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Ordnung in Freiheit

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<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>Beton und DenkmalpflegeRebekka Brandenberger


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>InhaltsverzeichnisÜber 200 Ja hre Handwerk und Kunstgewerbe ...............1«<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>»: sachliche Gliederung ...................3Umsetzung und Kunst am Bau ..............................................4Betonsanierung: die Macht der Pat<strong>in</strong>a ...............................6Hermann Baur (1894–1980) .................................................8Ohne Architektur kaum noch Heimat: Wie Walter MariaFörderer 1954 die Begegnung mit Hermann Baur erlebte 8Résumé ......................................................................................... 10Riassunto ..................................................................................... 10E<strong>in</strong>e der bedeutendsten Bildungs<strong>in</strong>stitutionen der Nordwestschweizzeigt sich Ende 2009 im neuen Glanz mit Pat<strong>in</strong>a: die Bauten der Allgeme<strong>in</strong>enGewerbeschule (AGS) und der Schule für Gestaltung (SfG) <strong>in</strong> Basel.E<strong>in</strong> Meisterwerk der Sachlichkeit aus Beton von Hermann Baur.Es ist nicht nur fester Bestandteil der Tourismuswerbung für die StadtBasel, sondern entspricht auch dem Selbstverständnis vieler ihrer Bewohner:Basel ist e<strong>in</strong>e Stadt der Kunst, Architektur und Kultur. Diese Selbste<strong>in</strong>schätzunghat sich stets gepaart mit e<strong>in</strong>em Hang zur Sachlichkeitund zu pragmatischen Lösungen – Basel ist zweifellos künstlerisch undpraktisch veranlagt. Zwei Bildungs<strong>in</strong>stitutionen vers<strong>in</strong>nbildlichen das: dieAGS, die Allgeme<strong>in</strong>e Gewerbeschule Basel, und die SfG, Schule fürGestaltung. Beide s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den vom Basler Architekten Hermann Baur(1894– 1980) Anfang der 1940er Jahre entworfenen und 1961 fertiggestelltenGebäuden auf dem Sandgrubenareal untergebracht.Über 200 Ja hre Handwerk undKunstgewerbeDie Wurzeln dieser Bildungs<strong>in</strong>stitutionen reichen bis <strong>in</strong>s Jahr 1782zurück. Im Kle<strong>in</strong>basler Kl<strong>in</strong>gental bef<strong>in</strong>det sich damals e<strong>in</strong>e Schule, <strong>in</strong>der junge Handwerker Unterricht <strong>in</strong> Geometrie und Zeichnen erhalten.Die GGG, Gesellschaft für das Gute und Geme<strong>in</strong>nützige, gründet 1796mit Hilfe der Zünfte und des Staates e<strong>in</strong>e an zwei Wochentagen geöffneteZeichnungsschule, die 1842 um e<strong>in</strong>e Modellierklasse erweitert wird. Derdamals offiziell verwendete Name «Zeichnungsund Modellierschule»rührt daher. Das Schulprogramm von 1866/67 spricht erstmals von der«Gewerbeschule». Politische Bestrebungen seit 1882 führen 1886 zurGründung der staatlichen Gewerbeschule. Die alte Zeichnungs- undModellierschule wird trotz Widerstands der GGG und konservativer Krei-- 1 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>Allgeme<strong>in</strong>e Gewerbeschule, Basel (1938–43): Grundriss Erdgeschoss. Oben: Schnitt gegenKunstgewerbetraktse mit dem Grossratsbeschluss vom 20.12.1886 unter dem Namen Allgeme<strong>in</strong>eGewerbeschule übernommen. Zentrale Aufgabe der Institution istes, Lehrl<strong>in</strong>gen und Gewerbetreibenden,neben ihrer Arbeit im Betrieb, allgeme<strong>in</strong>eund