Begriff benennenkönnen, können sie dann auch über das Objekt nach<strong>den</strong>ken <strong>und</strong> mit anderen95


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunktdarüber sprechen, wenn es gerade nicht da ist. So können K<strong>in</strong>der zum Beispieldarüber sprechen, welches Spiel sie spielen wollen – nämlich Ballspielen –, auchwenn der Ball gerade <strong>in</strong> der Garage liegt. Diese kognitive Leistung nennt manBegriffsbildung. Außerdem können Beziehungen oder auch Handlungsabläufe beschriebenwer<strong>den</strong>.Die im zweiten Lebensjahr beg<strong>in</strong>nende Autonomiephase (vgl. Kapitel 2.6) setzt sichim dritten Lebensjahr fort. K<strong>in</strong>der benennen dann auch andere K<strong>in</strong>der mit Namen,sie können Jungen <strong>und</strong> Mädchen unterschei<strong>den</strong> <strong>und</strong> Eigenschaften <strong>von</strong> sich <strong>und</strong>anderen aufzählen.Fantasie <strong>und</strong> Vorstellungsvermögen entwickeln sichIm dritten Lebensjahr schreitet parallel zur Ausdifferenzierung der Sprache auch dieEntwicklung <strong>von</strong> Fantasie <strong>und</strong> Vorstellungsvermögen voran. Jetzt gelangen die K<strong>in</strong>derzu symbolischen Repräsentationen <strong>von</strong> Objekten; sie verwen<strong>den</strong> zum Beispiele<strong>in</strong>en Stock, um e<strong>in</strong>en Kochlöffel darzustellen. Auch imag<strong>in</strong>äre Fre<strong>und</strong>e – die ke<strong>in</strong>erleiAnlass zur Sorge darstellen, sondern Ausdruck <strong>von</strong> lebhafter Fantasie s<strong>in</strong>d –können dann auftauchen.Umsetzung <strong>in</strong> die pädagogische PraxisWas ist wirklich wichtig, wenn es um die Stärkung der kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischenKompetenzen <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> geht?Am wichtigsten ist es, dass K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> positives Selbstbild als aktiv lernendes <strong>und</strong>kompetentes K<strong>in</strong>d entwickeln können. Zweitens ist es wichtig, das Interesse <strong>und</strong> diehohe Motivation, die K<strong>in</strong>der bis drei Jahren mitbr<strong>in</strong>gen, zu stärken, <strong>in</strong>dem man genaubeobachtet, welche Phänomene die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>teressieren <strong>und</strong> diese <strong>in</strong> Projekten <strong>und</strong>unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder aufgreift. Und drittens ist es wichtig,<strong>den</strong> Lernprozessen <strong>von</strong> jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> viel Aufmerksamkeit zu widmen, sie sensibelzu beobachten <strong>und</strong> zu dokumentieren, sie sprachlich zu begleiten <strong>und</strong> sich alspädagogische Fachkraft oder Tagespflegeperson aktiv <strong>in</strong> die Moderation des k<strong>in</strong>dlichenSpiels <strong>und</strong> der <strong>Bildung</strong>sprozesse e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.Ästhetik, Kunst <strong>und</strong> KulturE<strong>in</strong> Bereich, <strong>in</strong> dem gerade auch sehr junge K<strong>in</strong>der ihre (Um-)Welt mit allen S<strong>in</strong>nenerk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> vor allem praktisch erfahren können, ist der künstlerische Bereich.96


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen stärken»K<strong>in</strong>der <strong>den</strong>ken <strong>in</strong> Bildern, nicht <strong>in</strong> Buchstaben« (Loris Malaguzzi). Zur Stärkung derkognitiven Kompetenzen, wie der differenzierten Wahrnehmung, Fantasie, Kreativität<strong>und</strong> Ausdrucksfähigkeit, ist der <strong>Bildung</strong>sbereich »Ästhetik, Kunst <strong>und</strong> Kultur« besondersgut geeignet. »In Bildern spiegeln sich das Leben der K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> ihre Sicht <strong>von</strong>der Welt <strong>und</strong> <strong>den</strong> D<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> ihr <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en/ihren Facetten. Der Wunsch, darüber zuerzählen <strong>und</strong> sich auch jenseits der gesprochenen Sprache mitzuteilen, zu <strong>in</strong>formieren<strong>und</strong> auch symbolische Zeichen zu setzen, die verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> wollen, istdah<strong>in</strong>ter zu vermuten« (BayBEP 2007, S. 313).Schon früh beg<strong>in</strong>nen K<strong>in</strong>der »bildnerisch zu gestalten«. Sie hantieren mit Stiften,h<strong>in</strong>terlassen mit Stöcken oder F<strong>in</strong>gern Spuren im Sand oder im Essen, beg<strong>in</strong>nenschließlich mit Stiften zu »kritzeln«, also schnell <strong>und</strong> kraftvoll Spuren zu h<strong>in</strong>terlassen.Für K<strong>in</strong>der steht dabei nicht das Ergebnis »das ist e<strong>in</strong> Ball« im Vordergr<strong>und</strong>,sondern der Prozess des Gestaltens, Beobachtens <strong>und</strong> Wahrnehmens.Mit ca. zweie<strong>in</strong>halb Jahren beg<strong>in</strong>nen K<strong>in</strong>der ihre Bilder zu beschreiben, also Beziehungenzwischen dem Gemalten <strong>und</strong> der Welt herzustellen. E<strong>in</strong> wichtige Voraussetzungfür diesen Prozess ist die beg<strong>in</strong>nende Perspektivenübernahme (vgl. Kapitel 2.2). E<strong>in</strong>Kreis kann dann e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Ball, e<strong>in</strong>e Sonne, die »Mama« oder e<strong>in</strong> Eis se<strong>in</strong>. Manchmalverändern K<strong>in</strong>der während des Malens auch die Interpretationen, was alsozuerst noch e<strong>in</strong> Ball war, wird plötzlich zu e<strong>in</strong>em Gesicht.»Junge K<strong>in</strong>der schätzen es, wenn die Bezugsperson e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressierte Beobachter<strong>in</strong>des Malprozesses ist… Wenn K<strong>in</strong>der durch ihre Körpersprache signalisieren, dass sieetwas über ihr Tun mit Farbe berichten möchten, können Erwachsene Fragen stellen,wie »Zeig mir (mit dem F<strong>in</strong>ger), was auf dem Bild ist.« »Schau mal, was gibt es dazu sehen?« K<strong>in</strong>der im vorsprachlichen Alter können darauf oft noch ke<strong>in</strong>e Antwortf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Ebenso ist ihnen gar nicht wichtig, was wir Erwachsene darüber <strong>den</strong>ken, vielwichtiger ist ihnen wohl, dass sie sich beachtet <strong>und</strong> wertgeschätzt fühlen <strong>in</strong> ihremSchaffen. Sie s<strong>in</strong>d eben noch echte Künstler: nicht abhängig <strong>von</strong> dem, was andere<strong>von</strong> ihnen als Kunst erwarten. So kann die Fachkraft das bisher entstan<strong>den</strong>e Bildbeschreiben, <strong>in</strong>dem sie auf e<strong>in</strong>en Teil der Darstellung deutet <strong>und</strong> benennt, was siesieht, zum Beispiel: »Da ist es grün <strong>und</strong> es gibt viele Kreise.« oder »Hier hast dumit dem P<strong>in</strong>sel ganz fest geklopft.« (Boehm De La Torre u.a. 2008, S. 31)E<strong>in</strong> schönes Praxisbeispiel ist das Projekt »Farbe ist Leben« aus der Modelle<strong>in</strong>richtungK<strong>in</strong>derkrippe St. Josef <strong>in</strong> Kaufbeuren (BayBEP 2007, S. 321ff.).Am folgen<strong>den</strong> Beispiel wird deutlich, wie ganz »e<strong>in</strong>fache« Gegenstände, Alltagsgegenstände,die Kreativität, <strong>den</strong> (künstlerischen) Ausdruck <strong>und</strong> die Wahrnehmung derjungen K<strong>in</strong>der anregen können.97


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktE<strong>in</strong> Beispiel: KreativitätLisa, e<strong>in</strong> neun Monate altes Mädchen, wird <strong>von</strong> ihrer Tagesmutter Sab<strong>in</strong>e vormittagsbetreut, gebildet <strong>und</strong> erzogen.Lisa liegt bäuchl<strong>in</strong>gs auf dem Teppich, ihre Tagesmutter sitzt <strong>in</strong> Sichtkontakt amnahe gelegenen Tisch. Zuvor hat sie Lisa zwei verschie<strong>den</strong>e Bürsten, e<strong>in</strong>e Babybürste<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Zahnbürste, auf <strong>den</strong> Teppich gelegt. Ansonsten bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sich ke<strong>in</strong>e weiterenUtensilien auf dem Bo<strong>den</strong>.Lisa nimmt die Bürsten zunächst visuell wahr <strong>und</strong> fixiert sie e<strong>in</strong>e zeitlang mit <strong>den</strong>Augen, bevor sie sich mit e<strong>in</strong>iger Anstrengung zu <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Bürsten h<strong>in</strong>robbt. Siegreift zunächst mit der rechten Hand nach der Zahnbürste, schafft es aber nicht,diese festzuhalten. Dann greift sie erneut die Zahnbürste mit der l<strong>in</strong>ken Hand am Stil<strong>und</strong> hält diese für e<strong>in</strong> paar Sek<strong>und</strong>en fest, bevor sie die Bürste zum M<strong>und</strong> führt. Lisaerk<strong>und</strong>et nun die Bürste an unterschiedlichen Stellen mit <strong>den</strong> Lippen <strong>und</strong> der Zunge.Zwischendurch bewegt sie immer wieder die Bürste h<strong>in</strong> <strong>und</strong> her <strong>und</strong> betrachtet sieaus unterschiedlichen Perspektiven, <strong>von</strong> der Seite, <strong>von</strong> unten, <strong>von</strong> der anderen Seite.Lisa ist dabei konzentriert. Sab<strong>in</strong>e beobachtet Lisa bei ihrem Erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sprichtmit ihr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fre<strong>und</strong>lichen Ton. Sie benennt dabei <strong>den</strong> Gegenstand, <strong>den</strong> Lisa mitihren unterschiedlichen S<strong>in</strong>nen wahrnimmt als Zahnbürste. Lisa beg<strong>in</strong>nt nun dieZahnbürste auf dem Teppich h<strong>in</strong>- <strong>und</strong> herzurollen. Je fester sie die Zahnbürste auf<strong>den</strong> Teppich drückt, desto deutlicher s<strong>in</strong>d die Spuren, die sie auf dem Teppich h<strong>in</strong>terlässt.Lisa beobachtet das <strong>und</strong> betastet diese Spuren ganz vorsichtig, sie beg<strong>in</strong>ntdann auch mit ihren F<strong>in</strong>gern etwas auf dem Teppich zu malen.An diesem Praxisbeispiel wird deutlich, wie eng die s<strong>in</strong>nliche Wahrnehmung <strong>und</strong>ästhetische <strong>Bildung</strong> bei jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> verknüpft s<strong>in</strong>d.UmweltZur Umwelt <strong>und</strong> ihren Ersche<strong>in</strong>ungsformen, vor allem zur Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt, ist<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren e<strong>in</strong> vorwiegend emotionaler Zugang zueröffnen. Die natürliche Umwelt als Quelle der Freude <strong>und</strong> Entspannung zu erlebensteht dabei im Vordergr<strong>und</strong>. Zu schaffen s<strong>in</strong>d Gelegenheiten, die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Staunenversetzen über die Schönheit <strong>und</strong> Vielfalt <strong>von</strong> Flora <strong>und</strong> Fauna, wobei Naturmaterialiendie <strong>in</strong>dividuelle künstlerische Gestaltungskraft der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> besonderer Weiseherausfordern. Sie erhalten ferner Möglichkeiten, Freude bei der Übernahme <strong>von</strong> Verantwortungfür das Gedeihen der Lebewesen zu erfahren <strong>und</strong> Wissen darüber zuerwerben, das ihrer Entwicklung angemessen ist, <strong>in</strong>dem zum Beispiel Warum-Fragensehr ernst genommen wer<strong>den</strong>. Bereits die jüngsten K<strong>in</strong>der können durch e<strong>in</strong>fachesAusprobieren auf ihre eigenen Fragen Antworten f<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne »Wenn ich dasso mache, dann geschieht wahrsche<strong>in</strong>lich das« (vgl. BayBEP 2007, S. 295).98


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen stärkenNaturwissenschaften <strong>und</strong> TechnikDer Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan enthält e<strong>in</strong>e Tabelle, die alle Themenbereiche<strong>und</strong> E<strong>in</strong>zelaspekte, die für die Altersgruppe der drei- bis sechsjährigen K<strong>in</strong>dererfahrungsgemäß <strong>von</strong> Interesse s<strong>in</strong>d, beispielhaft zusammenstellt (vgl. BayBEP277ff.). Viele dieser Bereiche s<strong>in</strong>d auch für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten drei Jahren <strong>in</strong>teressant,so zum Beispiel Wasser, das auf kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e magische Anziehungskraftausübt. S<strong>in</strong>nliche Anregungen wie zum Beispiel Plantschen, Schütten, Anfassen, Kneten,Pusten, Riechen, Luftblasen erzeugen, Spiele mit Kugelbahnen oder Luftballons,die Staunen über Beobachtetes <strong>und</strong> Aha-Erlebnisse auslösen, verschaffen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong><strong>den</strong> ersten drei Lebensjahren erste Zugänge zu <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>erfahrungen mit naturwissenschaftlichen<strong>und</strong> technischen Vorgängen. Naturwissenschaftlich-technische Themenlassen sich vielseitig komb<strong>in</strong>ieren mit Geschichten, Musikstücken, bildnerischemGestalten, Bewegungs- <strong>und</strong> Theaterspielen <strong>und</strong> bieten damit viel Stoff für bereichsübergreifendeProjektarbeit mit naturwissenschaftlichen Bezügen (vgl. BayBEP S. 276).MathematikDie Welt, <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>der aufwachsen, ist voller Mathematik. Geometrische Formen, Zahlen<strong>und</strong> Mengen lassen sich überall entdecken. Aus diesem Gr<strong>und</strong> be<strong>in</strong>haltet vieles,was K<strong>in</strong>der im Alltag erleben <strong>und</strong> verrichten, <strong>und</strong> vieles, mit dem K<strong>in</strong>der spielen <strong>und</strong>was sie bearbeiten, bereits mathematische Gr<strong>und</strong>erfahrungen, die bisher möglicherweisenicht als solche bewusst wahrgenommen wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Im E<strong>in</strong>richtungsalltags<strong>in</strong>d mathematische Inhalte zudem <strong>in</strong> vielen herkömmlichen Angeboten enthalten, wie99


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunktzum Beispiel <strong>in</strong> F<strong>in</strong>ger-, Tisch-, Würfel- <strong>und</strong> vielen K<strong>in</strong>derspielen, Reimen <strong>und</strong> Abzählversen,Liedern <strong>und</strong> rhythmischen Spielangeboten. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d gezielte Lernangebotewichtig, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en K<strong>in</strong>der »mathematische« Denk- <strong>und</strong> Handlungsweisenerproben <strong>und</strong> e<strong>in</strong>üben können. Solch differenzierte Lernerfahrungen ermöglichen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>e<strong>in</strong>en breiten Zugang zur Mathematik (vgl. BayBEP S. 251, 255).E<strong>in</strong> Beispiel: Dom<strong>in</strong>o-Staffel – e<strong>in</strong> Verständnis für Formen entwickeln(vgl. BayBEP 2007, S. 257, 261)Mathematik beg<strong>in</strong>nt mit Formen, die <strong>in</strong> vielen Alltagsgegenstän<strong>den</strong> zu entdeckens<strong>in</strong>d. Genauere Betrachtungen geometrischer Objekte <strong>und</strong> Beziehungen leisten e<strong>in</strong>enwichtigen Beitrag für die Entwicklung der Fähigkeit, die eigene Umwelt mit mathematischenKategorien zu erschließen.Formen ertasten. In e<strong>in</strong>er großen, mit e<strong>in</strong>em Tuch abgedeckten Kiste bef<strong>in</strong><strong>den</strong> sichunterschiedliche Gegenstände (zum Beispiel Beißr<strong>in</strong>g, Ball, Bauklötze, Tafel). Die K<strong>in</strong>derhaben die Aufgabe, die Gegenstände durch bloßes Ertasten zu erraten. ImErfolgsfall bekommen sie <strong>den</strong> Gegenstand ausgehändigt. Nachdem alle Gegenständeerraten s<strong>in</strong>d, wer<strong>den</strong> sie nochmals näher befühlt <strong>und</strong> auch an die anderen K<strong>in</strong>derzum Kennenlernen weitergereicht. Über das Berühren <strong>und</strong> Befühlen lernen dieK<strong>in</strong>der, dass Gegenstände unterschiedliche Formen <strong>und</strong> Strukturen aufweisen; überdas Erraten lernen sie, diese auch zu benennen bzw. verbal zu beschreiben.Formen sortieren. Die Gegenstände wer<strong>den</strong> nach ihrer Gestalt sortiert (zum Beispielr<strong>und</strong>, eckig). Mit diesem Wissen begeben sich die K<strong>in</strong>der nun auf die Suche nachweiteren Gegenstän<strong>den</strong> im Gruppenraum, die r<strong>und</strong> oder eckig s<strong>in</strong>d. Die K<strong>in</strong>der lernenauf diese Weise, ihre Umgebung nach Ordnungsmerkmalen zu erfassen <strong>und</strong>Gegenstände nach diesen Merkmalen zu unterschei<strong>den</strong>.Formen zuordnen. Auf e<strong>in</strong>em Karton wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong> Kreis <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Rechteck aufgemalt.Aufgabe der K<strong>in</strong>der ist es, die Gegenstände der richtigen geometrischen Figur zuzuordnen.Sodann wird mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e Art »Formendom<strong>in</strong>o«gespielt; dieses Dom<strong>in</strong>ospiel können die K<strong>in</strong>der nun jederzeit auch ohne Begleitungimmer wieder spielen <strong>und</strong> dadurch e<strong>in</strong>e wachsende Vertrautheit mit <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>enFormen gew<strong>in</strong>nen.E<strong>in</strong> Beispiel: Naturwissenschaftliche Phänomene verstehenDrei Jungen sitzen im Planschbecken samt Rührbesen, Schüssel, Schaum <strong>und</strong> Ball. DieErzieher<strong>in</strong> beobachtet die K<strong>in</strong>der vom Beckenrand aus. Die drei Jungen füllen Wasserum, lassen die Schüssel überlaufen <strong>und</strong> rühren mit <strong>den</strong> Schneebesen im Wasserherum. Sie lernen Gegensätze kennen – nass <strong>und</strong> trocken, voll <strong>und</strong> leer, leicht <strong>und</strong>schwer. Die Erzieher<strong>in</strong> kommentiert das Geschehen, reflektiert es <strong>und</strong> stellt Fragen: Wie100


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihren kognitiven <strong>und</strong> lernmethodischen Kompetenzen stärkenviele Becher passen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Schüssel, wie viele <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Schale? Geme<strong>in</strong>sam entdeckendie K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Interaktion naturwissenschaftliche Phänomene. Sie experimentierenmit ungeme<strong>in</strong>er Ausdauer, Konzentration <strong>und</strong> Entdeckerlust. Ganz nebenbeiverfe<strong>in</strong>ern sich die Fe<strong>in</strong>motorik <strong>und</strong> die Augen-Hand-Koord<strong>in</strong>ation.Fast immer geschieht auch etwas Unerwartetes. So verfängt sich der Ball im Drahtgestängedes Rührbesens <strong>und</strong> die Jungen versuchen geme<strong>in</strong>sam, <strong>den</strong> Ball wieder zubefreien. Systematisch versuchen sie, das Problem zu lösen, <strong>und</strong> alle drei K<strong>in</strong>ders<strong>in</strong>d da<strong>von</strong> gefesselt.(Videoszene aus dem Film: Wach, neugierig <strong>und</strong> klug (Niesel 2008))i<strong>Bildung</strong>sprozesse <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sprachlich moderieren:Metakognitive DialogeGespräche, die Erwachsene <strong>und</strong> K<strong>in</strong>der oder e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dergruppe beim Lernen <strong>und</strong>über das Lernen führen, wer<strong>den</strong> häufig als »metakognitive Dialoge« bezeichnet(Fthenakis u.a. 2009). Diese Dialoge s<strong>in</strong>d nicht nur für K<strong>in</strong>der über drei Jahren geeignet,die schon über das eigene Lernen nach<strong>den</strong>ken können, sondern könnensehr gut auch <strong>in</strong> der Arbeit mit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> ko-konstruktives<strong>und</strong> lernmethodisch orientiertes Vorgehen setzt nicht voraus, dass alleK<strong>in</strong>der schon sprechen können. Bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren kann diesauch bedeuten, <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Fragen zu stellen, auf die sie nonverbal, mit Gestik<strong>und</strong> Mimik reagieren können. Oder es bietet sich an, Fragen, die die K<strong>in</strong>der nonverbalsignalisieren, <strong>in</strong> Worte zu fassen. Es kann bedeuten, dass die pädagogischeFachkraft bzw. Tagespflegeperson die Art <strong>und</strong> Weise, wie sich K<strong>in</strong>der bestimmtenPhänomenen nähern, sprachlich begleitet <strong>und</strong> <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf diese Weise ihreLernprozesse allmählich bewusst wer<strong>den</strong>.Wenn e<strong>in</strong> Säugl<strong>in</strong>g zum Beispiel entdeckt, dass er selbst mit der Rassel Geräuscheerzeugen kann <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Freude darüber an se<strong>in</strong>em lachendem Gesicht »abzulesen«ist, kann man dies sprachlich kommentieren: »Schau, da kommen Geräusche! Jetzthast du die Rassel geschüttelt <strong>und</strong> es kommen Geräusche! Gefällt dir das? Wie hastdu das <strong>den</strong>n geschafft? – Pause – Da bist du aber stolz, oder?« Bei dieser Technikwird der Lernprozess des K<strong>in</strong>des beschrieben <strong>und</strong> auch versucht, die Emotionen, diedas K<strong>in</strong>d dabei entwickelt, <strong>in</strong> Worte zu fassen. Diese Technik kann man schon beisehr jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> anwen<strong>den</strong>, auch wenn sie vielleicht noch nicht alle Wörter verstehen.Wenn die K<strong>in</strong>der älter s<strong>in</strong>d, können diese Dialoge immer differenziertergestaltet wer<strong>den</strong>. Können junge K<strong>in</strong>der beobachten, wie solche meta-kognitiven Dialogezwischen älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> oder zwischen Erwachsenen <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>,kann dies die Vorläuferfähigkeiten für lernmethodische Kompetenz stärken. Viele Beispielefür metakognitive Dialoge f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich bei W. E. Fthenakis (2009).101


