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Tro$zdem Nr. 39 Ausgabe Juni 2008 - Justizvollzugsanstalt ...

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WISSENSCHAFTHackordnungim KnastINTERVIEWSozialer Dienst - wofür?Kaum ein Tätigkeitsbereich innerhalb einer JVA ist so vielschichtig und komplex wie der desSozialen Dienstes. Frank Korn vom Sozialen Dienst düfte jedem Insassen durch dasErstgespräch bekannt sein. Hier verrät er mehr über sich und seinen Aufgabenbereich innerhalbder JVA Oldenburg!Eine wissenschaftliche Untersuchungin kalifornischenGefängnissen beschäftigt sichmit der Bildung der so genanntenHackordnung imKnast. Zudem kommt der Wissenschaftlerzu dem Ergebnis,dass Respekt eine Möglichkeitist, Konflikte zu vermeiden.Eine interessante Studie veröffentlichteder WissenschaftlerBrian Colwell von der Universityof Missouri im Fachblatt SocialPsychology Quarterly. ColwellsAusführungen sind Ergebniseiner Befragung von 131 Gefangenenin 16 kalifornischen Gefängnissen.Demnach bestehtdas Bedürfnis der Menschen,sich in der Gesellschaft einersozialen Rangordnung zuzuordnen,gleichermaßen auch inGefängnissen weiter. Allerdingskönnen die Gefangenen sichnicht so sehr über Statussymbolevoneinander abgrenzen, wiedies außerhalb der Gefängnismauernmöglich ist. In Gefängnissenkönne es daher zu Problemenführen, jemanden einerniedrigeren oder höheren sozialenStufe zuzuordnen, oder übereine solche Zuordnung mit anderenzu sprechen. Jeder habeim Gefängnis das Interesse, sicheinigermaßen zu behaupten.Dazu dürfe man weder selbstunterwürfig sein, noch versuchen,andere klein zu machen.Das Gefängnis sei mit seinerGesellschaft von Eingeschlossenenein Mikrokosmos, in dem esständig Auseinandersetzungengäbe. Deren Dynamik sei relevantfür den Umgang miteinanderin einem streitbaren sozialenUmfeld. Gewalt müsse nicht nurals Mittel zur Durchsetzung einerHackordnung gesehen werden,sondern auch als Mittel zur Verstärkungder eigenen Identität.Eine große Rolle spiele daherder Respekt, um Konflikte zuvermeiden. Der Respekt bietedie Möglichkeit, jemanden alsPerson zu ehren, ohne ihn alsbesseren Menschen auszuweisen.Erzählen Sie uns vorab bitteetwas zu Ihrer Person, zuIhrem beruflichen Werdegangund seit wann Sie in der JVAtätig sind.Ich bin jetzt 33 Jahre alt, ledig,habe nach dem Abitur und einem‚Freiwilligen Sozialen Jahr‘die Ausbildung zum Erzieherabsolviert. Daran schloss sichein Studium der Sozialpädagogikmit dem Abschluss als Sozialpädagoge/-arbeiteran. Seitdem 1. April 2003 bin ich in derJVA Oldenburg tätig.Was ist der Soziale Dienst,und welche Aufgaben habenSie?Die Aufgaben des SozialenDienstes leiten sich aus demniedersächsischen Justizvollzugsgesetz(NJVollzG) ab.Zusätzlich gelten die internenRichtlinien des Justizministeriums.Ich selbst bin für die Aufnahmestation,die Sicherheitsstationund als Vertretung vonHerrn Kitchenham für denSuchtberatungsdienst zuständig.Die Zielsetzung des SozialenDienstes besteht darin, denGefangenen zu unterstützen,seine Schwierigkeiten und Problemezu erkennen und diese zuüberwinden. Die Hilfe ist daraufausgerichtet, die Gefangenen indie Lage zu versetzen, ihre Angelegenheitenselbst zu ordnenund zu regeln. Das umfasst inder Aufnahmestation Einzelgesprächezur Klärung der persönlichenSituation, Benachrichtigungder nächsten Angehörigenund eines Rechtsbeistands,Hilfestellung und Beratung beider Erhaltung oder Auflösungvon Wohnraum und