fachliche Fortbildung zu bieten sowie die künstlerische undtheoretische Vorbildung von Lernenden <strong>in</strong> kunstgewerblichen Berufen zuermöglichen.Die weitere Geschichte der AGS ist gezeichnet von stetigem Wachstum.E<strong>in</strong> halbes Jahr nach dem Bezug e<strong>in</strong>es Neubaus am Petersgraben imW<strong>in</strong>ter 1893 / 94 müssen bereits Aussenstellen für viele der 780 Schülerund zwei Dutzend Lehrer geschaffen werden. Seit 1919 prüft die Stadtverschiedene Szenarien für den Ausbau der Schule. Erst 1938 / 39 wirdschliesslich e<strong>in</strong> Wettbewerb für e<strong>in</strong>en Neubau auf dem Sandgrubenarealim Kle<strong>in</strong>basel, <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zum Gelände der Mustermesse,ausgeschrieben. Und es dauert zwei weitere Jahrzehnte, bis das ProjektRealität wird und die Raumnot beendet ist. Bis zum Bezug der neuen Bautenan der Vogelsangstrasse 15 im Jahr 1961 s<strong>in</strong>d die Räumlichkeiten vonGewerbe- und Kunstgewerbeschule auf nicht weniger als 35 Filialen <strong>in</strong> derStadt verteilt.- 2 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>Allgeme<strong>in</strong>e Gewerbeschule, Basel (1938–43): Modell, Ansicht von Süden«<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>»: sachlicheGliederungBeim ersten Projektwettbewerb von 1938 /39 erhalten das Büro Bräun<strong>in</strong>g,Leu & Dürig den ersten, Hermann Baur den zweiten und HansSchmidt den dritten Preis. Im darauffolgenden engeren Wettbewerb setztsich Baurs Vorschlag durch. Der Grundgedanke se<strong>in</strong>es Szenarios ist dieAufgliederung der drei Hauptnutzungen <strong>in</strong> unterschiedliche Baukörper:e<strong>in</strong>en fünfgeschossigen Hauptbau für die kunstgewerbliche Abteilung,e<strong>in</strong>en zweigeschossigen Querbau für die Allgeme<strong>in</strong>e Abteilung und dieAdm<strong>in</strong>istration sowie die Werkstättenbauten. Baur reicht se<strong>in</strong>en Entwurfunter dem Titel «<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>» e<strong>in</strong>. Das Preisgericht anerkenntdie «wohl abgewogene Abstufung der durch schultechnische Funktionenbed<strong>in</strong>gten Baumassen» und die «bemerkenswerte Klarheit <strong>in</strong> der Disposition».1 Bauer selbst bekennt zu se<strong>in</strong>em Projekt: «Entgegen gewisserAuffassungen erstrebte der Verfasser e<strong>in</strong>e Lösung des Raumprogramms imGeiste menschlicher Offenheit und <strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>. Diese sche<strong>in</strong>tihm (und nicht e<strong>in</strong>e Monumentalität, deren Wesen übrigens nicht vonäusseren Dimensionen abhängig ist) der gestellten Aufgabe angemessen.» 2In enger Zusammenarbeit mit der Direktion der Gewerbeschule unddem Basler Baudepartement wird das Projekt bis 1942 überarbeitet –und f<strong>in</strong>det breite Anerkennung <strong>in</strong> Fachkreisen. Gegen das Bauvorhabenwird aber das Referendum ergriffen, das Stimmvolk lehnt die Umsetzung1943 ab. Im emotional geführten Abstimmungskampf hört man oft denVorwurf, der Neubau sei e<strong>in</strong> «Schulpalast» oder e<strong>in</strong> «Mammutprojekt» 3 –ganz im Gegensatz zu Baurs Ausführungen, die sich vom monumentalen1. Der Neubau des Gewerbeschulhauses, <strong>in</strong>: Schweizerische National-Zeitung, Basel 1940, Nr.4632. Baur, Hermann: Architektur und Planung <strong>in</strong> Zeiten des Umbruchs; Hrsg. ArchitekturmuseumBasel, Basel 1994, S. 613. Der Neubau der Allgeme<strong>in</strong>en Gewerbeschule, <strong>in</strong>: