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Umbruch_1_2008:Sauerland Zeitschrift - Sauerländer Heimatbund ...

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60 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Celsius steigt das Westerwasser aus<br />

450 m Tiefe auf. Die Wärmekraft der in<br />

die Möhne mündenden Wester reicht<br />

aus, dass auch die Möhne noch ca. 1 km<br />

unterhalb der Wester-Einmündung im<br />

Winter nicht gefriert. Diese günstigen<br />

Bedingungen waren Grund, dass auch<br />

das Rittergut Welschenbeck an diesem<br />

Abschnitt schon vor Jahrhunderten eine<br />

Mahl- und Sägemühle erbaute.<br />

An der „warmen“ Wester wurden<br />

von der Oberen Mühle am Warsteiner<br />

Bullerteich, bekannt als Tacken-Mahl -<br />

mühle, bis zur Stiftfabrik und Drahtwalze<br />

in Belecke weitere Anlagen errichtet,<br />

die alle durch Wasserkraft angetrieben<br />

wurden. Es seien nur die bekanntesten<br />

genannt: Kupferhammer, Eisenhammer,<br />

Reckhammer und Puddelhammer.<br />

Im Jahre 1307 wird in einer Urkunde<br />

dokumentiert, dass der Erzbischof Hein -<br />

rich II. von Köln als hiesiger Landesherr<br />

dem Propst von Belecke (Propst als Vertreter<br />

des Abtes von Kloster Graf schaft)<br />

das alleinige Recht zuspricht, Mahl-, Säge-<br />

und Ölmühlen zu errichten. Jedoch<br />

verlangte der Erzbischof von den Einnahmen<br />

der Mahlmühlen jährlich 1 Malt<br />

Frucht (oder Mehl). Malt wurde damals<br />

nach Hohlmaß, nicht nach Gewicht gemessen.<br />

Ein Malt entsprach 660 Li tern,<br />

das wären ca. 600 kg Roggen oder<br />

Gerste gewesen. Weizen wurde damals<br />

noch nicht in unserer Gegend angebaut.<br />

Dazu traf der Erzbischof eine andere<br />

weittragende Entscheidung, nämlich<br />

den Mahlzwang. Das heißt konkret: Die<br />

Anwohner rund um Belecke, bis weit auf<br />

die Haar, mussten ihr Getreide in der<br />

Propsteimühle in Belecke mahlen lassen.<br />

So heißen noch heute zwei Feld -<br />

wege von Belecke auf die Haar „Uelder<br />

Mühlenweg“ bzw. „Effelner Mühlen -<br />

weg“. Selbst das Kloster Grafschaft<br />

musste eine Zeit lang sein Korn in Belecke<br />

mahlen lassen. Dank des „Multerns“<br />

– man bezahlte das Mahlen statt mit<br />

Geld mit einer genau festgelegten Menge<br />

Getreide – profitierte der Propst als<br />

Eigentümer der Mühle gewaltig.<br />

Die Säkularisation (ab 1803) hob auf<br />

Anordnung des französischen Kaisers<br />

Napoleon alle geistlich-kirchlichen Herr -<br />

schaftsansprüche in Deutschland auf<br />

und unterstellte alle politische Macht<br />

den weltlichen Herren. Die Propstei -<br />

güter blieben zwar im Besitz der Bele-<br />

cker Pfarrei – durch das geschickte Verhan<br />

deln der beiden Pfarrpröpste Florentinus<br />

Pape, gestorben 1802, und Beda<br />

Behr, gestorben 1830 –, aber die dazugehörigen<br />

Säge-, Mahl- und Lohmühlen<br />

wurden eingezogen und der Domänen-<br />

Kammer unterstellt. Als Entschädigung<br />

zahlte die damals zuständige Hessisch-<br />

Darmstädter Regierung nur 116 Thaler.<br />

Der reale Wert wurde auf wenigstens<br />

15000 Thaler geschätzt! Erst unter der<br />

Preußischen Regierung wurde im Jahre<br />

1829 dieser Wert anerkannt und teilweise<br />

ersetzt.<br />

Was geschah mit den Mühlen?<br />

Die beiden Propstei-Säge- und Mahl -<br />

mühlen wurden im Jahre 1813 von Familie<br />

Stüting gepachtet und im Jahre<br />

1845 käuflich erworben. (Die Lohmühle<br />

wurde noch lange Zeit von Familie<br />

Röper betrieben).<br />

Aus dem Jahre 1850 wissen wir, dass<br />

die Stüting´sche Mahlmühle von drei<br />

Wasserrädern angetrieben wurde und<br />

entsprechend drei parallele Mahlgänge<br />