2.6 K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem positivenSelbstkonzept stärkenE<strong>in</strong> positives Selbstkonzept lässt sich nicht isoliert, sondern nur <strong>in</strong> engem Zusammenspielmit <strong>den</strong> zuvor beschriebenen Kompetenzen stärken. Die Entwicklung e<strong>in</strong>espositiven Selbstkonzepts ist daher vielmehr als Entwicklungsergebnis zu betrachten.Wichtige Voraussetzung, um e<strong>in</strong> positives Selbstkonzept entwickeln zu können, iste<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dung (vgl. Kapitel 2.1). Durch die fe<strong>in</strong>fühlige Reaktion auf se<strong>in</strong>e Signale<strong>und</strong> Bedürfnisse erlebt das K<strong>in</strong>d sich selbst als selbstwirksam <strong>und</strong> liebenswert.E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das sich auf die kont<strong>in</strong>uierliche liebevolle Zuwendung se<strong>in</strong>er primärenBezugspersonen verlassen kann, erk<strong>und</strong>et mutig se<strong>in</strong>e Umwelt, traut sich also mehrzu, da es sich der Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung se<strong>in</strong>er Bezugspersonen sicher ist, solltees selber an se<strong>in</strong>e Grenzen kommen. Das Selbstvertrauen <strong>in</strong> die eigenen Kompetenzen<strong>und</strong> das Vertrauen <strong>in</strong> die Bezugspersonen erwachsen aus <strong>den</strong> täglichen Erfahrungen,die das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en B<strong>in</strong>dungsbeziehungen macht. Da e<strong>in</strong>e sichere B<strong>in</strong>dungauch mit höherer emotionaler, kommunikativer <strong>und</strong> sozialer Kompetenz e<strong>in</strong>hergeht,erfahren sicher geb<strong>und</strong>ene K<strong>in</strong>der im Kontakt mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mehrpositive Reaktionen als K<strong>in</strong>der mit unsicherer B<strong>in</strong>dungserfahrung. Auch das speistsich wieder <strong>in</strong> ihr Selbstbild e<strong>in</strong>. Bei Vorschulk<strong>in</strong>dern kann das Selbstkonzept erfragtwer<strong>den</strong> <strong>und</strong> hier zeigt sich, dass das Selbstbild bei sicher geb<strong>und</strong>enen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> eher<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er realistischen E<strong>in</strong>schätzung <strong>von</strong> sich als liebenswert <strong>und</strong> <strong>von</strong> anderen alshilfsbereit begründet zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, während bei unsicher geb<strong>und</strong>enen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> entwedere<strong>in</strong> stark idealisiertes oder e<strong>in</strong> sehr negatives Selbstbild zu beobachten ist(Ma<strong>in</strong> u.a. 1985, zit. nach Becker-Stoll 2007, S. 28).Bedeutung des positiven Selbstkonzepts unter der BayBEP-LupeK<strong>in</strong>der mit e<strong>in</strong>em positiven Selbstkonzept fühlen sich wertvoll, fähig, wichtig <strong>und</strong>kompetent (Abid<strong>in</strong> 1996). Die körperliche <strong>und</strong> seelische Ges<strong>und</strong>heit, das Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong><strong>und</strong> die Lebensqualität e<strong>in</strong>es Menschen – sowohl im K<strong>in</strong>desalter als auch beiJugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen – hängen <strong>in</strong> entschei<strong>den</strong>dem Maße <strong>von</strong> der Ausbildunge<strong>in</strong>es positiven Selbstkonzepts ab, welches zugleich auch wichtige Voraussetzungzum kompetenten Umgang mit Veränderungen <strong>und</strong> Belastungen (Resilienz) darstellt.K<strong>in</strong>der, die sich als wertvoll <strong>und</strong> kompetent erachten, haben weniger Schwierigkeiten,auf andere zuzugehen <strong>und</strong> Kontakte zu knüpfen.E<strong>in</strong> positives Selbstkonzept erleichtert die soziale Interaktion <strong>und</strong> das Zusammenlebenmit anderen <strong>und</strong> gilt somit als Wegbereiter für die Entwicklung <strong>und</strong> Stärkung sozialer102


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem positiven Selbstkonzept stärken<strong>und</strong> emotionaler Kompetenzen. Auch für <strong>den</strong> Erfolg <strong>und</strong> die Zufrie<strong>den</strong>heit <strong>in</strong> Familie,K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung, Schule sowie im späteren Beruf stellt e<strong>in</strong> positives Selbstkonzepte<strong>in</strong>en wichtigen Indikator dar. So geht e<strong>in</strong> positives Selbstkonzept mit ger<strong>in</strong>gerLeistungsängstlichkeit <strong>und</strong> mit positiver E<strong>in</strong>stellung zur Schule <strong>und</strong> zum Lernene<strong>in</strong>her (Roebers 2007).Die große Bedeutung der Entwicklung e<strong>in</strong>es positiven Selbstkonzepts wird im Bayerischen<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan herausgestellt <strong>und</strong> als wichtige <strong>in</strong>dividuumsbezogene,genauer gesagt personale Basiskompetenz angesehen. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das sichals kompetent, wichtig <strong>und</strong> e<strong>in</strong>flussnehmend erlebt <strong>und</strong> betrachtet, gestaltet se<strong>in</strong>e<strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Entwicklung <strong>von</strong> Anfang an aktiv mit <strong>und</strong> übernimmt dabei entwicklungsangemessenVerantwortung.Wie K<strong>in</strong>der sich selbst e<strong>in</strong>schätzen, hängt <strong>in</strong> entschei<strong>den</strong>dem Maße <strong>von</strong> <strong>den</strong> Interaktionenmit <strong>den</strong> Bezugspersonen ab. Vor allem Eltern, Tagespflegepersonen <strong>und</strong>pädagogischen Fachkräften kommt bei der Unterstützung <strong>und</strong> Moderierung e<strong>in</strong>espositiven k<strong>in</strong>dlichen Selbstkonzepts e<strong>in</strong>e große Verantwortung zu. Eltern, Tagespflegepersonen<strong>und</strong> pädagogische Fachkräfte können K<strong>in</strong>der effektiv dar<strong>in</strong> unterstützen,e<strong>in</strong> starkes Selbst auszubil<strong>den</strong>, damit sie für die Herausforderungen des Lebensgewappnet <strong>und</strong> zugleich da<strong>von</strong> überzeugt s<strong>in</strong>d, dass der eigene Erfolg unmittelbarmit dem eigenen E<strong>in</strong>satz zusammenhängt (Brandl & Dal Cero, <strong>in</strong> Druck).In der Fachliteratur tauchen unterschiedliche Begriffe (zum Beispiel das Selbst/dasSelbstkonzept, die Selbstwirksamkeit, der Selbstwert/das Selbstwertgefühl) auf. Wasist darunter zu verstehen?103


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktiSelbst – SelbstkonzeptWenn wir vom »Selbst« sprechen, beziehen wir uns auf e<strong>in</strong> Konzeptsystem, das ausGedanken <strong>und</strong> E<strong>in</strong>stellungen über sich selbst besteht (Siegler, DeLoache & Eisenberg2005). Zu der Vorstellung des Individuums <strong>von</strong> sich selbst können Gedankenüber das eigene materielle Se<strong>in</strong> (Körper, Eigentum), soziale Merkmale (Beziehungen,Persönlichkeit, soziale Rollen) <strong>und</strong> »spirituelle« oder <strong>in</strong>nere Merkmale (Gedanken<strong>und</strong> psychische Vorgänge) gehören.Die Entwicklung des Selbstkonzepts ist e<strong>in</strong> fortwährender, sehr komplexer lebenslangerProzess, der niemals vollständig abgeschlossen ist <strong>und</strong> sich durch wiederholteInteraktion mit »signifikanten Anderen« über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum h<strong>in</strong>wegentwickelt (Abid<strong>in</strong> 1996). Daher ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass sich die Stabilitätdes Selbstkonzepts im Vorschulalter als sehr ger<strong>in</strong>g erweist (Roebers 2007).iSelbstwirksamkeitInnerhalb der ersten zwei Lebensjahre ist das »Wissen« über sich selbst vorwiegenddurch das Gefühl der eigenen Wirksamkeit vermittelt (Schwarzer & Jovanovic2007). Das Konzept der Selbstwirksamkeit, das auf Albert Bandura zurückgeht(1977), baut auf e<strong>in</strong>er Trennung zwischen Ergebniserwartung <strong>und</strong> Wirksamkeitserwartungauf. Bei jeder geplanten Handlung erwartet e<strong>in</strong>e Person e<strong>in</strong> bestimmtesErgebnis (zum Beispiel Kontakt zu Gleichaltrigen), welches zugleich mit e<strong>in</strong>er Wirksamkeitserwartungverknüpft ist. Bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> lässt sich das Gefühl des »Kompetentse<strong>in</strong>wollens«<strong>und</strong> des »Selbermachen- <strong>und</strong> Selberkönnenwollens« (selbstwirksamzu se<strong>in</strong>) schon im ersten Lebensjahr an der Freude am Effekt eigener Handlungenerkennen. Im zweiten <strong>und</strong> dritten Lebensjahr entwickeln K<strong>in</strong>der das starkeBedürfnis, etwas selbst machen bzw. können zu wollen (Oerter & Montada 2008).Entwicklungspsychologischer H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> –Meilenste<strong>in</strong>e der Entwicklung»Die Entwicklung des Selbstkonzepts ist e<strong>in</strong> Themenbereich <strong>in</strong>nerhalb der Entwicklungspsychologie,<strong>in</strong> welchem affektive, soziale <strong>und</strong> kognitive Aspekte zusammenlaufen« (Roebers 2007, S. 381). Auch wenn das Selbstkonzept <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten dreiLebensjahren noch recht rudimentär ausgebildet ist, geht die B<strong>in</strong>dungstheorie da<strong>von</strong>aus, dass bereits kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>ternale Arbeitsmodelle (vgl. Kapitel 2.1) <strong>von</strong> ihrenB<strong>in</strong>dungsfiguren <strong>und</strong> <strong>von</strong> sich selbst aufbauen. »Kernpunkte des Arbeitsmodells <strong>von</strong>sich selbst s<strong>in</strong>d die Vorstellung <strong>von</strong> der eigenen Person als liebenswert <strong>und</strong> unterstützenswert<strong>und</strong> die Erwartung eigener Effektivität <strong>in</strong> der Auslösung <strong>von</strong> Reaktionen104


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem positiven Selbstkonzept stärkenbei anderen« (Becker-Stoll 2007, S. 29). Wichtige Vorläuferkompetenzen zur Ausbildunge<strong>in</strong>es (positiven) Selbstkonzepts wer<strong>den</strong> also bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten dreiLebensjahren erworben, vor allem vermittelt über positive B<strong>in</strong>dungserfahrungen.Bereits <strong>von</strong> Geburt an, möglicherweise schon früher, verfügen Menschen über e<strong>in</strong>subjektives Empf<strong>in</strong><strong>den</strong> ihrer selbst, weil sie bereits nach der Geburt fähig s<strong>in</strong>d, sichals zum<strong>in</strong>dest rudimentär »organisiert« zu erleben (Stern 2007). Neugeborene s<strong>in</strong>dfähig, mit ihren Bezugspersonen zu <strong>in</strong>teragieren, auf der Suche nach Schutz, Nähe<strong>und</strong> Geborgenheit (A<strong>in</strong>sworth 1978). Der Gesichtsausdruck der Bezugsperson(en)stellt sicherlich die wichtigste selbstbezügliche Informationsquelle <strong>in</strong> der vorsprachlichenEntwicklungsphase dar. Säugl<strong>in</strong>ge beherrschen diesen »Kommunikationsstil«sehr früh. Das zeigt sich daran, dass sie bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Wochen <strong>den</strong> Gesichtsausdruckihrer Bezugsperson(en) imitieren können (Stern 2007).In der Entwicklungspsychologie wird bereits das erste soziale Lächeln im Alter <strong>von</strong>circa sechs Wochen vielfach als Beg<strong>in</strong>n der Ich-Entwicklung bewertet. Ab diesem Zeitpunktbemerken Säugl<strong>in</strong>ge, dass ihre Reaktionen (zum Beispiel Lächeln) bei anderenetwas bewirken (van Dieken 2008). Bereits mit zwei Monaten s<strong>in</strong>d sich Säugl<strong>in</strong>gebewusst, dass sie D<strong>in</strong>ge selbst bee<strong>in</strong>flussen <strong>und</strong> kontrollieren können. Stellt manihnen zum Beispiel e<strong>in</strong> Mobile zur Verfügung, das sie selbstständig durch e<strong>in</strong>eSchnur <strong>in</strong> Bewegung setzen können, ruft dies positive Reaktionen hervor. Verlierendie K<strong>in</strong>der die Kontrolle wieder, reagieren sie mit Wut (Brandl & Dal Cero, <strong>in</strong> Druck).Durch das Wort »me<strong>in</strong>« ist e<strong>in</strong> <strong>und</strong>ifferenziertes Konzept <strong>von</strong> Besitz <strong>und</strong> Eigentumerkennbar: »Me<strong>in</strong> Auto.« Auch wollen K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> diesem Alter ihre Kompetenzen zeigen<strong>und</strong> artikulieren das auch meist sprachlich: »Alle<strong>in</strong>e machen.« Die Behauptung<strong>von</strong> Besitz, eigenem Willen <strong>und</strong> Kompetenz mündet um das zweite Lebensjahr dannschließlich <strong>in</strong> die so genannte Trotzphase.Um das zweite Lebensjahr wer<strong>den</strong> Eltern mit der so genannten Trotz- bzw. Autonomiephaseihrer K<strong>in</strong>der konfrontiert. E<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>, weshalb K<strong>in</strong>der dieser Altersstufemit Trotz reagieren, ist die Tatsache, dass sie sich zwischen 18 <strong>und</strong> 24 Monaten erstmalsals eigenständige Personen mit eigenen Gefühlen <strong>und</strong> eigenem Willen wahrnehmen.K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> diesem Alter verfolgen nun selbst gesteckte Ziele <strong>und</strong> wollen sichselbst behaupten <strong>und</strong> durchsetzen. Wer<strong>den</strong> sie dabei <strong>von</strong> <strong>den</strong> Eltern blockiert, reagierensie häufig sehr trotzig. Die Folge da<strong>von</strong> ist starke Wut (Toben, Schreien, sichauf <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> werfen), mit der viele Eltern überfordert s<strong>in</strong>d.»Ihre Stärke beweisen Eltern <strong>und</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen, <strong>in</strong>dem sie während des Trotzanfallspräsent, aber passiv bleiben, bis sich das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wenig beruhigt hat« (Kasten2005, S. 153). Auch wenn die Trotz-/Autonomiephase für Erwachsene sehr anstrengend<strong>und</strong> herausfordernd se<strong>in</strong> kann, ist sie doch e<strong>in</strong> positives Zeichen für die Entwicklungdes k<strong>in</strong>dlichen Selbstbewusstse<strong>in</strong>s <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er zunehmen<strong>den</strong> I<strong>den</strong>titäts- <strong>und</strong>Selbstkonzeptentwicklung. Auch aus entwicklungspsychologischer Sicht stellt die105


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im MittelpunktTrotz-/Autonomiephase e<strong>in</strong>en wichtigen Meilenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> der k<strong>in</strong>dlichen Entwicklungdar. Das K<strong>in</strong>d wird autonomer <strong>und</strong> selbstständiger. K<strong>in</strong>der lernen <strong>in</strong> dieser Phase,dass es wichtig <strong>und</strong> gut ist, e<strong>in</strong>en eigenen Willen zu haben. Auch versetzt sie diesereigene Wille <strong>in</strong> die Lage, eigene Entscheidungen zu treffen <strong>und</strong> für Konsequenzengeradezustehen.Mit zunehmendem Alter wird die Konzeption vom »Selbst« komplexer. Auffallend ist,dass die Selbstbeschreibungen <strong>und</strong> Selbstbewertungen <strong>von</strong> dreijährigen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> oftunrealistisch positiv ausfallen (zum Beispiel »ich b<strong>in</strong> immer fröhlich«). Diese, oftmalssehr positive Selbstbeschreibung, wird darauf zurückgeführt, dass K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> diesemAlter nur unzureichend zwischen Tatsachen <strong>und</strong> Wünschen unterschei<strong>den</strong> können,das heißt, die Grenzen zwischen »se<strong>in</strong> sollen« <strong>und</strong> »se<strong>in</strong> wollen« noch sehr unscharfs<strong>in</strong>d (Kranz 2005).Umsetzung <strong>in</strong> die pädagogische PraxisDas Selbstkonzept entwickelt sich durch wiederholte Interaktion mit (Bezugs-)Personenüber e<strong>in</strong>en langen Zeitraum h<strong>in</strong>weg. Da Eltern, Tagespflegepersonen <strong>und</strong>pädagogische Fachkräfte meist die ersten <strong>und</strong> wichtigsten Menschen im Leben desK<strong>in</strong>des s<strong>in</strong>d, ist es wesentlich, dass sie sich dem E<strong>in</strong>fluss ihrer eigenen Verhaltensweisenauf die Entwicklung des k<strong>in</strong>dlichen Selbstkonzepts bewusst s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> diesenProzess fortwährend reflektieren.106


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem positiven Selbstkonzept stärkeniUnbed<strong>in</strong>gte positive Wertschätzung entgegenbr<strong>in</strong>genDem K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e unbed<strong>in</strong>gte positive Wertschätzung (Rogers 1987) entgegenzubr<strong>in</strong>gen,hat zahlreiche positive Auswirkungen für das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die pädagogische Interaktion(Joseph 1994):• Positive Wertschätzung gibt dem K<strong>in</strong>d das Gefühl, geliebt <strong>und</strong> wertvoll zu se<strong>in</strong>.• Wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d geliebt wird – unabhängig <strong>von</strong> dem, was es tut oder leistet –, hates weniger Gr<strong>und</strong>, negative Bewertungen oder Fehler zu befürchten.• Bed<strong>in</strong>gungslose Liebe <strong>und</strong> Wertschätzung stellen e<strong>in</strong>en Schutzfaktor dar.Diese Haltung gibt <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> das Gefühl, dass sie alle<strong>in</strong> aufgr<strong>und</strong> ihrer Existenz <strong>und</strong><strong>in</strong>dividuellen Persönlichkeit geliebt <strong>und</strong> geschätzt wer<strong>den</strong>. Unbed<strong>in</strong>gte positiveWertschätzung benötigt jeder Mensch <strong>von</strong> m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Person zu jedem Zeitpunkt<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben (Rogers 1987).Damit das K<strong>in</strong>d unbed<strong>in</strong>gte positive Wertschätzung empf<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>und</strong> erfahren kann,ist die Qualität der geme<strong>in</strong>sam verbrachten Zeit entschei<strong>den</strong>d. Wichtig ist, daraufzu achten, <strong>in</strong> Spiel- <strong>und</strong> Kommunikationssituationen dem K<strong>in</strong>d vollkommene Aufmerksamkeitzu schenken. Bereits bei sehr kle<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> können <strong>in</strong>tensives Interesse<strong>und</strong> Wertschätzung gegenüber ihren Tätigkeiten, Aktivitäten <strong>und</strong> Lei<strong>den</strong>schaftensignalisiert wer<strong>den</strong>.Die Basis des Arbeitsmodells für das Selbstkonzept besteht aus zwei wesentlichenGlaubensmustern auf Seiten des K<strong>in</strong>des (Abid<strong>in</strong> 1996):• »Ich b<strong>in</strong> wertvoll, ich b<strong>in</strong> liebenswert.«• »Ich b<strong>in</strong> kompetent, ich b<strong>in</strong> verantwortungsbewusst.«Diese bei<strong>den</strong> Komponenten s<strong>in</strong>d gr<strong>und</strong>legende Bauste<strong>in</strong>e für e<strong>in</strong>e erfolgreicheErwachsenen-K<strong>in</strong>d-Beziehung. Sie bewirken konstruktive Interaktionen, die wiederumfür die Entwicklung e<strong>in</strong>es positiven Selbstkonzepts des K<strong>in</strong>des gr<strong>und</strong>legend s<strong>in</strong>d.E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das sich als wertvoll, liebenswert <strong>und</strong> kompetent erlebt, ist da<strong>von</strong> überzeugt,über genügend Kompetenzen, Wissen oder Erfahrungen zu verfügen, um mitPersonen, Aufgaben <strong>und</strong> Situationen <strong>in</strong> angemessener Weise umzugehen.E<strong>in</strong>ige Beispiele: Positive Wertschätzung signalisierenHier wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>ige praktische Anregungen aufgelistet, die dazu dienen können, <strong>den</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> positive Wertschätzung zu signalisieren:• e<strong>in</strong> Fotoalbum anfertigen,• <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Lerngeschichten dokumentieren,• mit <strong>den</strong> Kunstwerken der K<strong>in</strong>der wertschätzend umgehen,• Geschichten vom K<strong>in</strong>d erzählen,107