Schweizerische National-Zeitung, Basel 1943,Nr. 491- 3 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>Maurerhalle: das lebendige Ersche<strong>in</strong>ungsbild des Ortbetons wurde wiederhergestellt (© GSK,Photo Nils Fisch).Anspruch distanzieren. Mitten im Zweiten Weltkrieg ist Basel noch nichtreif für diesen Bau.Doch die Nachkriegszeit beschert der Stadt e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Aufschwungund zugleich e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Belebung der Kunst- und Gestaltungsszene.Die öffentliche Kunstsammlung entwickelt sich – dank Leihgabenaus dem Umfeld der chemisch-pharmazeutischen Industrie – zurhochkarätigen Adresse für Malerei <strong>in</strong> Europa. Zugleich fördert die Präsenzder Schweizer Mustermesse die Entwicklung e<strong>in</strong>er starken Gestalterszene<strong>in</strong> Basel. Es entstehen Fachklassen für Architektur, Innenausbau, Grafik,Modezeichnen und Typographie.Persönlichkeiten wie der Architekt Paul Artaria (1892–1959), derTypograph Emil Ruder (1914–70) und der Grafiker Arm<strong>in</strong> Hofmann(geb. 1920) wirken prägend und begründen den Ruf der Kunstgewerbeschuleweit über die Landesgrenzen h<strong>in</strong>aus. Bereits 1946 werden dieProjektarbeiten weitergeführt, denn die Platznot wird immer akuter. Baurerhält den Auftrag, das Vorhaben noch e<strong>in</strong>mal zu überarbeiten und e<strong>in</strong>enum e<strong>in</strong> Viertel höheren Raumbedarf e<strong>in</strong>zuplanen.Umsetzung und Kunst am BauBis 1961 wird das Projekt mehrmals modifiziert. Die Planungsarbeitenerfolgen ab 1948 bis zur Ausführung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft mitFranz Bräun<strong>in</strong>g, Arthur Dürig und Hans Peter Baur. Städtebauliche Vorzügewie der Haupte<strong>in</strong>gang an der belebten Riehenstrasse werden imVerlauf der Überarbeitung aufgegeben – der E<strong>in</strong>gang bef<strong>in</strong>det sich neuan der «versteckten» Vogelsangstrasse, wo er über den Hof erreicht wird.Auch die beiden Schultrakte, die Aula und die «Maurerhalle» s<strong>in</strong>d derVogelsangstrasse zugewandt. Die Werkstätten h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d neu angeordnetund liegen nun an der Riehenstrasse.Die unterschiedliche Gestaltung der Bauten zieht e<strong>in</strong>e differenzierteVerwendung des Baustoffs Beton nach sich. Der fünfstöckige Schultrakt- 4 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>Im Zentrum: die 8 Meter hohe Säule von Hans Arp dom<strong>in</strong>iert den Innenhof (© GSK, PhotoNils Fisch).ist geprägt durch die glatten Fassadenplatten und die markanten Fensterbänder;Aula und «Maurerhalle» weisen durch den verwendeten Ortbetonund die grobe Schalung skulpturale Qualitäten auf. Die Werkstättenpavillonserhalten als ausgefachte Betonrahmenkonstruktionen den ihrerNutzung entsprechenden <strong>in</strong>dustriellen Habitus.Aufgewertet wird der Innenhof – er ist von den drei Hauptbautenumschlossen und dient als Treffpunkt: im Zentrum e<strong>in</strong>e acht Meter hoheStele von Hans Arp, e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er drei Kunstwerke an diesem Bau. Deramerikanische Architekt und Designer George Nelson schreibt über ArpsStele: «Diese Stele spielt visuell e<strong>in</strong>e derart wichtige Rolle, dass man sichnach mehrmaligem Besuch der Schule den grossen Hof ohne diesen zentralenPunkt nicht vorstellen kann. Die Stele übt <strong>in</strong> eigenartiger Weisee<strong>in</strong>en Druck aus, der <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Verhältnis zu ihrer Grösse steht und wiee<strong>in</strong>e Quelle der Energie wirkt. Sie bereichert die sie umgebenden strengenFassaden, verleiht den Betonmauern durch Verwendung des gleichenMaterials neue Bedeutung und lockert die Starre der Gebäudefluchtendurch ihre lebendige Verb<strong>in</strong>dung von geometrischen und organischenFormen auf.» 44. Baur, Hermann: Architektur und Planung <strong>in</strong> Zeiten des Umbruchs; Hrsg. ArchitekturmuseumBasel, Basel 1994, S. 68- 5 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>E<strong>in</strong> weiteres künstlerisches Element ist die vom Grafiker Arm<strong>in</strong> Hofmannentworfene, <strong>in</strong> sich verschobene Stufenpyramide: Auch sie ist e<strong>in</strong>Beitrag zur Innenhofgestaltung und zugleich e<strong>in</strong> beliebter Treffpunkt.Beleg dafür, wie Baur der Dialog und die Symbiose von Bildhauerkunst,Design und Architektur gel<strong>in</strong>gt. Von 1956 bis 1961 dauern die Bauarbeiten.Sie beenden e<strong>in</strong> halbes Jahrhundert Provisorien für GewerbeundKunstgewerbeschüler. Über 5500 Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler und 219Lehrkräfte f<strong>in</strong>den ab 1961 <strong>in</strong> 195 Gewerbeschulräumen e<strong>in</strong> neues Zuhause.Betonsanierung: die Macht der Pat<strong>in</strong>aDie rege Bautätigkeit der Nachkriegszeit hat nicht nur das Gesichtunserer Städte stark verändert, sondern auch zahlreiche Bauwerke hervorgebracht,die zunehmend als qualitätvolle Architektur geschätzt werden.Die Bauten der 50er und 60er Jahre kommen jetzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Alter,<strong>in</strong> dem umfassende Sanierungsarbeiten notwendig werden. Auch für dieDenkmalpflege ist die Restaurierung dieser vergleichsweise jungen Baudenkmälernoch weitgehend Neuland, da sie sich mit ganz neuen Themenbereichenkonfrontiert sieht: Im Vordergrund stehen nicht mehr nurAlterswert und Substanzerhalt, sondern auch Themen wie Energieverbrauchund Ressourcenschonung, denen <strong>in</strong> der Zeit der Hochkonjunkturkaum Beachtung geschenkt wurde. Die Sanierung solcher Gebäudehüllengeht deshalb immer auch mit e<strong>in</strong>er technischen «Aufrüstung» e<strong>in</strong>her, dieidealerweise den architektonischen Charakter und das Ersche<strong>in</strong>ungsbildwahrt, ohne jedoch die Altersspuren zu tilgen. Im Fall der GewerbeschuleBasel konnten die technischen, ökologischen und denkmalpflegerischenZiele erreicht werden. Im Bewusstse<strong>in</strong> der baugeschichtlichen undkulturellen Bedeutung der Gebäude suchte die Stadt früh die Zusammenarbeitmit der Denkmalpflege – obwohl die Gewerbeschule ke<strong>in</strong>gesetzlich geschütztes Denkmal ist. Das Projekt sah vor, dass mit demErsatz aller Fenster und der Sanierung der Heizung aller Gebäude umfassendeenergietechnische Verbesserungen verwirklicht werden sollten. Diecharakteristischen Betonflächen konnten teilweise im Brüstungsbereichvon <strong>in</strong>nen her leicht gedämmt werden – e<strong>in</strong>e zusätzliche Isolation vonder Aussenseite her wäre nicht nur zu aufwendig gewesen, sondern hättedas Ersche<strong>in</strong>ungsbild grundlegend verändert. Da die Fenster e<strong>in</strong>en grossenFlächenanteil am Gebäude haben, konnte durch deren Erneuerung dieEnergiebilanz stark verbessert werden. Die neuen Holz-Metall-Fensterübernehmen Gliederung, Profilierung und Farbigkeit der ursprünglichenHolzfenster und tradieren so das orig<strong>in</strong>ale Bild.Bei der Oberflächensanierung