Wenn wir verstehen,was Gnade bedeutet,verstehen wir, dass dieSegnungen des Sühnopfers<strong>Christi</strong> fortbestehenund die Kraft<strong>Christi</strong> sich in unsererSchwachheit erweist.wäre, wenn es sich entschließen würde,eine höhere Ebene zu erreichen.Ähnlich verhält es sich mit <strong>Jesu</strong>s. Er hat<strong>der</strong> Gerechtigkeit Genüge getan und kannsich nun an uns wenden und uns auffor<strong>der</strong>n:„Folgt mir nach“ (Matthäus 4:19)und haltet meine Gebote (siehe Johannes14:15)! Wenn wir meinen, er verlange zuviel von uns, liegt es vielleicht daran, dasswir unser Leben noch nicht mit seinen Augensehen. Wir verstehen noch nicht, waser aus uns machen will.El<strong>der</strong> Dallin H. Oaks vom Kollegium <strong>der</strong>Zwölf Apostel hat gesagt: „Der reumütigeSün<strong>der</strong> muss für seine Sünden leiden, aberbei diesem Leiden geht es nicht um Strafeo<strong>der</strong> Schuldbegleichung. Es geht um Verän<strong>der</strong>ung.“(The Lord’s Way, 1991, Seite223; Hervorhebung im Original.) Übertragenwir das auf unseren jungen Klavierspieler.Das Kind muss üben, aber bei diesemÜben geht es nicht um Strafe o<strong>der</strong> Schuldbegleichung.Es geht um Verän<strong>der</strong>ung.Das Wun<strong>der</strong>bare am Sühnopfer ist nichtnur, dass wir nach dem Tod weiterleben,son<strong>der</strong>n dass wir das Leben in Fülle habenkönnen (siehe Johannes 10:10). Das Wun<strong>der</strong>baream Sühnopfer ist nicht nur, dass wirrein gemacht und getröstet werden, son<strong>der</strong>ndass wir gewandelt werden können (sieheRömer 8). Die heiligen Schriften lassenkeinen Zweifel daran, dass nichts Unreinesbei Gott wohnen kann (siehe Alma 40:26) –und wer sich nicht gewandelt hat, wird diesauch gar nicht wollen.Das Wun<strong>der</strong>bare am Sühnopfer ist nichtnur, dass wir nach Hause zurückkehren,son<strong>der</strong>n dass wir uns dort – wun<strong>der</strong>barerweise– zuhause fühlen können. Wenn <strong>der</strong>Vater im Himmel und sein Sohn keinenGlauben und keine Umkehr von uns verlangenwürden, hätten wir nicht den Wunsch,uns zu än<strong>der</strong>n. Denken Sie an Freunde undAngehörige, die sich entschieden haben,ohne Glauben und ohne Umkehr zu leben.Sie wollen sich nicht än<strong>der</strong>n. Sie versuchennicht, sich von <strong>der</strong> Sünde abzuwenden undsich in <strong>der</strong> Gegenwart Gottes wohlzufühlen.Vielmehr versuchen sie, sich von GottAUSSCHNITT AUS DEM GEMÄLDE CHRISTUS UND DER REICHE JÜNGLING VON HEINRICH HOFMANN, ABDRUCK MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG DER C. HARRISON CONROY CO.44 Liahona
abzuwenden und sich in <strong>der</strong> Gegenwartvon Sünde wohlzufühlen. Wenn<strong>der</strong> Vater und <strong>der</strong> Sohn keine Bündnissevon uns verlangen und uns nichtdie Gabe des <strong>Heiligen</strong> Geistes übertragenwürden, könnten wir uns gar nichtän<strong>der</strong>n. Uns bliebe allezeit nur unsereWillenskraft, und wir könnten GottesMacht nicht in Anspruch nehmen.Wenn <strong>der</strong> Vater im Himmel und seinSohn nicht von uns verlangen würden,dass wir bis ans Ende ausharren,würden wir die Verän<strong>der</strong>ungen nichtmit <strong>der</strong> Zeit verinnerlichen. Sie würdenan <strong>der</strong> Oberfläche bleiben, wären eherkosmetischer Natur, anstatt sich tief inuns zu verwurzeln und zu einem Teilvon uns zu werden – zu einem Teildessen, wer wir sind. Ganz einfachausgedrückt: Wenn <strong>Jesu</strong>s nicht vonuns verlangen würde, dass wir üben,würden wir nie zu <strong>Heiligen</strong> werden.Die Gnade hilft uns„Aber ist dir nicht klar, wie anstrengenddas Üben ist? Ich bin keinguter Klavierspieler. Ich greife so oftdaneben. Es dauert ewig, bis ich einStück richtig spielen kann.