Das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kompetenzen im Mittelpunkt• Videoaufnahmen der K<strong>in</strong>der machen <strong>und</strong> diese zusammen mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ansehen,• Kalender mit Bildern <strong>von</strong> <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> anfertigen (Brandl & Dal Cero, <strong>in</strong> Druck).RFragen zur Reflexion• Fühle ich mich selbst als wertvolle/liebenswerte <strong>und</strong> kompetente/verantwortungsbewusstePerson?• Inwiefern wirkt sich me<strong>in</strong> Selbstkonzept auf das alltägliche pädagogische <strong>Bildung</strong>s-<strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>sgeschehen aus?• Tragen die Aktivitäten, Projekte, Aktionen etc., die ich anbiete, zur Entwicklung<strong>und</strong> Stärkung e<strong>in</strong>es positiven Selbstkonzepts bei? Geben diese dem K<strong>in</strong>d dasGefühl, wertvoll <strong>und</strong> liebenswert zu se<strong>in</strong>?• Biete ich <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ausreichend Gelegenheiten an, die es ihnen ermöglichen,stolz auf ihre Leistungen <strong>und</strong> Kompetenzen, ihre Kultur <strong>und</strong> Herkunft zu se<strong>in</strong>?• Inwiefern nehmen me<strong>in</strong>e verbalen <strong>und</strong> nonverbalen Verhaltensweisen E<strong>in</strong>fluss aufdie Entwicklung des k<strong>in</strong>dlichen Selbstkonzepts?• Wie unterstütze <strong>und</strong> ermutige ich die K<strong>in</strong>der, Selbstvertrauen zu entwickeln <strong>und</strong>Neues auszuprobieren?• Wann br<strong>in</strong>ge ich <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Vertrauen <strong>in</strong> ihre Kompetenzen entgegen?• Wie gehe ich auf K<strong>in</strong>der mit ger<strong>in</strong>gem Selbstvertrauen e<strong>in</strong>?• Br<strong>in</strong>ge ich allen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> unbed<strong>in</strong>gte positive Wertschätzung entgegen?• Sorge ich dafür, dass die K<strong>in</strong>der genügend Zeit haben, um e<strong>in</strong>e selbst gewählteTätigkeit – etwa sich selbst anzuziehen – auch zu Ende zu br<strong>in</strong>gen?• Ertappe ich mich manchmal dabei, über die K<strong>in</strong>der h<strong>in</strong>weg, anstatt mit ihnen zusprechen?E<strong>in</strong> Beispiel: <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> die Möglichkeit geben, sich selbst im Mite<strong>in</strong>ander zu erlebenWas dies konkret bedeutet, lässt sich am besten anhand e<strong>in</strong>es Praxisbeispiels aufzeigen.Wie werde ich groß? – Hannahs KörpererfahrungDas Krippenk<strong>in</strong>d Hannah steht heute im Mittelpunkt e<strong>in</strong>es Projekts zum Thema»Me<strong>in</strong> Körper – K<strong>in</strong>der stark machen«. Hannah darf sich <strong>in</strong> die Mitte e<strong>in</strong>es großenBogen Papiers legen. Die anderen K<strong>in</strong>der malen mit Buntstiften die Umrisse ihresKörpers nach. Die pädagogische Fachkraft steht dabei unterstützend zur Seite, hilftzum Beispiel beim Umkreisen der F<strong>in</strong>ger. Anschließend malen die K<strong>in</strong>der das Körperbildaus.Bevor es aufgehängt wird, betrachtet die pädagogische Fachkraft zusammen mit <strong>den</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> das entstan<strong>den</strong>e Bild <strong>und</strong> moderiert es sprachlich: »Ja, genau; das s<strong>in</strong>d die108


K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrem positiven Selbstkonzept stärkenAugen <strong>von</strong> der Hannah.« Hannah steht dabei voller Stolz neben ihrem Bild <strong>und</strong>genießt die Aufmerksamkeit <strong>und</strong> die Wertschätzung, die ihr die anderen K<strong>in</strong>der <strong>und</strong>die pädagogische Fachkraft entgegenbr<strong>in</strong>gen.(In Anlehnung an »Future Kids«, 2009 – weitere Ausführungen zu diesem Projekt f<strong>in</strong><strong>den</strong>sich im Kapitel 3.4)109


Teil 3:Schlüsselprozesseguter <strong>Bildung</strong>


3.1 <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>spartnerschaftmit Eltern gestalten»Partnerschaft muss wachsen (…). Damit sie sich entwickelt, müssen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> Eltern mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong>s Tun kommen. Erlebtes schafft e<strong>in</strong>e andere Qualitätder Geme<strong>in</strong>schaft. Partnerschaftliches Mite<strong>in</strong>ander stellt da, wo es gel<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>eBereicherung für das Zusammenleben mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> dar« (Junge 1998, S. 6).<strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong> fangen <strong>in</strong> der Familie an. Die Familie ist der erste, umfassendste,am längsten <strong>und</strong> stärksten wirkende, e<strong>in</strong>zig private <strong>Bildung</strong>sort <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>– <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren der wichtigste. K<strong>in</strong>der erwerben <strong>in</strong> ihrer FamilieKompetenzen, E<strong>in</strong>stellungen <strong>und</strong> Werteorientierungen, die für ihren weiteren <strong>Bildung</strong>swegbedeutsam <strong>und</strong> entschei<strong>den</strong>d s<strong>in</strong>d. Eltern s<strong>in</strong>d »Experten« für ihre K<strong>in</strong>der,deren Wissen über ihr K<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong>e Ressourcen <strong>und</strong> (Vor-)Erfahrungen für pädagogischeFachkräfte <strong>und</strong> Tagespflegepersonen äußerst gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend se<strong>in</strong> kann. Seit E<strong>in</strong>führungder (neueren) <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spläne wird der herkömmliche Begriff der»Elternarbeit« durch das moderne Konzept der »<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaftmit Eltern« abgelöst, welches e<strong>in</strong>e andere Qualität der Mitwirkung <strong>und</strong> Kommunikation<strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>en Wechsel zu echter Kooperation <strong>und</strong> zu mehr Dialog mit<strong>den</strong> Eltern be<strong>in</strong>haltet (Reichert-Garschhammer 2009). Gleichzeitig wurde damit auche<strong>in</strong> Paradigmenwechsel impliziert: Weg <strong>von</strong> der Arbeit mit Eltern als »Konsumenten«<strong>von</strong> Dienstleistungen, h<strong>in</strong> zur »Zusammenarbeit als gleichwertige <strong>und</strong> gleichberechtigtePartner« bei der <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong> des K<strong>in</strong>des (Textor 2006, S. 12).<strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong> wer<strong>den</strong> hier als geme<strong>in</strong>same Aufgabe <strong>von</strong> allen Personen verstan<strong>den</strong>,die das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Entwicklung begleiten. Das Wohlergehendes K<strong>in</strong>des steht dabei im Mittelpunkt des <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>sgeschehens<strong>und</strong> des Dialogs zwischen Eltern, pädagogischen Fachkräften <strong>und</strong> Tagespflegepersonen.So kann e<strong>in</strong>e <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft entstehen, bei der sich dieFamilie <strong>und</strong> die K<strong>in</strong>dertagse<strong>in</strong>richtung bzw. die K<strong>in</strong>dertagespflege füre<strong>in</strong>ander öffnen<strong>und</strong> sich mit Vertrauen <strong>und</strong> Wertschätzung, Transparenz, Dialog <strong>und</strong> Offenheit begegnen.Eltern wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> dieser Partnerschaft dazu e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>, ihre Kompetenzen, Ressourcen<strong>und</strong> Fähigkeiten aktiv e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen – <strong>von</strong> Beg<strong>in</strong>n an <strong>und</strong> nicht nur <strong>in</strong> Situationen,<strong>in</strong> <strong>den</strong>en es Anzeichen <strong>von</strong> Entwicklungsrisiken gibt.Dieses Vorgehen führt sukzessive zu e<strong>in</strong>er Entlastung <strong>in</strong> der pädagogischen Arbeit,da Eltern, pädagogische Fachkräfte <strong>und</strong> Tagespflegepersonen <strong>Bildung</strong>sangebote geme<strong>in</strong>samplanen <strong>und</strong> durchführen. Zudem können Eltern angeregt wer<strong>den</strong>, die Themenaus der E<strong>in</strong>richtung/K<strong>in</strong>dertagespflege auch zu Hause aufzugreifen <strong>und</strong> weiter112


<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft mit Eltern gestaltenzu vertiefen (Niesel & Wertfe<strong>in</strong> 2009). Auch <strong>Erziehung</strong>svorstellungen wer<strong>den</strong> mite<strong>in</strong>anderausgetauscht, diskutiert <strong>und</strong> immer wieder neu ausgehandelt.E<strong>in</strong>e gute Kooperation <strong>und</strong> e<strong>in</strong> partnerschaftliches Mite<strong>in</strong>ander setzt auch immer dieReflexion der eigenen Gr<strong>und</strong>haltung voraus. Indem sich pädagogische Fachkräfte <strong>und</strong>Tagespflegepersonen kritisch mit <strong>den</strong> eigenen Werten <strong>und</strong> Normen ause<strong>in</strong>andersetzen,können sie vorurteilsfrei auf andere Menschen, speziell auf die K<strong>in</strong>der <strong>und</strong>deren Eltern, zugehen (Ostermeyer 2008). Durch die Berücksichtigung <strong>und</strong> Wertschätzungunterschiedlicher Interessen, Werteorientierungen, Gewohnheiten <strong>und</strong> E<strong>in</strong>stellungen,zum Beispiel <strong>von</strong> Familien mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> oder sozial benachteiligtenFamilien, können pädagogische Angebote bedürfnisgerecht <strong>und</strong> zielgruppenorientiertgestaltet wer<strong>den</strong>.E<strong>in</strong> praxisorientierter Überblick über die Beteiligung <strong>von</strong> Familien <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtungf<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> der Elternbroschüre »<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft zwischenEltern <strong>und</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen« (Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit<strong>und</strong> Sozialordnung, Familie <strong>und</strong> Frauen & Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik 2009).Besonders wichtig:<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft mit Eltern <strong>von</strong> jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Für Eltern ist der Beg<strong>in</strong>n der außerfamiliären <strong>Bildung</strong>, <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Betreuung</strong>, seies <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung oder <strong>in</strong> der Tagespflege, e<strong>in</strong> wichtiger <strong>und</strong> aufregenderSchritt, der zum Teil auch durch Ängste <strong>und</strong> Unsicherheit begleitet ist. H<strong>in</strong>zutritt die Sorge, dass sich die (sichere) Eltern-K<strong>in</strong>d-B<strong>in</strong>dung durch <strong>den</strong> E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> dieaußerfamiliäre <strong>Betreuung</strong> negativ verändern könnte. Lieselotte Ahnert <strong>und</strong> MaikeGappa (2008) können diese Sorge jedoch entschärfen bzw. als unbegründet zurückweisen.So ist es der Regelfall (gerade für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren), dassdie Eltern, auch nach E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die außerfamiliäre <strong>Betreuung</strong>, die zentralen Bezugspersonenfür das K<strong>in</strong>d bleiben. Umgekehrt gilt: »Wenn Beziehungen <strong>in</strong> der Krippe<strong>von</strong> hoher Qualität entstehen, s<strong>in</strong>d Eltern gut beraten, ke<strong>in</strong>e Eifersucht zu entwickeln113


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>iWie kann e<strong>in</strong>e erfolgreiche <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>spartnerschaft gel<strong>in</strong>gen?E<strong>in</strong>e erfolgreiche <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft umfasst – nach <strong>den</strong> Ausführungendes Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splans – sieben Zieldimensionen,für deren praktische Umsetzung die pädagogischen Fachkräfte bzw. Tagespflegepersonen<strong>und</strong> Eltern geme<strong>in</strong>sam verantwortlich s<strong>in</strong>d (vgl. BayBEP 2007, S. 439f.;Reichert-Garschhammer 2009, S. 16f.). Die nachstehen<strong>den</strong> Praxisbeispiele gebenhierfür erste Anhaltspunkte; e<strong>in</strong>e detaillierte <strong>und</strong> anschauliche Beschreibung dervielfältigen Möglichkeiten, wie Eltern aktiv mite<strong>in</strong>bezogen wer<strong>den</strong> können, enthältdie oben genannte Elternbroschüre (Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit <strong>und</strong>Sozialordnung, Familie <strong>und</strong> Frauen & Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik 2009).Geme<strong>in</strong>sam Übergänge gestaltenDer Übergang e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> die Tagese<strong>in</strong>richtung bzw. Tagespflege bietet idealeBed<strong>in</strong>gungen, e<strong>in</strong>e gute, <strong>von</strong> gegenseitiger Akzeptanz <strong>und</strong> Wertschätzung getrageneBeziehung aufzubauen (siehe auch Kapitel 3.2).Zu Beg<strong>in</strong>n des Übergangs ist es zentral, viel Transparenz über <strong>den</strong> Ablauf des Übergangsherzustellen <strong>und</strong> vieles über das K<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong> Lebensumfeld, se<strong>in</strong>e Gewohnheiten<strong>und</strong> se<strong>in</strong> Temperament zu erfahren. Im Übergang <strong>und</strong> danach wird es vorallem darum gehen, wie das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die Familie <strong>den</strong> Übergang bewältigen. Vongroßer Wichtigkeit ist auch, geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Eltern zu reflektieren, wann <strong>und</strong>ob die Übergangsphase abgeschlossen ist, unter Berücksichtigung der vom K<strong>in</strong>dgeäußerten Bedürfnisse (vgl. Kapitel 3.3).Sich gegenseitig <strong>in</strong>formieren <strong>und</strong> mite<strong>in</strong>ander austauschenSich gegenseitig über das K<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong>e Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse <strong>und</strong> se<strong>in</strong>(Lebens-)Umfeld auszutauschen ist e<strong>in</strong>es der wichtigsten Ziele der <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><strong>Erziehung</strong>spartnerschaft. Regelmäßige Angebote (wie zum Beispiel Entwicklungsgespräche,Elternabende, Veröffentlichung der E<strong>in</strong>richtungskonzeption) s<strong>in</strong>d dabeigenau so wichtig wie die anlassbezogenen Maßnahmen (zum Beispiel Tür-<strong>und</strong>-Angel-Gespräche, Informationsveranstaltungen zu Projekten, Gespräche, wenn sichwichtige D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> der Familie des K<strong>in</strong>des verändern). Themen, bei <strong>den</strong>en der persönlicheAustausch wichtig ist, sollten immer im persönlichen Kontakt besprochenwer<strong>den</strong>. Wenn jedoch eher der Informationsaspekt im Vordergr<strong>und</strong> steht (zum Beispielwie lange hat das K<strong>in</strong>d Mittagsschlaf gemacht, wann f<strong>in</strong><strong>den</strong> welche Projektestatt, welches Mittagessen gab es), kann e<strong>in</strong>e geeignete Dokumentationsform gutTransparenz für die Eltern herstellen <strong>und</strong> so auch die Fachkräfte entlasten.Elternkompetenzen stärkenIn Deutschland gibt es e<strong>in</strong>e große Anzahl an Elterntra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs <strong>und</strong> Präventivangeboten,die darauf abzielen, verschie<strong>den</strong>e elterliche Kompetenzen zu stärken. Sehr114


<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft mit Eltern gestaltenviele Eltern wünschen sich solche Angebote <strong>und</strong> fühlen sich nicht <strong>in</strong> allen Bereichender <strong>Bildung</strong>, <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Betreuung</strong> ihrer K<strong>in</strong>der so sicher, wie sie es gerne wären(Becker-Stoll, Berkic & Sp<strong>in</strong>dler 2009). Doch leider wird durch die herkömmlichenAnbieter wie Volkshochschulen oder Familienbildungsstätten meist nur e<strong>in</strong> bestimmterTeil der Familien erreicht. Wer<strong>den</strong> Angebote zur Stärkung der Elternkompetenzen<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen gemacht, kann die Bereitschaft zur Teilnahme wesentlichsteigen (vgl. Textor 2009).Hier bieten sich zum Beispiel Themennachmittage/-abende an, bei <strong>den</strong>en Eltern,Fachkräfte <strong>und</strong> möglicherweise auch externe Referent<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Referenten geme<strong>in</strong>same<strong>in</strong> Thema erarbeiten. Dabei bieten sich ganz unterschiedliche Themen an (zumBeispiel »Spielen <strong>und</strong> Lernen«, »Resilienz – wie kann ich me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d stark machen?«,»Ges<strong>und</strong>e Ernährung – was Babys <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der gerne essen«, »Erste Hilfekurs fürK<strong>in</strong>der«, »Grenzen setzen«). Wichtig ist, die Eltern bei der Themenf<strong>in</strong>dung, Gestaltungder Veranstaltungen <strong>und</strong> auch Nachbereitung aktiv e<strong>in</strong>zubeziehen.Bei Anzeichen <strong>von</strong> Entwicklungsrisiken des K<strong>in</strong>des beraten <strong>und</strong> Fachdienste vermittelnWenn Anzeichen <strong>von</strong> Entwicklungsrisiken vorliegen, stehen Fachkräfte <strong>und</strong> Tagespflegepersonen<strong>in</strong> der Verantwortung, mit <strong>den</strong> Eltern darüber zu sprechen <strong>und</strong> siebei der Kontaktaufnahme mit Fachdiensten, K<strong>in</strong>derärzten o.a. zu unterstützen.Mitarbeit <strong>von</strong> Eltern – Mütter <strong>und</strong> Väter <strong>in</strong>s aktuelle <strong>Bildung</strong>sgeschehen aktive<strong>in</strong>beziehenGanzheitliche <strong>und</strong> nachhaltige <strong>Bildung</strong>sprozesse en<strong>den</strong> nicht bei der Übergabe desK<strong>in</strong>des an die Eltern. K<strong>in</strong>der wollen das, was sie <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung begonnen haben,auch mit ihren wichtigsten Bezugspersonen weiterführen <strong>und</strong> weiterentwickeln. E<strong>in</strong>eechte <strong>Bildung</strong>spartnerschaft bedeutet zum Beispiel Hospitationsmöglichkeiten fürEltern anzubieten, Projektnachmittage zu gestalten, bei <strong>den</strong> sich Eltern mit ihren<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>em Thema widmen, oder Eltern aktiv <strong>in</strong> Projekte e<strong>in</strong>zubeziehen.Beteiligung, Mitwirkung <strong>und</strong> Mitverantwortung <strong>und</strong> sichernEltern haben das Recht, sich zu beteiligen, Ideen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> gehört zu wer<strong>den</strong>.Eltern können sich auf unterschiedliche Art e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen wie zum Beispiel durchregelmäßige Elternbefragungen, im Elternbeirat, aber auch durch neuere Formenwie zum Beispiel Eltern-Aktiv-Gruppen.E<strong>in</strong>richtung zum K<strong>in</strong>der- <strong>und</strong> Familienzentrum ausbauenDie K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung bietet sich als idealer Knotenpunkt für vielfältige Angebotefür K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Familien (Elternberatung, Elterncafé, Elternkompetenztra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsusw.) unter e<strong>in</strong>em Dach an. Dies kann natürlich nicht alle<strong>in</strong> <strong>von</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtunggeleistet wer<strong>den</strong>, sondern nur <strong>in</strong> enger Kooperation mit mehrerenlokalen Partnern wie zum Beispiel Beratungsstellen, K<strong>in</strong>derärzten, Hebammen,Volkshochschulen.115


