Lausanne, Kapstadtund der Kurs der EvangelikalenVon Pfr. Reinhard Möller, Aesch BL /SchweizLausanne 1974 – starker Impuls,schwaches FundamentDie „Lausanner Bewegung“ hat ihreWurzeln im „Internationalen Kongressfür Weltevangelisation“, der im Sommer1974 auf Initiative von Billy Graham inLausanne (Schweiz) stattfand. Aus seinerSicht stand die Welt damals „amäußersten Rand vor Harmagedon“[1]; indieser Stunde sollte die Evangelisationweltweit einen letzten starken Impuls erhalten,„Jesus als Gott und einzigen Erlöserzu bezeugen“[2]. Über 2.700 Teilnehmeraus 150 Staaten hörten eineFülle von Vorträgen und diskutiertenüber zentrale Themen von Mission,Evangelisation und Gemeindebau.Ein Anliegen war das Herausarbeitenunverzichtbarer biblischer Grundlagenfür die Evangelisation. In seiner Begründungfür diesen Kongress betonte Grahamdie „gemeinsame Hingabe an dieAutorität der Heiligen Schrift“[3], wobeier diese gesamthaft als „das unfehlbareWort Gottes“ bezeichnete, als „irrtumslos“und „autoritativ“, als „ewigen Korpusoffenbarter Wahrheit“: Die Bibel„fordert Glauben und Gehorsam, heutewie gestern“[4]. Viele Referenten standenbewusst zu diesem Zeugnis, Carl F.H. Henry, Harold Lindsell und FrancisA. Schaeffer seien exemplarisch erwähnt.Um so mehr musste es auffallen,dass das Schlussdokument – später als„Lausanner Verpflichtung“ bekannt geworden[5] –, diese schriftgläubige Haltungnicht widerspiegelt, sondern „man“statt dessen bewusst eine schwammigeFormulierung wählte. Mit Rücksicht aufandere Evangelikale wollte man sichnicht für so starke Formulierungen entscheiden,wie sie sich im Vortrag von<strong>Der</strong> <strong>schmale</strong> <strong>Weg</strong> Nr. 2 / 2011 20
Francis A. Schaeffer fanden. Seitdemkränkelt die Lausanner Bewegung an einemmangelhaften Fundament.F. A. Schaeffer, Begründer von L’Abri(Huemoz/Schweiz), war damals auchDozent an der Freien Evangelisch-TheologischenAkademie Basel (heute: STHBasel); er hielt einen engagierten undfundierten Vortrag, der massive und gutbegründete Warnungen an die Evangelikalenrichtete. „Zwei Inhalte – zweiWirklichkeiten“ betitelte er sein Referat,das in der deutschen Übersetzung anSprache und Kraft leider viel verlor [6].Schaeffer teilte den Glauben an die Irrtumslosigkeitder Heiligen Schrift undwarnte entschieden vor Kompromissen,vor Streichungen oder Hinzufügungenin Lehre und Leben. So sagte er:„... wenn Evangelikale tatsächlich Evangelikalesein wollen, dann müssen wir sagen,wir dürfen in Bezug auf unsere Sicht derHeiligen Schrift keine Kompromisse machen.Es macht keinen Sinn, wenn der Evangelikalismusimmer größer und größer wird.,wenn dann zur selben Zeit beachtlicheTeile des Evangelikalismus in Bezug aufdas Zentrum, insbesondere die HeiligeSchrift, weich werden. Ich möchte das wiederholen.Es macht keinen Sinn wenn derEvangelikalismus immer größer und größerwird., wenn dann zur selben Zeit beachtlicheTeile des Evangelikalismus in Bezug auf dasZentrum, insbesondere die Heilige Schrift,weich werden.Mit Betroffenheit müssen wir sagen, dass aneinzelnen Orten, Seminaren, Institutionenund auch Einzelpersonen, die als Evangelikalebekannt sind, diese nicht mehr an dervollen Position zur Heiligen Schrift festhalten.Die Fragestellung ist klar: Ist die Bibel<strong>Der</strong> <strong>schmale</strong> <strong>Weg</strong> Nr. 2 / 2011 21wahre Wahrheit und unfehlbar in allem,was sie sagt, einschließlich dort, wo sie dieGeschichte und den Kosmos berührt oderenthält sie lediglich in eingeschränktem SinnOffenbarung, wo sie religiöse Themen berührt?Das ist die Frage, und ich möchte esgerne wiederholen. Die Fragestellung istklar: Ist die Bibel wahre Wahrheit und unfehlbarin allem, was sie sagt, einschließlichdort, wo sie die Geschichte und denKosmos berührt, oder enthält sie lediglichin eingeschränktem Sinn Offenbarung, wosie religiöse Themen berührt? ...In unseren Tagen (im Gegenüber zur ZeitMartin Luthers, RM) ist die Schriftfrage derentscheidende Punkt. Ob man an einer starkenSicht der Heiligen Schrift festhält (d.h.inkl. Irrtumslosigkeit, RM) oder nicht, das istdie Wasserscheide der evangelikalen Welt.Die erste Richtung, mit der wir konfrontiertsind, ist, und zu ihr müssen wir sehr liebevoll,aber sehr klar sagen: <strong>Der</strong> Evangelikalismusist nicht konsequent evangelikal, essei denn, dass er eine klare Linie zwischendenen zieht, die eine starke Haltung zurHeiligen Schrift einnehmen und denen, diedas nicht tun.“ [7] (Hervorh.: Red.)Für Schaeffer war klar, dass es hier garkeine Kompromisse geben durfte, auchnicht zugunsten von Evangelisation,auch nicht zugunsten irgendeiner Zusammenarbeitmit Liberalen. Wir würdensonst alle Glaubwürdigkeit verlieren:„Wir wollen wir in einem relativistischemZeitalter Glaubwürdigkeit darstellen, wennwir religiöse Zusammenarbeit mit Leutenpraktizieren, die in ihren Büchern und Vorlesungensehr deutlich machen, dass sienichts oder praktisch gar nichts von dem Inhaltglauben, der in der Heiligen Schrift dargelegtwird?“ [8]