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Hilpold: Das Kosovo-Problem – ein Testfall für das Völkerrecht

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<strong>Das</strong> <strong>Kosovo</strong>-<strong>Problem</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Testfall</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Völkerrecht</strong> 797Volkes nun nicht mehr gegeben sei und an der Bereitschaft Serbiens, dem <strong>Kosovo</strong><strong>ein</strong>e substantielle Autonomie zu gewähren, nicht mehr zu zweifeln sei. 58Tatsächlich ist der genannte Anspruch schon vom Ansatz her unhaltbar. Ein Sezessionsrechtals Notwehrrecht gibt es nicht. 59 Die Sezession ist <strong>ein</strong> Phänomen, <strong>das</strong>vom Mutterstaat in der Regel in härtester Form militärisch bekämpft wird. Die vonGeorges S c e l l e beschriebene “Obsession der Staaten in Territorialfragen” 60giltnach wie vor. Setzt sich allerdings <strong>ein</strong>e sezedierende Einheit durch, so ist damit <strong>ein</strong>eneue Realität geschaffen worden, die als Faktum Anerkennung finden kann.Gehen den Sezessionsbestrebungen schwere Menschenrechtsverletzungen voraus,so kann dies die politische Legitimität der Sezessionsbemühungen bestärken. Inder Regel wird dies auch dazu beitragen, die Entschlossenheit des betreffendenVolkes zu festigen. U.U. ist sogar mit <strong>ein</strong>er externen Unterstützung zu rechnen,die von politischem Druck anderer Staaten bis hin zu <strong>–</strong> an und <strong>für</strong> sich verbotener<strong>–</strong> militärischer Unterstützung reichen kann. Selbst diese politische Legitimität, dievon <strong>ein</strong>er Gewalteskalation abgeleitet wird, erweist sich aber als problematisch, dadies sezessionswillige Gruppen gerade dazu verleiten kann, <strong>ein</strong>en solchen Exzess inKauf zu nehmen, ja sogar bewusst herbeizuführen. Auch wenn es also <strong>für</strong> <strong>das</strong>Konzept der “remedial secession” insbesondere in <strong>ein</strong>em rechtsphilosophisch/naturrechtlich angehauchten Teil der angloamerikanischen <strong>Völkerrecht</strong>slehre bzw.Politikwissenschaft 61 , z.T. aber auch in der deutschen <strong>Völkerrecht</strong>swissenschaft 62breite Unterstützung gibt, kann da<strong>für</strong> auf normativer Ebene k<strong>ein</strong> überzeugenderNachweis erbracht werden. 63Ganz wesentlich da<strong>für</strong>, ob sich <strong>Kosovo</strong> als selbstständiger Staat wird behauptenkönnen, ist die Frage der Anerkennung. Die intensiven Bemühungen der kosovarischenRegierung, Anerkennungserklärungen <strong>ein</strong>zuwerben, sind <strong>ein</strong> deutlicherHinweis da<strong>für</strong>, <strong>das</strong>s die traditionelle Lehre, wonach der Anerkennungserklärungall<strong>ein</strong> deklaratorische Wirkung zukommt, zu relativieren ist. 64 Die Lehre von derall<strong>ein</strong> deklaratorischen Wirkung der Anerkennungserklärung ist vor dem Hintergrunddes Dekolonialisierungsphänomens entwickelt worden. <strong>Das</strong> allgem<strong>ein</strong> anerkannteund von den Ver<strong>ein</strong>ten Nationen forcierte Selbstbestimmungsrecht der58Vgl. K.A. W i r t h , <strong>Kosovo</strong> am Vorabend der Statusentscheidung: Überlegungen zur rechtlichenBegründung und Durchsetzung der Unabhängigkeit, in: 67 ZaöRV 2007, 1107-1139 (1068 ff.).59Vgl. dazu ausführlich P. H i l p o l d , Die Sezession <strong>–</strong> zum Versuch der Verrechtlichung <strong>ein</strong>esfaktischen Phänomens, in: 63 ZÖR 2008, 117-141.60Vgl. G. S c e l l e , Obsession du Territoire, in: Symbolae Verzijl, Den Haag 1958, 347-361.61Vgl. bspw. A. B u c h a n a n , Secession as a Remedial Right, in 50 Inquiry 4/2007, 395-423; L.B r i l m a y e r , Secession and Self-Determination, in: 16 Yale Journal of International Law 1991, 177-202; F.R. T e s ó n , A Philosophy of International Law, Boulder 1998.62Siehe insbesondere K. D o e h r i n g , Self-Determination, in: B. Simma (Hrsg.), The Charter ofthe United Nations, Bd. 1, 2. Aufl. 2002, Rn. 29.63Für <strong>ein</strong>en Detailnachweis vgl. H i l p o l d (Anm. 59).64Vgl. dazu P. H i l p o l d , Die Anerkennung der Neustaaten auf dem Balkan. Konstitutive Theorie,deklaratorische Theorie und anerkennungsrelevante Implikationen von Minderheitenschutzerfordernissen,in: Archiv des <strong>Völkerrecht</strong>s 4/1993, 387-408.ZaöRV 68 (2008)http://www.zaoerv.de/© 2008, Max-Planck-Institut <strong>für</strong> ausländisches öffentliches Recht und <strong>Völkerrecht</strong>

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