Sicherungder Habe und auch die Vermittlungweitergehender Hilfen, wiez. B. Rechts-, Sucht-, Schuldner-,Gesundheits- und Bildungsberatungund Seelsorge.Dazu gibt es Hilfen bei der Kontaktaufnahmezum Arbeitgeber,zum Arbeitsamt oder dem Sozialamt;manchmal auch Kriseninterventionin enger Zusammenarbeitmit dem psychologischenDienst. Bei Mittellosen bin ichoft bei der Erstellung von Taschengeldanträgenan das Sozialamtbehilflich. Darüber hinausgebe ich Informationen über dieFreizeitmöglichkeiten und Behandlungsangebotein der JVA.Während des Vollzuges wirkeich bei vollzuglichen Maßnahmenmit, wie z. B. bei Verlegungen,Überstellungen oder Lockerungen.Es gehört auch zumeinen Aufgaben, bei Behandlungsuntersuchungenund beiVollzugsplanungen mitzuwirken.Ich gebe Einzelberatungen zurLösung persönlicher Schwierigkeiten,bei der Regulierung vonSchulden, der BehandlungsundBildungsmaßnahmen undarbeite mit anderen Behörden,Verbänden und Einrichtungenzur Unterstützung der Inhaftiertenund deren Angehörigen zusammen.Die Hilfen bei der Vorbereitungzur Entlassung umfassen:Mitwirkung bei der Gewährungvon Ausgang und Urlaub,Stellungnahmen zur vorzeitigenEntlassung, Hilfen beider Wohnungssuche, Unterstützungbei der Arbeitssuche undVermittlung an die Berufsberatung.Ich pflege die Zusammenarbeitmit der Bewährungshilfeund den Beratungsstellen derStraffälligenhilfe. Oftmals gehtes um die Beschaffung vonAusweispapieren, Lohnsteuerkartenusw.; auch Fragen zurSozial- oder Arbeitslosenversicherungwerden behandelt.Zudem bin ich an der Vorbereitungzur Aufnahme in Therapieeinrichtungenbeteiligt.Wie kann man den Personenkreisder U-Gefangenen kurzbeschreiben?Bei dem Personenkreis der Untersuchungsgefangenenhandeltes sich sprichwörtlich um Personenwie „du & ich“. Innerhalbmeiner Tätigkeit auf der Aufnahmestationhabe ich verschiedenstePersonen kennengelernt:vom einfachen Arbeiter biszum Mediziner, vom Eigenheimbesitzerbis zum Obdachlosen.Alle Facetten der Gesellschaftsind hierbei vertreten.Was sind die ersten Fragestellungen?Die ersten Fragen sind ebensounterschiedlich und individuellwie die Personen, die mirtäglich gegenüber sitzen. Eshäufen sich allerdings Fragennach der Kontaktaufnahme zuden Angehörigen und demRechtsbeistand. Eine sich häufigwiederholende Frage ist dienach Tabak und ähnlichenRauchwaren.Mit welchen sozialen Problemenkommen die Häftlinge?Viele Inhaftierte befürchten denAbbruch zu den bisherigen sozialenKontakten. Die Orientierungund das Einleben in denVollzugsalltag stellt für vieleInhaftierte eines der größtenProbleme dar. Der Verlust derSelbstbestimmung mit demEinhergehen der Machtlosigkeitist eine große Belastung für dieInhaftierten.Was ist am dringlichsten zulösen?Am dringlichsten sind sicherlichdie Benachrichtigung der Angehörigenund die Beschaffungeines Rechtsanwaltes. Umgehendzu lösen sind Situationen,bei denen es sich um die Versorgungvon Kindern, Pflegebedürftigenund Haustieren handelt.Welche Hilfen können angebotenwerden?Ich erlebe oftmals, dass die erforderlicheHilfe sich insbesonderedarauf bezieht, alle möglichenProbleme, die mit der Inhaftierungeinhergehen könnten,auszuloten und eine Übersichtüber die Gesamtsituationzu erarbeiten. Probleme, dieInhaftierten die größten Sorgenbereiten, stellen sich objektivbetrachtet teilweise als eher12 JVA INTERN TR§TZDEMTZDEM NR. <strong>39</strong> ● MAI <strong>2008</strong>

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