stand die optische Qualität der Gebäudeim Vordergrund. Dies betrifft vorrangig die charakteristische «Pat<strong>in</strong>a» derverschiedenen Betonarten, vor allem die der stellenweise stark verschmutztenFassadenelemente. Hier hat sich normales Leitungswasser als bestesLösemittel bewährt. Durch das stetige Bewässern der Fassadenelementewährend mehrerer Wochen konnte e<strong>in</strong>e bessere Re<strong>in</strong>igungswirkung erzieltwerden als mit Hochdruckre<strong>in</strong>igung, Hitze und anderen Lösemitteln.Und glücklicherweise konnten dank der Möglichkeiten moderner Betonkosmetik(siehe Interview Dr. Roland Wolfseher und Ruedi Schlotterbeck- 6 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>Neue Fenster: die Verbesserung der Energieeffizienz als wichtiges Anliegen (© GSK, Photo NilsFisch).Bausünde: <strong>in</strong> den 80er Jahren überstrichene Fassade der Aula (rechts) (© GSK, Photo NilsFisch).auf den folgenden Seiten) auch Abplatzungen und andere Betonschäden<strong>in</strong> ästhetisch überzeugender Weise repariert werden – ohne dass heute«Betonflicke» zu sehen s<strong>in</strong>d. Dies gilt auch für Bausünden der 1980erJahre, als etwa die Aussenseite der Aula und die Faltbetonkonstruktionder Maurerhalle mit Farbe überp<strong>in</strong>selt wurden, wodurch e<strong>in</strong> lebendigesGestaltungselement verloren g<strong>in</strong>g.- 7 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>Wenn gegen Ende 2009 die Sanierung der Allgeme<strong>in</strong>en Gewerbeschule(AGS) und der Schule für Gestaltung (SfG) abgeschlossen se<strong>in</strong> wird, wirdman bestimmt fragen: «Ist die Sanierung gelungen? Man sieht ja kaume<strong>in</strong>en Unterschied zu vorher!» E<strong>in</strong> solches Votum ist die beste Bestätigung,dass die Arbeit gelungen ist, denn Beton sollte immer se<strong>in</strong> lebendigesErsche<strong>in</strong>ungsbild und se<strong>in</strong>e Pat<strong>in</strong>a behalten – und damit den Lauf derZeit spiegeln.Hermann Baur (1894–1980)Hermann Baur hat se<strong>in</strong> Leben lang <strong>in</strong> Basel und von Basel aus gewirkt.Nach der Bauzeichnerlehre bei Rudolf L<strong>in</strong>dner wird er 1918 /19 geprägtdurch se<strong>in</strong>e Erfahrungen mit den Pionieren Karl Moser und Hans Bernoullian der ETH Zürich. 1927 macht er sich mit e<strong>in</strong>em eigenen Büro<strong>in</strong> Basel selbständig und schafft <strong>in</strong> den folgenden Jahrzehnten e<strong>in</strong> Werk,das alle Baugattungen umfasst: Städtebau, Wohnungsbau, Schul- und Kirchenbau.Baur ist e<strong>in</strong>er der Architekten, die das Neue Bauen nicht nurpropagieren, sondern auch umsetzen. Er engagiert sich <strong>in</strong> verschiedenenBerufsverbänden und meldet sich häufig zu Wort – auch <strong>in</strong> der Redaktionder Zeitschrift «das Werk». Baur hat e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> sehr pragmatisches Verhältnisgegenüber se<strong>in</strong>en Bauaufgaben – und sucht doch immer auch dieZusammenarbeit mit Künstlern, die gegenseitige Befruchtung von Kunstund Architektur, die er bei vielen se<strong>in</strong>er Bauten umsetzt.Ohne Architektur kaum noch Heimat: WieWalter Maria Förderer 1954 die Begegnung mitHermann Baur erlebte«Es war e<strong>in</strong>er me<strong>in</strong>er wichtigsten Entschlüsse, Hermann Baur anzufragen,ob er mich als Volontär <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Büro nähme. Ich damals: 26 Jahre alt,Bildhauer mit räumlich-plastischen Vorstellungen, die ich mit Bildhauerei- 8 