EINKAUFMHD für„Knackis“nicht sowichtig?MK Wenn ein EinzelhändlerLebensmittel mit abgelaufenemMindesthaltbarkeitsdatumanbietet, so macht ersich strafbar und hat dieKonsequenzen zu tragen.Aber in einer JVA kannman so etwas ja mal versuchen.Und es klappt!Artikel mit nur noch kurzerMindesthaltbarkeit werden imEinzelhandel für gewöhnlichvergünstigt abgegeben oderfür wohltätige Zwecke gespendet.Artikel mit überschrittenemMHD dürfen aberunter keinen Umständenmehr verkauft werden.Der Anstaltskaufmann botdaher am 04.01.07 Sinalco-Cola in 0,5-Literflaschen mitnur noch kurzer Haltbarkeitzu einem vergünstigten Preisan. Clever war dabei besonders,die übliche Coca Colanicht anzubieten, aber so weitalles korrekt. Viele haben dasAngebot genutzt, um zu sparenoder mangels Alternative.Am 18.01.08 nun gab es dieSinalco-Cola immer noch,jetzt aber mit überschrittenemMHD, und Coca Cola suchteman weiter vergebens. Einunglaublicher Vorfall, der hoffentlichein Einzelfall bleibenwird.Etwa 60 Gefangene und einigeBedienstete hatten sich gegen14:00 Uhr eingefunden, um Musikaus dem Vollzug und eineLesung mit der Literaturgruppezu hören, mit Kaffee, Tee undStollen verwöhnt zu werden undeinen Film zu sehen.Schon bei der musikalischenDarbietung konnte das Duo„Josef Zimmermann“ (Markus L.am Klavier und Dominic Z. alsSänger) mit selbst komponiertemund gedichtetem Hip Hopmit Jazzeinflüssen und Sprechgesangüberraschen.Jedes der vier Stücke rief großenApplaus hervor. Obwohl dieZuhörer in den Genuss von Uraufführungenkamen, bestätigtenbeide Künstler mit ihremWEIHNACHTSFEIER HAUPTANSTALTHip Hop, Lyrikund HollywoodML Wer etwas Besinnlicheres erwartet hatte, war vielleicht zunächst enttäuscht. Doch das Gefühldürfte nicht lange angehalten haben, denn auf der von Herrn Krügel und Herrn Buß am 3. Adventin der Kapelle initiierten Weihnachtsfeier wurde Besonderes geboten. Das Duo "Josef Zimmermann"überzeugte auf seinem ersten Auftritt mit eigenen Stücken, und der Film "Born to be wild"amüsierte die anwesenden Gefangenen.Können, dass sie nicht zumersten Mal auftraten. Schonbeim Besuch der niedersächsischenJustizministerin ElisabethHeister-Neumann anlässlich derEinweihung der Halle für dieHolzwerkstatt durften sie vorgroßem Publikum spielen. Wennauch etwas ruhiger, aber nichtminder gekonnt, trugen dannGünter Kolkwitz und Markus L.zwei amüsante Kurzgeschichtenvon Horst Evers vor. Hinter denTiteln „Stade“ und „Rheine“ verstecktesich Humoriges, wasallen Anwesenden ein Lächelnins Gesicht zauberte. Die anschließendePause bei Stollen,Keksen und heißen Getränkenwurde gerne zum Plausch zwischenGefangenen genutzt,bevor Herr Buß einen schon mitSpannung erwarteten Film ankündigte.Nun ist Born to be wild (Untertitel:Saumäßig unterwegs) zwarschon allein thematisch keineausgesprochene Weihnachtsstory,aber der Film aus demBiker-Milieu mit den bekanntenSchauspielern John Travolta,Tim Allen, Martin Lawrence undWilliam H. Macy traf den Geschmackder Gefangenen, unddas „Happy End“ passte danndoch wieder in die vorweihnachtlicheZeit. Es war eine sehrgelungene Veranstaltung zurWeihnachtszeit. Den Organisatorenund allen Beteiligten gebührtein herzliches Dankeschön!WEIHNACHTSFEIER GERICHTSSTRAßEDuo der HauptanstaltbegeisterteML Eine äußerst ungewöhnliche Sache begab sich am 27. Dezemberdes vergangenen Jahres in der Abteilung Gerichtsstraße.Denn das Duo „Josef Zimmermann“ aus der Hauptanstaltperformte zur dortigen Weihnachtsfeier der Seelsorge, was allebegeisterte.So etwas hatte es in der langenGeschichte der JVA Oldenburgnoch nicht gegeben. Zur