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong><strong>und</strong> die Beziehung ihres K<strong>in</strong>des nicht als Konkurrenz anzusehen. Wird die Beziehungzur Erzieher<strong>in</strong> geschätzt, kann das K<strong>in</strong>d ohne Loyalitätskonflikte <strong>von</strong> diesen zusätzlichenErfahrungen profitieren <strong>und</strong> <strong>den</strong> regelmäßigen Wechsel zwischen Familien<strong>und</strong>Krippenbetreuung besser verkraften« (Ahnert & Gappa 2008, S. 92). Wichtig istes daher, <strong>von</strong> Anfang an e<strong>in</strong>e vertrauensvolle <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaftmit <strong>den</strong> Eltern aufzubauen, <strong>und</strong> ihnen viel Transparenz <strong>und</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die pädagogischeArbeit <strong>und</strong> <strong>in</strong> das pädagogische Alltagsgeschehen zu geben.K<strong>in</strong>der bis drei Jahre können ihren Eltern oft noch nicht sprachlich über ihren Alltag<strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung bzw. K<strong>in</strong>dertagespflege berichten <strong>und</strong> noch nicht diePerspektive der Eltern übernehmen. Sie wissen also nicht, dass die Eltern, wenn sienicht bei ihnen s<strong>in</strong>d, auch nicht erfahren, was sie <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungerlebt haben. Über e<strong>in</strong>e geeignete Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation des Tages (vgl.Kapitel 3.5) <strong>und</strong> regelmäßige, möglichst tägliche, kurze Gespräche über aktuelle Vorkommnisse<strong>und</strong> Entwicklungsschritte des K<strong>in</strong>des (Tür-<strong>und</strong>-Angel-Gespräche) fühlensich Eltern <strong>von</strong> Anfang an <strong>in</strong> das <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>sgeschehen <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung/K<strong>in</strong>dertagespflegee<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. Darüber h<strong>in</strong>aus erhalten die Elternüber unterschiedliche Mitwirkungs- <strong>und</strong> Beteiligungsformen Gelegenheit, <strong>den</strong> pädagogischenAlltag <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung mitzuerleben <strong>und</strong> auch mitzugestalten.RFragen zur Reflexion• Wie erlebe ich die <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft mit Eltern?• Wobei fühle ich mich besonders wohl? Wobei nicht?• Erlebe ich mich <strong>und</strong> die Eltern als Partner auf gleicher Augenhöhe oder gibt ese<strong>in</strong> »Gefälle«?• Kann ich die Eltern als Experten für ihre K<strong>in</strong>der akzeptieren <strong>und</strong> kann ich diesesWissen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Arbeit mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nützen?• Gel<strong>in</strong>gt es mir, geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Eltern über das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Dialog zukommen?• Fühlen sich die Eltern <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung wohl?• Wie viel E<strong>in</strong>blick habe ich <strong>in</strong> die Familiensituation der K<strong>in</strong>der?• Was fördert <strong>und</strong> was hemmt die Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Eltern?• Welche Kooperationsformen bevorzugen die Eltern?• Entsprechen die Aktivitäten <strong>den</strong> Bedürfnissen <strong>und</strong> Wünschen der Eltern?• Können die Eltern am Alltag der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung <strong>und</strong> an <strong>den</strong> Angebotenmitwirken?• Wie verläuft me<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit dem Elternbeirat?• Erreichen wir alle Eltern – also auch zum Beispiel die Familien der K<strong>in</strong>der mitMigrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> oder <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mit Beh<strong>in</strong>derungen?• Wie gehe ich mit kritischen Situationen um? Wie gel<strong>in</strong>gt es mir, die Eltern e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>,wenn K<strong>in</strong>der Auffälligkeiten <strong>in</strong> ihrer Entwicklung zeigen?116


3.2 Übergänge moderieren<strong>und</strong> bewältigenDer Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan beleuchtet Übergänge im <strong>Bildung</strong>ssystemaus e<strong>in</strong>er neuen Perspektive <strong>und</strong> sieht sie mehr als Chance <strong>den</strong>n als Krise. Übergangsphasenwer<strong>den</strong> als Phasen beschleunigten Lernens <strong>und</strong> beschleunigter Entwicklunggewürdigt. Alle daran beteiligten Personen, also K<strong>in</strong>der, deren Familien, aber auchdie Fachkräfte <strong>in</strong> <strong>den</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> Tagespflegepersonen können <strong>den</strong> Prozessaktiv bee<strong>in</strong>flussen <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Interaktion zum Gel<strong>in</strong>gen des Übergangs beitragen.Die Transitionsforschung hat gezeigt, dass frühe Übergänge besonders wichtig s<strong>in</strong>d:K<strong>in</strong>der, die zum Beispiel <strong>den</strong> ersten Übergang <strong>von</strong> der Familie <strong>in</strong> die Tagespflegeoder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung erfolgreich bewältigt haben, erwerben dabeivielfältige Kompetenzen <strong>und</strong> Selbstvertrauen, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en sie <strong>in</strong> späteren Übergängenstark profitieren können (Griebel & Niesel 2004). Je besser der erste Übergang vomK<strong>in</strong>d bewältigt wird, desto leichter verlaufen auch die folgen<strong>den</strong> Transitionen – zumBeispiel <strong>in</strong> <strong>den</strong> K<strong>in</strong>dergarten. Deshalb wird dieser Übergang <strong>von</strong> Wissenschaft <strong>und</strong>Praxis als wichtige zentrale Schlüsselsituation der frühk<strong>in</strong>dlichen <strong>Bildung</strong>, <strong>Erziehung</strong><strong>und</strong> <strong>Betreuung</strong> bezeichnet.Welche wichtige Rolle der Familie beim Übergang des K<strong>in</strong>des zukommt, beschreibtW. E. Fthenakis (1989): Familiäre Faktoren wie emotionale Ausgeglichenheit derEltern, Partnerschaftsqualität, sozioökonomischer Status, Zufrie<strong>den</strong>heit mit dereigenen beruflichen Situation <strong>und</strong> Zufrie<strong>den</strong>heit mit <strong>den</strong> sozialen Unterstützungssystemens<strong>in</strong>d wichtige Variablen, die bee<strong>in</strong>flussen können, wie gut e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d sich<strong>in</strong> der neuen Situation zurechtf<strong>in</strong>det <strong>und</strong> da<strong>von</strong> profitiert. Wenn e<strong>in</strong>zelnen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>der Übergang sehr schwer zu fallen sche<strong>in</strong>t, können auch familiäre Probleme (zumBeispiel Partnerschaftskonflikte <strong>und</strong> hoher familiärer Stress) e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> dafür se<strong>in</strong>.In solchen Fällen empfiehlt es sich, sehr sensibel das Gespräch mit <strong>den</strong> Eltern zusuchen <strong>und</strong> im Dialog das weitere <strong>in</strong>dividuelle Vorgehen für das jeweilige K<strong>in</strong>d zuentwickeln.E<strong>in</strong>en Übergang zu bewältigen bedeutet für junge K<strong>in</strong>der, viele unterschiedlicheHerausforderungen zu meistern (ausführliche Beschreibung vgl. Griebel & Niesel 2004).Dazu gehören:• Sicherheit darüber zu gew<strong>in</strong>nen, dass sich die Beziehung zu <strong>den</strong> Eltern nicht verändert<strong>und</strong> die Eltern immer wiederkommen;• neue <strong>und</strong> tragfähige Beziehungen zu <strong>den</strong> Fachkräften/Tagespflegepersonen aufzubauen;117


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>• neue Beziehungen zu anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aufzubauen;• starke Emotionen zu bewältigen (zum Beispiel Trennungsschmerz);• sich auf e<strong>in</strong>e neue Umgebung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en neuen Tagesablauf e<strong>in</strong>zustellen.Auch die Eltern <strong>und</strong> die Geschwister des neu aufgenommenen K<strong>in</strong>des bewältigene<strong>in</strong>e Transition. Für die Eltern bedeutet dies:• sich erstmals für längere Zeit vom K<strong>in</strong>d zu lösen;• e<strong>in</strong>e vertrauensvolle <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>spartnerschaft zur Fachkraft/Tagespflegepersonaufzubauen;• die Beziehung zum eigenen K<strong>in</strong>d weiterzuentwickeln;• e<strong>in</strong> positives Selbstbild als Eltern, deren K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Tagese<strong>in</strong>richtung besucht oderzu e<strong>in</strong>er Tagespflegeperson geht, zu entwickeln;• <strong>den</strong> eigenen Übergang – zum Beispiel Rückkehr <strong>in</strong> <strong>den</strong> Beruf – zu bewältigen.Für die Fachkräfte <strong>in</strong> <strong>den</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> Tagespflegepersonen bedeutet dies:• e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Partnerschaft mit <strong>den</strong> Eltern des K<strong>in</strong>des aufzubauen;• e<strong>in</strong>e tragfähige Beziehung zum K<strong>in</strong>d aufzubauen;• das K<strong>in</strong>d bei der Bewältigung des Übergangs sensibel zu unterstützen;• <strong>den</strong> gesamten Übergangsprozess des K<strong>in</strong>des <strong>in</strong>tensiv zu beobachten, zu dokumentieren<strong>und</strong> im Team <strong>und</strong> mit <strong>den</strong> Eltern zu reflektieren.118


Übergänge moderieren <strong>und</strong> bewältigeni Die E<strong>in</strong>gewöhnung <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>derkrippe – e<strong>in</strong>e besonders wichtigePhase für die K<strong>in</strong>der, Eltern <strong>und</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen(aus BayBEP, S. 112-113, <strong>in</strong> Anlehnung an die Rahmenkonzeption für K<strong>in</strong>derkrippender Landeshauptstadt München <strong>in</strong> der Fassung <strong>von</strong> 2002)Vorbereitung der E<strong>in</strong>gewöhnungDirekt nach der Zusage für e<strong>in</strong>en Platz wer<strong>den</strong> die Eltern über die Bedeutung derE<strong>in</strong>gewöhnungsgestaltung <strong>in</strong>formiert. Die Erzieher<strong>in</strong>, die während der E<strong>in</strong>gewöhnungdie wichtigste Bezugsperson für K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Eltern se<strong>in</strong> wird, lädt zu erstenGesprächen e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en die Eltern über Vorlieben <strong>und</strong> Stärken des K<strong>in</strong>des sowieüber die eigenen pädagogischen Vorstellungen berichten, die gewünschten Informationene<strong>in</strong>holen, aber auch ihre Sorgen <strong>und</strong> Ängste äußern können. Für die E<strong>in</strong>gewöhnungszeitwer<strong>den</strong> klare Absprachen getroffen.Mutter oder Vater begleiten das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>derkrippeFür die erste Zeit <strong>in</strong> der Gruppe wird e<strong>in</strong> relativ ruhiger Zeitraum ausgesucht. DenErwachsenen wer<strong>den</strong> Empfehlungen ausgesprochen, wie sie dem K<strong>in</strong>d die E<strong>in</strong>gewöhnungerleichtern können. Das K<strong>in</strong>d kann sich nach eigenem Wunsch im Raum bewegen<strong>und</strong> jederzeit zur Mutter zurückkehren, diese kann jederzeit Blickkontakt mit demK<strong>in</strong>d aufnehmen. Das Wickeln <strong>und</strong> Füttern übernimmt die Mutter. Auf diese Weisekann die Erzieher<strong>in</strong> die Gewohnheiten <strong>und</strong> Vorlieben des K<strong>in</strong>des kennen lernen. DieErzieher<strong>in</strong> bietet dem K<strong>in</strong>d Kontakte an, wobei das K<strong>in</strong>d entscheidet, wie viel Nähebzw. Distanz es möchte. Für <strong>den</strong> Zeitraum der Anwesenheit der Mutter <strong>in</strong> der Gruppegibt es ke<strong>in</strong>e feste Regel, fünf Tage sollten aber nicht unterschritten wer<strong>den</strong>.Die erste TrennungDie erste Trennung <strong>von</strong> Mutter oder Vater dauert nicht länger als 10 bis 30 M<strong>in</strong>uten<strong>und</strong> erfolgt erst dann, wenn es dem K<strong>in</strong>d gut geht, es Kontakt zu anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>aufgenommen hat <strong>und</strong> sich bei Beunruhigung oder Schmerz <strong>von</strong> der Erzieher<strong>in</strong> tröstenlässt. Auch die Eltern müssen dafür bereit se<strong>in</strong>. Mutter oder Vater verabschie<strong>den</strong>sich bewusst <strong>und</strong> deutlich. Sie halten sich <strong>in</strong> der Nähe auf, sodass sie jederzeitzurückkehren können, wenn das K<strong>in</strong>d we<strong>in</strong>t <strong>und</strong> sich noch nicht trösten lässt. DieEltern erhalten Gelegenheit darüber zu sprechen, wie sie <strong>den</strong> Tag erlebt haben.H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wachsen <strong>in</strong> <strong>den</strong> KrippenalltagDas K<strong>in</strong>d hat <strong>in</strong>zwischen erfahren, dass es <strong>in</strong> der Krippe willkommen ist, dass es Spielgefährtenhat, <strong>und</strong> es hat zu m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er erwachsenen Person e<strong>in</strong>e Beziehungaufgebaut. Die Zeiten, die das K<strong>in</strong>d ohne Eltern <strong>in</strong> der Krippe verbr<strong>in</strong>gt, wer<strong>den</strong> allmählichausgedehnt. Genau vere<strong>in</strong>barte Br<strong>in</strong>g- <strong>und</strong> Abholzeiten, kle<strong>in</strong>e Rituale im Alltag<strong>und</strong> evtl. e<strong>in</strong> Übergangsobjekt wie e<strong>in</strong> Kuscheltier oder e<strong>in</strong> Tuch helfen dabei. Wichtigist, dass das K<strong>in</strong>d beim Br<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Abholen erlebt, dass sich auch zwischen se<strong>in</strong>enEltern <strong>und</strong> »se<strong>in</strong>er« Erzieher<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Beziehung entwickelt hat. Inder folgen<strong>den</strong> Zeit wer<strong>den</strong> sich Eltern <strong>und</strong> Erzieher<strong>in</strong> immer wieder darüber austauschen,wie es dem K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung <strong>und</strong> zu Hause geht. Die K<strong>in</strong>der erleben nunihren Krippenalltag, der durchaus <strong>von</strong> Stimmungsschwankungen begleitet se<strong>in</strong> kann.119


Übergänge moderieren <strong>und</strong> bewältigenR Fragen zur Reflexion:• Welche Emotionen zeigt das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Trennungssituation?• Welche Gefühle können Sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Mimik <strong>und</strong> Körperhaltung erkennen?• Wirkt das K<strong>in</strong>d verkrampft oder gelöst <strong>und</strong> entspannt?• Welche Gefühle erkennt man an Gesichtsfarbe, Stimmlage <strong>und</strong> anderen körperlichenSignalen des K<strong>in</strong>des?BezugspersonDas K<strong>in</strong>d sucht aktiv die Nähe der Bezugsperson oder der Tagespflegeperson auf(zum Beispiel es krabbelt zu ihr h<strong>in</strong>, wenn es sich wehgetan hat).R Fragen zur Reflexion:• Hat das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e gute, <strong>von</strong> Sicherheit geprägte Beziehung zu se<strong>in</strong>er Bezugsperson(se<strong>in</strong>er Tagespflegeperson, se<strong>in</strong>er Bezugserzieher<strong>in</strong>) aufgebaut?• Sucht das K<strong>in</strong>d aktiv die Nähe dieser Person auf, wenn es emotional gestresstist oder sich wehgetan hat? Lässt sich das K<strong>in</strong>d <strong>von</strong> dieser Person trösten?• Kann das K<strong>in</strong>d es gut verkraften, wenn diese Bezugsperson e<strong>in</strong>mal für e<strong>in</strong>en kurzenoder längeren Zeitraum nicht <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung ist?• Wie sieht die Beziehung des K<strong>in</strong>des zu <strong>den</strong> anderen Fachkräften aus?PflegesituationenWichtige H<strong>in</strong>weise auf <strong>den</strong> Verlauf der E<strong>in</strong>gewöhnung geben auch bestimmte Situationen,<strong>in</strong> <strong>den</strong>en das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Bezugsperson <strong>in</strong> engem 1:1-Kontakt s<strong>in</strong>d. Dieskann zum Beispiel das Wickeln, Füttern, Trösten, Spielen se<strong>in</strong>. Die K<strong>in</strong>der zeigenpositive Gefühle, lachen, kommunizieren (verbal oder nonverbal), wenn sie zumBeispiel <strong>von</strong> ihrer Bezugsperson gewickelt oder gefüttert wer<strong>den</strong>.R Fragen zur Reflexion:• Wie verhält sich das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> solchen Pflegesituationen?• Wirkt es verkrampft oder entspannt? Begibt sich das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en (auch non-verbalen)Dialog mit se<strong>in</strong>er Bezugsperson?Wechsel <strong>von</strong> SituationenIn der Tagese<strong>in</strong>richtung/Tagespflege gibt es häufige Wechsel, zum Beispiel wenn dieK<strong>in</strong>der nach draußen gehen, e<strong>in</strong> Ausflug gemacht wird, e<strong>in</strong> pädagogisches Angebotzu Ende ist <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Freispielphase beg<strong>in</strong>nt. K<strong>in</strong>der, die <strong>den</strong> Übergang schon gutbewältigt haben, können sich bei solchen Wechseln meist leicht zurechtf<strong>in</strong><strong>den</strong>.Wenn K<strong>in</strong>der da<strong>von</strong> noch sehr stark irritiert wer<strong>den</strong>, gilt es, das K<strong>in</strong>d besondersfe<strong>in</strong>fühlig zu beobachten <strong>und</strong> zu unterstützen.R Fragen zur Reflexion:• Wie verhält sich das K<strong>in</strong>d beim Wechsel <strong>von</strong> Situationen?• Kann es sich schnell auf die neue Situation e<strong>in</strong>stellen oder wirkt es irritiert?• Exploriert es?121


3.3 Partizipation der K<strong>in</strong>derermöglichenBeteiligung ist <strong>von</strong> kle<strong>in</strong> auf möglich, das heißt mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> je<strong>den</strong> Alters <strong>und</strong> beiallen sie betreffen<strong>den</strong> Themen. Alter <strong>und</strong> Entwicklungsstand spielen für die Beteiligungsforme<strong>in</strong>e Rolle, nicht h<strong>in</strong>gegen für die Beteiligung als solche. E<strong>in</strong>e auf Dialogbasierende Beteiligung ist nicht auf verbalen Austausch beschränkt. Beobachtung,Interaktion <strong>und</strong> nonverbale Kommunikation s<strong>in</strong>d Teile dieses Dialogs. Je jünger dieK<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d, desto wichtiger s<strong>in</strong>d die fe<strong>in</strong>fühlige Beachtung ihrer ausgesendeten Signale<strong>und</strong> ihrer Körpersprache <strong>und</strong> der Versuch, diese zu verstehen. K<strong>in</strong>der könnenoft mehr, als ihnen die Erwachsenen zutrauen. Bei angemessener Unterstützung s<strong>in</strong>dsie fähig, ihren Lebensalltag bewusst <strong>und</strong> gezielt mitzugestalten. Sie können artikulieren,was sie brauchen <strong>und</strong> was sie beschäftigt; mit zunehmendem Alter äußern sieauf Nachfrage spontan ihre Ideen <strong>und</strong> Vorstellungen, s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> ihren Äußerungenkonkret <strong>und</strong> handlungsorientiert.Der Bayerische <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan streicht daher die Verantwortung derK<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung, aber auch der Tagespflege, heraus, der Partizipation der K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>en hohen Stellenwert <strong>und</strong> festen Platz e<strong>in</strong>zuräumen <strong>und</strong> <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtungskonzeptionzu verankern. E<strong>in</strong>e auf Partizipation grün<strong>den</strong>de <strong>Bildung</strong>spraxis umfasst<strong>in</strong>sbesondere folgende Elemente:• Partizipation im Alltag (zum Beispiel sich <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung frei <strong>und</strong> selbstbestimmtbewegen, Reflexion <strong>von</strong> Lerngeschichten mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, Morgenkreis);• Partizipation an der Planung <strong>und</strong> Durchführung <strong>von</strong> Projekten (zum Beispiel Ause<strong>in</strong>andersetzungmit bestimmten Themen; Umgestaltung der Lernumgebung);• <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Verantwortungsbereiche für Andere übertragen (zum Beispiel Haus- <strong>und</strong>Gruppendienste; Patenschaften für neue K<strong>in</strong>der);• geme<strong>in</strong>sam mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Regeln <strong>und</strong> Grenzen setzen;• die K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung als demokratisch verfasste Geme<strong>in</strong>schaft gestalten;• die <strong>in</strong>nere Öffnung <strong>in</strong> Form der teiloffenen <strong>und</strong> offenen Arbeit als Partizipationskonzept,das <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong> hohes bis sehr hohes Maß an Selbst- <strong>und</strong> Mitbestimmungermöglicht (zum Beispiel Auswahl unter mehreren <strong>Bildung</strong>saktivitäten; Nutzungaller Räume der E<strong>in</strong>richtung während des Freispiels).Partizipation erweist sich als »Kernelement e<strong>in</strong>er zukunftsweisen<strong>den</strong> <strong>Bildung</strong>spraxis«<strong>und</strong> als wesentlicher »Schlüssel zu <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Demokratie« (Hansen, Knauer &Friedrich 2004, S. 52). <strong>Bildung</strong>sprozesse, die K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Erwachsene geme<strong>in</strong>sam planen<strong>und</strong> gestalten, fordern <strong>und</strong> stärken die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrer gesamten Persönlichkeit<strong>und</strong> steigern ihren Lerngew<strong>in</strong>n, <strong>den</strong>n K<strong>in</strong>der br<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>en Reichtum an Ideen <strong>und</strong>122