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>nicht verwirklichen konnte, und mit der Hoffnung, dass dies <strong>in</strong> der Architekturg<strong>in</strong>ge …Auf Hermann Baur b<strong>in</strong> ich gekommen wegen der sorgfältigen Durchbildungund der homogenen Gestimmtheit se<strong>in</strong>er Bauten; wegen derÜbere<strong>in</strong>stimmung von deren Äusserem mit ihrer Umgebung und wegender Stimmigkeit, die deren Äusseres mit ihrem Inneren verb<strong>in</strong>det, obwohldieser von Eigenem und von anderem als das Draussen redet. Die Viertelstundeim Juli 1954 ist mir noch gegenwärtig, während der ich HermannBaur erstmals <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Büro gegenüberstand und ihm zu erklären versuchte,warum ich zur Architektur wollte: stumm besah er sich die Fotosvon me<strong>in</strong>en bildhauerischen Versuchen; er w<strong>in</strong>kte me<strong>in</strong> Gestammel abund sagte, mich verabschiedend, s<strong>in</strong>ngemäss etwa: ‹Sie sche<strong>in</strong>en ernsthaftetwas zu wollen; kommen Sie am 1. September und fangen e<strong>in</strong>mal an, sodass wir weitersehen können.›Dass Hermann Baur mit ‹weitersehen› mehr geme<strong>in</strong>t hatte, als ichdamals verstand, g<strong>in</strong>g mir bald auf: ihm war für die Architektur stets nurvon Wert, was er sehen konnte – skizziert, gezeichnet, modelliert; blosseWorte blieben ihm suspekt. – Denken, ja; aber nicht nur beredet, sondernauch veranschaulicht! – Architektur wird benutzt – auch mit den Augen! –Architektur ist ebenso wie Malerei und Skulptur nur optisch realisierbar!Hermann Baur hätte zur Zeit dieser Sätze wohl kaum geglaubt, dass wenigspäter e<strong>in</strong>mal unter den jüngsten Architektenjüngern die Ansicht grassierenwerde, e<strong>in</strong> Architekt könne – ohne Zeichnen, Modellieren – bloss mitWort und Schrift auf se<strong>in</strong>e Suche nach ‹Architekturrelevantem› gehen. –Ne<strong>in</strong>, von Hermann Baur waren jene Sätze nicht gegen solche Irrungen,sondern als H<strong>in</strong>weise geme<strong>in</strong>t zu der besonderen Verantwortung, die e<strong>in</strong>jeder haben sollte, der mit Formen umgeht – bei e<strong>in</strong>em Bau so sehr wiebei e<strong>in</strong>er Plastik. Er sagte denn auch: ‹Mit Form drückt sich etwas aus,teilt sich etwas Unaussprechbares, eben nur über die Form Vernehmlichesmit. Form ist darum nicht beliebig zu gebrauchen; – mit Form muss etwasgewollt werden!›Hermann Baur war mir e<strong>in</strong> guter Lehrer gewesen: das handwerklicheRüstzeug, bautechnische Lernfähigkeit hatte ich über se<strong>in</strong> Büro vermittelterhalten; das Wichtigste hatte er mir selbst e<strong>in</strong>geimpft: künstlerischenMut und Verantwortung! Und diese haben trotz der Wandlungen <strong>in</strong> Bautechnikund gesellschaftlichem Bewusstse<strong>in</strong> noch immer Bedeutung –heute noch oder wieder so sehr wie damals.Dann und wann gehe ich wieder den Bauten von Hermann Baur nach.Sie s<strong>in</strong>d Architektur! – Architektur sei der Produktionsversuch menschlicherHeimat, sagte Bloch <strong>in</strong> unsere Zeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>; Adorno me<strong>in</strong>te mitanderen Worten gleiches. Bleibt die Bauges<strong>in</strong>nung erhalten, so wird – wieauch immer sie aussieht – noch von Architektur die Rede bleiben; wennnicht, dann nur noch von Bauen und auch kaum mehr von Heimat.»(Zitiert nach: BAUr, «Plan und Bau»; Ausstellungskatalog des GewerbemuseumsBasel zur Ausstellung über Hermann Baur, Basel 1975, Seite9)- 9 -