Weihnachtsfeierder Abteilung Gerichtsstraße,die von der Seelsorgeorganisiert wurde, gabdas Duo "Josef Zimmermann"(Markus L. und DominicZ.) dort nach der Weihnachtsfeierder Hauptanstalt ein weiteresKonzert.Dazu wurde das Repertoire desDuos sogar noch um drei Stückeerweitert, so dass die beidennun eine halbe Stunde eigeneStücke zum Besten gebenkonnten. Die etwa 20 anwesendenGefangen, durch dieschlechte Schallisolierung aberwohl auch der Rest der Anstalt,bekamen dieses kleine aberfeine Konzert zu hören. Applausgab es nach jedem Stück, denndeutschsprachiger Hip Hop mitausschließlich eigenen Texten,von denen die meisten eher zumNachdenken anregen, wurdegerne gehört. Gerade zur Weihnachtszeitwar dies eine willkommeneAbwechslung zumansonsten doch eher tristenHaftalltag. Sogar den Seelsorgernhat es gefallen, obwohl HipHop wohl nicht die Musik ihrerGeneration ist. Auf jeden Fallwar diese Aktion wiederholenswert,wobei besonders die guteZusammenarbeit zwischen derHauptanstalt und der Gerichtsstraßezu loben ist. Vielen Dankfür diese gelungene Veranstaltung.6 JVA INTERN TR§TZDEMTZDEM NR. <strong>39</strong> ● MAI <strong>2008</strong>
LESUNGSprachwelten eineswohl einmaligen AutorsML Am 8. Dezember 2007 gab sich Bernd Rauschenbach, Geschäftsführerder Arno-Schmidt-Stiftung, auf Einladung des katholischenSeelsorgers Herrn Kisse die Ehre, in der JVA OldenburgTexte von Arno Schmidt zu rezitieren, und gewährte denanwesenden Inhaftierten Einblicke in die Werke des Autors.Denkt man in der Weihnachtszeitan eine Lesung, so tauchenErinnerungen an besinnlicheWeihnachtsgeschichten etwavon Charles Dickens oder ähnlichenAutoren auf. Arno Schmidtzählt wohl zu den in der Weihnachtszeiteher selten vorgelesenenDichtern. Nicht nur deshalbwar die Lesung am 8.12.07in der JVA ein ganz außergewöhnlichesEreignis.Der Geschäftsführer der Arno-Schmidt-Stiftung Bernd Rauschenbachmachte sich die Müheund las vor knapp 30 Inhaftiertenzunächst eine KurzbiographieSchmidts und danacheinen längeren Ausschnitt ausdem Buch „Schwarze Spiegel“.Arno Schmidt (1914-1979) giltals einer der bedeutendstendeutschsprachigen Schriftstellerder Nachkriegszeit und hat dieseErzählung, die 1950/51 veröffentlichtwurde, bereits währendseiner Kriegsgefangenschaftentworfen. Der Held ist einzigerÜberlebender einer vorangegangenenatomaren Katastrophe.Wie eine Mischung aus „LonesomeCowboy“ und „Robinson“bewegt er sich durch die Landschaftund versucht, sein Lebenfrei und unabhängig zu gestalten.Doch ganz so einsam undnur mit sich allein hält es derHeld nicht aus, er sucht jemanden,dem er sich mitteilen kann.So ist er froh, dass er schließlichdoch auf eine Gefährtin trifft, dieeine Zeitlang sein Schicksal mitihm teilt.Kulturpessimistisch wie die Geschichtezunächst anmutenmag, passte sie doch gut zumGefühlsleben der Inhaftierten.Selbst die wenigen der deutschenSprache nicht so mächtigenGefangenen lauschten gebanntdem hervorragend vorgetragenenWeltuntergangsszenario,dass auf irgend eine Art undWeise zu den Gefühlswelten(einsam in der Haft während derWeihnachtszeit) passte, ohne jedochdirekt trübsinnig zu sein.Dafür sorgte schon der manchmalfeine, gelegentlich auch derbeHumor des Autors; mancheAssoziationen wären als Grundlagefür einen Sketch in einerComedy-Show geeignet. Insgesamtzog der Ausschnitt derGeschichte alle Zuhörer in seinenBann und machte Lust aufmehr von Arno Schmidt.Eine überaus interessante Veranstaltungfür die Gefangenen,gut organisiert vom katholischenSeelsorger Herrn Kisse, derHerrn Rauschenbach nach derVeranstaltung in einem kleinenRundgang