GESELLSCHAFTIm römischen „Palazzo Montecitorio“ fühlt sich Kronbichler wie <strong>Zu</strong>hause.FlorianKronbichlerROM - Florian Kronbichler wurde am 17. Juli 1951 in Reischach geboren und wuchs auf dem sonnigenHochplateau am Fuße des Kronplatz in einer Bauernfamilie auf. Nach dem Doktorat in Politikwissenschaftenan der Universität Padua und ersten Erfahrungen als Vorsitzender der Südtiroler Hochschülerschaft stiegKronbichler als Beamter in die Südtiroler Landesverwaltung ein.22Von Norman LibardoniIm Alter von 30 Jahren schlug erdann <strong>den</strong> Weg als Journalist ein.Nachdem Kronbichler für mehrereJahre gleichzeitig sowohl alsRedakteur für das „Deutsche Blatt“der Tageszeitung Alto Adige, alsauch für die Deutsche Presseagentur(dpa) tätig war, wechselte er imJahre 1988 zum Südtiroler Wochenmagazin„ff“. Dort wurde er zumChefredakteur ernannt und blieb esbis zum Jahr 2000. Gerade in diesenJahren ist Florian Kronbichler zumfreien Journalisten gereift: Auf derletzten Seite der Neuen SüdtirolerTageszeitung publizierte Kronbichlertäglich seine Glosse namens „DasLetzte“, darüber hinaus verfasste erregelmäßig Reportagen. Außerdemschrieb er Leitartikel für die BoznerAusgabe des „Corriere della Sera“sowie verschie<strong>den</strong>e Drehbücher fürdie Sendereihe „Perspektiven“ desRai-Senders <strong>Bozen</strong>. Im Jahre 2005veröffentlichte er eine Biografiemit dem Titel „Was gut war“, über<strong>den</strong> ehemaligen Südtiroler Politikerder Grünen aber vielmehr FreundKronbichlers, Alexander Langer.Schließlich schrieb er im darauffolgen<strong>den</strong>Jahr auch ein Büchleinfür die Freunde der Opernmusik:„30 Jahre im Dienst der großenStimmen für <strong>Bozen</strong>“.Heute ist Florian Kronbichler Parla-mentsabgeordneter in Rom. Auf Vorschlagder Südtiroler Grünen kandidierteer für die Parlamentswahleninnerhalb der Mitte-Links-Partei„Sinistra Ecologia Libertà“ (Sel) fürEIN BESCHEIDENER UNDLÄSSIGER MENSCH, DERES ZU SCHÄTZEN WEISS,IN DER SCHÖNSTENSTADT DER WELT‚PARLAMENTIEREN’ZU DÜRFEN.die italienische Abgeordnetenkammer.Bei seiner ersten Kandidaturtraf Kronbichler gleich ins Schwarze:Er konnte nämlich, aufgrund desMehrheitszuschlags der siegreichenMitte-Links-Parteienkoalition, einMandat erringen. Mit diesem Ergebnisbrach der 62-jährige Politikergleich zwei Rekorde: <strong>Zu</strong>m einenist er der erste deutschsprachigeParlamentsabgeordnete in Rom, dernicht auf der Liste der SüdtirolerVolkspartei kandidierte, zum anderenist er der älteste der siebenSüdtiroler Kammerabgeordnetenin der italienischen Hauptstadt.Über seine Mission als Abgeordneterin Rom, über seinen neuen Alltagund über seine Meinung bezüglichder aktuellen Regierung, erzähltuns Florian Kronbichler in einemexklusiven Interview mit der PLUS.PLUS: Herr Kronbichler, wie sindSie zum Parlamentarier gewähltwor<strong>den</strong>?Ehrlicherweise muss ich zugeben,dass ich recht zufällig zum Postenin Rom gekommen bin. Die letzteNacht, vor Einreichung der Kandidatur,war ich auf dem Heimweg von
GESELLSCHAFTTriest. Als ich <strong>Zu</strong>hause ankam hatman mich mit Motivationsschübenüberfallen und mich in letzter Sekundeüberzeugt zu kandidieren.Anfangs sah ich das Ganze noch alsSolidaritätskandidatur. Letztendlichbin ich <strong>den</strong> Wahlkampf mit allerKraft angegangen, ganz nach demMotto: „Wenn‘s nicht hilft, ist esauch nicht Wert.“ Da ich aber vonmeiner Kandidatur überzeugt waroder besser gesagt überzeugt wurde,begann mein persönlicher Wahlkampfinnerhalb der Mitte-Links-Koalition zwischen <strong>den</strong> Grünen und„Sel“ (Sinistra Ecologia Libertà).Den Bürgern wollte ich von Beginnan das Signal geben, dass keineStimme weggeworfen war. MeinAufruf wurde anscheinend positivaufgefasst, wobei ich das Gefühlhabe, dass mich Großteils „braveMenschen“ gewählt haben. (lacht)Da ich im Leben ein Talent zumGlück habe, hat es schlussendlichum Haaresbreite geklappt.Was ist die Mission Kronbichlersin Rom?Meine Mission in Rom ist ganz klar:Ich <strong>will</strong> mich hier positionieren. Dakeine Stimme verschwendet seinsoll, gebe ich hier mein Bestesund versuche dadurch auch aufallen Parlamentssitzungen anwesendzu sein. Als erster Nicht-SVP-Parlamentarier in Rom bin ich derMeinung, dass man sich nicht nurauf Südtirol beschränken sollte.Südtirol ist viel mehr. Wir könnensehr viel von Italien profitieren, sowie auch Italien von Südtirol Nutzenhat. Besonders am Herzen liegtmir aber, dass man als Südtiroler dieItaliener mitnimmt: Dadurch besageich, dass ich nicht nur im AuftragSüdtirols hier