Rebekka Brandenberger<strong>Ordnung</strong> <strong>in</strong> <strong>Freiheit</strong>RésuméL’ordre dans la libertéL’AGS (Allgeme<strong>in</strong>e Gewerbeschule) et l’Ecole d’arts appliqués de Bâle(Schule für Gestaltung, SfG) peuvent se targuer d’une histoire de plusde deux siècles. À l’orig<strong>in</strong>e dest<strong>in</strong>ée à la formation des artisans, la SfGs’est notamment transformée après la 2 e Guerre mondiale en une <strong>in</strong>stitutionjouissant d’un rayonnement national et <strong>in</strong>ternational. Le bâtimenten béton de Hermann Baur a joué un rôle important à cet égard.L’enseignement était jusqu’alors dispensé dans plus de 35 succursales éparpilléesdans la ville de Bâle – cette nouvelle construction y met un terme.Une première ébauche de projet avait été soumise dès 1938/39, mais cen’est qu’en 1961, après ma<strong>in</strong>tes modifications, que le bâtiment sera <strong>in</strong>auguré.Hermann Baur <strong>in</strong>titule son projet «L’ordre dans la liberté». L’idéede base repose sur une structure dom<strong>in</strong>ée par trois éléments pr<strong>in</strong>cipaux:le bâtiment pr<strong>in</strong>cipal de la section Métiers d’art, le bâtiment transversalhébergeant les bureaux de l’adm<strong>in</strong>istration et les barres perpendiculairesdes ateliers. Lors de la restauration du bâtiment effectuée entre 2006 et2009, l’image <strong>in</strong>stitutionnelle et le caractère de l’ensemble ont pu être conservés.Les nouvelles technologies du béton ont toutefois permis de réparerdes dégâts survenus au fil des ans a<strong>in</strong>si que les erreurs des premiers assa<strong>in</strong>issementsdu béton apparent, et des améliorations techniques en matièred’énergie et de domotique ont, par ailleurs, été apportées.RiassuntoOrd<strong>in</strong>e <strong>in</strong> libertàLa scuola di arti e mestieri e la scuola di arti applicate di Basilea vantanouna storia di oltre 200 anni. Dopo la seconda guerra mondiale ha acquisitoimportanza nazionale e <strong>in</strong>ternazionale soprattutto la scuola di artiapplicate, nata <strong>in</strong> orig<strong>in</strong>e da una scuola per artigiani. Il nuovo edificio <strong>in</strong>calcestruzzo di Hermann Baur ha svolto un ruolo di particolare rilievo,poiché ha posto f<strong>in</strong>e alla pluridecennale dissem<strong>in</strong>azione dell’attività didattica<strong>in</strong> oltre 35 sedi cittad<strong>in</strong>e. Il primo progetto risale al 1938 /39, mal’edificio viene <strong>in</strong>augurato solo nel 1961, dopo <strong>in</strong>numerevoli modifiche.Baur presenta il suo progetto con il titolo «ord<strong>in</strong>e <strong>in</strong> libertà». L’idea difondo è costituita dall’articolazione del complesso <strong>in</strong> tre parti pr<strong>in</strong>cipali:la sezione «arti e mestieri» (edificio centrale), la «sezione generale» (alatrasversale, amm<strong>in</strong>istrazione) e la sezione «laboratori » (corpi di fabbricalaterali). L’attuale restauro del calcestruzzo, svolto tra il 2006 e la f<strong>in</strong>e del2009, conserva l’immag<strong>in</strong>e d’<strong>in</strong>sieme e il carattere dist<strong>in</strong>tivo dell’edificio;la tecnologia moderna consente <strong>in</strong>oltre di correggere vecchi difetti e precedentierrori di risanamento del calcestruzzo a vista. L’<strong>in</strong>tervento comprendeanche importanti miglioramenti sul piano della tecnologia energetica edegli impianti tecnici.- 10 -

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