noch die Gegebenheitender hiesigen Anstalt zeigenkonnte.Dank der großzügigen Spendeder Arno-Schmidt-Stiftung sindin der Anstaltsbücherei zahlreicheBücher dieses in derdeutschsprachigen Literaturwohl einmaligen Autors vorhanden.Ein Blick in den Bücherei-Katalog lohnt sich also auf jedenFall, um sich einen tieferen Einblickin die Sprachwelten diesesAutors zu ermöglichen.LESUNGIndischer AutorbegeisterteML Einen weiteren Literatur-Leckerbissen gab es am 22. Dezember2007 mit der Lesung des Inders Anant Kumar, dessen unkonventionelleVortragsweise die Zuhörer begeisterte.Unverhofft kommt manchmal oft,hieß es im Dezember des vergangenenJahres in der JVAOldenburg. So gab es innerhalbvon nur zwei Wochen eine zweiteLesung in der Vorweihnachtszeit.Der indische Autor AnantKumar las Texte aus vier seinerbisher veröffentlichten Bücher.Das Besondere daran war, dassHerr Kumar seine Texte nichtauf herkömmliche Weise vortrug,denn er hat sich im Laufevon zehn Jahren eine ganz eigeneVortragstechnik angeeignet,die ihresgleichen sucht. DenSinngehalt der Wörter spiegelter in der Betonung wider, gleichzeitigberücksichtigt er das vonihm gewünschte Tempo derGeschichte sowie deren dramaturgischenEntwicklung, auchunter Einbeziehung der Gestik inseinem Vortrag. So entstehteine gelungene Mischung ausHörspiel, Theater, Sing-Sangund Literatur. Das stellt hoheAnforderungen an den Vortragenden,so war Herr Kumar imDienst der Sache mehrmals amRande seiner Lungenkapazität.Afugrnud enier Sduite an enierelingshcen Unvirestiät ist eseagl, in wlehcer Rienhnelfogedie Bcuhtsbaen in eniem Wrotsethen, das enizg wcihitge dbaeiist, dsas der estre und lzeteBcuhtsbae am rcihgiten Paltzsnid. Der Rset knan ttolaerBölsdinn sein, und Du kansnt estorztedm onhe Porbelme lseen.Das ghet dseahlb, wiel wir nchitBcuhtsbae für Bcuhtsbaeenizlen lseen, snodren Wröetrals Gnaezs.Auch für die Zuhörer ist es eineungewohnte Art, eine Geschichtezu hören, und in diesem Fallauch gleichzeitig zu sehen undzu erleben. Anant Kunar machtein Indien auf einer auf die deutscheSprache spezialisiertenSchule seine Hochschulreifeund studierte in Kassel und Lyondeutsche Literatur. Bereits imAlter von 26 Jahren veröffentlichteer mit einem Lyrikbandsein erstes Buch, bisher erschienenzehn Bücher von ihm. Dasaktuelle Buch heißt „3 Hühnerim Käfig“ und ist eine Sammlungvon Geschichten, Satiren undGrotesken. Leider hatte HerrKumar im Anschluss an die Lesungnur noch wenig Zeit, soblieb die sich spannend entwickelndeDiskussion mit demAutor nur ein Anriss. Die (leider)wenigen Zuhörer waren auf jedenFall positiv überrascht undkonnten eine ganz neue Anregungund Erfahrung im Umgangmit Literatur mit auf ihre Hafträumenehmen. Vielen Dank anFrau Barkemeyer für dieseninnovativen Input.HIRNFORSCHUNGWortakrobatikDass unser Gehirn nicht immer so arbeitet, wie wir es erwartenwürden, haben wir ja sicher alle schon mal bei optischen Täuschungengemerkt. Dass es aber selber beim Auffassen komplexerTexter viel weniger Informationen braucht als man denkt,zeigt folgender Text. Einfach mal drauflos lesen, auch wenn eskomisch aussieht:Aufgrund einer Studie an einerenglischen Universität ist esegal, in welcher Reihenfolge dieBuchstaben in einem Wortstehen, das einzig wichtigedabei ist, dass der erste undletzte Buchstabe am richtigenPlatz sind. Der Rest kann totalerBlödsinn sein, und Du kannst estrotzdem ohne Probleme lesen.Das geht deshalb, weil wir nichtBuchstabe für Buchstabeeinzeln lesen, sondern Wörterals Ganzes.TR§TZDEMTZDEM NR. <strong>39</strong> ● MAI <strong>2008</strong> JVA INTERN 7