hatte. Die Sägemühle und der neu dazu<br />

gekommene Lohndreschkasten erhielten<br />

ihren Antrieb von dem großen Wasserrad,<br />

das ein Gewicht von 2,5 t hatte,<br />

einen Durchmesser von 4,50 m und eine<br />

Radbreite von 1,50 m. Dieses mittelschlächtige<br />

Wasserrad hatte 36 Wasser-<br />

„Taschen“/-Schaufeln.<br />

1905 wurden die drei Wasserräder<br />

der Mahlmühle demontiert. Stattdessen<br />

wurde eine Francis-Schachtturbine eingebaut<br />

als „Ersatz“, die aber einen deutlich<br />

höheren Wirkungsgrad besaß als die<br />

drei Räder. Nun wurde Strom erzeugt<br />

mittels Turbine und Dynamo und zwar<br />

so viel, dass nicht nur die zwei verbliebenen<br />

Mahlgänge versorgt werden konnten,<br />

sondern ein Teil des Stromes in die<br />

Belecker Straßenbeleuchtung eingespeist<br />

wurde. 1958 wurde der Mahl -<br />

betrieb eingestellt und 1962 die Sägerei<br />

und das Lohndreschen. 1964 erfolgte<br />

der Abbruch der alten Mahlmühle, an<br />

deren Stelle ein neues Wohnhaus errichtet<br />

wurde. Aber der alte Antriebskeller<br />

mit der Turbine blieb verdeckt erhalten.<br />

Zum Bedauern der Belecker Bevölkerung<br />

ruhte der Mühlenbetrieb, kein<br />

Mühlrad drehte sich mehr, im Gegenteil,<br />

man beobachtete den fortschreitenden<br />

Zerfall des einst so prächtigen Wasserra-<br />

des und befürchtete seinen baldigen Abbruch.<br />

Da bildete sich aus einer Stamm -<br />

tischrunde des Belecker Männerchores<br />

der „Arbeitskreis Mühlrad“, bestehend<br />

aus zwölf Männern. Ihr Ziel: Rettung<br />

dieses alten Wahrzeichens.<br />

Wir schreiben das Jahr 1983. Mit<br />

körperlicher Schwerstarbeit und ausgezeichnetem<br />

handwerklichen Können<br />

wird das mehrere Tonnen schwere Wasserrad<br />

neu zusammengebaut. Am<br />

Sturmtag (6. Juni) 1984 wurde Richtfest<br />

gefeiert, der Bürgermeister konnte das<br />

große Rad per Knopfdruck wieder in Bewegung<br />

setzen.<br />

Das gesamte Anwesen des Mühlenge<br />

ländes ging 1986, nach dem Tode<br />

von Dr. med. Heinrich Stüting, als Erbgut<br />

in den Besitz der Stadt Warstein<br />

über. Der „Arbeitskreis Mühlrad“ arbeitete<br />

jedoch weiter. Das Gebäude der alten<br />

Säge mühle wurde von ihm restauriert<br />

– wie immer in Freizeitarbeit. Noch<br />

wichtiger und imponierender: Diese fleißigen<br />

Männer setzten das Horizontalgatter<br />

mit dem Antrieb durch das Wasserrad<br />

wieder instand. Es sägte zum ersten<br />

Mal am Sturmtag (3. Juni) 1987,<br />

und ist das zurzeit einzige mit Wasserkraft<br />

und Wasser rad betriebene Horizontalgatter<br />

in NRW. Es arbeitet zum<br />

Schausägen und beliefert den Bauhof<br />

der Stadt Warstein - wenn gewünscht -<br />

mit Balken und Bohlen.<br />

Nun blieb dem AK noch ein ehrgeiziges<br />

Ziel. Man wollte auch die Turbine im<br />

Keller neben der abgerissenen Mahl -<br />

müh le restaurieren. Und dieser Plan gelang.<br />

In Präzisionsarbeit wurde ab 1991<br />

die alte Turbine überholt und bis zum<br />

Jahre 1993 auf den neusten Stand gebracht,<br />

modernisiert und automatisiert<br />

für einen wärterlosen Betrieb. Der Erfolg:<br />

Je nach Wasserstand der Wester<br />

können nun jährlich ca. 140 000 kW<br />

Strom in das VEW-RWE-Netz eingespeist<br />

werden. Im Jahre 2007 waren es<br />

genau 184 784 kW Stunden, 28 000<br />

kW Stunden mehr als im Jahre 2006.<br />

Die Belecker wissen, was sie dem<br />

„Arbeitskreis Mühlenrad“ des Jahres<br />

1983 und inzwischen auch neuen Mitgliedern<br />

zu verdanken haben:<br />

Diese Männer haben ein Stück wertvoller<br />

Tradition unserer Heimat gerettet!

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