“ Momentmal. Gehört das alles nicht zum Lernprozess?Wenn ein junger Klavierspielerden falschen Ton trifft, sagen wirdoch nicht, er sei es nicht wert, weiterzu üben. Wir erwarten nicht, dass erfehlerlos spielt. Wir erwarten nur, dasser weiter übt. Vollkommenheit magletztlich das Ziel sein, aber im Momentgeben wir uns doch damit zufrieden,dass er sich weiterentwickelt. Warumist diese Sichtweise so einleuchtend,wenn es darum geht, Klavier spielenzu lernen, aber so schwer zu verstehen,wenn es darum geht, das, wasvon Gott kommt, zu erlernen?Zu viele geben die <strong>Kirche</strong> auf, weilsie nicht mehr andauernd das Gefühlhaben wollen, den Erwartungen nichtzu entsprechen. Sie haben es versucht,aber sie haben immer wie<strong>der</strong>KERNAUSSAGEN• Wir werden durch die Gnade<strong>Christi</strong> errettet, <strong>der</strong> den Preisfür unsere Sünden gezahlt hat.• Unsere Werke – wie dieUmkehr und das Halten <strong>der</strong>Gebote – retten uns nicht, sindaber von Christus festgelegteVoraussetzungen, die unshelfen sollen, uns zu än<strong>der</strong>n.• Gottes Gnade ist göttlicheMacht, die uns bei all unserenUnzulänglichkeiten hilft unddie wir je<strong>der</strong>zeit in Anspruchnehmen können.das Gefühl, einfach nicht gut genugzu sein. Sie haben nicht verstanden,was Gnade bedeutet.Es sollte nie nur zwei Optionen geben:Vollkommenheit o<strong>der</strong> Aufgeben.Gibt es denn beim Klavierüben auchnur zwei Optionen, entwe<strong>der</strong> in <strong>der</strong>Carnegie Hall aufzutreten o<strong>der</strong> aufzugeben?Natürlich nicht. Wachstum undEntwicklung brauchen Zeit. Lernenbraucht Zeit. Wenn wir verstehen, wasGnade bedeutet, verstehen wir, dassGott langmütig ist, dass Verän<strong>der</strong>ungein Vorgang und dass Umkehr eineVerhaltensweise ist, die uns immer begleitenwird. Wenn wir verstehen, wasGnade bedeutet, verstehen wir, dassdie Segnungen des Sühnopfers <strong>Christi</strong>andauern und die Kraft <strong>Christi</strong> sich inunserer Schwachheit erweist (siehe2 Korinther 12:9). Wenn wir verstehen,was Gnade bedeutet, können wir, wiees im Buch Lehre und Bündnisse heißt,in Geduld fortfahren, bis wir vollkommengeworden sind (siehe LuB 67:13).Die Gnade ist kein Zweitmotor,<strong>der</strong> anspringt, sobald unser Kraftstoffaufgebraucht ist. Vielmehr ist sie immerzuunsere Kraftquelle. Sie ist nichtdas Licht am Ende des Tunnels, son<strong>der</strong>ndas Licht, das uns durch den Tunnelhindurchbringt. Gnade empfängtman nicht irgendwo entlang des Weges.Man empfängt sie hier und jetzt.Die Gnade ist ausreichendDie Gnade <strong>Christi</strong> ist ausreichend(siehe Ether 12:27; LuB 17:8) – ausreichenddafür, unsere Schuld zu begleichen,ausreichend dafür, uns zu wandeln,und ausreichend dafür, uns solange zu helfen, wie <strong>der</strong> Wandlungsprozessdauert. Im Buch Mormonwerden wir dazu angehalten, uns nurauf „die Verdienste und die Barmherzigkeitund Gnade des heiligen Messias“zu verlassen (2 Nephi 2:8). Dabeistellen wir nicht fest, dass Christus –wie manche Christen meinen – nichtsvon uns verlangt. Vielmehr entdeckenwir den Grund, warum er so viel verlangt,und die Kraft, alles zu tun, waser uns aufträgt (siehe Philipper 4:13).Gnade bedeutet nicht, dass Gott keinehohen Erwartungen hat. Gnade bedeutet,dass Gottes Macht mit uns ist(siehe Lukas 1:37).Gottes Gnade ist ausreichend. <strong>Jesu</strong>Gnade ist ausreichend. Sie reicht aus.Mehr brauchen wir nicht. Geben Sienicht auf. Bemühen Sie sich weiterhin.Suchen Sie nicht nach Fluchtwegenund Ausreden. Suchen Sie den Herrnund seine vollkommene Kraft. SehenSie sich nicht nach jemandem um,dem Sie die Schuld geben können. SehenSie sich nach jemandem um, <strong>der</strong>Ihnen hilft. Suchen Sie Christus, dannwerden Sie die helfende Macht, diegöttliche Hilfe spüren, die wir seinewun<strong>der</strong>volle Gnade nennen. ◼Aus einer Ansprache, die am 12. Juli 2011 bei einerAndacht an <strong>der</strong> Brigham-Young-Universität gehaltenwurde. Den englischen Text finden Sie in vollerLänge unter speeches.byu.edu.JUNGE ERWACHSENE<strong>September</strong> 2013 45