Partizipation der K<strong>in</strong>der ermöglichenPerspektiven e<strong>in</strong>. Die Beteiligungsmöglichkeiten, die Erwachsene <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>räumen,wer<strong>den</strong> die Entwicklung positiver Haltungen zum Leben <strong>und</strong> Lernen nachhaltigbee<strong>in</strong>flussen.Edeltraud Prokop ist Leiter<strong>in</strong> der Städtischen K<strong>in</strong>derkrippe Felicitas-Füss-Straße <strong>in</strong>München, Truder<strong>in</strong>g. Sie hat <strong>den</strong> Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan bereitsmit ihrer Modelle<strong>in</strong>richtung erprobt. Seit Mai 2009 arbeitet die K<strong>in</strong>derkrippe auch alsKonsultationse<strong>in</strong>richtung. In der E<strong>in</strong>richtung wird Partizipation der K<strong>in</strong>der großgeschrieben.Im folgen<strong>den</strong> Interview gibt die Leiter<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blicke, wie Partizipation <strong>in</strong> <strong>den</strong>ersten Lebensjahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>derkrippe konkret aussehen kann <strong>und</strong> wie sie dasZusammenspiel <strong>von</strong> Partizipation <strong>und</strong> Ko-Konstruktion sieht <strong>und</strong> praktiziert.123


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>iPartizipation <strong>von</strong> Anfang an – Interview mit Edeltraud ProkopPartizipation ist <strong>von</strong> kle<strong>in</strong> auf möglich. Wie sieht Partizipation im Alltag konkretaus, wenn sich K<strong>in</strong>der noch nicht oder kaum sprachlich artikulieren können?Wichtig ist, dass die Räume transparent s<strong>in</strong>d, die K<strong>in</strong>der wissen, wo was passiert<strong>und</strong> der Tagesablauf für sie erkennbar ist. Wenn K<strong>in</strong>der zum Beispiel etwas tr<strong>in</strong>kenwollen, dann wissen sie, ich kann <strong>in</strong> die Küche gehen; wenn Getränke für sie sichtbarbereit stehen, zeigen kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der dort h<strong>in</strong>. Nachhaltig <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung gebliebenist mir e<strong>in</strong> Beispiel, wie sich e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d mitteilen kann, weil es e<strong>in</strong>fach nur dieseTransparenz vorf<strong>in</strong>det: E<strong>in</strong> zehn Monate alter Junge krabbelte <strong>in</strong> die Küche, trank<strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Flasche, zeigte sie uns <strong>und</strong> schüttelte <strong>den</strong> Kopf. Als er bemerkte, dasswir se<strong>in</strong>e Äußerung nicht sofort verstan<strong>den</strong>, krabbelte er zur Schublade mit <strong>den</strong>Saugern. Er wusste, wo wir diese herausholen, weil die K<strong>in</strong>der immer dabei s<strong>in</strong>d,wenn wir ihre Milchflaschen herrichten. Er nahm e<strong>in</strong>en Sauger heraus, <strong>den</strong> wirgegen <strong>den</strong> anderen austauschten. Er trank <strong>und</strong> nickte mit dem Kopf. Als wir uns<strong>den</strong> abgemachten Sauger ansahen, wurde klar, er war verstopft.E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das mit uns flirtet, macht deutlich, dass es sich unterhalten <strong>und</strong> Zuwendungwill, was zugleich e<strong>in</strong> Zeichen für Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong> ist. K<strong>in</strong>der zeigen das mitihrer Mimik <strong>und</strong> Körpersprache. Auch ihr We<strong>in</strong>en ist als Ausdrucksform ernst zu nehmen.Das Wichtigste für K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d fe<strong>in</strong>fühlige Erwachsene, die ihre Signale erkennen.Wenn wir Erwachsene diese nicht erkennen oder zulassen, dann wird e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dirgendwann nicht mehr <strong>den</strong> Versuch machen, sich mitzuteilen. Die Frage »Was trauich dem K<strong>in</strong>d zu?« spielt <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Oft stehenwir Erwachsenen uns bei deren Beantwortung selbst im Weg, weil wir Hypothesenaufstellen, wie: Dafür ist es noch zu kle<strong>in</strong>, das kann es noch nicht. Wichtigist zu überprüfen, ob diese Hypothesen auch stimmen, das heißt sich <strong>und</strong> demK<strong>in</strong>d mehr zuzutrauen <strong>und</strong> im Weiteren mal genau h<strong>in</strong>zuschauen, was passiert.Von Ihnen stammt der Ausspruch: »Partizipation beg<strong>in</strong>nt am Wickeltisch.« Wie kanndie Beteiligung des K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> Wickelsituationen konkret aussehen?Bei uns hat jedes K<strong>in</strong>d, direkt im Wickeltisch <strong>in</strong>tegriert, se<strong>in</strong>e eigene Schublade.Die K<strong>in</strong>der wissen auch, wo ihre Schublade ist, die wir mit dem Schriftzug ihresVornamens markiert haben. Sie kennen schon <strong>den</strong> Schriftduktus, was mich immerwieder überrascht. Gerade vorh<strong>in</strong>, als ich <strong>in</strong>s Bad g<strong>in</strong>g, habe ich e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>jährigenbeobachtet, der jede Schublade aufzog <strong>und</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> schaute, bis er se<strong>in</strong>e Wäscheerkannt hatte. Wir haben auch e<strong>in</strong>e Treppe am Wickeltisch, das heißt, die K<strong>in</strong>derkönnen so selbst h<strong>in</strong>aufsteigen. Meist br<strong>in</strong>gen sie dabei auch ihre W<strong>in</strong>del mit, diesie zuvor aus der Schublade herausgeholt haben. Die K<strong>in</strong>der cremen sich auchselbst e<strong>in</strong>, <strong>und</strong> sie zeigen, ob sie lieber im Stehen gewickelt wer<strong>den</strong> wollen.124


Partizipation der K<strong>in</strong>der ermöglichenPartizipation wird bereits im Rahmen der geme<strong>in</strong>samen Übergangsgestaltung <strong>von</strong>der Familie <strong>in</strong> Ihre E<strong>in</strong>richtung praktiziert. Wie beteiligen Sie auch das K<strong>in</strong>d an diesemProzess?Das Verhalten des K<strong>in</strong>des ist der wichtigste Punkt. Herkömmlich bestimmen wirErwachsene, wann unserer Me<strong>in</strong>ung nach das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>gewöhnt ist. Wenn wirjedoch auf die Signale des K<strong>in</strong>des mehr achten, wird deutlich, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d klarzeigt: Ich will schon <strong>von</strong> me<strong>in</strong>er Mutter weg <strong>und</strong> Kontakt zur Bezugserzieher<strong>in</strong> aufnehmenoder ich will das jetzt noch nicht. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das bei Trennungssituationenwe<strong>in</strong>t <strong>und</strong> sich nicht trösten lässt, sagt, ich b<strong>in</strong> noch nicht bereit, <strong>und</strong> zeigt, mirgeht es nicht gut. Diese Zeichen zu erkennen, hängt <strong>von</strong> uns Erwachsenen ab. DasK<strong>in</strong>d kann nur partizipieren, wenn wir se<strong>in</strong>e Signale wirklich ernst nehmen <strong>und</strong>dadurch se<strong>in</strong>e Mitgestaltung zulassen. Entsprechend beraten wir Eltern, die aufschnelles E<strong>in</strong>gewöhnen drängen, weil ihr Arbeitgeber ruft; wenn sie ihr K<strong>in</strong>d we<strong>in</strong>ensehen <strong>und</strong> wir ihnen erklären, wie wichtig es ist, dass ihr K<strong>in</strong>d die E<strong>in</strong>gewöhnungmitgestalten darf, das überzeugt die Eltern regelmäßig.Sie praktizieren seit e<strong>in</strong>igen Jahren offene Arbeit <strong>in</strong> Ihrer K<strong>in</strong>derkrippe. Was waren dieÜberlegungen für diese Öffnung, vor allem auch im H<strong>in</strong>blick auf mehr Partizipation?Als wir noch re<strong>in</strong> stammgruppenbezogen gearbeitet haben, ist uns irgendwann aufgefallen,dass stets wir bestimmt haben, wann wir zum Beispiel rausgehen, wanne<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>den</strong> Flur darf. Wir haben uns damals viele Fragen gestellt: Wenn e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d mitentschei<strong>den</strong> will, dann muss es auch die Möglichkeit haben, dass es jederzeit<strong>in</strong> <strong>den</strong> Garten gehen <strong>und</strong> andere Räume aufsuchen kann, weil es eher Lust aufdie andere Erzieher<strong>in</strong> hat. <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ist dies verwehrt, wenn sie auf <strong>den</strong> Gruppenraumbeschränkt wer<strong>den</strong>.Durch unsere Öffnung nach <strong>in</strong>nen hat sich bestätigt, dass K<strong>in</strong>der bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenLebensjahren eigenaktiv se<strong>in</strong> können <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Raum gehen, der sie gerade<strong>in</strong>teressiert. Wir merken ganz stark ihre Fähigkeit zur Selbstregulation, dass sie,wenn sie zum Beispiel <strong>in</strong> <strong>den</strong> Garten wollen, zur Garderobe krabbeln bzw. gehen<strong>und</strong> h<strong>in</strong>zeigen. Wenn wir dies registrieren <strong>und</strong> ihnen beim Anziehen helfen, dannfunktioniert Verständigung. K<strong>in</strong>der zeigen, ich will mich woanders h<strong>in</strong> bewegen.Wenn das möglich ist <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen Räumen Erwachsene präsent s<strong>in</strong>d, dann gehtdas sehr gut <strong>und</strong> die K<strong>in</strong>der nützen das unglaublich, wenn ihre Bezugsperson fürsie immer sichtbar bleibt. Wenn ich bemerke, die K<strong>in</strong>der gehen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Garten, dannschauen sie ab <strong>und</strong> zu zur Terrasse oder zum Fenster here<strong>in</strong>, suchen Blickkontakt<strong>und</strong> marschieren wieder los. Und sie haben ja meist noch e<strong>in</strong> bis zwei weitere Personen,die ihnen wichtig s<strong>in</strong>d. Dieses Dase<strong>in</strong>, dieses Wissen, wenn ich rausgehe istda jemand, der mich wahrnimmt, auch dort me<strong>in</strong>e Spiele erkennt <strong>und</strong> mich unterstützt,gibt <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Sicherheit <strong>und</strong> Halt. Zugleich bestimmen die K<strong>in</strong>der ihr125


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>Tempo <strong>und</strong> sie bestimmen auch, mit wem spiele ich <strong>und</strong> welche Pädagog<strong>in</strong> tut mirjetzt gerade gut.Wir haben Tages- <strong>und</strong> Wochenrituale. Das ist für kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der wichtig. Sie könnensich merken, wenn es ganzjährig diese Wiederholungen gibt, <strong>und</strong> sie können dieseRituale dann auch <strong>den</strong> zuständigen Personen zuordnen, weil diese Verlässlichkeitda ist. K<strong>in</strong>der br<strong>in</strong>gen bei uns zum Beispiel die Patrizia mit Musik <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungoder die Bett<strong>in</strong>a mit der Werkstatt. Auf diese Weise können sich K<strong>in</strong>der gut orientieren.Welche weiteren Vorkehrungen haben Sie getroffen, um <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstendrei Jahren möglichst viel Mitsprache bei der Gestaltung ihrer <strong>Bildung</strong>sprozesse zuermöglichen?All unsere Vorkehrungen haben wir uns erarbeitet, weil wir die K<strong>in</strong>der laufendbeobachtet <strong>und</strong> die unseren gesetzten Strukturen zugr<strong>und</strong>e liegen<strong>den</strong> Hypothesenimmer wieder überprüft haben. Viele unserer Hypothesen haben nicht gestimmt. Sodachten wir zum Beispiel, dass die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> dem großen Haus e<strong>in</strong>en ruhigen Platzbrauchen, e<strong>in</strong>e Kuschelecke mit weichen Matten. Sobald die K<strong>in</strong>der jedoch robbenkonnten, zogen sie <strong>den</strong> harten Bo<strong>den</strong> <strong>den</strong> weichen Matten vor. Im großen Flur mitTreppe, wo wir geme<strong>in</strong>t haben, der ist für Säugl<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der wirklich ungeeignet,haben sich die K<strong>in</strong>der viel bewegt <strong>und</strong> so ihre Grobmotorik tra<strong>in</strong>iert. Siebrauchen, wie Emmi Pikler bereits sagte, <strong>den</strong> harten Untergr<strong>und</strong>, um sich zu spüren,oder die Treppe, die erst e<strong>in</strong>mal <strong>den</strong> meisten Erwachsenen Angst macht, K<strong>in</strong>deraber sehr fasz<strong>in</strong>iert. Für das Gleichgewichtstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ist die Treppe unglaublichwichtig, auch dieses rückwärts herunter krabbeln – all diese wichtigen Lernprozessedürfen wir schlichtweg nicht verbieten.Inwieweit ist es Ihren Erfahrungen nach möglich, auch schon K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenLebensjahren an der Gestaltung der Lernumgebung zu beteiligen oder ihnen kle<strong>in</strong>ereHausdienste oder Patenschaften für neue K<strong>in</strong>der zu übertragen?Wenn die K<strong>in</strong>der Materialien, die ihnen im Moment wichtig s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> <strong>den</strong> Räumenoder im Garten vorf<strong>in</strong><strong>den</strong>, wer<strong>den</strong> sie lernend tätig. Wenn sie sehen, dass wir aufschreiben,was sie tun, nehmen sie uns als wache Begleiter<strong>in</strong>nen wahr, die ihnenWertschätzung <strong>und</strong> Zuwendung entgegenbr<strong>in</strong>gen. Dies steigert ihre Motivation,weiter tätig zu se<strong>in</strong>. Die Lerngeschichten reflektieren wir mit dem K<strong>in</strong>d. Je nachdem,wie die K<strong>in</strong>der unsere gestaltete Lernumgebung nutzen <strong>und</strong> unsere Impulse aufnehmen,entwickeln wir diese weiter oder gar neu.K<strong>in</strong>der lieben es, D<strong>in</strong>ge selbst zu tun <strong>und</strong> zu machen, sie holen sofort e<strong>in</strong>en Besenoder e<strong>in</strong>en Lappen, wenn etwas verschüttet wird, sie helfen Tische abzuwischen126


Partizipation der K<strong>in</strong>der ermöglichenoder räumen ihre Kleidung wieder <strong>in</strong> die Garderobe. Bei uns gibt es ke<strong>in</strong>e zugewiesenenDienste, aber je<strong>den</strong> Tag decken e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der <strong>den</strong> Mittagstisch. Wir steuern,dass nicht stets die gleichen K<strong>in</strong>der das machen, <strong>und</strong> jene, die das machenwollen, aber auch dran kommen. Ältere K<strong>in</strong>der helfen <strong>den</strong> Jüngeren beim Ausziehen,sie wischen <strong>den</strong> Jüngeren auch <strong>den</strong> M<strong>und</strong> ab oder zeigen ihnen das Zähneputzen.Und wenn neue K<strong>in</strong>der kommen, dann kümmern sich die »alten« K<strong>in</strong>derauch ohne unser Zutun um die Neuen. Sie trösten <strong>und</strong> b<strong>in</strong><strong>den</strong> sie sogleich <strong>in</strong> Spielsituationenmit e<strong>in</strong> oder zeigen D<strong>in</strong>ge, die die neuen K<strong>in</strong>der am Anfang so nochnicht entdecken.Der Bayerische <strong>Bildung</strong>splan betont neben Partizipation auch die Ko-Konstruktion.Wie sieht die Umsetzung dieser bei<strong>den</strong> Ansätze am Beispiel der <strong>in</strong> Ihrer E<strong>in</strong>richtungpraktizierten Projektarbeit mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> konkret aus?Projektarbeit läuft fast immer über die Fragen der K<strong>in</strong>der, auch bei <strong>den</strong> Kle<strong>in</strong>en.E<strong>in</strong> Projekt kann überall beg<strong>in</strong>nen. Im Bauraum können K<strong>in</strong>der anfangen, irgendwaszu bauen, andere K<strong>in</strong>der zu beteiligen <strong>und</strong> uns e<strong>in</strong>zubeziehen. Dann s<strong>in</strong>d wirMitspieler <strong>und</strong> Dialogpartner <strong>und</strong> nicht Belehrende. Bei älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die sichschon verbal äußern können, ist es wichtig, ihre Fragen zu notieren, sie durch unsereFragen zum Nach<strong>den</strong>ken anzuregen. Wir schreiben ihre Hypothesen auf <strong>und</strong>dokumentieren die Schritte, Antworten zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Ich habe schon oft erlebt, dassK<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Sachbüchern e<strong>in</strong>e Antwort selbst entdecken oder dass bei Reflexionsmomentene<strong>in</strong> Zweijähriger aufsteht <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Antwort gibt, nicht zum Prozess, aberzur Informationsquelle.Ist Ko-Konstruktion e<strong>in</strong> moderner Ansatz, der Partizipation überflüssig macht?Für mich ist Partizipation die Voraussetzung für Ko-Konstruktion, der E<strong>in</strong>stieg. WirPädagog<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d herausgefordert zu lernen, da wir <strong>in</strong> der Ausbildung e<strong>in</strong>en anderenpädagogischen Ansatz erfahren <strong>und</strong> ver<strong>in</strong>nerlicht haben. Es wurde viel zuschnell erklärt, bestimmt. Die Erwachsenen wussten immer, was K<strong>in</strong>der brauchen,<strong>und</strong> es wurde nie so richtig überprüft, ob wir da richtig liegen. Es wer<strong>den</strong> Handlungskettenunterbrochen, wenn zum Beispiel e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>en Stuhl steigt <strong>und</strong>wir sagen: Du, der ist zum Sitzen da. Für das K<strong>in</strong>d bedeutet Lernen auszuprobieren,schaff ich das, auf <strong>den</strong> Stuhl zu steigen <strong>und</strong> wieder herunter zu kommen, e<strong>in</strong>Stuhl ist für e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Turngerät. Wenn der Erwachsene im Kopf hat, der Stuhlist zum Sitzen da, dann hat das K<strong>in</strong>d Pech, es wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Handlungskette ständigunterbrochen. Wenn das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>en Tisch als Haus nutzt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Decke drüberzieht,entwickelt es e<strong>in</strong> Spiel <strong>und</strong> baut sich se<strong>in</strong>e eigene Rückzugshöhle, se<strong>in</strong> Haus;das kann ich stören, wenn ich sage, der Tisch ist nur zum Essen da. So können wirK<strong>in</strong>der blockieren.127


3.4 <strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren<strong>und</strong> moderierenEs gibt viele verschie<strong>den</strong>e Ansätze <strong>und</strong> Metho<strong>den</strong>, <strong>Bildung</strong>sprozesse zu organisieren<strong>und</strong> diese zu moderieren. Im folgen<strong>den</strong> Kapitel f<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie die wichtigsten Metho<strong>den</strong>,die sich wie e<strong>in</strong> roter Fa<strong>den</strong> durch <strong>den</strong> Praxisteil dieser Handreichung ziehen <strong>und</strong> fürK<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren besonders geeignet s<strong>in</strong>d, nochmals genannt <strong>und</strong>näher dargestellt:• die Lernumgebung gestalten,• Alltagssituationen für gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong> ganzheitliche <strong>Bildung</strong>sprozesse aufgreifen,• mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Dialog gehen – <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aktiv zuhören <strong>und</strong> ihnen offene Fragenstellen,• spielen <strong>und</strong> lernen – das k<strong>in</strong>dliche Spiel für Lernprozesse bestmöglich nutzen <strong>und</strong>moderieren,• Scaffold<strong>in</strong>g – <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> behutsame Hilfestellung <strong>in</strong> der Zone der nächsten Entwicklunggeben,• Projektarbeit als zentrale Methode des ganzheitlichen, lebensnahen Lernens.Die Lernumgebung gestalten – Materialangebote als Basisfür die pädagogische ArbeitDie kognitiven Kompetenzen <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> können durch e<strong>in</strong>e sorgsame <strong>und</strong> pädagogischdurchdachte Auswahl <strong>von</strong> Materialien wesentlich bereichert <strong>und</strong> gestärktwer<strong>den</strong> (siehe Infokasten auf S. 129). Der Leitsatz »Qualität vor Quantität« gilt beijungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> besonders <strong>und</strong> betrifft sowohl die Auswahl als auch die Präsentationder Materialien. Die haptische Qualität, die Ästhetik <strong>und</strong> die Vielseitigkeit derMaterialien s<strong>in</strong>d besonders für junge K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> großer Bedeutung.Alltagssituationen für gr<strong>und</strong>legende <strong>und</strong> ganzheitliche<strong>Bildung</strong>sprozesse aufgreifen»Jedes K<strong>in</strong>d hat <strong>von</strong> Geburt an Möglichkeiten <strong>und</strong> Kräfte, sich <strong>den</strong> Zugang zu se<strong>in</strong>erUmwelt zu erschließen <strong>und</strong> sie so kennen zu lernen, dass es sie für se<strong>in</strong>e Entwicklunggebrauchen kann. Gr<strong>und</strong>lage frühk<strong>in</strong>dlicher <strong>Bildung</strong> s<strong>in</strong>d die Erfahrungen, die e<strong>in</strong>kle<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Alltag macht« (Schäfer 2008). Der Lebensalltag bietet <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>vielfältige <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Lernerfahrungen. Lernen f<strong>in</strong>det überwiegend <strong>in</strong> Alltagssituationenstatt. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere für die Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereiche128


<strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren <strong>und</strong> moderiereniAnregungen zur Auswahl <strong>von</strong> Materialien f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich <strong>in</strong> derRahmenkonzeption der Stadt München für K<strong>in</strong>derkrippen(Stadt München, 2009)• Forschungsmaterialien (zum Beispiel Gefäße mit Schraubdeckeln, Röhren, <strong>in</strong> dieK<strong>in</strong>der etwas h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stecken können; Naturmaterialien, Schwämme unterschiedlicherGröße; Tücher mit unterschiedlichen Farben <strong>und</strong> Texturen)• Materialien, die verschie<strong>den</strong>e S<strong>in</strong>ne ansprechen (zum Beispiel Mal- <strong>und</strong> Zeichenmaterial,Musik<strong>in</strong>strumente, Geräuschememory, Tastpfade/Tastwände, Materialienzum Kneten <strong>und</strong> Formen, verschie<strong>den</strong>ste Naturmaterialien)• Materialien <strong>und</strong> Gegenstände, die zu Rollenspielen auffordern (zum Beispiel Puppen,Puppenküche mit verschie<strong>den</strong>em Zubehör, verschie<strong>den</strong>e Hüte, Theaterutensilien)• Konstruktionsmaterialien (zum Beispiel Bauklötze, Kissen, Tücher, kle<strong>in</strong>ere <strong>und</strong>größere Pappkartons zum Verstecken oder Hausbauen).Selbstverständlich s<strong>in</strong>d nicht alle Gegenstände <strong>und</strong> Materialien für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong>ersten Lebensjahren geeignet. Sie sollten ke<strong>in</strong>e verschluckbaren Kle<strong>in</strong>teile oderges<strong>und</strong>heitsgefähr<strong>den</strong>de Weichmacher enthalten <strong>und</strong> es sollte ke<strong>in</strong>e Strangulierungsgefahr<strong>von</strong> ihnen ausgehen.»Emotionalität, soziale Beziehungen <strong>und</strong> Konflikte«, »Ges<strong>und</strong>heit«, »Bewegung«sowie »Sprache <strong>und</strong> Literacy«. Hier s<strong>in</strong>d die <strong>Bildung</strong>sprozesse <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>gebettet<strong>in</strong> die Alltagsrout<strong>in</strong>en der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung. Zum anderen gibt es bestimmteSchlüsselsituationen im pädagogischen Alltag wie zum Beispiel Ernährung,die die gezielte Ansprache vieler Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereiche <strong>und</strong> damit vielfältigeLernprozesse zugleich ermöglichen.»In der pädagogischen Arbeit mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren ist dem Lernen<strong>in</strong> Alltagssituationen e<strong>in</strong>e besonders hohe Aufmerksamkeit zu widmen, weilgerade hier gr<strong>und</strong>legende <strong>Bildung</strong>sprozesse für K<strong>in</strong>der diesen Alters stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>«(Reichert-Garschhammer, Gräser & Prokop 2010). Alltagsrout<strong>in</strong>en, die <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vielfältige,bereichsübergreifende Lernerfahrungen ermöglichen, s<strong>in</strong>d beispielsweise:• die Körperpflege (zum Beispiel wickeln, waschen, Zähne putzen, aus- <strong>und</strong> anziehen),• die Ernährung (zum Beispiel füttern, eigenständig essen, Umgang mit Besteck,Tisch decken, Essen »auftun«, Essen kochen, e<strong>in</strong>kaufen),• das Sauberhalten (zum Beispiel putzen, kehren <strong>und</strong> wischen; Waschmasch<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>räumen<strong>und</strong> anmachen),• der Umgang mit Materialien (zum Beispiel her- <strong>und</strong> aufräumen, ordnen),• die Gestaltung der Innen- <strong>und</strong> Außenräume (zum Beispiel Kräuterbeet anlegen).129


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>Zwei Beispiele: Ansprache vieler Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereiche <strong>in</strong> Alltagssituation(aus Reichert-Garschhammer, Gräser & Prokop 2010)Das Wickeln als <strong>Bildung</strong>ssituation zu gestalten eröffnet <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vielfältige <strong>Bildung</strong>serfahrungen<strong>in</strong> Bereichen wie soziale Beziehungen, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Sprache. DasK<strong>in</strong>d lernt, mit se<strong>in</strong>er Bezugsperson zu kommunizieren, ihr zuzuhören, mit ihr e<strong>in</strong>esoziale Beziehung e<strong>in</strong>zugehen; zugleich lernt es se<strong>in</strong>en Körper kennen. Wichtig istdaher, diese Lernprozesse durch die pädagogische Fachkraft gezielt zu begleiten, dasheißt sich dem K<strong>in</strong>d zuzuwen<strong>den</strong> durch Blick- <strong>und</strong> Körperkontakt, mit ihm <strong>in</strong> Dialogzu treten, das K<strong>in</strong>d durch Sprache <strong>in</strong> die Alltagshandlungen r<strong>und</strong> um das Wickelne<strong>in</strong>beziehen, die non-verbalen Äußerungen des K<strong>in</strong>des fe<strong>in</strong>fühlig wahr- <strong>und</strong> ernst zunehmen <strong>und</strong> angemessen darauf zu reagieren <strong>und</strong> so e<strong>in</strong>e gute Beziehung zum K<strong>in</strong>daufzubauen.Die Ernährung ist e<strong>in</strong> idealer Anknüpfungspunkt für <strong>Bildung</strong>sprozesse <strong>in</strong> zahlreichenBereichen wie Ges<strong>und</strong>heit, Bewegung, Interkulturalität, Sprache, soziale Beziehungen,Lebenspraxis, Ästhetik <strong>und</strong> Mathematik. Bei Selbstbedienung mit Essen <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>kenlernen K<strong>in</strong>der selbstbestimmt zu handeln <strong>und</strong> üben sich <strong>in</strong> ihren Alltags-, sozialen,sprachlichen <strong>und</strong> motorischen Kompetenzen (zum Beispiel Löffel halten, mite<strong>in</strong>anderEssen, Ess-, Tischkultur, Gespräche). Ihre Beteiligung an der Zubereitung des täglichenFrühstücks ermöglicht <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>en aktiven Zugang zum Thema ges<strong>und</strong>eErnährung; sie können zugleich vielfältige S<strong>in</strong>neserfahrungen sammeln (zum Beispielriechen, schmecken) <strong>und</strong> Handlungskompetenzen erlangen (zum Beispiel Tischdecken, Kuchen aufteilen).Mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Dialog gehen – <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aktiv zuhören <strong>und</strong> ihnenoffene Fragen stellenMit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Dialog gehen ist die vielleicht wichtigste Methode zur Moderierung<strong>von</strong> <strong>Bildung</strong>sprozessen. Die lernende Geme<strong>in</strong>schaft, Projektarbeit, Scaffold<strong>in</strong>g oderauch metakognitive Dialoge brauchen gute Dialoge <strong>und</strong> Kommunikation zwischenErwachsenen <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> untere<strong>in</strong>ander. Dies ist wichtig,• damit K<strong>in</strong>der das e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können, was sie wissen, was sie glauben, was siefühlen oder auch, was sie vermuten,• damit K<strong>in</strong>der die Perspektiven der anderen wahrnehmen <strong>und</strong> mit <strong>den</strong> eigenen Vorstellungen<strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang br<strong>in</strong>gen können,• damit aus dem Dialog der K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Erwachsenen bedeutungsvolles Lernen entstehenkann.Im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan wer<strong>den</strong> wichtige Gr<strong>und</strong>sätze des Dialogsmit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Kapitel 8.2.4 »<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zuhören – <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Fragen stellen«behandelt.130


<strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren <strong>und</strong> moderiereniZuhörenBei jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ist besonders das »Zuhören« <strong>von</strong> großer Bedeutung. Es gehtdarum:• Kontakt mit dem K<strong>in</strong>d herzustellen (auf Augenhöhe des K<strong>in</strong>des zu gehen, das K<strong>in</strong>dzu berühren, ihm zu signalisieren: »Ich b<strong>in</strong> jetzt für dich da <strong>und</strong> höre dir zu.«),• <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> genug Zeit zu geben, ihre Gedanken, Gefühle oder Intentionen zu zeigenoder zu äußern,• ihre Mimik, Körperhaltung, Gestik usw. aufmerksam zu beobachten,• die Äußerungen des K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> Sprache zu fassen,• nachzufragen, ob man richtig verstan<strong>den</strong> hat (»Ah, du zeigst auf de<strong>in</strong>e Flasche.Hast du Durst?«).Aber wie ist das bei <strong>den</strong> Jüngsten? Auch sie kommunizieren: Anfangs mit Schreien, mitihrer Körperhaltung, schließlich mit Mimik <strong>und</strong> Gestik, wenn sie zum Beispiel auf etwasdeuten. Später kommen e<strong>in</strong>zelne Wörter h<strong>in</strong>zu, Zwei-Wort-Sätze <strong>und</strong> auch aufwändigereSatzkonstruktionen. Sie verstehen schon sehr früh vieles, was ihr Gegenüberkommuniziert, anfangs <strong>in</strong>dem sie <strong>den</strong> Tonfall wahrnehmen, die Gesten, Mimik oderschon als kompetente Säugl<strong>in</strong>ge auch durch ihr Sprachverständnis (vgl. Kapitel 2.3).Kommunikation <strong>und</strong> Dialog s<strong>in</strong>d also auch für die Jüngsten ganz zentral – <strong>und</strong> sie setzendiese auch schon <strong>von</strong> Beg<strong>in</strong>n an e<strong>in</strong>. Die Anforderungen, die die Kommunikationmit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> an Erwachsene stellt, s<strong>in</strong>d eigentlich nicht viel anders als die beiälteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>: es geht darum, e<strong>in</strong>en Dialog herzustellen, zuzuhören, zu fragen,zusammenzufassen oder auch etwas zu erklären. Aber bei jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> muss mansich natürlich »anders als bei älteren« oder »noch stärker als bei älteren« auf dieEbene des K<strong>in</strong>des begeben: die nonverbale Kommunikation spielt zum Beispiel e<strong>in</strong>ewesentlich wichtigere Rolle als bei älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (schöne Beispiele s<strong>in</strong>d zum Beispiel<strong>in</strong> der Broschüre »Wortschätze heben – Leselust beflügeln«, herausgegeben vomBayerischen Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit <strong>und</strong> Sozialordnung. Familie <strong>und</strong> Frauen, 2010oder auch bei Stern 2009 zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>).Forschungsergebnisse zur Effektivität frühk<strong>in</strong>dlicher <strong>Bildung</strong> weisen <strong>in</strong> besonderemMaße auf die Stimulation der Denkprozesse <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> durch Fragen – vor allemoffene Fragen – h<strong>in</strong> (Siraj-Blatchford & Siraj-Blatchford 2007). Für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>den</strong>ersten Lebensjahren s<strong>in</strong>d Fragen meist <strong>in</strong>teressanter als die Antworten. Sie regendazu an, selbst über bestimmte D<strong>in</strong>ge nachzu<strong>den</strong>ken <strong>und</strong> sich damit ause<strong>in</strong>anderzusetzen.131


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>iFragen stellenLothar Kle<strong>in</strong> <strong>und</strong> Herbert Vogt geben e<strong>in</strong>ige Anregungen, welche Fragen sich besondersfür e<strong>in</strong>en bil<strong>den</strong><strong>den</strong> Dialog eignen (2004, S. 209).Klärendes Spiegeln bzw. aktives ZuhörenDie Aussagen des K<strong>in</strong>des wer<strong>den</strong> fragend <strong>und</strong> eventuell präziser mit eigenen Wortenwiederholt. Dies dient e<strong>in</strong>erseits dazu, sich zu vergewissern, ob die Aussagedes K<strong>in</strong>des richtig verstan<strong>den</strong> wurde, andererseits betont es die Wertschätzung <strong>und</strong>das Interesse <strong>den</strong> Äußerungen des K<strong>in</strong>des gegenüber.Offene, Aufmerksamkeit weckende FragenDie Frage des Erwachsenen drückt, zum Beispiel beim geme<strong>in</strong>samen Bilderbuchbetrachten,e<strong>in</strong> Staunen über bestimmte Phänomene aus <strong>und</strong> weckt somitgezielt die Neugierde des K<strong>in</strong>des für e<strong>in</strong>e Sache: »Was macht <strong>den</strong>n die kle<strong>in</strong>eKatze da?«InformationsfragenDiese Fragen regen das K<strong>in</strong>d dazu an, sich auf e<strong>in</strong> bestimmtes Detail zu konzentrierenoder etwas herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, ohne es dabei zu »testen«. Vielmehr wird dasK<strong>in</strong>d auf spielerische Weise angeregt, alle S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>zusetzen, bestimmte Aspektezu berücksichtigen oder die Perspektive zu wechseln: »Hat die Katze e<strong>in</strong> weichesFell?« »Wie groß ist der H<strong>und</strong>?«VergleichsfragenDiese Fragen regen dazu an, nach Ähnlichkeiten oder Unterschie<strong>den</strong> zu suchen oderbestimmte Zusammenhänge herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>: »Ob der rote Ball wohl schwerer istals der gelbe?«, »Warum we<strong>in</strong>t <strong>den</strong>n das Baby auf dem Bild?«HandlungsfragenDurch diese Fragen wird das K<strong>in</strong>d dazu angeregt, e<strong>in</strong> Phänomen näher unter dieLupe zu nehmen, etwas auszuprobieren <strong>und</strong> zu experimentieren <strong>und</strong> so zu eigenenErkenntnissen zu gelangen: »Glaubst du, das Puzzlestück passt hier re<strong>in</strong>?« »Waspassiert wohl, wenn du mit grüner Farbe auf die gelbe Sonne malst?«Problem aufwerfende FragenDiese Fragen regen etwas ältere K<strong>in</strong>der dazu an, eigene Hypothesen zu bil<strong>den</strong> <strong>und</strong>diese dann zu überprüfen. Hierdurch erarbeiten sie sich eigenes Wissen <strong>und</strong> entwickelnihre Fähigkeiten weiter: »Was müssen wir <strong>den</strong>n tun, dass das Licht wiederausgeht?«, »Wie bekommen wir die Kasse vom Kaufla<strong>den</strong> wieder zu?«, »Wieso bellt<strong>den</strong>n jetzt der Spielzeugh<strong>und</strong>?«132


<strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren <strong>und</strong> moderierenSpielen <strong>und</strong> Lernen – das k<strong>in</strong>dliche Spiel für Lernprozessebestmöglich nutzen <strong>und</strong> moderierenK<strong>in</strong>der spielen, Erwachsene spielen <strong>und</strong> selbst <strong>in</strong> der Tierwelt entdeckt man das Spielimmer wieder. In <strong>den</strong> ersten Lebensjahren stellt Spielen die vorherrschende Aktivität<strong>und</strong> Möglichkeit dar, sich mit der Welt ause<strong>in</strong>anderzusetzen. Sie ist die elementareForm des Lernens – Spielen ist immer auch Lernen. Im Spiel kann das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>eUmwelt erk<strong>und</strong>en, D<strong>in</strong>ge ausprobieren <strong>und</strong> Realitäten nachstellen. Das Spiel bietete<strong>in</strong>e sehr gute Möglichkeit, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lernen<strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>sowie Erwachsenen <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> mite<strong>in</strong>ander zu lernen. In der Fachwelt ist dieBedeutung des Spiels für die kognitiven, physischen <strong>und</strong> sozial-emotionalen Fähigkeitenlängst unumstritten (e<strong>in</strong> Überblick vgl. Oerter & Montada 2008). Aus Untersuchungenist bekannt, dass Als-ob-Spiele sowie soziale Rollenspiele sich besonderspositiv darauf auswirken, wie K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, Emotionen anderer K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>zuordnen<strong>und</strong> ihr Gegenüber zu verstehen. Zudem waren positive Auswirkungen aufdie Sprachentwicklung <strong>und</strong> Kreativität zu beobachten.133


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>iSpielformen – LernformenSensumotorisches SpielDas sensumotorische Spiel ist die früheste Form des Spielens <strong>und</strong> charakteristischfür das Alter <strong>von</strong> null bis drei Jahren. Säugl<strong>in</strong>ge berühren <strong>und</strong> erforschen dabeizunächst eigene Körperteile <strong>und</strong> später auch Gegenstände. Sie explorieren mitallen S<strong>in</strong>nen, nehmen Gegenstände <strong>in</strong> <strong>den</strong> M<strong>und</strong>, hantieren damit, betrachten sie.Typisch für das sensumotorische Spiel s<strong>in</strong>d häufige Wiederholungen <strong>und</strong> Variationenderselben Handlung. Im sensumotorischen Spiel wer<strong>den</strong> nicht nur (fe<strong>in</strong>-)motorischeKompetenzen gestärkt, sondern darüber h<strong>in</strong>aus die kognitiven Kompetenzen(zum Beispiel Wissen über Objekte, physikalische Zusammenhänge, Wahrnehmung)angesprochen.Erk<strong>und</strong>endes ExplorationsspielDie D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> ihrer Beschaffenheit <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihren möglichen Verwendungsformen zuerk<strong>und</strong>en ist der Kern des Explorationsspiels. Es tritt sehr häufig um das ersteLebensjahr herum auf. Gegenstände wer<strong>den</strong> ause<strong>in</strong>ander genommen, wiederzusammengefügt <strong>und</strong> für die unterschiedlichsten Zwecke e<strong>in</strong>gesetzt. Auch dieseSpielform fördert neben (fe<strong>in</strong>-)motorischen Kompetenzen die kognitiven Kompetenzen.KonstruktionsspielAb ungefähr e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahren beg<strong>in</strong>nen K<strong>in</strong>der zu konstruieren <strong>und</strong> eigene fantasievolleBauten <strong>und</strong> Räume zu schaffen. Im Gegensatz zum Explorationsspiel wer<strong>den</strong>hier vermehrt andere K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Erwachsene e<strong>in</strong>bezogen. Außerdem zählt beimKonstruktionsspiel nicht alle<strong>in</strong>e die Lust am Tun, sondern auch das Ergebnis – seies nun e<strong>in</strong>e Mauer aus Sand, e<strong>in</strong> Turm aus Bauklötzen oder e<strong>in</strong>e Höhle ausTüchern. Beim Konstruktionsspiel wer<strong>den</strong> neben personalen Kompetenzen immerstärker auch die sozialen Kompetenzen gestärkt.Symbol- bzw. RollenspielDas Symbolspiel wird auch als »echtes Spiel« beschrieben. Charakteristisch istdafür, dass Spielgegenstände wie Puppen oder Spielzeugautos nach <strong>den</strong> eigenenVorstellungen verwendet wer<strong>den</strong>: e<strong>in</strong>e Zahnbürste, um der Puppe die Haare zukämmen, e<strong>in</strong> Styroporblock als Garage für die kle<strong>in</strong>en Autos. E<strong>in</strong>fache Symbolspielebeg<strong>in</strong>nen die K<strong>in</strong>der schon ab dem ersten Lebensjahr zu spielen, <strong>und</strong> dieAnziehungskraft dieser Symbol- <strong>und</strong> Rollenspiele bleibt <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren bis zur E<strong>in</strong>schulungüber erhalten. Das kooperative Rollenspiel ist im Alter <strong>von</strong> null bis dreiJahren nur sehr selten <strong>und</strong> bei mite<strong>in</strong>ander vertrauten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vorzuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, währendparallele Symbolspiele <strong>von</strong> zwei oder mehreren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> häufiger anzutreffens<strong>in</strong>d. Bei älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wer<strong>den</strong> diese Spiele immer fantasievoller <strong>und</strong> <strong>in</strong>teraktionsbetonter– klassische »Rollenspiele« also, <strong>in</strong> der die Bedeutung <strong>und</strong> der Ablauf des134


<strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren <strong>und</strong> moderierenSpiels zu Beg<strong>in</strong>n <strong>von</strong> <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ausgehandelt wer<strong>den</strong>. »Vater, Mutter, K<strong>in</strong>d« istsolch e<strong>in</strong> klassisches Rollenspiel, <strong>in</strong> dem K<strong>in</strong>der zudem Belastungen, Ängste <strong>und</strong>Wünsche verarbeiten können. Diese Spielform spricht fast alle Basiskompetenzenan: Sie stärkt nicht nur die <strong>in</strong>dividuellen Kompetenzen <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, sondern istdarüber h<strong>in</strong>aus die bedeutsamste Spielform für die Stärkung der sozialen Kompetenzen<strong>und</strong> auch der Resilienz (vgl. Oerter 2002).Je nach Alter, Entwicklungsstand, Interessen <strong>und</strong> Bedürfnissen variiert das Spiel. DasSpielverhalten ist Ausdruck der <strong>in</strong>neren Bef<strong>in</strong>dlichkeit des K<strong>in</strong>des. E<strong>in</strong>en großen E<strong>in</strong>flussauf das Spielverhalten hat die Art <strong>und</strong> Weise, wie dem Spiel des K<strong>in</strong>des <strong>von</strong>außen begegnet wird. In der B<strong>in</strong>dungsforschung existiert sogar e<strong>in</strong>e eigene Kategoriedafür, wie gut sich Erwachsene im Spiel auf das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>lassen können, die »Spielfe<strong>in</strong>fühligkeit«(Grossmann & Grossmann 2004).Spielen <strong>und</strong> Lernen stellen also ke<strong>in</strong>eswegs Gegensätze, sondern zwei Seiten derselbenMedaille dar. Gerade <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren verwischen sich die Grenzen<strong>von</strong> Freispiel <strong>und</strong> geplanten Lernaktivitäten. Bei der Stärkung der kognitiven Kompetenzenhat das k<strong>in</strong>dliche Spiel e<strong>in</strong>e zentrale Rolle – <strong>und</strong> dies gilt ganz besondersfür die ersten Lebensjahre. K<strong>in</strong>der, die zum Beispiel mit e<strong>in</strong>er Kugelbahn spielen, lernenviel über physikalische Zusammenhänge, über Schwerkraft <strong>und</strong> Geschw<strong>in</strong>digkeit.Gleichzeitig erweitern sie auch ihre sozialen Kompetenzen, wenn mehrere K<strong>in</strong>derzusammen spielen. Sie üben Rücksichtnahme <strong>und</strong> lernen, kle<strong>in</strong>ere Frustrationen, wiekurz warten zu müssen, bis man wieder an die Reihe kommt, zu ertragen.Das k<strong>in</strong>dliche Spiel für Lernprozesse bestmöglich nutzen <strong>und</strong> moderieren – wasbedeutet das konkret?RFragen zur Reflexion• Schätze ich das k<strong>in</strong>dliche Spiel als wichtiges Element der k<strong>in</strong>dlichen Entwicklung<strong>und</strong> des Lernens?• Wie gestalte ich die Spielumgebung <strong>und</strong> das Materialangebot? Schaffe ich e<strong>in</strong>ausgewogenes Verhältnis zwischen Freispielphasen <strong>und</strong> geplanten, moderierten<strong>Bildung</strong>saktivitäten?• Beobachte <strong>und</strong> dokumentiere ich sensibel, womit K<strong>in</strong>der gerade bevorzugt spielen<strong>und</strong> welche Themen für sie aktuell <strong>von</strong> großem Interesse s<strong>in</strong>d?• Reflektiere ich manchmal die Spiele der K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> beziehe dabei auch die K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>?• Kann ich auch mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> spielen oder komme ich mir dabei komisch vor?Welche Rolle nehme ich dann e<strong>in</strong>? Nehme ich wahr, wenn K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> bestimmtenSpielsituationen überfordert s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> unterstütze ich die K<strong>in</strong>der dann?135