arbeite, sondern michvielmehr als Abgeordneter des Staatesbezeichne.Welche Meinung haben Sie sichüber die aktuelle Regierung undüber die Koalition PD-PDL gebildet?Als Abgeordneter der KoalitionGrünen-Sel bin ich in Opposition zudieser Regierung, deshalb stimmeich bei <strong>den</strong> meisten Vertrauensfragenverpflichtend gegen die Regierung.Grundsätzlich hatte ich dasAnliegen, einem Regierungsbündnisanzugehören, dem war aber nicht„STÄNDIG AUF DEM ROTEN TEPPICH“so. Dennoch halte ich Ministerpräsi<strong>den</strong>tEnrico Letta für einenanständigen Mann und kann meineSympathie ihm gegenüber nichtverkneifen. Er ist zwar ein guterMensch, jedoch von beschränkterFassung. Einer nationalen Traditionzufolge wer<strong>den</strong> in Italien wichtigeEntscheidungen, wie zum BeispielGesetze, aufgeschoben. Trotzdemvertrete ich die Meinung, dass dieRegierung – falls nichts Außergewöhnlichesgeschieht – hält.Wie spielt sich das Leben imParlament ab?Vielleicht liegt es daran, dass ichder älteren Generation der Parlamentarierangehöre, aber ich sehedas ganze parlamentarische Lebensehr gelassen. Es geht zwar nichtganz nobel zu, die Situation schätzeich allerdings nicht viel schlechterals in anderen Parlamenten,beispielsweise im Deutschen oderim Französischen, ein. Leider wirdhier das Parlament im Gegensatzzu anderen Ländern von Regierungund Staatspräsi<strong>den</strong>ten entmachtet.Unter würdelosem Zeitdruck müssenGesetze verändert wer<strong>den</strong>, da sollman sich nicht skandalisieren wennes manchmal nicht ganz lockerFoto: Die Grünenabgeht: Das gehört zum Parlamentarismus.Wie groß war der Sprung von<strong>Bozen</strong> nach Rom?Ja eigentlich gehöre ich der Kategorieder Heimhocker an (lacht).„Die Chance, unter guten Bedingungenin die schönste Stadt derWelt arbeiten zu gehen, wollte ichmir nicht entgehen lassen“.Im „Palazzo Montecitorio“ ist immerein Diener zu Diensten, manbekommt schmackhafte Gerichtezu einem angemessenen Preis undman hat das Privileg, kostenlosTransportmittel benutzen zu dürfen.Wenn ich am Wochenende dieGelegenheit habe nach Hause zufahren, nehme ich aber <strong>den</strong> <strong>Zu</strong>g(2. Klasse), weil ich <strong>den</strong> BoznerFlughafen prinzipiell nicht unterstütze.Der Parlamentarier wirdseinem Ruf als verwöhnter Bürgervollkommen gerecht, ich bin hierständig auf dem roten Teppich.Dementgegen bin ich überzeugt,dass es viele Metho<strong>den</strong> gäbe, Geldeinzusparen.Wie haben Sie sich in Rom eingelebt?In Rom lebe ich sehr mönchisch,wenn man das so sagen kann. Bevorich täglich <strong>den</strong> Frühstückstisch inder Kammer betrete, erlaufe ich mirdie Stadt. Nach der ersten Wochehatte ich bereits alle sieben römischenHügel bestiegen. Zwischeneiner Abstimmung und der anderen,verbringe ich meistens <strong>den</strong> ganzenTag im Parlamentssaal. In Rommöchte ich allerdings keinem Südtiroler-Klubangehören: Die Partei„Sel“, welche ich repräsentiere, hateinen Parlamentarier aus jeder RegionItaliens einberufen. Natürlichsteche ich in diesem Hühnerhaufenals Exot heraus, doch ich habe zuallen ein sehr gutes Verhältnis undlerne auch von jedem was dazu.Wie schwer war es für Sie dieFamilie aus Arbeitsgrün<strong>den</strong> zuverlassen?Im Normalfall fahre ich jedes Wochenen<strong>den</strong>ach <strong>Bozen</strong>, um meineFamilie zu sehen und an Versammlungender Südtiroler Grünen teilzunehmen.Im Endeffekt wartetauch in <strong>Bozen</strong> jede Menge Arbeitauf mich. Meine Familie hat michwährend der Kandidatur enormunterstützt, das möchte ich zurückzahlen.In <strong>Zu</strong>kunft wird sich auchmeine Frau um meine politischenAngelegenheiten kümmern undmich bei der Organisation unterstützen.Die römische Erfahrung istfür mich einmalig, trotzdem glaubeich, dass das Parlament kleinerwer<strong>den</strong> muss. Einer wie ich dürftedarin keinen Platz mehr fin<strong>den</strong>.Welches ist das Ziel der Grünenbei <strong>den</strong> Landtagswahlen 2013?Natürlich wünsche ich <strong>den</strong> Grünenbei <strong>den</strong> diesjährigen Landtagswahlenviel Erfolg, es wird aber nichtleicht wer<strong>den</strong>. Landeshauptmann-Spitzenkandidat Arno Kompatscherist jedoch sicherlich ein harter Brocken.Ein junger Mensch, der einglaubwürdiges und sauberes Bild abgibt.Rein wahlstrategisch wird dasfür die Kontrahenten zum Problem,da das Feindbild der SVP dadurchverwischt wird. Im Allgemeinenstimmt mich die Landtagswahl 2013optimistisch.PLUS: Herr Kronbichler, vielenDank für das Interview und nochviel Erfolg bei ihrem Auftragin Rom.23