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>Scaffold<strong>in</strong>g – <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> behutsame Unterstützung <strong>in</strong> der Zoneder nächsten Entwicklung gebenScaffold<strong>in</strong>g bezeichnet e<strong>in</strong>e vorübergehende gezielte Hilfestellung <strong>und</strong> Begleitung,die dem Alter, dem jeweiligen Entwicklungsstand <strong>und</strong> dem Erfahrungshorizont desK<strong>in</strong>des angemessen s<strong>in</strong>d. Die Hilfestellung wird immer <strong>in</strong> der Zone der nächsten Entwicklungangeboten. Dies hat zur Folge, dass die K<strong>in</strong>der genau dar<strong>in</strong> unterstützt wer<strong>den</strong>,über das, was sie bereits wissen oder können, h<strong>in</strong>auszugehen. Dies setztvoraus, das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozess genau zu beobachten<strong>und</strong> herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, was es schon alles kann, weiß <strong>und</strong> versteht.iScaffold<strong>in</strong>g zeichnet sich durch folgende Aspekte aus:E<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Perspektive zwischen K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> ErwachsenemDem Erwachsenen gel<strong>in</strong>gt es, sich auf das Denken, Fühlen <strong>und</strong> Verstehen des K<strong>in</strong>dese<strong>in</strong>zustellen <strong>und</strong> die Interaktion mit ihm <strong>in</strong> der »Zone der nächsten Entwicklung«des K<strong>in</strong>des zu gestalten. Das bedeutet, Anforderungen zu stellen, die überdas aktuelle Entwicklungsniveau des K<strong>in</strong>des h<strong>in</strong>ausgehen <strong>und</strong> dazu beitragen,Kompetenzen der nächsten Entwicklungsstufe zu stärken.E<strong>in</strong> autoritativer InteraktionsstilDer Erwachsene zeigt e<strong>in</strong>e klare Struktur <strong>von</strong> Erwartungen, e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> emotionaleWärme, Verantwortung für das K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Partizipation des K<strong>in</strong>des selbst. Dies bedeutet,das K<strong>in</strong>d an Entscheidungen zu beteiligen, ihm Selbst- <strong>und</strong> Mitbestimmung sowieUnabhängigkeit zuzugestehen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Standpunkt zu achten. Andererseits ist esjedoch unerlässlich, klare Regeln <strong>und</strong> Grenzen zu geben, die jedoch auch immer wiederan die Situation angepasst <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sam mit dem K<strong>in</strong>d ausgehandelt wer<strong>den</strong>.Zone der nächsten EntwicklungDie Interaktion zum K<strong>in</strong>d wird so gestaltet, dass sie sowohl hohen Aufforderungscharakterfür das K<strong>in</strong>d be<strong>in</strong>haltet als auch viel Anregungsreichtum bietet. Dies setztvoraus, dass sich der Erwachsene an die sich verändern<strong>den</strong> Kompetenzen des K<strong>in</strong>desanpasst <strong>und</strong> sich an der weiteren Entwicklung des K<strong>in</strong>des orientiert. Dies kannzum Beispiel gel<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong>dem das K<strong>in</strong>d immer wieder dazu motiviert wird, D<strong>in</strong>genselbst auf <strong>den</strong> Gr<strong>und</strong> zu gehen, auszuprobieren, etwas selbst heraus zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>, zuexperimentieren oder geme<strong>in</strong>sam mit anderen Lösungen zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Die Unterstützungdes Erwachsenen passt sich an die Kompetenzen des K<strong>in</strong>des an <strong>und</strong> gibtgenau so viel Hilfe, damit das nächste Kompetenzniveau erreicht wer<strong>den</strong> kann.Stärkung der SelbstregulationDem K<strong>in</strong>d wird zunehmend Verantwortung für se<strong>in</strong> eigenes Handeln übertragen.Der Erwachsene zieht sich bei eigenständigen Handlungen des K<strong>in</strong>des zurück <strong>und</strong>greift dann e<strong>in</strong>, wenn das K<strong>in</strong>d <strong>von</strong> selbst nicht weiter kommt. Im Fokus steht dabeistets das Ziel, das K<strong>in</strong>d dar<strong>in</strong> zu unterstützen, eigenständig Lösungen zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>,Fragen <strong>und</strong> Aufgaben selbstständig zu behandeln.136


<strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren <strong>und</strong> moderierenProjektarbeit als zentrale Methode des ganzheitlichen,lebensnahen Lernens gestaltenDie Durchführung <strong>von</strong> Projekten ermöglicht es, sich mit Themen, die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>teressieren,durch <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz vielfältiger Metho<strong>den</strong> <strong>in</strong>tensiv <strong>und</strong> längerfristig ause<strong>in</strong>anderzu setzen, viele Bezüge zum Thema herzustellen <strong>und</strong> das Thema <strong>in</strong> größereZusammenhänge e<strong>in</strong>zubetten. Auf diese Weise gel<strong>in</strong>gt es, viele <strong>Bildung</strong>sbereichezugleich zu <strong>in</strong>tegrieren <strong>und</strong> alle Kompetenzen des K<strong>in</strong>des zu stärken. <strong>Bildung</strong>sprozesseim Rahmen <strong>von</strong> Projekten zeichnen sich aus durch selbsttätiges Erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong>Erforschen der K<strong>in</strong>der, e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e »lernende Geme<strong>in</strong>schaft« (vgl. BayBEP2007, S. 428f.) mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>und</strong> Erwachsenen. Von zentraler Bedeutung istdie Beteiligung der K<strong>in</strong>der an der Planung <strong>und</strong> Durchführung des Projekts (Partizipation)sowie die Projektdokumentation <strong>und</strong> Reflexion mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, dass sie lernen,was sie lernen <strong>und</strong> wie sie lernen. Lernen <strong>in</strong> Projekten ist ganzheitliches,lebensnahes <strong>und</strong> exemplarisches Lernen. Durch das E<strong>in</strong>betten des Projektthemas <strong>in</strong>größere Zusammenhänge erwerben K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> Wissen, das sie auf andere Situationenim Alltag immer wieder übertragen können. Projekte s<strong>in</strong>d zugleich e<strong>in</strong> idealerAnknüpfungspunkt, Eltern sowie externe Fachleute aktiv e<strong>in</strong>zubeziehen.iWas zeichnet die Projektmethode aus?»Die Projektmethode• beteiligt K<strong>in</strong>der aktiv an der Gestaltung der <strong>Bildung</strong>sprozesse,• fordert auf, das Verständnis e<strong>in</strong>es Themas ko-konstruktiv zu erschließen, <strong>den</strong>nK<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Fachkräfte br<strong>in</strong>gen gleichermaßen Ideen, Vorschläge <strong>und</strong> Erklärungen<strong>in</strong> das Projekt e<strong>in</strong>,• lässt K<strong>in</strong>der an demokratischen Prozessen teilhaben,• stärkt die Kompetenz zur Kooperation <strong>und</strong> zum geme<strong>in</strong>samen Problemlösen,• begünstigt das Lernen <strong>in</strong> S<strong>in</strong>nbezügen,• organisiert das Lernen ganzheitlich,• ermöglicht <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> verschie<strong>den</strong>e Lernwege e<strong>in</strong>zuschlagen,• stärkt die lernmethodische Kompetenz« (Fthenakis u.a. 2009, S. 144).Projekte lassen sich bereits mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren durchführen.Welche Lernerfahrungen schon kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der durch das Arbeiten <strong>in</strong> Projekten machenkönnen, wird im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan am bereichsübergreifendkonzipierten Projektbeispiel »Farbe ist Leben – Experimentieren mit Farbe <strong>und</strong>Papier« (BayBEP 2007, S. 321ff.) <strong>und</strong> nachfolgend am Projektbeispiel »Me<strong>in</strong> Körper«verdeutlicht. Beide Projektbeispiele wur<strong>den</strong> konzipiert <strong>von</strong> Annelie Gräser. Sie leitetdie K<strong>in</strong>derkrippe St. Josef <strong>in</strong> Kaufbeuren, die bereits als Modelle<strong>in</strong>richtung <strong>den</strong> Bayerischen<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splan erprobt hat.137


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>E<strong>in</strong> Beispiel: »Me<strong>in</strong> Körper« – e<strong>in</strong> Projekt aus der K<strong>in</strong>derkrippe St. Josef <strong>in</strong> Kaufbeuren(aus Reichert-Garschhammer, Gräser & Prokop 2010)Im Rollenspiel der K<strong>in</strong>der wurde beobachtet, wie sie erst ihre Puppen <strong>und</strong> spätersich gegenseitig untersuchten. Als e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d aus dem Krankenhaus kam, wurde das»Arztspielen« aktuell. Weil die K<strong>in</strong>der solange an diesem Thema festhielten, kamendie Gruppenteams auf die Projektidee, mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> geme<strong>in</strong>sam <strong>den</strong> Körper zuentdecken <strong>und</strong> dadurch auch die Körperteile kennen zu lernen.Das Thema fand auf vielfältige Weise E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> <strong>den</strong> Krippenalltag, wurde <strong>in</strong> derLernumgebung <strong>und</strong> im Tagesablauf verankert. Flur <strong>und</strong> E<strong>in</strong>gangsbereich wur<strong>den</strong> zumDokumentations- <strong>und</strong> Ausstellungsbereich für das Projekt umfunktioniert, Gruppenräume<strong>und</strong> Malatelier themenbezogen gestaltet <strong>und</strong> genutzt, e<strong>in</strong>e themenbezogeneBücher- <strong>und</strong> Vorlesecke e<strong>in</strong>gerichtet, viel Gelegenheit zu körperbezogenen S<strong>in</strong>neswahrnehmungengeschaffen (zum Beispiel Körper entdecken <strong>und</strong> fühlen, sich bewegen)<strong>und</strong> das Thema <strong>in</strong> die täglichen Rituale wie Morgenkreis, Buchbetrachtung,Wickeln, Essen, S<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. Auch die K<strong>in</strong>der brachten Ideen e<strong>in</strong>. Auf dieseWeise entstan<strong>den</strong> viele Anlässe, das Thema aus mehreren Perspektiven zu bearbeiten<strong>und</strong> <strong>in</strong> größere Zusammenhänge e<strong>in</strong>zubetten, so dass sich vielfältige <strong>Bildung</strong>sprozesseentwickelten.Mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>den</strong> eigenen Körper erforschenE<strong>in</strong>führend gab es Gespräche mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> über unseren Körper <strong>und</strong> die verschie<strong>den</strong>enKörperteile (Kopf, Hände, Bauch, Be<strong>in</strong>e).Um herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, wie der eigene Körper aussieht, legte sich jedes K<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>enBogen Papier <strong>und</strong> die Fachkraft zeichnete <strong>den</strong> Körperumriss nach. Im Gruppenraumwurde e<strong>in</strong> großer Spiegel aufgestellt, <strong>in</strong> dem sich die K<strong>in</strong>der betrachten, auf ihre Körperteilezeigen <strong>und</strong> diese benennen konnten. Beim Betrachten <strong>von</strong> Büchern zumThema Körper erkannten die K<strong>in</strong>der ihnen bekannte Körperteile wieder.In <strong>den</strong> nächsten Tagen wur<strong>den</strong> die Kenntnisse immer sicherer <strong>und</strong> die K<strong>in</strong>der maltennun mit Buntstiften die ihnen bekannten Körperteile auf ihren Umriss. Die Körperumrissewur<strong>den</strong> ausgeschnitten <strong>und</strong> im Flur aufgehängt.Vor ihren Abbildern stehend konnten die K<strong>in</strong>der ihren Umriss wieder erkennen <strong>und</strong>freuten sich, wenn sie auch e<strong>in</strong> anderes K<strong>in</strong>d erkannten. Jolie stellte fest, dass siedie größte an der Wand ist. Da die Körperumrisse auf Augenhöhe der K<strong>in</strong>der angebrachtwaren, entwickelte sich das Spiel »In <strong>den</strong> Körper zurückschlüpfen«, das nachkurzer Zeit erweitert wurde zur Spielidee »In andere Körper schlüpfen«. Beide Spielewaren mehrere Tage der »Renner«. Sie erkannten, dass man <strong>in</strong> <strong>den</strong> Umriss passenkann, manchmal dafür zu kle<strong>in</strong> oder zu groß ist. E<strong>in</strong>ige Zeit später entdecktensie das Spiel erneut <strong>und</strong> Jolie stellte nun fest, dass sie gewachsen war, weil sie nichtmehr <strong>in</strong> ihren Umriss passte.138


<strong>Bildung</strong>sprozesse organisieren <strong>und</strong> moderierenMit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>e Körperfigur herstellen – »Paul<strong>in</strong>e« entstehtIm Team kam die Idee auf, mit <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>e Körperfigur anzufertigen. Die Pädagog<strong>in</strong>nenstellten <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>en aus Kükendraht selbst gebauten Körper vor. ImNu war das Interesse geweckt, sich mit dem Thema weiter zu befassen.Die K<strong>in</strong>der stellten fest, dass der Figur noch Kopf, Füße, Hände <strong>und</strong> Haut fehlen.Moritz schlug vor, für <strong>den</strong> Kopf e<strong>in</strong>en Luftballon aufzublasen <strong>und</strong> diesen zu bekleben,dies hatte er bereits zuhause ausprobiert. Für die Füße <strong>und</strong> Hände entstand dieIdee, Gipsmodelle herzustellen. Das gegenseitige Umwickeln ihrer Hände <strong>und</strong> Füßemit Gipsb<strong>in</strong><strong>den</strong> machte <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sehr viel Spaß. Jeweils e<strong>in</strong> Paar dieser Gipshände<strong>und</strong> -füße wur<strong>den</strong> an »Paul<strong>in</strong>e« festgemacht.Die Erzieher<strong>in</strong> schlug vor, <strong>den</strong> Drahtkörper mit Papier zu bekleben, so bekam Paul<strong>in</strong>eihre Haut. Das E<strong>in</strong>führen der Materialien <strong>und</strong> Werkzeuge geschah durch Vorführen<strong>und</strong> Gespräche. Im Malatelier konnten die K<strong>in</strong>der Papiere zerreißen <strong>und</strong> beimE<strong>in</strong>streichen der Schnipsel mit Kleister s<strong>in</strong>nlich erfahren, dass der Kleister weich ist,klebt <strong>und</strong> riecht, aber nicht schmeckt.Am Ende bekam »Paul<strong>in</strong>e« auch e<strong>in</strong>e Farbe. Die K<strong>in</strong>der arbeiteten selbstständig mit<strong>den</strong> bereit gestellten F<strong>in</strong>gerfarben, wichtig war nicht das Ergebnis, sondern die Freudeam Tun. Der Körper <strong>von</strong> Paul<strong>in</strong>e wurde mehrmals bemalt, so waren viele K<strong>in</strong>derbeteiligt. Der Kopf brauchte noch Augen, Nase, M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ohren, jetzt war Paul<strong>in</strong>efertig.Die K<strong>in</strong>der nehmen »Paul<strong>in</strong>e« auch heute noch zum Spielen, spazieren mit ihr durchsZimmer oder tanzen mit ihr. Dabei ist zu beobachten, wie sie immer wieder auch Körperteileanfassen <strong>und</strong> diese benennen.Eltern <strong>in</strong> das Projekt aktiv e<strong>in</strong>beziehenAuch die Eltern brachten sich <strong>in</strong> das Projekt e<strong>in</strong>. Sie sammelten Zeitungsausschnitte<strong>und</strong> Bilder <strong>von</strong> verschie<strong>den</strong>sten Köpfen <strong>und</strong> Augen <strong>und</strong> erstellten damit zwei Plakate.Die größeren K<strong>in</strong>der stan<strong>den</strong> oft davor, sahen sich die Fotos an <strong>und</strong> konntenihren Eltern die abgebildeten Körperteile erklären.ReflexionDurch das selbstständige Arbeiten entwickelte sich bei <strong>den</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Selbstvertrauen,durch spielerische Angebote lernten sie die Körperteile kennen <strong>und</strong> benennen <strong>und</strong>durch klare Absprachen Regeln e<strong>in</strong>zuhalten. Die sprachliche Ause<strong>in</strong>andersetzung mitdem Thema erweiterte ihren Sprachgebrauch <strong>und</strong> Wortschatz. Es fand ganzheitlichesLernen statt, da <strong>in</strong> das Projekt viele Kompetenz- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sbereiche <strong>in</strong>tegriertwaren.139


3.5 Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozessebeobachten <strong>und</strong> dokumentierenE<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Stärkung der Kompetenzen <strong>von</strong> Anfang an setzt voraus, <strong>den</strong> Lern<strong>und</strong>Entwicklungsverlauf e<strong>in</strong>es je<strong>den</strong> K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>schätzen zu können <strong>und</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong>se<strong>in</strong> Lernen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Entwicklung zu bekommen. Nur so kann es gel<strong>in</strong>gen, K<strong>in</strong>derbesser zu verstehen, sie entwicklungsangemessen am <strong>Bildung</strong>sgeschehen zu beteiligen<strong>und</strong> gezielt zu unterstützen <strong>und</strong> zu stärken. E<strong>in</strong>e prozessorientierte Beobachtung<strong>und</strong> Dokumentation macht <strong>den</strong> <strong>in</strong>dividuellen Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsverlauf desK<strong>in</strong>des nachvollziehbar. Sie ist der Schlüssel für die <strong>Bildung</strong>squalität <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen<strong>und</strong> zugleich Lernchance für die Fachkräfte selbst. Dies gilt für die pädagogischeArbeit mit jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> genauso wie mit älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentations<strong>in</strong>d wesentliche Gr<strong>und</strong>lagen des pädagogischen Handelns <strong>und</strong> gehörenzum Handwerkszeug <strong>von</strong> Fachkräften <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen ebenso wie <strong>in</strong>Krippen, <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagespflege <strong>und</strong> weiteren <strong>Bildung</strong>se<strong>in</strong>richtungen.Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation helfen, das eigene pädagogische Handeln zureflektieren <strong>und</strong> tragen auch dazu bei, e<strong>in</strong>e Brücke zu <strong>den</strong> Eltern zu bauen. Gerade<strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren ist e<strong>in</strong>e vertrauensvolle Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Eltern<strong>von</strong> besonderer Bedeutung. Im partnerschaftlichen Dialog können Mütter <strong>und</strong> Vätersich mit Fachkräften über Beobachtungen zur aktuellen Entwicklung, zu Interessen<strong>und</strong> Bedürfnissen ihres K<strong>in</strong>des im außerfamiliären Kontext sowie – im Vergleich dazu– im häuslichen Umfeld austauschen.Die Philosophie des Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splans betont e<strong>in</strong> ressourcenorientiertesVorgehen bei der Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation <strong>von</strong> Lern- <strong>und</strong>Entwicklungsprozessen, das heißt die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was dasK<strong>in</strong>d schon alles kann, weiß <strong>und</strong> versteht. Welche Interessen hat es? Welche Fragenbeschäftigen es? Wie gestaltet es se<strong>in</strong> Spiel mit <strong>den</strong> anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>? Dieses Vorgehenerfolgt stets auf der Basis entwicklungspsychologischer Kenntnisse sowieunter E<strong>in</strong>bezug <strong>von</strong> Wissen über die Bedeutung des Kontextes des K<strong>in</strong>des – se<strong>in</strong>emkulturellen, sozialen sowie sozioökonomischen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>.E<strong>in</strong> professionelles Vorgehen bei Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation <strong>von</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> imAlter null bis drei Jahren basiert auf <strong>den</strong>selben Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> Qualitätsmerkmalenwie bei älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. Diese s<strong>in</strong>d im Kapitel »Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation<strong>von</strong> Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozessen« im Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splanauf <strong>den</strong> Seiten 115-116 dargestellt (guter Überblick über Beobachtungsgr<strong>und</strong>sätzevgl. Becker-Stoll, Niesel & Wertfe<strong>in</strong> 2009, S. 142f.).140


Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse beobachten <strong>und</strong> dokumentierenBeobachtung <strong>und</strong> Dokumentation können auf vielerlei Art geschehen: <strong>von</strong> der freien,wahrnehmen<strong>den</strong> Beobachtung über das Sammeln <strong>von</strong> Produkten k<strong>in</strong>dlicher Aktivitätenbis h<strong>in</strong> zu strukturierten Formen der Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation. Die unterschiedlichenZugangswege ergänzen e<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> geben erst <strong>in</strong> der Zusammenschaue<strong>in</strong> umfassendes Bild vom Lernen <strong>und</strong> <strong>von</strong> der Entwicklung des K<strong>in</strong>des. Im Vergleichzum kaum noch überschaubaren Angebot an Beobachtungs- <strong>und</strong> Dokumentationsverfahrenim K<strong>in</strong>drgartenbereich besteht im Krippenbereich nur e<strong>in</strong> spärliches Angebotan Beobachtungsverfahren. Gerade <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten Lebensjahren erfolgt häufige<strong>in</strong>e qualitative Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation mit Hilfe unterschiedlicher, häufigauch selbst erstellter Beobachtungsbögen.Entschei<strong>den</strong>d dabei ist stets die zuvor im Team erörterte Frage: Welche Zielstellungenverfolgt die Beobachtung bzw. mithilfe welcher Fragestellungen soll das K<strong>in</strong>dbeobachtet wer<strong>den</strong>? Darauf basierend können <strong>in</strong> unterschiedlichen Situationen systematischeBeobachtungen durchgeführt wer<strong>den</strong>. Gerade bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> erstenLebensjahren ist e<strong>in</strong>e konzentrierte Beobachtung des k<strong>in</strong>dlichen Spiels e<strong>in</strong> besondersgeeigneter Zugangsweg, mehr darüber herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong>, mit welchen Themensich das K<strong>in</strong>d beschäftigt, welche Fragen es hat, über welche Kompetenzen esbereits verfügt, auf welche Weise es se<strong>in</strong>e Umwelt erforscht, wie es zu Lösungengelangt <strong>und</strong> lernt oder wie es mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Austausch tritt. Bei sehr kle<strong>in</strong>en<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im ersten Lebensjahr kommt vor allem nichtsprachlichen Äußerungene<strong>in</strong>e besondere Bedeutung zu.Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> exemplarisch vier Verfahren kurz beschrieben, die sich geradeauch bei jungen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gut zur prozessorientierten Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentationeignen: die Erstellung <strong>in</strong>dividueller Portfolios, <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Lerngeschichten,strukturierte Beobachtungs- <strong>und</strong> Dokumentationsverfahren sowie sprechende Wände.Individuelle PortfoliosDie Portfolioarbeit als e<strong>in</strong>e kompetenz- <strong>und</strong> stärkenorientierte Beobachtungs- <strong>und</strong>Dokumentationsmethode nimmt e<strong>in</strong>en immer größeren Stellenwert <strong>in</strong> K<strong>in</strong>derkrippen<strong>und</strong> anderen K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen, aber auch <strong>in</strong> Schulen e<strong>in</strong>. Portfolios könnennur dann s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>, wenn sie <strong>in</strong> die Konzeption der pädagogischenArbeit e<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> im S<strong>in</strong>ne der Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien (<strong>Bildung</strong>sphilosophie) desBayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>splans durchgeführt wer<strong>den</strong>. Portfolioarbeiterfüllt ke<strong>in</strong>en Selbstzweck, sondern sie wird e<strong>in</strong>gesetzt, um <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>szieleumzusetzen.»Das Portfolio ist e<strong>in</strong>e zielgerichtete Sammlung <strong>von</strong> Dokumenten (zum BeispielWerke der K<strong>in</strong>der, Fotos, Beobachtungen) <strong>und</strong> zeigt Prozesse, Entwicklungen <strong>und</strong>Veränderungen. Es ist e<strong>in</strong> Instrument, das Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation zusam-141


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>menführen kann, für alle am <strong>Bildung</strong>sprozess beteiligten Personen nutzbar macht<strong>und</strong> deshalb geeignet ist, Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse sowie pädagogischeArbeit zu dokumentieren <strong>und</strong> zu reflektieren« (Fthenakis u.a. 2009, S. 11).Die Erstellung dieser »Sammelmappen« verfolgt dabei nicht etwa das Ziel, die Entwicklungdes K<strong>in</strong>des möglichst lückenlos abzubil<strong>den</strong> <strong>und</strong> möglichst alle Arbeitsergebnisse<strong>und</strong> Dokumente abzuheften, sondern vielmehr geme<strong>in</strong>sam mit dem K<strong>in</strong>dFotos, Dokumente, Aussagen oder Werke auszuwählen <strong>und</strong> somit bedeutsame Ereignisse<strong>in</strong> der Entwicklung des K<strong>in</strong>des aufzuzeigen. Dabei können selbstverständlichauch Erlebnisse e<strong>in</strong>fließen, die außerhalb der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung gemacht wur<strong>den</strong>,<strong>in</strong>dem beispielsweise Bilder oder Postkarten aus dem Urlaub <strong>in</strong>s Portfolio aufgenommenwer<strong>den</strong>. Diese so gewonnenen Informationen eignen sich sowohl für dieReflexion im Team als auch als Gr<strong>und</strong>lage für regelmäßige Entwicklungsgesprächemit <strong>den</strong> Eltern. Das jeweilige Portfolio verbleibt im Besitz des K<strong>in</strong>des.<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> LerngeschichtenBasierend auf <strong>den</strong> learn<strong>in</strong>g stories, e<strong>in</strong>em neuseeländischen Konzept <strong>von</strong> MargaretCarr, hat das Deutsche Jugend<strong>in</strong>stitut (DJI) die <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Lerngeschichten entwickelt(vgl. Leu u.a. 2007, Frankenste<strong>in</strong> u.a. 2009). Zielstellung dabei ist nicht die Erfassung<strong>von</strong> »Ergebnissen«, sondern die Dokumentation der <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Lernprozessedes K<strong>in</strong>des. Unter Berücksichtigung bestimmter Richtl<strong>in</strong>ien, wie zum Beispiel stetsdie Sichtweise des K<strong>in</strong>des mite<strong>in</strong>zubeziehen, wer<strong>den</strong> Lerngeschichten aus dem Alltagdes K<strong>in</strong>des über e<strong>in</strong>en bestimmten Zeitraum h<strong>in</strong>weg beobachtet, dokumentiert <strong>und</strong> <strong>in</strong>das Portfolio des K<strong>in</strong>des aufgenommen. Besonderes Augenmerk dabei wird aufbestimmte so genannte »Lerndispositionen« gelegt – »<strong>in</strong>teressiert se<strong>in</strong>«, »engagiertse<strong>in</strong>«, »standhalten«, »ausdrücken«, »Lerngeme<strong>in</strong>schaft«. Nach Margaret Carr kommendabei die »Motivation <strong>und</strong> Fähigkeit zum Ausdruck, sich mit neuen Anforderungen <strong>und</strong>Situationen ause<strong>in</strong>anderzusetzen <strong>und</strong> sie mitzugestalten« (vgl. Carr 2001, zit. nach Leu2007, S. 49). Für die Analyse der beobachteten Lerngeschichten des K<strong>in</strong>des ist es entschei<strong>den</strong>d,die jeweilige Handlung entsprechend der beobachteten Lerndispositionenzu bewerten <strong>und</strong> dies als Gr<strong>und</strong>lage für das weitere pädagogische Handeln, <strong>den</strong> Austauschmit dem K<strong>in</strong>d, <strong>den</strong> Eltern oder im pädagogischen Team zu verwen<strong>den</strong>.E<strong>in</strong> Beispiel: Lerngeschichte für Sel<strong>in</strong>a (sechs Monate), die gerade gelernt hat,sich zu drehen(aus: Christoph u.a. 2008)»Liebe Sel<strong>in</strong>a,Du hast e<strong>in</strong> weiteres Ziel erreicht. Du kannst Dich vom Rücken auf <strong>den</strong> Bauch drehen.Ja, das ist ganz schön viel Arbeit!142


Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse beobachten <strong>und</strong> dokumentierenZum allerersten Mal drehtest Du Dich am 25. Juli 2008 vom Bauch auf <strong>den</strong> Rücken.Bis Du Dich vom Rücken auf <strong>den</strong> Bauch drehen konntest, ist e<strong>in</strong>e längere Zeit vergangen.Es ist auch viel schwieriger!Im November war ich e<strong>in</strong>e Woche nicht da <strong>und</strong> als ich wieder nach Hause kam, hastDu mir gezeigt, was Du <strong>in</strong> <strong>den</strong> Tagen me<strong>in</strong>er Abwesenheit gelernt hattest. Das waram Freitag. Ich legte Dich auf <strong>den</strong> Rücken, um mit Dir zu spielen. Du wurdest sofortaktiv. Du drehtest Dich auf die rechte Seite <strong>und</strong> über die rechte Seite auf <strong>den</strong> Bauch.Das klappte sehr gut. Jetzt war nur noch der rechte Arm im Weg. Er steckte zwischenDe<strong>in</strong>em Bauch <strong>und</strong> dem Teppich. E<strong>in</strong> kräftiger Ruck <strong>von</strong> Dir <strong>und</strong> Du hattest <strong>den</strong> Armherausgezogen. Du richtetest De<strong>in</strong>en Oberkörper auf, drehtest <strong>den</strong> Kopf zu mir <strong>und</strong>lachtest mich an. Ich glaube, auch Du warst stolz auf De<strong>in</strong>e Leistung. Ich war es, <strong>und</strong>ich zeigte es Dir, <strong>in</strong> dem auch ich Dir zulachte <strong>und</strong> De<strong>in</strong>er großartigen Leistung Lob<strong>und</strong> Anerkennung aussprach.De<strong>in</strong>e Gerl<strong>in</strong>de«143


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>E<strong>in</strong> Beispiel: Lerngeschichte <strong>von</strong> Gregor (e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahre)(aus Österreicher & Prokop 2010)»Lieber Gregor,heute hattest Du unsere Doppelrampe zum ersten Mal ganz für Dich alle<strong>in</strong>. Zuerstbist Du immer wieder um das große, merkwürdig aussehende Holzmöbel herumgelaufen<strong>und</strong> hast es Dir <strong>von</strong> allen Seiten genau angeschaut.Schließlich hast Du Dich entschlossen, auf der weniger steilen Seite hochzugehen.Das war gar nicht leicht. Anfangs bist Du immer wieder ausgerutscht <strong>und</strong> auf demBauch gelandet. Aber Du hast nicht aufgegeben. Du wolltest es bis ganz nach obenschaffen, <strong>und</strong> zwar aufrecht.Endlich klappte es, <strong>und</strong> Du bist ohne Unterbrechung nach oben gegangen. Danachhast Du mich angestrahlt. Es war e<strong>in</strong> toller Erfolg für Dich.Als Du Dich langsam <strong>und</strong> vorsichtig auf <strong>den</strong> Weg nach unten gemacht hast, bist Duanfangs immer <strong>in</strong> der Mitte der Rampe geblieben. Ungefähr auf halber Höhe hast DuDich sicher gefühlt <strong>und</strong> bist das letzte Stück ganz schnell gelaufen. Dabei hast Dulaut gelacht.Anschließend bist Du gleich wieder hochgegangen, <strong>und</strong> diesmal hast Du es aufAnhieb geschafft. Auch der Rückweg fiel Dir leichter als beim ersten Mal. Dennochhast Du das Rauf- <strong>und</strong> Runtergehen noch lange geübt. Du hast Dich darüber gefreut,dass andere K<strong>in</strong>der kamen, um Dir zuzuschauen. Weil Du Dich auf der Rampe schonsicher fühltest, konntest Du ihnen beim Runtergehen sogar zuw<strong>in</strong>ken. Später warstDu so müde, dass Du Dich h<strong>in</strong>ter der Terrassentür auf e<strong>in</strong>e Matte legtest <strong>und</strong> e<strong>in</strong>Schläfchen machtest.De<strong>in</strong>e Edeltraud«Interpretation der Erzieher<strong>in</strong>Gregor näherte sich dem neuen Klettergerät zunächst vorsichtig, was für K<strong>in</strong>der se<strong>in</strong>esAlters typisch ist. Als es ihm gelungen war, die e<strong>in</strong>e Seite der Doppelrampe ohneHilfe <strong>und</strong> aufrecht h<strong>in</strong>aufzugehen, war das e<strong>in</strong> großes Erfolgserlebnis für ihn, das erwiederholen wollte. Damit war e<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gseffekt verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> Gregor wurdezunehmend sicherer. Beharrlich hatte er zu Beg<strong>in</strong>n mehrmals versucht, die Steigungzu bewältigen, <strong>und</strong> das hatte sich gelohnt.Insgesamt verbrachte Gregor fast e<strong>in</strong>e halbe St<strong>und</strong>e an dem Klettergerät. Dabeispielte wohl e<strong>in</strong>e Rolle, dass andere K<strong>in</strong>der auf se<strong>in</strong>e Aktivität aufmerksam wur<strong>den</strong><strong>und</strong> h<strong>in</strong>zukamen, um ihm zuzuschauen. Das vermittelte ihm Anerkennung <strong>und</strong>Zustimmung. Er beendete se<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g erst, als er müde <strong>und</strong> buchstäblich satt anErfahrungen war.144


Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse beobachten <strong>und</strong> dokumentierenDiese Übungen s<strong>in</strong>d nicht nur für <strong>den</strong> grobmotorischen Bereich <strong>und</strong> <strong>den</strong> Gleichgewichtss<strong>in</strong>nwichtig, sondern vor allem für <strong>den</strong> Umgang mit der Wirkung der Schwerkraft,die unmittelbar am eigenen Körper erfahren wird. Gleichzeitig s<strong>in</strong>d solcheErlebnisse e<strong>in</strong>e vorsprachliche Basis für die Entwicklung physikalischer <strong>und</strong> mathematischerKonzepte wie Reibung, Gefälle <strong>und</strong> Geschw<strong>in</strong>digkeit.Wenn Gregor sich künftig mit der Doppelrampe beschäftigt, kann ich das möglicherweiseauch sprachlich aufgreifen. Ich könnte mit ihm besprechen, ob er lieber aufoder unter der Rampe ist. Vielleicht möchte er auch über beide Rampen laufen.Lerngeschichte <strong>von</strong> Leon, Tim, Sascha <strong>und</strong> Aron (zwischen zweie<strong>in</strong>halb <strong>und</strong>dreie<strong>in</strong>halb Jahren)(aus der K<strong>in</strong>derkrippe Felicitas-Füss-Straße <strong>in</strong> München)»Lieber Leon, lieber Tim, lieber Sascha <strong>und</strong> lieber Aron,ich beobachte schon seit e<strong>in</strong>igen Tagen Euer Interesse für die Weltkarte an der Wandim Bauraum. Es s<strong>in</strong>d vor allem die unterschiedlichen Symbole, die Ihr kennen lernen<strong>und</strong> zuordnen wollt.Gestern war es der Eisbär. Ich war erstaunt, wie viel Ihr schon über die Eisbärenerzählen konntet. Sascha, Du hast De<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>en erzählt, dass die Eisbären Robben<strong>und</strong> Fische essen <strong>und</strong> Du, Leon, hast gesagt, dass die Eisbären ganz großeRaubtiere s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>in</strong> Alaska leben, bei viel Eis <strong>und</strong> Schnee.Ihr habt bemerkt, dass ich Euch fotografiere <strong>und</strong> Ihr habt mich gleich gefragt, ob ichmit Euch das große Tierlexikon anschauen könnte.Das haben wir dann geme<strong>in</strong>sam gemacht <strong>und</strong> ich musste Euch viel vom Leben derEisbären vorlesen. Dabei haben wir erfahren, dass e<strong>in</strong> Eisbär bis drei Meter lang <strong>und</strong>bis zu e<strong>in</strong>em Meter fünfzig groß wer<strong>den</strong> <strong>und</strong> bis zu 1.000 Kilogramm wiegen kann.Wenn das Eis schmilzt, dann fressen Eisbären auch Gras, Moos, Beeren <strong>und</strong> Vögel.Sie können sehr gut schwimmen <strong>und</strong> tauchen. Ihre e<strong>in</strong>zelnen Fellhaare s<strong>in</strong>d hohl,dadurch wird das Fell, wenn es nass wird, nicht so schwer. Je kälter es ist, umsowohler fühlen sie sich, deshalb heißen sie auch Eisbären.Sascha, Du hast mir e<strong>in</strong> Meterband geholt <strong>und</strong> ich musste Euch zeigen, wie lang dreiMeter s<strong>in</strong>d, das hat Euch mächtig bee<strong>in</strong>druckt <strong>und</strong> Ihr habt es gleich <strong>den</strong> anderen<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Haus gezeigt <strong>und</strong> erzählt.Eure Nicole«145


Schlüsselprozesse guter <strong>Bildung</strong>Strukturierte Beobachtungs- <strong>und</strong> DokumentationsverfahrenE<strong>in</strong>e gänzlich andere Zielstellung verfolgen strukturierte Beobachtungsverfahren.Diese dienen der gezielten Beobachtung <strong>und</strong> Dokumentation <strong>von</strong> bestimmten Entwicklungsdimensionen– mit dem Ziel, <strong>den</strong> Entwicklungsstand bzw. <strong>den</strong> Entwicklungsprozesszu erfassen (zum Beispiel die Entwicklungstabelle <strong>von</strong> Beller & Beller2009), die pädagogische Arbeit anzuregen oder Entwicklungsbee<strong>in</strong>trächtigungen frühzeitigzu erkennen (vgl. zum Beispiel das Screen<strong>in</strong>gverfahren <strong>von</strong> Petermann, Petermann& Kogl<strong>in</strong> 2008). Für die ersten Lebensjahre liegen noch vergleichsweise wenigstrukturierte <strong>und</strong> normierte Beobachtungs- <strong>und</strong> Dokumentations<strong>in</strong>strumente vor.»Sprechende Wände«Sprechende Wände s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Dokumentationsform der Reggio-Pädagogik. Dabeiwer<strong>den</strong> die Wände <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung genutzt, um das Leben <strong>und</strong> Lernen <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtungfür alle K<strong>in</strong>der, Fachkräfte, die Familien der K<strong>in</strong>der, aber auch andere Personensichtbar zu machen. Diese »sprechen<strong>den</strong> Wände« machen <strong>Bildung</strong>sprozessesichtbar (wenn zum Beispiel e<strong>in</strong>e Fotodokumentation e<strong>in</strong>es Projektes ausgestelltwird) <strong>und</strong> sie würdigen die Ergebnisse <strong>von</strong> kreativen Prozessen der K<strong>in</strong>der (zum BeispielBilder, F<strong>und</strong>stücke). Darüber h<strong>in</strong>aus können sie auch dazu e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>,146


Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse beobachten <strong>und</strong> dokumentieren<strong>den</strong> Alltag der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung für K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Familien transparent zu machen<strong>und</strong> damit Orientierung zu bieten. Der Aushang des Tagesablaufs mit Symbolen, desSpeiseplans mit Fotos oder auch des Dienstplans der E<strong>in</strong>richtung mit Fotos derjeweils anwesen<strong>den</strong> Fachkräfte <strong>und</strong> weiteren Kräfte (Köch<strong>in</strong>, Hauswirtschafter<strong>in</strong> usw.)macht für K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Eltern auch diese Alltagsaspekte »lesbar«.147


Anhang


Projektleitung,Autor<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> AutorenProjektleitung <strong>und</strong> GesamtverantwortungProf. Dr. Dr. Dr. Wassilios Fthenakis, PD Dr. Fabienne Becker-StollKonzeptionProf. Dr. Dr. Dr. Wassilios Fthenakis, Dr. Dagmar Berwanger, Anna Sp<strong>in</strong>dler,Eva Reichert-GarschhammerE<strong>in</strong>führungPD Dr. Fabienne Becker-Stoll & Dr. Dagmar BerwangerTeil 1Dr. Dagmar Berwanger & Eva Reichert-Garschhammer; PD Dr. Fabienne Becker-Stoll(Kapitel 1.2)Teil 2Kapitel 2.1 (B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Beziehung): PD Dr. Fabienne Becker-Stoll & Anna Sp<strong>in</strong>dlerKapitel 2.2 (emotionale <strong>und</strong> soziale Kompetenzen): Anna Sp<strong>in</strong>dlerKapitel 2.3 (kommunikative Kompetenzen): Dr. Dagmar BerwangerKapitel 2.4 (körperbezogene Kompetenzen): Katr<strong>in</strong> ReisKapitel 2.5 (kognitive <strong>und</strong> lernmethodische Kompetenzen): Anna Sp<strong>in</strong>dlerKapitel 2.6 (positives Selbstbild): Katr<strong>in</strong> ReisTeil 3Dr. Dagmar Berwanger, Eva Reichert-Garschhammer & Anna Sp<strong>in</strong>dlerRedaktionelle UnterstützungEva Reichert-Garschhammer, Angela Roth, Renate NieselFotosJochen Fiebig150


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